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LaRouche mit 99 Jahren

Lyndon H. LaRouche (8. September 1922 – 12. Februar 2019), Wirtschaftswissenschaftler, Staatsmann und philosophischer Denker, hat bewiesen, dass eine einzelne Person, ohne eine von außen bestimmte Autorität, durch die Kraft der Vernunft die Welt verändern kann. Nicht nur durch seine Schriften, sondern auch durch sein Handeln und seine Person bewies LaRouche, daß die Menschheit physikalische Gesetze erfinden, entdecken und anwenden kann, die die Biosphäre nicht nur verändern, sondern verbessern. Seine zahlreichen Vorschläge für Wissenschaftsprogramme in der Kernfusion und im Weltraum, für eine gerechte Neuordnung des internationalen Bankensystems, für grundlegende Änderungen in der Gestaltung des Unterrichts an Grund- und weiterführenden Schulen und für die Identifizierung der Rolle klassischer Formen der dramatischen und musikalischen Komposition bei der Steigerung der Fähigkeit zu kreativem Denken sind genau die Ideen, die den Weg für die nächsten fünfzig Jahre der Erde weisen.

Anläßlich seines 99. Geburtstages bieten wir drei Clips von Lyndon LaRouche an, in denen er diese entscheidenden Konzepte diskutiert:

On the Case of Hamlet (1996, engl)

LaRouche Prison Interview: Economic Sovereignty vs. Empire (1991, engl)

Creativity As Such (2011, engl)


Warum die Briten Shakespeare und LaRouche hassen

Um die neue Webseite „Shakespeare im Exil“ des Schiller-Instituts anzukündigen, wurde das folgende Zitat von Lyndon LaRouche übernommen, dessen Geburtstag sich heute zum 99. Mal jährt: „…Er hat sein Leben für die Gerechtigkeit in seiner Nation und für die Sache aller Unterdrückten dieser Welt eingesetzt. Für diese Sache hat er die Beleidigungen auf sich genommen, die die übel Gesinnten und Narren dieser Welt über der bloßen Erwähnung meines Namens ausschütten…“ Zitiert aus: Lyndon LaRouche, „Zum sechzigsten Geburtstag seiner Exzellenz, des ehrenwerten Frederick [R.] Wills, Esquire“, 16. September 1988.

Dieser Anspruch als Standard der eigenen Integrität ist erforderlich, um in Krisenzeiten klar – also nicht tragisch – zu denken. Auch wenn ein Staatsoberhaupt oder andere Personen teilweise mutig korrekte, manchmal bedeutsame Entscheidungen treffen, erfordert das dauerhafte Überleben einer Nation oder einer Zivilisation eine intellektuelle Beständigkeit, die nur durch ein tiefes Eintauchen in die Erzeugung und/oder die Darbietung klassischer Kunst erreicht werden kann, und zwar auf Seiten der Bürgerschaft wie auch der Staatsführung.

Fred Wills, der frühere Außen- und Justizminister von Guyana, sprach am 27. September 1976 vor den Vereinten Nationen nicht nur über Schuldenmoratorien für die Länder der Dritten Welt, sondern auch über die Einrichtung der von Lyndon LaRouche vorgeschlagenen Internationalen Entwicklungsbanken. Er konnte den Mut dazu aufbringen, während andere auch während dieser UN-Sitzung daran scheiterten, weil seine Seele stark im Studium der klassischen Kultur verwurzelt war, die er als Hauptwaffe gegen den Rassismus und die Verkommenheit des „British Commonwealth“ einsetzte. Zwei Jahre später ging Wills ins unfreiwillige Exil in die Vereinigten Staaten, wo er sich Lyndon LaRouche anschloß, nicht nur im Kampf gegen die malthusianische Bevölkerungsreduktionspolitik Henry Kissingers, George H. W. Bushs und anderer britischer Geheimdienstagenten und -machenschaften. Auch lehrte und vertiefte er seine Studien der Werke Platons, Sophokles‘, Aischylos‘ und vor allem William Shakespeares.

Heute scheint es, als ob die Malthusianer, die Möchtegern-Iagos, die die COP26-Klimakonferenz in Glasgow auf die Beine zu stellen versuchen, plötzlich erkannt hätten, daß die „Vierte Welt“ jener Länder, die einst von Weltbankchef Robert MacNamara im Jahre 1974 auf die rote Liste gesetzt wurden und nun die Hauptziele zur Auslöschung durch die „Erderwärmer“ darstellen, nicht unbedingt dazu bereit seien, den Othello zu spielen. Sie könnten letztere stattdessen in Verlegenheit bringen, indem sie die feierliche verrückte Sitzung schlicht boykottierten. Von den 62 Ländern, die das Vereinigte Königreich als „Länder der roten Zone“ identifiziert hat – Länder, in denen nur ein kleiner oder vernachlässigbarer Teil der Bevölkerung geimpft ist – befinden sich 61 in der (schwarzen, braunen, oder gelben) „Dritten (Vierten) Welt“. Da diejenigen, die aus Ländern der roten Zone kommen, nach ihrer Ankunft in Glasgow mindestens zehn Tage lang in Quarantäne bleiben müssten, besteht die Gefahr, daß viele dieser Länder angesichts der Kosten, der Krankheit und allem voran der guten Gelegenheit einfach gar nicht erscheinen werden. Zusammengenommen mit dem bekannten Widerstand Rußlands, Chinas und Indiens gegen die Pseudowissenschaft der globalen Erwärmung scheint es dem britischen Geheimdienst klar geworden zu sein, daß es klug wäre, „schon davor die Reißleine zu ziehen“. Deshalb fordern nun nicht weniger als 1.500 Umweltschutzgruppen, die Konferenz zu verschieben.

Ihre Sprecherin ist eine gewisse Taneem Essop vom Climate Action Network International. Essop, die Geschäftsführerin von CAN-I, ist eine Einflußagentin der britischen Geheimdienste. Zuvor war sie internationale Beraterin für Klimapolitik beim World Wide Fund for Nature/World Wildlife Fund. Außerdem arbeitete sie als „Education Officer“ für den British Council, der manchmal als Teil der „Soft-Power-Arm der britischen Außenpolitik“ bezeichnet wird. Der British Council, der 1934 gegründet wurde, ist eine vom Außen- und Commonwealth-Amt geförderte „nicht-ministerielle öffentliche Einrichtung“.

Die COP26-Konferenz in Glasgow könnte nun die gleiche Gelegenheit bieten wie die jüngsten britischen Ausraster über den Abzug aus Afghanistan, um – gerade auch für Leichtgläubige – die Absprachen zwischen verräterischen Teilen des amerikanischen Militär-, Finanz-, Medien- etc. Establishments mit der City of London aufzudecken, deren politische Interessen gegen alles gerichtet sind, wofür die Vereinigten Staaten stehen. Die Synarchie, ob sie nun von Possenreißern wie dem brasilianischen Bolsonaro, Wichsern wie Tony Blair, Leichenfledderern wie Mark Carney oder dem scheinbar unbegrenzten Vorrat an Schwachköpfen repräsentiert wird, die von der Queen im Laufe ihrer 69-jährigen Regentschaft zum Ritter geschlagen wurden, kann von denjenigen besiegt werden, die wie Beethoven, Händel, Bach und Schiller den Mut dazu haben, klassisch zu denken und dabei gegen (männliche) Widerstände (in jeder Hinsicht) zu treten. Das ist der wahre Grund, warum die Briten Shakespeare abgrundtief hassen.

Bitte beachten Sie auch eine sich abzeichnende Entwicklung, die in den nächsten Tagen und Wochen weiter hervortreten wird, nämlich die aktuellen russischen Hinweise im Zusammenhang mit der Richtigstellung von Vorkommnissen während des 2. Weltkriegs in Bezug auf biologische Waffen und Waffenlabors in Georgien, der Ukraine und möglicherweise an anderen Orten, die von der NATO und den Anglo-Amerikanern betrieben werden. In Anbetracht der Gedenkfeiern zum 20. Jahrestag der Anschläge vom 11. September in dieser Woche und der Tatsache, daß der Milzbrandanschlag vom 18. September 2001 den Kongress der Vereinigten Staaten zunächst für Wochen außer Gefecht setzte und den stellvertretenden Direktor von Fort Detrick zu der Erklärung nötigte, der bei diesem Anschlag verwendete Milzbrand sei „zu ausgeklügelt, um von uns entwickelt worden zu sein“, wird die biologische Kriegsführung wohl oder übel zur Sprache kommen, vielleicht sogar bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen, die nächste Woche beginnt.

Zum Abschluß wenden wir uns Fred Wills‘ folgenden Bemerkungen über Lyndon und Helga Zepp-LaRouche zu, die zu Lyns heutigem Geburtstag passen:

„Wir sind mit unzähligen Stärken gesegnet. Wir konzentrieren uns so sehr darauf, was der Feind über uns sagt, daß wir vergessen, was wir selbst sind. Die wichtigste unserer Stärken ist die kreative Führung und der fruchtbare Intellekt von Lyndon und Helga LaRouche. Wir haben mit dem Schiller-Institut die formale Verkörperung der Seele des menschlichen Genies. Wir müssen uns eines solchen Erbes würdig erweisen… Ich möchte in Ihrem Namen Lyn und Helga sagen, daß wir beabsichtigen, ihrer Führung würdig zu sein. Und unseren Feinden … sagen, daß wir niemals versagen werden, daß wir niemals zögern werden, daß wir immer neue Flanken öffnen und immer wieder mächtige Schläge ausführen werden, bis die Gerechtigkeit als unvergängliche Achse unserer menschlichen Existenz zurückkehrt …“

Fred Wills, Andover, Massachusetts, 1988.


Video: Covid-19 und Triage: Die schiefe Ebene

Ein Dialog von Mitgliedern des „Komitee für die Coincidentia Oppositorum“ zum Thema Triage während der Covid-19 Pandemie


Schiller-Institut veröffentlicht Plan für den Wiederaufbau von Haiti

Das Schiller-Institut hat anläßlich der Krise um die haitianischen Flüchtlinge ein Programm für den Wiederaufbau Haitis als Teil eines regionalen Entwicklungsprogramms für die Karibik und Mittelamerika ausgearbeitet. Es erschien in der Ausgabe von Executive Intelligence Review (EIR) vom 1. Oktober und war am 25. September Gegenstand eines Seminars des Manhattan-Projekts.

Der Plan spiegelt die moralische Mission wider, die der verstorbene Lyndon LaRouche vor einem Jahrzehnt definiert hat. Die zusätzliche Voraussetzung heute ist, daß China und die Vereinigten Staaten bei der Umsetzung im Rahmen der Gürtel- und Straßen-Initiative zusammenarbeiten müssen.

Das Seminar vom 25. September und die Veröffentlichung des Aufbauplans haben eine lebhafte Diskussion in der haitianischen Diaspora in den USA ausgelöst, ebenso wie unter haitianischen und dominikanischen Freunden des Schiller-Instituts in der Dominikanischen Republik, wo zwei Tageszeitungen einen hervorragenden Bericht über das Programm veröffentlichten.

Der Plan des Schiller-Instituts zur Entwicklung Haitis

Von Richard Freeman und Cynthia Rush

– Erster Teil –

Jeder moralische, mitfühlende Mensch war entsetzt über die Bilder, die am Wochenende des 18. und 19. September durch die Weltmedien gingen, als 12.000 haitianische Migranten unter der Del Rio International Bridge in Texas unter unmenschlichen Bedingungen zusammengepfercht wurden, während sie verzweifelt hofften, in den Vereinigten Staaten Asyl zu finden. Nach dem schrecklichen Erdbeben in Haiti vom 12. Januar 2010 waren Zehntausende Haitianer aus ihrem zerstörten Land geflohen und hatten Zuflucht in anderen iberoamerikanischen Ländern gesucht, die sie nun wieder verließen, als das Gerücht aufkam, die USA böten haitianischen Migranten einen Sonderstatus.

Das war nicht der Fall, und die Regierung Biden, die sich gerne ihrer „humanen“ Einwanderungspolitik brüstet, begann am 19. September, Haitianer wie Vieh in Flugzeuge zu verfrachten, um sie alle in den nächsten sechs Wochen in ihre „Heimat“ zurückzubringen – obwohl Haiti von einer wütenden COVID-Pandemie, einem Zusammenbruch der Wirtschaft und zusätzlich den Folgen des Erdbebens der Stärke 7,2 vom 14. August geplagt ist. Von den vielen verschiedenen Nationalitäten von Migranten, die sich an der US-Grenze versammelt haben, wurden nur die Haitianer sofort abgeschoben. Viele, die am 20. September in der Hauptstadt Port-au-Prince landeten, berichteten, daß man ihnen beim Einsteigen nicht einmal sagte, wohin die Reise ging. Einige erklärten, sie seien während des Fluges an Händen, Hüften oder Füßen gefesselt worden.

Man fühlt sich fast schon an die Judentransporte im Dritten Reich erinnert, die auf Eisenbahnwaggons verladen und in den Tod geschickt wurden. Jedenfalls erinnert es an den Rassisten Thomas Jefferson, der verkündete, nachdem er 1801 Präsident geworden war, sobald die kriegführenden Nationen Großbritannien und Frankreich Frieden geschlossen hätten, würden die Vereinigten Staaten zusammen mit ihnen daran gehen, „die Pest“ (der Schwarzen) auf die Insel Saint Domingue – das heutige Hispaniola, wo Haiti liegt – „zu verbannen“.

Ein besonders erschütterndes Video der aktuellen Krise zeigt einen US-Grenzschutzbeamten zu Pferd, der haitianische Migranten im Wasser des Rio Grande (dem Grenzfluß zu Mexiko) mit den Zügeln bedroht und sie zusammentreibt, als wären sie entflohene Sklaven einer Südstaatenplantage des 19. Jahrhunderts.

Angesichts dieser „verwerflichen Gleichgültigkeit“ einer Regierung, welche die Folgen ihrer mörderischen Politik bewußt ignoriert, flehen die haitianischen Behörden die Vereinigten Staaten vergeblich an, die Abschiebungen zu stoppen, weil sie unter den derzeitigen Krisenbedingungen keinen solchen Zustrom von Menschen bewältigen können.

Am 20. September zitierte der Miami Herald den Leiter des haitianischen Migrationsamtes, Jean Negot Bonheur Delva: „Wenn man in diesem Moment Menschen nach Haiti zurückführt, angesichts von COVID-19, sollten die USA versuchen, Haiti mit einem humanitären Moratorium zu helfen.“

Die schreckliche Situation schreit nach dringender humanitärer Hilfe, aber auch nach einem Schnellprogramm für wirtschaftliche Entwicklung. Die USA und andere müssen die Mission annehmen, die der verstorbene amerikanische Staatsmann und Ökonom Lyndon LaRouche kurz nach dem Erdbeben von 2010 skizzierte, als er die US-Regierung aufforderte, einen 25-jährigen Vertrag mit Haiti zu unterzeichnen, um beim Wiederaufbau der Wirtschaft zu helfen. Das haitianische Volk sei „einer schrecklichen Geschichte ausgesetzt gewesen. Man hat ihm dies versprochen und es betrogen, man hat ihm das versprochen und es betrogen, und wieder versprochen und betrogen. Aber nie erfüllt.“ Jetzt sei es an der Zeit, die Zusagen zu erfüllen, betonte LaRouche damals. Keine Trostpflaster oder Flickschusterei. „Wir schließen einen Vertrag mit der Regierung, einen Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten und Haiti, um den Wiederaufbau ihres Landes in einer Form zu gewährleisten, in der es tatsächlich ein funktionierendes Land sein wird, das überleben kann.“

Heute, ein Jahrzehnt später, kann und muß die von LaRouche beschriebene Mission erfüllt werden, und jetzt muß auch China als wichtiger Partner einbezogen werden, um Haiti aus der erdrückenden Armut zu befreien und es zum Modellfall für die wirtschaftliche Entwicklung der westlichen Hemisphäre und der Welt zu machen.

Richtig ist, daß Haiti im Einzugsbereich von Erdbeben und Wirbelstürmen liegt. Das ist ein Problem, das man mit moderner Technik in den Griff bekommen kann. Die größte Schwierigkeit ist, daß das Land unter einem ungeheuren Mangel an moderner Infrastruktur leidet, die für den Aufbau eines universellen Gesundheits- und Abwassersystems unverzichtbar ist. Für ein solches System benötigt man sauberes Wasser, funktionierende Straßen- und Schienenkorridore, Bildung, Stromversorgung, Häfen und Flughäfen. Alle diese Infrastrukturen erfordern erdbebensichere Städte, mit Strukturen, wie man sie in Japan gebaut hat, und den Aufbau einer landwirtschaftlichen Infrastruktur mit Hochtechnologie, damit die Landwirte ein wachsendes, nahrhaftes Nahrungsmittelangebot erzeugen können.

Der Wiederaufbau Haitis ist eine gewaltige Aufgabe, weil das Land zwei Jahrhunderte lang absichtlich mit malthusianischer Politik zerstört wurde. Jeder einzelne Sektor der physischen Wirtschaft muß von Grund auf neu oder wieder aufgebaut werden, um der verarmten Bevölkerung zu helfen. Aber das ist keine unlösbare Aufgabe, wenn China und die Vereinigten Staaten zusammen mit anderen Ländern des Karibischen Beckens und Mittelamerikas im Rahmen einer erweiterten Gürtel- und Straßeninitiative in der gesamten Region zusammenarbeiten.

Dazu muß Haiti diplomatische Beziehungen zu China aufnehmen. Es ist noch eines der wenigen Länder der Welt, das stattdessen diplomatische Beziehungen zu Taiwan unterhält. China besteht zu Recht darauf, nur mit Ländern zusammenzuarbeiten, die das Ein-China-Prinzip anerkennen, und Haiti wäre gut beraten, dem Vorbild der benachbarten Dominikanischen Republik zu folgen, die kürzlich mit Taiwan brach und Beziehungen zu China aufnahm, wenn es Hoffnung auf eine chinesische Beteiligung am Wiederaufbau haben will.

Vorsätzlicher Völkermord…

Jedesmal, wenn eine „Naturkatastrophe“ das Land heimsuchte, wurde Haiti einer vorsätzlichen Entvölkerungspolitik unterworfen. Seit 125 Jahren wird Haiti von der Londoner City, der Wall Street und anderen transatlantischen Banken (besonders französischen) ausgeplündert, später kamen der Weltwährungsfonds (IWF) und andere multilaterale Kreditgeber hinzu, und dem Land wird systematisch das Recht verweigert, sich zu einer modernen Nation zu entwickeln. Angesichts wiederholter Katastrophen hat man es immer wieder schutzlos sich selbst überlassen – das Erdbeben vom 14. August 2021 ist nur der jüngste Fall.

Das Programm des Schiller-Instituts für den Wiederaufbau und Aufbau Haitis, dessen erster Entwurf hier vorgestellt wird, umfaßt einen einheitlichen Infrastrukturplan, der über ein Hamiltonisches System – das als zentrales Element einer Konkurssanierung des zerfallenden internationalen Finanzsystems eingerichtet werden muß – mit großzügigen projektgebundenen Krediten finanziert wird. Nach vorläufigen Schätzungen des Schiller-Instituts wird ein tragfähiges Wiederaufbauprogramm für Haiti zwischen 175 und 200 Milliarden Dollar kosten, also 17,5-20 Mrd. Dollar jährlich über zehn Jahre.

Der Staatsmann und Wirtschaftswissenschaftler Lyndon LaRouche sagte in einem internationalen Internetforum am 13. März 2010 über die Prioritäten der Entwicklung:

„Schauen Sie sich den Fall [der Erdbeben] in Kalifornien an, das ist in gewissem Sinne ein vergleichbarer Fall… Schauen Sie sich die Zahl der Todesopfer, Verletzten und anderes bei den kalifornischen Beben im Vergleich zu Haiti an. Was macht den Unterschied? Die Infrastruktur!“

Früher hatte LaRouche in einem Radiointerview am 4. März 2004 über Haiti folgendes gesagt:

„Meiner Meinung nach sollte man immer vom schlimmsten Fall ausgehen, um eine Strategie festzulegen. Im eigenen Land schaut man sich die ärmste Bevölkerungsschicht an und fragt sich: ,Wird diese Strategie für ihre Kinder und Enkel funktionieren?‘ Und wenn sie für die Ärmsten funktioniert, dann wird sie wahrscheinlich für alle funktionieren. So wie Franklin Roosevelt das definiert hat: Wendet euch immer an den ,vergessenen Mann‘. Nehmt die Menschen, die am meisten Opfer von Ungerechtigkeit oder Vernachlässigung sind, und fangt dort an; und beweist, daß ihr euch wirklich für das Allgemeinwohl der Menschen einsetzt, indem ihr zeigt, daß ihr bereit seid, euch diesem Problem zu stellen. Seht dem Problem ins Auge und sprecht darüber, wie es zu lösen ist.“

Wenn die dramatischen Defizite der haitianischen Infrastruktur, insbesondere in den Bereichen Energie und Gesundheitswesen, nicht überwunden werden, ist die Bevölkerung zu einer Zukunft in Primitivität, Unterentwicklung und endloser Armut verurteilt. Gegenwärtig hat dieses Land mit elf Millionen Einwohnern die höchste Sterblichkeitsrate bei Säuglingen und Kindern unter fünf Jahren sowie die höchste Müttersterblichkeit in der westlichen Hemisphäre, sogar schlimmer als die vieler afrikanischer Länder. Die Lebenserwartung liegt bei 64,3 Jahren und ist mit Abstand die niedrigste in ganz Iberoamerika. Berichten zufolge sind 40% der Arbeitskräfte arbeitslos, aber die Realität ist weitaus schlimmer: 59% der Bevölkerung verdienen weniger als 2,43 Dollar pro Tag, ein „Lohn“, der die Mehrheit in ein Leben unterhalb des Existenzminimums getrieben hat, das menschenunwürdig ist. Einigen schockierenden Schätzungen zufolge sind 80% der Bevölkerung von Armut betroffen. Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen berichtet, daß 40% der haitianischen Bevölkerung, 4,4 Millionen Menschen, von Ernährungsunsicherheit betroffen sind, wobei auch diese Zahl wahrscheinlich eher zu niedrig angesetzt ist. Im vergangenen Jahr belegte Haiti auf dem Welthunger-Index Platz 104 von 107 Ländern.

Die drei hier vorgestellten Diagramme ausgewählter vergleichender physisch-ökonomischer Parameter (siehe Abbildungen 1a, 1b und 1c) geben eine Momentaufnahme dieser Zerstörung. Sie basieren auf den neuesten verfügbaren Daten (in der Regel aus der Mitte der 2010er Jahre) der Vereinten Nationen, der Weltbank und anderer multilateraler Organisationen, um konsistente Zeitreihen für die verglichenen Länder darzustellen. Bei einigen Parametern wird die schreckliche Realität in Haiti noch deutlich untertrieben.

Das Gefühl der Hoffnungslosigkeit, das diese Situation hervorgerufen hat, und die kriminelle Gleichgültigkeit, die die Weltgemeinschaft über Jahrzehnte und Jahrhunderte an den Tag gelegt hat, hatten zur Folge, daß große Teile der haitianischen Wirtschaft vom internationalen Drogenhandel (der von der Londoner City aus organisiert wird) und seinen kriminellen Banden übernommen wurden. In immer neuen Flüchtlingswellen flohen die Menschen von der Insel. Heute leben etwa zwei Millionen Haitianer im Ausland, die Hälfte davon in den USA, die andere Hälfte in Ländern Iberoamerikas und in Europa.

© EIR Abb. 1: Parameter der physischen Ökonomie



Die sanitären Einrichtungen in Haiti sind völlig unzureichend, erst recht angesichts der COVID-19-Pandemie; sauberes Wasser und Abfallbehandlung sind fast nicht vorhanden. Der Aufruf der Gründerin und Vorsitzenden des Schiller-Instituts Helga Zepp-LaRouche, die Pandemie durch den Aufbau moderner Gesundheitssysteme in allen Ländern der Welt zu bekämpfen, muß in Haiti umgesetzt werden. Wie sie in einer Grundsatzrede am 8. Mai 2021 sagte: „Der Aufbau eines modernen Gesundheitssystems in jedem Land kann und muß der Anfang sein, um die Unterentwicklung der Entwicklungsländer dauerhaft zu überwinden.“ Die Armut, der Mangel an zureichender Ernährung und die außer Kontrolle geratene COVID-19-Pandemie machen dies dringend erforderlich.

Das Fehlen eines angemessenen Gesundheitssystems in Verbindung mit dem Fehlen erdbebensicherer Gebäude führte zu der Situation, die der UNICEF-Vertreter in Haiti, Bruno Maes, am 2. September beschrieb: „Das Leben von Tausenden vom Erdbeben betroffenen Kindern und Familien ist jetzt in Gefahr, nur weil sie keinen Zugang zu sicherem Wasser, sanitären Einrichtungen und Hygiene haben.“ Unter Berufung auf UNICEF berichteten die Vereinten Nationen am selben Tag, daß mehr als eine halbe Million Kinder im Südwesten Haitis keinen Zugang zu Unterkunft, Trinkwasser und sanitären Einrichtungen haben und „zunehmend von akuten Atemwegsinfektionen, Durchfallerkrankungen, Cholera und Malaria bedroht sind“.

Es ist erschreckend, daß Haiti unter den 200 Ländern der Welt den letzten Platz beim Stromverbrauch pro Kopf einnimmt und 75% seiner Energie aus Holzkohle (die durch Verbrennung von Holz gewonnen wird) bezieht, einer Technologie aus dem 16. Jahrhundert, die wirtschaftlichen Fortschritt unmöglich macht und eine gefährliche Umweltverschmutzung sowie ein Gesundheitsrisiko darstellt. Die installierte Stromerzeugungskapazität beträgt gerade einmal 350 MW, und der durchschnittliche jährliche Stromverbrauch pro Kopf liegt bei 37 Kilowattstunden. Zum Vergleich: In Spanien lag der jährliche Pro-Kopf-Stromverbrauch im Jahr 2020 bei 5275 Kilowattstunden, mehr als 140 Mal höher als in Haiti.

… keine „natürlichen“ Katastrophen

Neoliberale Politik, „Strukturanpassungen“ und Privatisierungsprogramme des IWF hatten Haitis Wirtschaft zu Beginn des 21. Jahrhunderts bereits weitgehend ruiniert. Doch das verheerende Erdbeben der Stärke 7,0 am 12. Januar 2010, bei dem 319.000 Menschen ums Leben kamen, war nochmals ein Wendepunkt. Im Oktober jenes Jahres folgte eine schreckliche – und vorhersehbare – Cholera-Epidemie, und in den Jahren danach folgten eine Reihe weiterer extremer Wetterereignisse. Zusammen versetzten sie einer schwachen Nation tödliche Schläge. Als sich das Erdbeben ereignete, dessen Epizentrum Port-au-Prince war, flüchteten fast zwei Millionen Einwohner aus der Hauptstadt und wurden obdachlos in elenden, unhygienischen Lagern zusammengepfercht, deren einziger Schutz Zelte, oft aber auch nur Planen oder Bettlaken waren.

Unmittelbar nach dem 12. Januar warnte Lyndon LaRouche, es werde zu einer Gesundheitskatastrophe kommen, wenn nicht sofort Maßnahmen ergriffen würden, um die Obdachlosen zu evakuieren, sie in höher gelegene Gebiete zu bringen und in Notunterkünften unterzubringen, bevor die Regenzeit beginnt. Er forderte, das Pionierkorps der US-Armee einzusetzen, um die notwendigen Unterkünfte und medizinischen Einrichtungen zu bauen und sauberes Wasser bereitzustellen.

US-Präsident Barack Obama lehnte LaRouches Vorschläge ab und ließ statt dessen zu, daß Port-au-Prince von einem Heer gut finanzierter Nichtregierungsorganisationen (NGOs) überflutet wurde, die mit Millionen um sich warfen, aber nichts Konkretes leisteten. Es geschah nichts, um die gefährlichen, erbärmlichen Bedingungen in der Hauptstadt und anderen vom Erdbeben betroffenen Städten zu verbessern. Armselige „provisorische“ Unterkünfte wurden nach dem Beben zum jahrelangen Dauerzustand, und der Choleraausbruch im Oktober des Jahres war vorprogrammiert. Selbst heute noch sind in einigen Gebieten am Stadtrand von Port-au-Prince die nach dem Erdbeben von 2010 errichteten „provisorischen“ Lager dauerhafte Gemeinschaften, darunter die ursprünglichen Zelte für die Opfer und andere aus Ziegelsteinen und allerlei minderwertigen Materialien zusammengebastelte „Häuser“.

Das Erdbeben, das Haiti am 14. August dieses Jahres erschütterte und dessen Epizentrum 150 km westlich von Port-au-Prince nahe der Stadt Petit-Trou-de-Nippes lag, richtete in dem Land, das sich nie von der Katastrophe von 2010 erholt hatte, erneut enorme Zerstörungen an. Haiti hatte keine Technologien zum Erdbebenschutz oder irgendwelche andere Hilfe erhalten, um sich mit modernen Methoden von dem Erdbeben von 2010 zu erholen.

So folgte auf diese Katastrophe die durch das El-Niño-Phänomen verursachte Dürre von 2015 bis 2017, die den mangels Mechanisierung und Bewässerung ohnehin schwachen Landwirtschaftssektor auslöschte und in einigen Landesteilen Ernteverluste bis zu 70% verursachte.

Im Oktober 2016 wütete der Hurrikan Matthew im Südwesten Haitis und zerstörte rund 200.000 Häuser teilweise oder vollständig, so daß 1,4 Millionen Menschen humanitäre Hilfe benötigten. In zwei der zehn haitianischen Departements, Grand`Anse und Sud, wurde die Ernte fast vollständig zerstört, was die bestehende Nahrungsmittelknappheit erheblich verschärfte.

Der endgültige Schlag kam im Februar 2018, als der IWF strategisch intervenierte, um die Wirtschaft gezielt zu zerstören, indem er ein mageres Paket von 96 Millionen Dollar an zinsgünstigen Darlehen und Zuschüssen unter der Bedingung anbot, daß die Regierung die Treibstoffsubventionen kürzte. Als die Regierung im Juli dieser Forderung nachkam, schoß der Benzinpreis für den Durchschnittsbürger um 38% in die Höhe und lag mit 4,60 Dollar pro Gallone sogar über dem Preis in den Vereinigten Staaten. Der Preis für Dieselkraftstoff stieg um 47%, der für Kerosin um 51%. Die Folge waren verbreitete und oft gewalttätige Straßendemonstrationen.

So war das Land nicht in der Lage, sich gegen das Erdbeben vom 14. August 2021 zu wehren, bei dem nach Regierungsangaben mehr als 2200 Menschen starben und mehr als 300 vermißt werden, die vermutlich unter Trümmern begraben sind. Mehr als 12.000 Menschen wurden verletzt, und schätzungsweise 600.000 Menschen benötigen humanitäre Hilfe; mehr als 50.000 Häuser sind völlig zerstört und weitere 77.000 beschädigt, insgesamt also 127.000. Seit Jahrzehnten werden Häuser in Haiti nicht vorschriftsmäßig gebaut, weil Bauherren die Kosten für so wichtige, aber teure Materialien wie Zement scheuen. Daher waren die Häuser nicht erdbebensicher, und viele dieser schlampig gebauten Häuser stürzten innerhalb von Minuten unter einer Staubwolke ein.

Dabei kann eine moderne Infrastruktur und grundlegende wirtschaftliche Entwicklung die schlimmsten Folgen von Stürmen, Erdbeben und Dürren zu fast 95% oder mehr beseitigen oder abmildern. Japan zum Beispiel hat große Summen in die Erdbebenvorsorge investiert und die Forschung dazu vorangetrieben. Von den 14 oder 15 bekannten tektonischen Platten der Welt laufen vier in Japan zusammen, wo es über 2000 aktive Verwerfungen gibt; jedes Jahr ereignen sich mehrere Erdbeben, doch meistens mit geringen Folgen. Japans Geheimnis: Grundlagenforschung und Investitionen in die Infrastruktur – was sich im Falle Haitis leicht wiederholen läßt.

Wirtschaftliche Soforthilfe ist der einzige Weg, um chronische Armut, Unterernährung und Krankheiten zu beenden und den Haitianern die Chance zu bieten, ihre schöpferischen Fähigkeiten zu entfalten, um ihre Wirtschaft auf eine höhere Entwicklungsstufe zu heben.

Ein grundlegendes chinesisches Projekt

Chinas Engagement ist von zentraler Bedeutung für ein haitianisches und regionales Wiederaufbau- und Entwicklungsprogramm, das zwangsläufig die Dominikanische Republik, die sich die Insel Hispaniola mit Haiti teilt, und die anderen Nationen des Karibischen Beckens und Mittelamerikas einbeziehen muß, die gemeinsam als Teil der Weltlandbrücke fungieren werden. Wie China mit den vielen Projekten, die es im Rahmen seiner Gürtel- und Straßeninitiative (BRI) in anderen Teilen der Welt finanziert, bewiesen hat, verfügt es über die finanziellen Mittel, das technologische Know-how und vor allem den Willen, die gewaltigen Herausforderungen von Situationen wie der auf Haiti zu bewältigen – ähnlich dem, was China in Afrika unternimmt.

Wenn Haiti Chinas diplomatischen Status ändert, kann China sofort mit bereits fertig geplanten Projekten beginnen, um in Port-au-Prince die Kanalisation, die Wasser- und Abwasseraufbereitung, das Verkehrsnetz und moderne Wohnungen komplett neu aufzubauen.

© SMEDRIC/Bati Ayiti Video

Abb. 2: Komponente des SMEDRIC-Entwicklungsplans: Bau von Abwasserkanälen und einer Kläranlage für 180.000 m3 Abwasser täglich.


Abb. 3: Komponente des SMEDRIC-Entwicklungsplans: Bau einer Wasseraufbereitungsanlage für 225.000m3 Trinkwasser täglich.


Abb. 4: Komponente des SMEDRIC-Entwicklungsplans: Straßen und Eisenbahnen.


Abb. 5: Komponente des SMEDRIC-Entwicklungsplans: Regenwassersammlung und -ableitung.


Abb. 6: Komponente des SMEDRIC-Entwicklungsplans: Stromerzeugung und -verteilung.

Im August 2017 haben zwei chinesische Unternehmen – das Southwest Municipal Engineering and Design Research Institute of China (SMEDRIC) und die Metallurgical Corporation of China (MCC) – eine Reihe detaillierter Projekte im Wert von 4,7 Mrd. Dollar für den Wiederaufbau der Hauptstadt und ihrer Umgebung vorgeschlagen. Bei der Veröffentlichung seines Vorschlags und in einem dazu produzierten kurzen Video wies das Unternehmen SMEDRIC darauf hin, daß diese Projekte für Haitis Hauptstadt Teil eines umfassenderen 30-Milliarden-Dollar-Vorschlags für das gesamte Land seien. Einem Telesur-Artikel vom 1. September 2017 zufolge entstand die Idee für diese Reihe von Projekten auf dem BRI-Gipfeltreffen vom 14.-15. Mai 2017 in Peking. Kurz darauf unternahm eine chinesische Delegation einen achttägigen Planungsbesuch in Haiti und traf sich mit lokalen Beamten.

Die Vorschläge von SMEDRIC für Port-au-Prince sind beeindruckend, wie die folgenden Grafiken veranschaulichen.

– Bau einer neuen Kläranlage in Port-au-Prince, die 180.000 Kubikmeter Abwasser pro Tag behandeln kann (siehe Abbildung 2). Die Kläranlage wird nach dem dreistufigen Prinzip von Vorbehandlung, Erstbehandlung und biologischer Zweitbehandlung arbeiten. Bisher gibt es in der Stadt, in deren Großraum mehr als drei Millionen Menschen leben, keine einzige Kläranlage. Weder in Port-au-Prince noch in anderen haitianischen Städten gibt es eine zentrale Kanalisation.

– Bau einer Wasseraufbereitungsanlage, die 225.000 Kubikmeter pro Tag zu sicherem und reinem Trinkwasser aufbereiten kann (siehe Abbildung 3).

– Installation von 450 öffentlichen Toiletten, drei pro km², Einrichtung einer geordneten Müllabfuhr und Bau einer Mülldeponie, die 1500 Tonnen pro Tag aufnehmen kann.

– Wie in dem Kurzvideo von SMEDRIC dargestellt wird, ist ein weiterer Teil des Plans „Straßenbau, wie z.B. Aus- und Wiederaufbau, Verbreiterung, Sanierung und Verkehrseinrichtungen. Der Bereich umfaßt zwölf Hauptstraßen mit begleitenden Einrichtungen mit einer Gesamtlänge von 100 km, wobei die Straßenentwässerung ein wichtiger Bestandteil der Arbeiten ist.“ Hundert Kilometer mögen nicht viel erscheinen, aber wenn es sie in und um Port-au-Prince gibt, mit Entwässerung und verbreitert, ist das sehr wichtig (siehe Abbildung 4).

– In einer Reihe von Plänen wird der Bau von Entwässerungsanlagen vorgeschlagen, die Überschwemmungen bei „100- und 50-jährlichen Hochwassern“ verhindern können, d.h. Überflutungen, die als solche eingestuft werden, weil sie so außergewöhnlich sind und so viel Wasser ansammeln, daß sie nur einmal in 100 oder 50 Jahren auftreten. Das Regenwasser wird in Rohren aufgefangen und in die Flüsse und das Meer abgeleitet. Dies ist ein erster wichtiger Schritt zur Eindämmung von Überschwemmungen, insbesondere angesichts der Tatsache, daß Port-au-Prince in einem extrem gefährdeten Überschwemmungsgebiet liegt (siehe Abbildung 5).

– Bau eines 600-Megawatt-Erdgaskraftwerks, das auf 2000 Megawatt erweitert werden kann (siehe Abbildung 6).

– Bau eines neuen Rathauses als zentrales Wahrzeichen im Rahmen des Wiederaufbaus der Altstadt von Port-au-Prince.

Der Bürgermeister von Port-au-Prince, Ralph Youri Chevery, befürwortete den Plan in einem Schreiben vom 25. August 2017 an Xie Yong Jian, Berater des Southwest Municipal Engineering Design and Research Institute of China, enthusiastisch: „Wir freuen uns, den Vorschlag für die Bauplanung des Port-au-Prince Municipal Renovation Project zu akzeptieren.“

Zur gleichen Zeit, als SMEDRIC seine Vorschläge machte, veröffentlichte das haitianische Ingenieurbüro Bati Ayiti, das mit der Metallurgical Corporation of China (MCC) zusammenarbeitet, eine eigene Broschüre mit dem Titel „Ein Infrastrukturprojekt für Haiti in Zusammenarbeit mit der Metallurgical Corporation of China“. Sie enthielt diese zusätzliche Information: „Der chinesische Staat und weitere chinesische Privatinvestoren streben ein Investitionsziel von 30 bis 70 Milliarden Dollar in Haiti und bis zu 100 Milliarden Dollar auf dem karibischen Markt an, mit dem Ziel, Haiti in den nächsten zehn Jahren zu einem wichtigen Entwicklungszentrum zu machen.“

Diese wundervollen Vorschläge, deren Umsetzung den Prozeß der völligen Verwandlung von Port-au-Prince und dem ganzen Land eingeleitet hätte, sind nie über das Planungsstadium hinausgekommen.

Das Schiller-Institut erfuhr damals, daß der Internationale Währungsfonds und die damit verbundenen Wall-Street-Interessen Druck auf Haiti ausübten, die Vorschläge abzulehnen. Die US-Regierung und ihr Außenministerium, die bereits nervös waren, weil Panama nur zwei Monate zuvor, am 13. Juni, mit Taiwan gebrochen hatte, wollten keinen Plan tolerieren, für den Haiti mit Taiwan brechen würde.

Die Eisenbahnlinie Haiti-Dominikanische Republik

Ein Vorschlag der China Civil Engineering Construction Corporation (CCECC) für den Bau einer Eisenbahnlinie zwischen Haiti und der Dominikanischen Republik erweitert die Diskussion über die Umgestaltung Haitis mit chinesischer Hilfe um eine weitere Dimension. Am 20. Februar 2018 veröffentlichte die haitianische Online-Publikation Hougansydney.com einen Artikel mit dem Titel „Projekt zum Bau einer internationalen Eisenbahnlinie zwischen Haiti und der Dominikanischen Republik, das dem [dominikanischen] Präsidenten Danilo Medina vorgeschlagen wurde“. Darin wird der Vorschlag des Dominikanischen Regionalen Entwicklungsrats (CRD) aus der Region Cibao an Medina beschrieben, eine Bahnstrecke zu bauen, die im Südosten des Landes in der Hafenstadt Haina beginnt, gegen den Uhrzeigersinn verlaufend die Hafenstädte miteinander verbindet und durch den Norden der Dominikanischen Republik führt, bis „die Reise in Haiti endet“. Damit dies funktioniert, muß es in Haiti eine Eisenbahn geben.

Dieser Vorschlag ist nicht neu, er wird seit Jahren diskutiert und geht bereits auf das Jahr 2008 zurück. Aber nachdem die dominikanische Regierung am 1. Mai 2018 bekannt gegeben hatte, daß sie mit Taiwan gebrochen und diplomatische Beziehungen zu Peking aufgenommen hatte, legten der CRD und die China Civil Engineering Construction Corporation (CCECC) im September desselben Jahres Medina einen offiziellen Vorschlag für den Bau einer internationalen Eisenbahnlinie vor. Sie sollte von der CCECC finanziert werden und die Dominikanische Republik mit Haiti verbinden; der Vorschlag umfaßte auch mehrere große Infrastrukturprojekte, die in der Dominikanischen Republik gebaut werden sollten. Laut einem Bericht von BNamericas hat der CRD den Vorschlag im Mai 2021 wieder aufgegriffen, aber Quellen in der Dominikanischen Republik zufolge hat der derzeitige Präsident Luis Abinader, der seit seinem Amtsantritt im August 2020 von den USA unter Druck gesetzt wird, sich von China zu distanzieren, den Vorschlag nicht weiter verfolgt.

Da derartige Projekte stets von Chinas Nationaler Entwicklungs- und Reformkommission (der alten Fünfjahresplanbehörde) geprüft und genehmigt werden, kann man davon ausgehen, daß die Regierung den Plan für wichtig hält. Die von der Metallurgical Corporation of China genannte Investitionssumme von 30-70 Mrd. Dollar in Haiti entspricht den geplanten Investitionen für den gesamten strategischen China-Pakistan-Wirtschaftskorridor (CPEC), die sich auf 62 Mrd. Dollar belaufen. Das deutet darauf hin, daß es den Chinesen ernst damit ist, Haiti „in den nächsten 10 Jahren zu einem wichtigen Entwicklungszentrum“ in der Karibik zu machen, wobei dies immer auchMittelamerika einschließt.

© EIR

Abb. 7: Vorgeschlagene Projekte für eine Belt & Road-Initiative in Mittelamerika und der Karibik.

Die Pläne würden dann in eine Reihe von Vorschlägen für die Seidenstraße zu Lande und zu Wasser integriert. Sie wären verbunden mit dem erweiterten Panamakanal, dem vorgeschlagenen Großen Interozeanischen Kanal in Nikaragua, dem Bau einer Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnlinie durch die Darien-Lücke, dem Bau einer bi-ozeanischen, transkontinentalen Eisenbahn (eine der Strecken würde im brasilianischen Hafen Santos am Atlantischen Ozean beginnen und Bolivien bis zum peruanischen Callao-Distrikt am Pazifischen Ozean durchqueren) sowie weiteren Projekten im Zusammenhang mit der Weltlandbrücke. China hat für mehrere dieser Projekte Entwürfe entwickelt und die Finanzierung angeboten.

Ein neuer Tiefwasserhafen in Fort Liberté an der Nordküste Haitis wird zusammen mit ähnlichen Projekten in Ponce (Puerto Rico) und Mariel (Kuba) als Teil der Maritimen Seidenstraße einen wichtigen Umschlagplatz für den weiteren Frachttransit zur Golf- und Atlantikküste der USA bilden (siehe Abbildung 7).

– Zweiter Teil –

Im Folgenden werden acht grundlegende Bereiche der Infrastruktur, Industrie und Landwirtschaft aufgeführt, die den Kern der haitianischen Wirtschaft bilden. Für jeden Bereich wird dargestellt, welche Möglichkeiten und Probleme bestehen und welche Lösungen im Rahmen eines Entwicklungsplans empfohlen werden.
1. Energie und Elektrizität,
2. ein universelles Gesundheitssystem,
3. Hunger und Landwirtschaft,
4. Eisenbahnen und Straßen,
5. Flug- und Seehäfen,
6. sanitäre Einrichtungen und Wasseraufbereitung,
7. Industrie und Arbeitskräfte,
8. Bildung.

I. Energie und Elektrizität

Die Existenz der Menschheit beruht auf der Erhöhung der Energieflußdichte. Die Einführung der Elektrizität schuf ein neues, höheres Niveau der Energieflußdichte, einen neuen Technologiesprung. Eine Wirtschaft, die über eine reichliche Stromversorgung verfügt, kann eine höhere Plattform der physischen Wirtschaft einführen, mit fünfachsigen Werkzeugmaschinen, elektrifizierten Hochgeschwindigkeitsbahnen, Supraleitung, Lasern und kohärenten Energiestrahlen, überregionaler Kommunikation, Magnetresonanztomographie, Computertomographie etc. Derzeit verfügt Haiti über keine zuverlässige Energiequelle, und das wenige, was es hat, größtenteils aus Holzkohle, ist primitiv, stellt eine ernsthafte Gesundheitsbedrohung dar und ist gefährlich. Das ist charakteristisch für die feudalen Zustände, in denen Haiti seit dem 16. Jahrhundert von der City und der Wall Street gehalten wird.

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Abb. 8: Da es in Haiti keine einheimischen Kohle-, Öl- oder Erdgasvorkommen gibt, und auch keine Mittel vorhanden sind, sie zu importieren, ist Holzkohle – hier in Säcken abgefüllt – die Hauptenergiequelle.

Vor etwa 25 Jahren mußte Haiti sich mangels Strom noch mehr auf Holzkohle als Hauptenergiequelle einstellen (Abbildung 8). Im USAID-Bericht Strategic Framework vom 23. Dezember 2020 heißt es, daß die meisten Haushalte im ländlichen Haiti keinen Zugang zu Energie haben und deshalb Brennholz verwenden, wofür Wälder abgeholzt werden. In Port-au-Prince und anderen Großstädten verwenden fast 90% der Haushalte Holzkohle. Nur 30% der Fläche Haitis sind noch von Wäldern bedeckt. Dagegen beschrieb Frederick Douglass am 2. Januar 1893 noch ein grünes Haiti: „Die tropische Hitze und die Feuchtigkeit der Insel halten die Vegetation das ganze Jahr über frisch, grün und kräftig. In einer Höhe von achttausend Fuß sind seine Berge noch immer mit Wäldern von großer Vielfalt und großem Wert bedeckt.“

Wenn Haiti nicht geholfen wird, aus diesem Gefängnis auszubrechen, wird alle Hilfe der Welt nichts nützen; das Land wird sich nie weiterentwickeln, und seine Bevölkerung wird nie wachsen. Um Haiti auf das Niveau des jährlichen Pro-Kopf-Stromverbrauchs eines Landes wie Spanien zu bringen, muß die installierte Stromerzeugungskapazität von derzeit 350 Megawatt um das 75fache auf etwa 27 Gigawatt erhöht werden – von anderen relevanten Faktoren einmal abgesehen.

Dies kann in zwei Stufen geschehen. Die Hälfte der benötigten Erzeugungskapazität, 13,5 Gigawatt, kann Haiti in den nächsten zehn Jahren erreichen. Dies wird aus einer Mischung aus Kernkraft (einschließlich schwimmender Anlagen), sauberer Kohle und Erdgas bestehen. Die Größe der Anlagen wird zwischen 100 und 1000 Megawatt liegen. Darüber hinaus kann die Stromerzeugungskapazität aus Wasserkraft, einschließlich der 54 MW des Péligre-Damms und neuer Dämme, um das Dreifache erhöht werden. Diese verstärkte Elektrifizierung wird die Blockade bei der Stromversorgung von Häusern und Krankenhäusern, Wasseraufbereitung, Wirtschaft und Industrie, Landwirtschaft und Transportwesen durchbrechen und das tägliche Leben aller Haitianer grundlegend verändern.

II. Ein universelles Gesundheitsversorgungssystem

Haiti braucht dringend ein modernes Gesundheitssystem, so wie es die Gründerin des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, für die ganze Welt vorgeschlagen hat. In ihrer Grundsatzrede auf einer Konferenz des Schiller-Instituts am 8. Mai 2021 warnte Zepp-LaRouche angesichts der COVID-19-Pandemie:

„Der einzige Weg, diese und künftige Pandemien zu stoppen, ist die Schaffung eines Weltgesundheitssystems, d.h. eines modernen Gesundheitssystems in jedem einzelnen Land. Denn wenn man die Pandemie selbst im ärmsten Land der Erde nicht aufhält, wird sie wiederkommen; es wird neue Varianten, neue Stämme geben, die schließlich die bereits verteilten Impfstoffe obsolet machen könnten. Wir befinden uns also in einem Wettlauf mit der Zeit.“

Zepp-LaRouche betonte, alle Länder sollten die Mittel haben, zu tun, „was in Wuhan getan wurde, als die Pandemie ausbrach. Krankenhäuser bauen! Man kann das mit dem Pionierkorps der Armee und Hilfsorganisationen machen. In einer Woche kann man ein Krankenhaus für tausend Menschen bauen. Dann brauchen diese modernen Krankenhäuser gut ausgebildete Ärzte und Krankenschwestern. Man braucht viel sauberes Wasser – zwei Milliarden Menschen auf der Welt haben keinen Zugang zu sauberem Wasser. Man braucht viel Strom. Ohne Infrastruktur geht es nicht. Der Aufbau eines modernen Gesundheitssystems in jedem Land kann und muß also der Anfang sein, um die Unterentwicklung der Entwicklungsländer endgültig zu überwinden.“

Am 18. August, vier Tage nach dem Erdbeben, berichtete die Direktorin der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation, Dr. Carissa Etienne, daß in den drei vom Erdbeben am stärksten betroffenen Departements 24 Gesundheitseinrichtungen zerstört oder beschädigt wurden. Sie forderte die internationale Gemeinschaft auf, sofort zu reagieren, um Haitis „immensen Bedarf“ an medizinischem Personal, Versorgungsgütern, Ausrüstung, Patiententransporten u.a.m. zu decken, damit die Gesundheitsversorgung in den betroffenen Gebieten wiederhergestellt werden kann.

Sie wies auch auf den dringenden Bedarf an COVID-19-Impfstoffen hin. Bislang sind weniger als 1% der 11,25 Millionen Einwohner Haitis geimpft worden, und über die COVAX-Einrichtung, die Impfstoffe für Entwicklungsländer bereitstellt, sind nur 500.000 Dosen des Impfstoffs eingetroffen. Die offizielle Zahl der COVID-19-Fälle ist niedrig, aber dabei handelt es sich mit ziemlicher Sicherheit um eine Unterschätzung. Das Schiller-Institut fordert, Haiti 14 Millionen Impfdosen zur Verfügung zu stellen, um die Impfquote schnell auf 60% zu erhöhen.

Die Intensivstationen in Haiti sind kaum in der Lage, COVID-19-Fälle oder andere Notfälle zu behandeln. Laut einer Studie, Critical Care Capacity in Haiti: A Nation-wide Cross-sectional Survey (Intensivbehandlungskapazitäten: Eine landesweite Querschnittserhebung), die am 23. Juni 2019 in der Fachzeitschrift Plos One erschien, verfügt Haiti landesweit nur über 124 Betten für Intensivbehandlungen und weitere 53 Betten für schwerkranke Patienten, die meisten davon in Notaufnahmen. Der Mangel an medizinischem Personal und Krankenhausbetten ist erschreckend. In Haiti kommen 0,25 Ärzte auf 1000 Einwohner, ein Zehntel des US-Niveaus von 2,3 Ärzten pro 1000 Einwohner. Es gibt 0,11 Krankenschwestern pro 1000 Einwohner, ein Hundertstel des US-Niveaus von 11,7 Krankenschwestern pro 1000 Einwohner, was an sich schon unzureichend ist. Im ganzen Land gibt es 7982 Krankenhausbetten, das sind 0,71 Betten pro 1000 Einwohner.

Der Standard, den man in Haiti erreichen sollte, liegt bei etwa vier Krankenhausbetten pro 1000 Einwohner in jeder Gemeinde. Das war die Vorgabe des modellhaften US-amerikanischen Hill-Burton-Gesetzes (Hospital Survey and Construction Act) aus dem Jahr 1946, welches vorgab, daß die Gesundheitsbehörden auf der Grundlage moderner medizinischer Standards und der verfügbaren Transportmittel festlegen, wie viele Betten pro 1000 Einwohner in den einzelnen Regionen benötigt werden. Moderne medizinische Einrichtungen und angemessenes Personal werden – zusammen mit modernen sanitären Einrichtungen und angemessener Ernährung – dazu beitragen, Haitis Kinder- und Müttersterblichkeit zu senken, die die höchste in der westlichen Hemisphäre ist.

Konkret bedeutet dies, daß Haiti in den nächsten acht Jahren – vor allem mit Unterstützung der Vereinigten Staaten und Chinas – 185 neue moderne Krankenhäuser mit 47.000 neuen Betten bauen muß. Die Beschäftigung von Bauarbeitern sowie von medizinischem und technischem Personal für den Bau und Betrieb der Krankenhäuser wird 100.000 Menschen Arbeitsplätze mit steigenden Qualifikationsniveaus bieten. Der Bau von Krankenhäusern wird dezentralisiert, so daß in jedem der neun anderen Departements außer dem Departement Ouest (West), in dem Port-au-Prince liegt und sich heute die Hälfte aller bestehenden Krankenhäuser des Landes befinden, ein Krankenhaus mit 500-700 Betten gebaut wird.

Außerdem braucht Haiti mindestens 50 MRT-, 50 CT- und 200 Röntgengeräte für Diagnosezwecke und gründliche Untersuchungen. Es müssen medizinische Fakultäten eingerichtet werden, um die Zahl der Ärzte von derzeit 2800 auf 20.000 und die Zahl der Krankenschwestern von derzeit 1200 auf 100.000 zu erhöhen. Die haitianische Diaspora in den USA und anderswo, die über ein relativ höheres Qualifikationsniveau als die einheimische Bevölkerung verfügt, muß ermutigt werden, zurückzukehren und in diesem Bereich – wie auch in anderen – zu helfen (siehe unten in Abschnitt VII. Industrie und Arbeitskräfte).

III. Hunger und Landwirtschaft

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) stuft 4,4 Millionen Haitianer, d.h. 42% der Bevölkerung, als „ernährungsunsicher“ ein, sie sind dringend auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Bei einer Reise nach Haiti am 16. September berichtete WFP-Direktor David Beasley, daß über vier Millionen Menschen in dem Land „auf dem Weg zum Hunger sind, und bei einer Million davon klopft der Hungertod die Tür“. Aus dem Dorf Manich twitterte er: „Vier Fünftel der Menschen in diesem Dorf benötigen jetzt Zugang zu Nahrung, Unterkunft und medizinischer Versorgung. Ich spreche hier von den elementarsten Bedürfnissen. Diese Familien hatten Glück, daß sie es lebendig heraus geschafft haben. Jetzt brauchen sie unsere Hilfe.“ Das Erdbeben hat die schwere Krise der Ernährungssicherheit, die Haiti schon seit Jahren heimsucht, weiter verschärft, indem es Ernten und Viehbestände vernichtete, Märkte dem Erdboden gleichmachte und Wasserläufe, die als Trinkwasserquelle genutzt worden waren, verseuchte.

Reis ist das wichtigste Grundnahrungsmittel der Haitianer. Im Jahr 1985 belief sich die einheimische Reisproduktion Haitis auf 163.296 Tonnen, zusätzlich wurden 7337 Tonnen aus den USA importiert, also insgesamt 170.663 Tonnen. Die einheimische Produktion deckte 96% des Verbrauchs ab, so daß Haiti beim Reisverbrauch autark war – wenn auch auf einem erbärmlich niedrigen Niveau. Doch in den 80er und 90er Jahren und zu Beginn des neuen Jahrtausends änderte sich die Situation dramatisch durch politische und wirtschaftliche Manipulationen der US-Regierung und die mörderischen „Strukturanpassungsprogramme“ (SAP) des Internationalen Währungsfonds (IWF). 1984 setzte US-Präsident Ronald Reagan eine Freihandelsinitiative für das Karibische Becken durch, wodurch Haiti „in den Weltmarkt integriert“ und bedrängt wurde, 30% seiner einheimischen Nahrungsmittelproduktion auf Exportkulturen umzustellen. Zwei Jahre später akzeptierte die damals herrschende Militärjunta unter General Henri Namphy einen IWF-Kredit über 24,6 Mio. Dollar, der an die Bedingung geknüpft war, daß er einwilligte, die Reiszölle von 150% auf 50% zu senken – die niedrigste Rate in der Karibik.

© UN/Sophia Paris


Abb. 9: Da moderne landwirtschaftliche Techniken und Geräte unerschwinglich sind, hängt Haitis Bevölkerung von den Nahrungsmittellieferungen solcher Einrichtungen wie dem Welternährungsprogramm und der französischen Agentur für technische Zusammenarbeit und Entwicklung ab.

© NASA/JPL/NGA


Abb. 10: Topographische Karte der Insel Hispaniola (Haiti und Dominikanische Republik).

Alle haitianischen Häfen wurden für den internationalen Handel geöffnet, und die wenigen Preisstützungen, die den Landwirten noch verblieben waren, wurden abgeschafft. In den darauffolgenden Jahren kam es zu wiederholten Sparauflagen des IWF, einem Wirtschaftsembargo der USA und einer Invasion, und 1994 wurden die Zölle auf Reisimporte von 35% auf 3% gesenkt, was Haiti zur „offensten Wirtschaft“ in der gesamten Karibik machte.

Die Prognose des US-Landwirtschaftsministeriums für den Zeitraum Juli 2020 bis Juni 2021 geht davon aus, daß Haiti 75.000 Tonnen Reis im Inland produziert und 495.000 Tonnen importiert (90% davon aus den USA), was den Selbstversorgungsgrad auf alptraumhafte 13% senkt (Abbildung 9)! Seit 1985 ist die einheimische Reiserzeugung in Haiti um 55% geschrumpft. Das landwirtschaftliche Einkommen brach ein; viele Bauern wurden von ihrem Land vertrieben und landeten oft in der sogenannten „Schattenwirtschaft“, darunter der mörderische Drogenhandel. Die Folgen dieses „Freihandels“ britisch-imperialer Art griffen immer weiter um sich, so daß heute 40-50% oder noch mehr der haitianischen Ernährung, darunter Weizen und Geflügel, aus Importen stammen.

Damit Haiti genügend Nahrungsmittel für die eigene Bevölkerung und eventuell auch für den Export erzeugen kann, braucht es Zugang zu modernen landwirtschaftlichen Methoden, auch für die fünf Gebirgsketten, die 70% seines Territoriums durchziehen und auf denen einige Nahrungsmittel produziert werden – wenn auch ineffizient (siehe Abbildung 10).

Die Erzeuger müssen in die Lage versetzt werden, Probleme wie die Bodenerosion in den Griff zu bekommen, die zum Teil durch die weitverbreitete Verwendung von Holzkohle verursacht wird, was zum Abholzen der Wälder und Verlust des Mutterbodens bei Regenfällen führt. Den Landwirten fehlt es an Investitionsgütern wie Traktoren und anderen Landmaschinen, und sie haben kaum Zugang zu Kapital. Es gibt so gut wie keine Bewässerung; von Haitis 16.000 km2 landwirtschaftlicher Nutzfläche sind nur 970 km2, ganze 6%, für die Bewässerung ausgerüstet. Die Ernteerträge und die Produktivität in der Landwirtschaft sind extrem niedrig.

Dabei verfügt das Land über ein großes agro-klimatisches Potential, denn es können sowohl tropische als auch gemäßigte Pflanzen und Bäume angebaut werden; es gibt gute Niederschläge und zwei Wachstumsperioden. Mit gutem Dünger, Saatgut, landwirtschaftlichen Geräten, zeitlich abgestimmter Bewässerung usw. lassen sich die Erträge für die möglichen Kulturen erheblich steigern: Reis, Mais, Sorghum (Hirse), Zuckerrohr und eine breite Palette von Obst und Gemüse (z.B. Mangos) sowie Spezialitäten wie Kaffee, Sisal und Gewürzkräuter. Auch die Wiederaufforstung muß vorangetrieben werden, indem alle Arten von Bäumen, von Kiefern bis hin zu Obstbäumen, die in den richtigen Höhenlagen gedeihen, wieder angesiedelt werden.

Die Bedingungen für Süßwasserfische in Flüssen und Seen können verbessert werden. Da Haiti von drei Seiten vom Meer umgeben ist, sollte das Potential für den Aufbau einer Fischereiindustrie sowohl für die einheimische Produktion als auch für den Export ganz erschlossen werden. Im Golf von Gonaives gibt es 270 verschiedene Fischarten, aber die bittere Armut in den ländlichen Gebieten hindert die Fischer daran, größere Boote oder Schiffe zu erwerben, die für große Fänge erforderlich sind. Die Fische wären auch eine hervorragende Quelle für tierisches Eiweiß, das in der haitianischen Ernährung heute so sehr fehlt.

Internationale Hilfsprogramme haben zwar mehrere Milliarden Dollar für Haiti bereitgestellt, wovon ein Teil für sinnvolle, kurzfristige Zwecke verwendet wird, aber die Grundlagen der Wirtschaft haben sich dadurch nicht verändert. Weniger als eine halbe Milliarde Dollar für den Kauf von 3000 großen Traktoren mit 100 PS und Vierradantrieb, einer Flotte von hundert kommerziellen Fischerbooten, Pumpen, Sprinklern usw. für Pivot- (Kreis-) oder Tropfbewässerung, Düngemitteln und Saatgut sowie Hydro- und Aquakulturen würden einen viel stärkeren und nachhaltigeren Entwicklungsschub bewirken.

IV. Eisenbahnen und Straßen

Wir haben bereits über den Plan der China Civil Engineering Construction Corporation berichtet (vgl. Neue Solidarität 41/2021), eine internationale Eisenbahnlinie zwischen der Dominikanischen Republik und Haiti zu bauen, die beide miteinander verbinden soll. Die CCECC ist ein sehr kompetentes und erfahrenes Unternehmen. Wenn sie eine haitianisch-dominikanische Eisenbahnlinie vorschlägt und befürwortet und sich verpflichtet, sie unter angemessenen Umständen zu finanzieren, dann hat sie mit ziemlicher Sicherheit bereits einen Plan für den haitianischen Teil der Strecke in groben Zügen (und vielleicht auch in allen Einzelheiten) erstellt und entworfen.

© EIR


Abb. 11: Ein Entwicklungsplan für Haiti: Vorschlag für ein Eisenbahnnetz für Haiti.

Das Schiller-Institut konnte bisher die Entwürfe der CCECC für den haitianischen Teil der Bahnstrecke noch nicht einsehen, aber ein Eisenbahnnetz, das der Wirtschaft sehr zugute käme, sollte sinnvollerweise viele oder alle Hafenstädte an der 1770 km langen Küste Haitis miteinander verbinden. Die komplette Strecke würde in der Hafenstadt Fort Liberté beginnen und westwärts zur Hafenstadt Cap-Haitien, nach Port-de-Paix, dann südwärts nach Anse Rouge, Gonaives und nach Port-au-Prince und dann westwärts nach Jeremie, Port-Salut, Les Cayes und Laborieux führen (siehe Abbildung 11).

Zusätzlich zu den auf der Karte eingezeichneten Strecken könnten zwei Bahnlinien von Port-au-Prince aus gebaut werden: eine direkte Strecke nach Norden nach Fort Liberté und eine weitere nach Südwesten nach Jacmel. Beide sollten entweder elektrifizierte Hochgeschwindigkeitsstrecken oder Magnetschwebebahnen sein. Dies wird den Güter- und Personenverkehr in alle Teile des Landes beschleunigen.

Darüber hinaus ist der Plan des Southwest Municipal Engineering Design and Research Institute of China (SMEDRIC), 100 km Straßen im Raum Port-au-Prince zu modernisieren und zu verbreitern, ein guter Anfang, um ein Netz von etwa 1500 km modernen Hauptverkehrsstraßen aufzubauen, die sich durch ganz Haiti schlängeln, um alle Landesteile zu verbinden.

V. Seehäfen und Flughäfen

Haiti hat heute nur drei internationale Seehäfen. Der Port International de Port-au-Prince, über den ein großer Teil des Verkehrs abgewickelt wird, ist veraltet und hat nur begrenzte Kapazitäten. Um Haiti bei der Erholung vom Erdbeben 2010 zu helfen, gab die US-Behörde für internationale Entwicklung (USAID) 2011 eine Machbarkeitsstudie in Auftrag, um zu prüfen, ob ein oder zwei Häfen im Norden des Landes – der begrenzte Hafen von Cap-Haitien und der Hafen von Fort Liberté, der heute nur ein geringes Verkehrsaufkommen hat – vertieft und mit modernen Vollportalkränen usw. ausgestattet werden könnten, um ihre Kapazitäten zu erhöhen. USAID bezifferte die Kosten für den Ausbau der beiden Häfen auf 185-250 Mio. Dollar, wovon die US-Regierung 70 Mio. bereitstellen würde, während die private Wirtschaft den Rest aufbringen sollte. Da der Hafen von Cap-Haitien nur über begrenzte geeignete Flächen verfügt, lag der Schwerpunkt auf dem Ausbau des Hafens von Fort Liberté.

Der Vorschlag der USAID für den Ausbau des Hafens von Fort Liberté und die Aussicht auf die damit verbundene Entwicklung Haitis ließen bei den internationalen Malthusianern die Alarmglocken schrillen. Kurz nach der Veröffentlichung des ersten Berichts von 2011 warnten sie in einer absurden Argumentation, das Projekt gefährde die Korallenriffe in der gesamten Karibik. In einem Artikel in Reef Relief vom 1. Oktober 2012 hieß es: „Eidechsen und seltene Korallenriffe erschweren das Multimillionen-Dollar-Hafenprojekt in Haiti“. Es wurde eine „düstere Studie“ der Naturschutzorganisation International Union for the Conservation of Nature (IUCN) zitiert, deren „Untersuchungen ergaben, daß die Korallenriffe in der gesamten Karibik am Rande des Zusammenbruchs stehen“. Es sei daran erinnert, daß die IUCN von dem Eugeniker und Malthusianer Julian Huxley gegründet wurde, dessen erklärtes Ziel es war, den Anteil der „minderwertigen Menschen“ in den Reihen der Menschheit auszudünnen.

Dann veröffentlichte der Rechnungshof der US-Regierung Government Accountability Office (GAO) – der viele Mitarbeiter hat, deren Spezialität es ist, Infrastrukturausgaben zu kürzen – im Juni 2013 einen Bericht mit dem Titel „Haiti-Wiederaufbau“, der die Arbeit der USAID in Haiti kritisierte. In zwei Berichten der Internationalen Finanz-Corporation der Weltbank wurde vorgeschlagen, nichts zu tun und damit das Hafenerweiterungsprojekt Fort Liberté zu stoppen. 2018 schlug USAID statt dessen nur relativ geringfügige Änderungen am Hafen von Cap-Haitien vor.

Kein Wunder, daß das Projekt Fort Liberté den Entvölkerungsfanatikern sauer aufgestoßen ist: Die Bucht von Fort Liberté hat eine Tiefe von 22 Metern – viel tiefer als die 16 Meter von Amerikas größtem Handelshafen, Los Angeles, der die größten Containerschiffe der Welt aufnehmen kann.

Das Schiller-Institut schlägt vor, das Projekt zum Ausbau und zur Modernisierung des Hafens von Fort Liberté als wesentliche Komponente des Plans zur Erneuerung Haitis aus der Schublade zu holen und zu aktualisieren. Ein nützlicher Ausgangspunkt wäre es, die vom Pionierkorps der US-Armee erstellten Dokumente heranzuziehen, die 2011-12 in die Bewertung des Projekts einflossen.

Mitglieder der haitianischen Diaspora in den USA haben sich ebenfalls an der Diskussion über dieses Projekt beteiligt. Kürzlich berichtete ein in den USA lebender haitianischer Ingenieur in einem Gespräch mit dem Schiller-Institut, daß der Hafen von Fort Liberté, wenn er groß genug gebaut wird, Containerschiffe mit mehr als 16.000 Standardcontainern (TEU, Twenty-foot Equivalent Unit) abfertigen könnte, die derzeit in den beiden größten Häfen Floridas, Port Jacksonville und Port Everglades (maximal 9.000 TEU), nicht abgefertigt werden können. Dieser Ingenieur schlug vor, daß große internationale Containerschiffe zunächst den Hafen von Fort Liberté mit seiner größeren Kapazität anlaufen und dort entladen werden. Anschließend würde die Ladung in TEU-Containern auf Schiffen mit einer geringeren Containerkapazität nach Port Jacksonville und Port Everglades verschifft.

Der Ausbau des Hafens wird nicht nur die Rolle Haitis als Handelsdrehscheibe für die Region erheblich stärken, er wäre auch ein Anziehungspunkt für die Anwerbung und Ausbildung der für den Betrieb des Hafens erforderlichen Arbeitskräfte.

Innerhalb Haitis wird der Inlandstransport durch den Mangel an Flughäfen (und brauchbaren Straßen) stark behindert, was sich besonders deutlich bei den jüngsten Bemühungen von Hilfsorganisationen zeigt, Nothilfe in die vom Erdbeben am 14. August am stärksten betroffenen Landesteile zu transportieren. Das Land verfügt nur über 14 Flughäfen, von denen nur fünf oder sechs über befestigte Start- und Landebahnen und Linienflüge verfügen. Viele „Start- und Landebahnen“ sind kaum mehr als unbefestigte Straßen. Die Radarsysteme sind veraltet, wenn es sie überhaupt gibt. Dem Flughafen von Port-de-Paix, der drittgrößte des Landes in Bezug auf das Passagieraufkommen, fehlte zum Beispiel bis kürzlich eine Radaranlage. Zum Vergleich: Der US-Bundesstaat Florida, der doppelt so viele Einwohner hat wie Haiti, verfügt über 520 Flughäfen.

Das dürftige Flughafennetz des Landes muß aufgerüstet werden, was auch die Installation eines modernen, gut funktionierenden Radarsystems erfordert. Bis 2027 sollte Haiti über 25 Flughäfen verfügen, auf denen Linienflüge abgewickelt werden können, die Hälfte davon mit befestigten Start- und Landebahnen, die lang genug sind, um Boeing 787-Passagierjets und Boeing C17 Globemaster III-Militärtransporter aufzunehmen, die in Notfällen Hilfe leisten können.

VI. Abwasserentsorgung und Wasseraufbereitung

In der Hauptstadt Port-au-Prince, in deren Stadtgebiet drei Millionen Menschen leben, gibt es keine einzige Kläranlage. Es gibt auch keine Abwasserkanäle, die die Abwässer aus Waschbecken etc. aufnehmen. Viele Einwohner benutzen Plumpsklos; die Menschen kippen Müll und Abwasser in Kanäle, die mitten durch die Stadt verlaufen, Krankheiten verbreiten und bei Regen überlaufen. Die Freiluftkläranlage in Morne a Cabrit, 65 km von Port-au-Prince entfernt, ist die einzige Kläranlage im ganzen Land! Abfälle einschließlich menschlicher Exkremente und Müll fließen durch Flüsse und Bäche und überschwemmen das Land. Durch Wasser übertragene Krankheiten – vor allem Typhus, Cholera und Durchfallerkrankungen – machen einen erheblichen Anteil der Todesfälle aus. Gleichzeitig müssen die Bewohner von Wohnkomplexen das Wasser des Gebäudes oft selbst chloren, um sicher duschen zu können.

„42,3% der haitianischen Gesamtbevölkerung haben derzeit keinen Zugang zu sauberem Wasser“, gibt das Borgen Project an, das den Zugang der Entwicklungsländer zu grundlegenden Dienstleistungen verfolgt. Anderen Schätzungen zufolge liegt die Zahl sogar bei 50%. Das Borgen Project berichtet auch, daß drei Viertel der haitianischen Haushalte keinen Zugang zu fließendem Wasser haben. Hunderte von haitianischen Dörfern beziehen ihr Wasser aus Handpumpen, die oft nicht einmal funktionieren, oder aus Brunnen. Dörfer, in denen es weder Brunnen noch Handpumpen gibt, sind darauf angewiesen, daß die Regierung oder NGOs Wasser in Lastwagen liefern, die mit 200 Fünf-Gallonen-Eimern (knapp 20 Liter) Wasser beladen sind, um insgesamt 4000 Liter sauberes Wasser zu liefern – wenn möglich. In den Städten trinken viele Menschen abgefülltes Wasser in Flaschen. Der Mangel an zuverlässigem, sauberem Wasser behindert den täglichen Betrieb von Lebensmittelverarbeitungsbetrieben, Bäckereien und anderen Unternehmen.

Der Vorschlag von SMEDRIC und MCC sieht den Bau einer neuen Kläranlage in Port-au-Prince vor, die 180.000 Kubikmeter Abwasser pro Tag behandeln kann. Die Kläranlage wird nach der dreistufigen Methode von Vorbehandlung, Erstbehandlung und biologischer Zweitbehandlung arbeiten. Bis 2026 sollen in allen zehn Departements des Landes Kläranlagen mit dieser Kapazität gebaut werden, wodurch die Gesamtkapazität der Abwasserbehandlung auf 1,8 Mio. m³ pro Tag steigen wird. Dies ist ein guter Ausgangspunkt, könnte sich aber als unzureichend erweisen. Die Kläranlage in der US-Hauptstadt Washington, Blue Plains Advanced Wastewater Treatment, verarbeitet mindestens das Vierfache der für Haiti prognostizierten Kapazität, und das bei einer Bevölkerung, die weniger als ein Drittel der haitianischen beträgt.

Der Vorschlag von SMEDRIC und MCC sieht auch den Bau einer Wasseraufbereitungsanlage vor, die täglich 225.000 m³ reines, sicheres Trinkwasser in Port-au-Prince aufbereiten kann. Bis 2026 sollen im ganzen Land 15 solcher Anlagen mit der gleichen Kapazität gebaut werden, mindestens eine in jedem Departement. Um schnell eine ausreichende Versorgung mit sauberem Wasser zu erreichen, werden nukleare Entsalzungsanlagen und der Einsatz von Lasern zur modernen Wasserreinigung in Betracht gezogen.

VII. Industrie und Arbeitskräfte

Die haitianische Wirtschaft ähnelt heute am ehesten einer Wirtschaft, wie sie von der Britischen Ostindiengesellschaft im 18. Jahrhundert beherrscht wurde. Die informelle Wirtschaft, die sehr schlecht bezahlte Bekleidungs- und Textilindustrie und die Holzkohle produzierende Industrie sind typisch für eine Wirtschaft, die ihre Arbeitskräfte entwürdigt und unmenschlich behandelt. In einem Bericht der Weltbank vom Mai 2015 (Haiti: Towards a New Narrative) wird berichtet, daß 47% der haitianischen Wirtschaft informell ist und die „Arbeitskräfte“ darin alles verkaufen – von Kunsthandwerk, Straßenessen und Kaugummi bis hin zu Schmuggelware, Diebesgut und Drogen. Insgesamt sind 65% der haitianischen Arbeitskräfte entweder arbeitslos oder in der informellen Wirtschaft unterbeschäftigt. Die Landwirtschaft macht 40% der Wirtschaft aus, und der Anteil der formellen Beschäftigung – vor allem in der Industrie und im Dienstleistungssektor – beträgt lediglich 13%.

Die Textil- und Bekleidungsindustrie ist mit 57.000 Beschäftigten die treibende Kraft der primitiven Wirtschaft. Ein Textilarbeiter, der für den Export produziert, verdient in der Landeswährung 420 Gourdes, das entspricht etwa 5 US-Dollar am Tag. Die Textilexporte, die meisten davon in die Vereinigten Staaten, machen 90% aller Exporteinnahmen Haitis aus.

Das ist kein neues Phänomen. Die Austeritätsprogramme des IWF, die dem Land ab Mitte der 1980er Jahre auferlegt wurden, trugen dazu bei, Haiti in einen riesigen Ausbeuterbetrieb zu verwandeln, die zollfreien Montagebetriebe – die berüchtigten Maquiladoras, wie man sie in Mexiko, Mittelamerika und vielen Entwicklungsländern kennt – wurden die größten Arbeitgeber im Land. 1985 lag Haiti bei der Herstellung von Waren für den US-Konsum weltweit an neunter Stelle und hatte die zweifelhafte Ehre, der weltgrößte Produzent von Baseballs zu sein, und es gehörte bei der Herstellung von Produkten wie Stofftieren, Puppen und Kleidung zu den drei führenden Ländern.

Im USAID-Bericht über den „Strategischen Rahmen“ 2020-22 für Haiti wird festgestellt, daß die Holzkohleproduktion landesweit mehr als 150.000 Menschen beschäftigt. Abgesehen von der Landwirtschaft ist dies heute die größte Quelle informeller Beschäftigung in Haiti. Sie ist Teil der Holzkohlewirtschaft, die Haiti in einer feudalen, primitiven und massenmörderischen Wirtschaft gefangen hält.

Der größte Teil der haitianischen Industrie ist Leichtindustrie, da es fast keine mittelschweren oder schweren Investitionsgüter gibt. Die Arbeitskräfte haben ein sehr niedriges Bildungsniveau und sind ungelernt.

Im ganzen Land werden fünf Maschinenbauparks mit jeweils 5-10 Werkzeugmaschinenbetrieben mit jeweils 5-30 Beschäftigten entstehen. Jedes Unternehmen wird von einem qualifizierten Werkzeugmaschinenführer geleitet, der aus den USA, China, Frankreich, Deutschland, der Schweiz oder Italien kommen kann. Die Ausbildung der Mitarbeiter umfaßt vier bis fünf Jahre kombinierten Schulunterricht und Ausbildung am Arbeitsplatz.

2015 wurden Pläne für den Bau des 300-Millionen-Dollar-Zementwerks Siman Lakay in Gonaives bekanntgegeben, das einen großen Teil der von Haiti benötigten 4,5 Mio. Tonnen Zement pro Jahr produzieren und etwa 2200 qualifizierte Arbeitsplätze schaffen sollte. Das Projekt sollte von ausländischen und haitianischen Investoren finanziert werden, wurde aber aus unklaren Gründen nie gebaut. Es soll nun im Rahmen des Entwicklungsprogramms gebaut werden.

Haitis Nachbarland, die Dominikanische Republik, kann sich mit seiner Zementindustrie im Rahmen eines regionalen Entwicklungsplans an diesen Plänen beteiligen, da es über 16 Zementwerke verfügt und bereits mehr als die Hälfte seiner Jahresproduktion nach Haiti exportiert. Zwei Mini-Stahlwerke mit einer Kapazität von je 150 Tonnen werden ebenfalls für insgesamt 250 Mio. Dollar gebaut, einige weitere sollen später folgen, ebenso wie einige Fabrikationsanlagen. Diese Anlagen werden Haiti in die Lage versetzen, einige seiner grundlegendsten industriellen Bedürfnisse selbst zu befriedigen.

Ein Faktor, der die Entwicklung Haitis entscheidend vorantreiben wird, ist seine große Diaspora. Eine Schätzung geht von 760.000 haitianischen Einwanderern aus, die in den Vereinigten Staaten leben, eine andere Schätzung, die auch die haitianischen US-Amerikaner einschließt, von 1,3 Millionen Menschen. Außerdem leben insgesamt mehr als eine Million Haitianer in der Dominikanischen Republik, in Kuba, Kanada und Frankreich. Einige von ihnen haben ein starkes emotionales Engagement für die Entwicklung Haitis. Eine bedeutende Schicht der Diaspora sind Fachkräfte, darunter Ingenieure, Ärzte, Krankenschwestern, Architekten, Handwerker und einige Finanzfachleute.

Ein Entwicklungsprogramm der Art, wie es das Schiller-Institut vorschlägt, wird ein Anziehungspunkt sein, um viele dieser Fachkräfte in ihr Land zurückzuholen, entweder dauerhaft oder für kürzere Zeiträume, wo sie mit chinesischen, US-amerikanischen und haitianischen Projektmanagern zusammenarbeiten oder ihre beruflichen Fähigkeiten auf andere Weise einbringen werden. Sie werden einen wertvollen Beitrag zum Erfolg dieser Projekte leisten.

VIII. Bildung

Das feudale Wirtschaftssystem, das Haiti während des größten Teils seiner Geschichte auferlegt wurde, hat das Land daran gehindert, die gebildeten Arbeitskräfte hervorzubringen, die es für seine zukünftige Entwicklung braucht. Die Organisation Schools for Education in Haiti berichtet auf ihrer Webseite: „Die Einschulungsrate für die Grundschule in Haiti beträgt 57%, und weniger als 30% der Schüler erreichen die sechste Klasse. In den Sekundarschulen werden 20% der Kinder im entsprechenden Alter eingeschult… Haiti liegt bei den nationalen Bildungsausgaben auf Platz 177 von 186 in der Welt.“ Die Alphabetisierungsrate wird mit 61,7% angegeben, aber wenn weniger als 30% der Schüler die sechste Klasse erreichen, dann liegt die tatsächliche Alphabetisierungsrate wahrscheinlich darunter.

Gegenwärtig werden 80-90% der Schüler an internationalen Privatschulen unterrichtet, die hauptsächlich von Kanada, Frankreich oder den Vereinigten Staaten betrieben werden, sowie an Schulen in kirchlicher Trägerschaft und von NGOs. In Haiti gibt es insgesamt 15.200 Grundschulen, davon sind jedoch nur etwa 1800 öffentlich. Das ist weit entfernt von dem, was die haitianische Verfassung von 1804-05 vorsah, als sie festlegte: „Bildung soll kostenlos sein. Die Grundschulbildung ist obligatorisch… Die staatliche Bildung ist auf allen Ebenen kostenlos.“ Einem Bericht der Weltbank aus dem Jahr 2015 zufolge geben haitianische Eltern jedes Jahr durchschnittlich 130 Dollar aus, um ihr Kind auf eine (private) Schule zu schicken. In einem Land, in dem die Hälfte der Bevölkerung weniger als 3 Dollar am Tag verdient, können sich die meisten Eltern die Kosten für eine Privatschule nicht leisten, doch viele kämpfen darum, das Geld dafür zusammenzukratzen.

Ein weiteres großes Problem ist die Abwanderung von Fachkräften. Die Weltbank hat dokumentiert, daß 84% der Hochschulabsolventen das Land kurz nach dem Abschluß verlassen. Das Land hat viele talentierte Ingenieure, aber im Verhältnis zum Bedarf gibt es nur wenige.

Das haitianische Schulsystem muß überarbeitet werden, wobei der Rolle der öffentlichen Schulen mehr Bedeutung beigemessen werden sollte. Dazu werden 2000 neue, modernisierte öffentliche Schulgebäude gebaut und 1000 bestehende Gebäude mit moderner Wasserversorgung, Toiletten, Belüftungsanlagen, Essensräumen usw. ausgestattet. Außerdem sollten sie erdbeben- und hurrikansicher gemacht werden, wobei man erfolgreiche Konzepte aus anderen erdbebengefährdeten Ländern anwendet. Ein realistisches Ziel wäre es, die Hälfte dieses Programms innerhalb von fünf Jahren abzuschließen. Darüber hinaus sollte der derzeitige niedrige durchschnittliche Monatslohn eines Grundschullehrers von 445 Dollar oder 47.300 Gourdes klar geregelt und verdoppelt werden.

Am besten sollte der Unterricht in der Schule auf dem klassischen Lehrplan Wilhelm von Humboldts basieren, mit einer starken Betonung der Naturwissenschaften und der klassischen Fächer.

Das Schiller-Institut schlägt vor, mit der steigenden Zahl naturwissenschaftlicher Absolventen zwei Technische Hochschulen zu errichten, mit einer Anfangsklasse von jeweils 250 Studenten, wobei die Studentenzahl im Laufe der Jahre zunimmt. Es sollen Programme für haitianische Auszubildende im Werkzeugmaschinenbau eingerichtet werden, die etwa vier oder fünf Jahre lang eine kombinierte Ausbildung in der Schule und am Arbeitsplatz umfassen.

Unmittelbar nach dem Erdbeben vom 12. Januar 2010 in Haiti schlug Lyndon LaRouche vor, ein Projekt in der Tradition des US-amerikanischen Civilian Conservation Corps aus den 1930er Jahren einzurichten, um haitianische und US-Jugendliche zu beschäftigen. Heute schlägt das Komitee für den Zusammenfall der Gegensätze des Schiller-Instituts vor, sofort ein solches Projekt mit 5000 Jugendlichen aus der ganzen Welt einzurichten, die als Auszubildende in Wiederaufbauprojekten oder in COVID-19-Tracking- und Impfeinsätzen sowie im Krankenhausdienst arbeiten.

Die Zukunft Haitis, wie die der ganzen Welt, liegt in der Jugend. Das Schiller-Institut hat hiermit einen umfassenden Plan vorgelegt, um den herum mobilisiert werden muß, damit diese Zukunft Wirklichkeit wird.


Chinas Raumstation-Astronauten sprechen zu Studenten im Wissenschafts- und Technologiemuseum

Die drei Astronauten des Tianhe-Raummoduls sprachen in einem Videogespräch mit Studenten, die sich zu einer Ausstellung über die Raumstation im Beijinger Wissenschafts- und Technologiemuseum versammelt hatten. Der Kommandant der Mission, Nie Haisheng, ermutigte die Studenten, weiter fleißig zu lernen und „nach den Sternen zu schauen“. „Wir hoffen, daß alle ihren Zielen treu bleiben, innovativ und wissbegierig sind“, sagte er. „Laßt uns wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen und gemeinsam zu den Sternen segeln, um so zur friedlichen Entwicklung und Nutzung des Weltraums durch die Menschheit beizutragen.“ Die Astronauten schlugen drei Forschungsprojekte vor, an denen die Jugendlichen arbeiten könnten: die Bewertung der Auswirkungen der Weltraumumgebung auf das menschliche Leben, die Erforschung neuer Designs und Konfigurationen für künftige Raumstationen und die Erforschung, wie man mehr chinesische Delikatessen zu Weltraumnahrung für Astronauten verarbeiten und verpacken kann. „Wir hoffen, daß unsere Jugendlichen ihre Kreativität und Neugierde ausleben können, wenn sie sich mit diesen Themen beschäftigen“. sagte Nie. Yang Liwei, Chinas erster Astronaut im Weltraum, war ebenfalls im Museum anwesend. Das Herzstück der Ausstellung ist ein lebensgroßer Prototyp des Tianhe-Kernmoduls der chinesischen Stationen. Bei der Veranstaltung wird auch ein Team renommierter chinesischer Weltraumexperten und -forscher als Wissenschaftskommunikatoren auftreten, angeführt von der Taikonautin Wang Yaping, die 2013 den ersten wissenschaftlichen Vortrag von Bord der Raumstation Tiangong-1 aus hielt.


COVID: Eine Menschheit

Chinesische Impfstoffe in Afrika eingetroffen

Seit dem 10. Februar treffen chinesische Covid-19-Impfstoffe in Afrika ein. Unabhängig von Chinas Verpflichtungen im Rahmen der COVAX-Konvention der Vereinten Nationen hat sich das Land bereit erklärt, Impfstoffe kostenlos an 14 weniger entwickelte Länder zu liefern, insbesondere nach Simbabwe, Äquatorialguinea und Sierra Leone. Ein solches Versprechen zur solidarischen Hilfe war bereits im Juli 2020 auf dem Außerordentlichen China-Afrika-Gipfel in Beijing abgegeben worden.

„Eine Charge der von China gespendeten COVID-19-Impfstoffe von SinoPharm ist am Mittwoch in Malabo, der Hauptstadt von Äquatorialguinea, eingetroffen“, berichtete CGTN am 11. Februar. Auf einer Pressekonferenz in Beijing, auf der die Lieferung angekündigt wurde, merkte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Wang Wenbin, an, daß es sich um die erste Charge von Spenden aus China an afrikanische Länder handele, und fügte hinzu, dies zeige, daß China sein Versprechen einlöse, chinesische Impfstoffe zu einem globalen öffentlichen Gut zu machen.


Die revolutionäre Denkmethode des Nikolaus von Kues

Bei der Internetkonferenz des Schiller-Instituts am 12. und 13. Dezember hielt Helga Zepp-LaRouche, die Gründerin und Vorsitzende des Instituts, die folgende Rede.

Sie können sich die Rede während des 2. Panel im Video ansehen oder das Transkript lesen. Redner diskutierten zum Thema:Der Gefahr des Dritten Weltkriegs entkommen – Eine Friedensordnung auf der Grundlage der gemeinsamen Ziele der Menschheit.

Die revolutionäre Denkmethode des Nikolaus von Kues

Von Helga Zepp-LaRouche

Hallo, guten Abend oder guten Nachmittag, je nachdem, wo Sie sind. Als wir uns entschlossen, diese Konferenz kurz nach der US-Wahl abzuhalten, haben wir gewissermaßen vorweggenommen, daß dies ein sehr gefährlicher Moment in der Geschichte sein würde, und wir haben den Titel der Konferenz „Eine Welt auf der Grundlage der Vernunft schaffen“ genannt. Das mag weit hergeholt klingen, aber diese Konferenz soll nicht nur akademisch die aufgeworfenen Fragen diskutieren, sondern sie dient als ein Appell an alle Institutionen, Regierungen, gewählte Volksvertreter, Menschen guten Willens, dem Schiller-Institut zu helfen, eine internationale Allianz von Menschen zu organisieren, die in diese gegenwärtige Situation eingreifen. Denn Lösungen sind da. Es ist durchaus möglich, aus jeder der Krisen einen Ausweg zu finden. Aber das erfordert, daß die Menschen aktiv werden und als Staatsbürger handeln.

Nun, wenn man sich die Welt anschaut, können viele Menschen leicht anfangen zu verzweifeln, denn wenn man an das Sprichwort denkt, „Wen die Götter vernichten wollen, den treiben sie zuerst in den Wahnsinn“, dann findet man an vielen Ecken ein Echo davon. Und es ist auch ganz klar, daß man sich ernsthaft fragen kann: Ist die Menschheit moralisch fähig, zu überleben? Denn das Verhalten vieler Institutionen und auch Menschen scheint manchmal das Gegenteil zu sagen.

Pandemie, Hungersnot, Finanzkollaps und Krieg

Die Kombination von Krisen ist wirklich beispiellos. Lassen Sie mich nur einige von ihnen ansprechen.

Wir haben eine Pandemie. Diese Pandemie wurde in mehreren asiatischen Ländern relativ gut gehandhabt, aber in den Vereinigten Staaten, in Europa und auch in vielen Entwicklungsländern ist sie völlig außer Kontrolle geraten. Allein am 10. Dezember lag die Zahl der Neuinfektionen in den Vereinigten Staaten bei 217.729 neuen Fällen. In einer Woche, vom 3. bis 9. Dezember, starben dort 16.850 Menschen. In Deutschland, das am Anfang relativ gut dastand, gab es am 11. Dezember, also gestern, 27.217 neue Fälle, es ist völlig außer Kontrolle, 524 Todesfälle an einem Tag. Und die Landesregierungen und die Bundesregierung sprechen von der Möglichkeit einer kompletten, totalen Abriegelung, noch vor Weihnachten, dann bis ins neue Jahr hinein.

Das hätte nicht so sein müssen, denn wenn man das getan hätte, was sich als effektive Methode erwiesen hat, nämlich allgemeine Tests, Kontaktverfolgung unter Verwendung von Digitalisierung und moderner Technologie, und dann Menschen in Quarantäne zu schicken – dann hätte man das unter Kontrolle bringen können, aber das geschieht immer noch nicht.

Zu der COVID-Krise kommt noch eine Hungersnot hinzu, das Welternährungsprogramm spricht von einer Hungersnot „biblischen Ausmaßes“, was bedeutet, daß wenn nichts Dramatisches dagegen unternommen wird, im nächsten Jahr 270 Millionen Menschen verhungern könnten. Und offensichtlich könnte dies sehr schnell behoben werden, auch durch die Rettung der Landwirtschaft in den Vereinigten Staaten und Europa und anderen sogenannten fortgeschrittenen Ländern und die Verdoppelung der Nahrungsmittelproduktion.

Es droht eine Hungerpandemie bliblischen Ausmaßes

Dies ist offensichtlich nur das sichtbarste Ende der eigentlichen Krise, die darin besteht, daß das System kollabiert: Das Finanzsystem ist hoffnungslos bankrott, und all die Billionen, die von der Europäischen Zentralbank hineingepumpt wurden, insgesamt 1,85 Billionen Euro, hauptsächlich durch ein Pandemie-Notkaufprogramm, und von der Federal Reserve irgendwo zwischen 6 und 7 Billionen Dollar: dies alles dient dazu, das bankrotte System zu retten, in die Realwirtschaft fließen kaum Investitionen.

Der „Green Deal“

Und zusätzlich zu diesem andauernden Zusammenbruch, der nicht zu Ende ist, gibt es die wirklich wahnsinnigen Bemühungen der Europäischen Union, einen „Green Deal“ durchzusetzen. Sie haben sich gerade gestern getroffen und beschlossen, den CO2-Ausstoß bis 2030 von bisher geplanten 40% auf sogar 55% zu reduzieren. Das Gleiche wird man mit dem Green New Deal in den Vereinigten Staaten versuchen, wenn Biden der neue Präsident wird. Das ist der größte Irrsinn, denn es würde bedeuten, daß man eine kollabierende Wirtschaft weiter schwächt, indem man die Richtung aller Investitionen nur in grüne Technologien vorgibt – und so kann man moderne Industriegesellschaften nicht aufrechterhalten.

Die europäischen und amerikanischen Volkswirtschaften brechen ein, im letzten Jahr um durchschnittlich 10%, während z.B. China bereits im dritten Quartal, nachdem sie sich sehr gut von der COVID-Krise erholt haben, eine Wachstumsrate von 4,9% hatte, und im Monat November sind die chinesischen Exporte um durchschnittlich 25% gestiegen.

Konfrontation gegen China und Rußland

Das ist einer der Gründe für die absolut hysterische Kampagne gegen China. Denn was wir sehen, ist der Zusammenbruch des alten Paradigmas, des neoliberalen Systems, das, was das sogenannte „westliche“ Finanzsystem, das transatlantische System ausgemacht hat. Deshalb hält [US-Außenminister] Pompeo eine Rede nach der anderen und hat damit eine antichinesische Hysterie ausgelöst, die weit über den McCarthyismus hinausgeht. Er hat gerade in Georgia gesprochen und gesagt, daß jeder chinesische Student und Professor in den Vereinigten Staaten ein chinesischer Spion ist.

Sehr gefährlich ist auch, daß [Marshall] Billingslea, der Sonderbeauftragte des Präsidenten für Rüstungskontrolle, am 17. November eine Rede vor dem National Institute of Public Policy gehalten hat, in der er im Grunde genommen nur gegen Rußland und China wetterte. Er sagte, man könne Rußland bei der Rüstungskontrolle nicht trauen, China sei für die Auslösung der Coronavirus-Pandemie auf der ganzen Welt verantwortlich, und Rußland würde eine nukleare Doktrin für den frühzeitigen Einsatz von Atomwaffen vorantreiben, mit der Strategie „eskalieren, um zu gewinnen“.

Diese Behauptung ist eine komplette Lüge. Es ist eigentlich genau das, was die gegenwärtige NATO-Doktrin besagt, aber sie behaupten, daß Rußland einen Plan hat, die NATO anzugreifen und dabei auf die Kapitulation der NATO zu setzen. Billingslea sagte in dieser Rede auch, daß er der Trump-Administration oder Präsident Trump persönlich rät, die Reagan-Gorbatschow-Erklärung, daß niemand einen Atomkrieg gewinnen kann, nicht länger zu bekräftigen.

Aus diesem Grund hat der russische Außenminister Lawrow in der letzten Zeit mehrfach gewarnt, es sei eine sehr gefährliche Illusion, einen begrenzten Atomkrieg gewinnen zu können. Und wie viele andere Experten, u.a. von der Federation of American Scientists, gewarnt haben, gibt es so etwas wie einen „begrenzten Atomkrieg“ nicht, denn es liegt in der Natur von Atomwaffen, daß alle eingesetzt werden, sobald man eine einsetzt.

Billingslea beschuldigte China auch, sein Atomwaffenarsenal hinter einer „Großen Mauer der Geheimhaltung“ aufzubauen. Nun, die Realität ist, während sowohl die Vereinigten Staaten als auch Rußland, soweit ich weiß, irgendwo zwischen 6000 und 7000 Atomraketen haben, hat China ganze 290. Und angesichts der Tatsache, daß es diese kontinuierliche Anti-China-Kampagne gibt, fühlen sie sich dort natürlich gezwungen, ihr Atomwaffenarsenal aufbauen zu müssen. Es entsteht eine Dynamik, in der es eine Verhärtung in China gibt, das ist ganz klar – wie das Sprichwort sagt: Wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es zurück. Man befindet sich also in einer Eskalationsspirale, die extrem gefährlich ist. Maria Sacharowa, die Sprecherin des russischen Außenministeriums, sagte, das alles sei nur ein Vorwand für die USA, ihre Mittel- und Kurzstrecken-Atomraketen zu modernisieren.

Es ist eine Ironie, daß die Trump-Administration nur fünf Tage vor dieser wütenden Rede von Billingslea eine Anfrage der Federation of American Scientists verweigert hatte, die Zahl ihrer Atomsprengköpfe zu veröffentlichen. Früher, bis 2018, haben sie das getan, aber jetzt nicht mehr. Und Hans Kristensen [von der Federation] meinte, Billingsleas Anschuldigungen gegen China wären viel glaubwürdiger, wenn die Vereinigten Staaten ihre Zahlen in dieser Hinsicht offenlegten.

Es gibt also eine unglaubliche Situation an all diesen Fronten. Und denken wir daran, was wir im letzten Panel besprochen haben, die unglaublichen Ereignisse in den Vereinigten Staaten: die fünf Jahre dauernden Operationen gegen Trump, zuerst als Kandidat, dann in der gesamten Zeit seiner Präsidentschaft; Russiagate, das nicht bewiesen werden konnte; Impeachment, das auf Lügen basierte; und jetzt schließlich der versuchte oder tatsächliche Betrug bei der Wahl – und eine unglaubliche Zensur durch die großen Fernsehsender, die einseitig den Wahlsieger küren, und durch die sozialen Medien, die Inhalte zensieren! Man hat also eine Situation, die wirklich außer Kontrolle geraten ist. Und deshalb sollten wir einen Schritt zurücktreten und überlegen: Wie können wir einen anderen Denkansatz entwickeln? Denn ich denke, das ist die dringendste Frage, und der entsprechende Titel dieser Konferenz ist die „Koinzidenz der Gegensätze“.

Ideologien hinterfragen

Ich möchte zurückgehen zu dem, was mein verstorbener Mann Lyndon LaRouche (1922-2019) in jedem Land, das er je bereiste, betont hat: Er riet den Menschen, vor allem den jungen Leuten, daß sie anfangen sollten, über ihre jeweilige Ideologie nachzudenken. Denn wenn man in den Vereinigten Staaten ist, kann man sehr einfach erkennen, daß die Menschen in Europa anders denken, in jedem europäischen Land denkt man anders; die Menschen in Lateinamerika denken anders. Aber wenn man in seinem Land ist, denkt man nicht viel darüber nach; man hält alles für selbstverständlich. Und Lyndon LaRouche ist berühmt dafür – Sie können das überprüfen, indem Sie seine vielen Bücher lesen, was Sie eine ganze Weile beschäftigen wird –, daß er sich sehr darum bemüht hat, den Menschen eine Methode an die Hand zu geben, wie man sich seiner eigenen Denkweise bewußt werden kann.

Wir erleben gerade jetzt als Teil dieser zivilisatorischen Zusammenbruchskrise eine echte Krise in der Methode des Denkens. Es herrscht eine enorme Verwirrung der Meinungen, und das hat nach dem Ausbruch der Pandemie einen absoluten Krisenpunkt erreicht, wo Leute, die bis dahin ziemlich rational waren, in die wildesten Interpretationen und Verschwörungstheorien verfielen und versuchten, sich etwas zu erklären, was offensichtlich sehr beängstigend ist. Nun aber stellen die meisten Menschen die axiomatische Basis ihrer Ansichten nicht in Frage. Sie halten sie für selbstverständliche Wahrheiten, für die einzig wahre Wahrheit.

Wenn man eine erkenntnistheoretische Untersuchung dieser Gegensätze vornimmt, stellt man fest, daß sie oft auf der Grundlage von Nominalismus gebildet werden – Menschen verbeißen sich in ein bestimmtes Wort und tun so, als würde das alles erklären – oder von Empirismus oder Positivismus. Schlußfolgerungen ziehen sie als Ergebnis von Reduktionismus und Deduktionismus, und bei der Analyse betrachten sie die Welt durch eine konkave Brille: Sie projizieren die Landkarte des eigenen Geistes und der eigenen Überzeugungen und Absichten auf die vermeintliche Sicht des anderen.

Man sieht das heute deutlich: Es ist typisch für die Leute, die z.B. das vermeintliche geopolitische Interesse der EU gegen das von Rußland, China und den USA abgrenzen, oder für die Kreise, die China imperiale Absichten vorwerfen, die sie selbst haben. Dabei kommt jeder, der dies nüchtern untersucht, zu dem Schluß, daß China mit seinem Entwicklungsmodell nicht nur die extreme Armut in China selbst beseitigt hat – gerade vor zwei Wochen haben sie das vollendet, und China hat 850 Millionen seiner Menschen aus der Armut befreit, in eine große, wachsende Mittelschicht -, sondern daß es dieses Entwicklungsmodell auch den Entwicklungsländern anbietet, was die imperialen Absichten der Ankläger herausfordert.

Wie ich schon sagte, das übergreifende Thema dieser Konferenz ist das Konzept der Coincidentia Oppositorum, das Zusammenfallen der Gegensätze. Dieses Konzept wurde von Nikolaus von Kues entwickelt, dem bedeutendsten Denker im Europa des 15. Jahrhunderts, der als erster die Prinzipien des modernen souveränen Nationalstaates entwickelte, der mit der Zustimmung der Regierten regiert, wo es eine reziproke Beziehung zwischen Regierung, Volksvertretern und Regierten geben muß.

Die cusanische Denkmethode

Der deutsche Kardinal, Philosoph, Mathematiker und Jurist Nikolaus von Kues (1401-1464).

Er ist auch der Vater der modernen Naturwissenschaft. Er entwickelte eine neue Methode des Denkens, mit ganz neuen Gedanken, und er sagte sehr selbstbewußt, daß er etwas vorschlägt, was noch kein Mensch zuvor gedacht hatte. Und diese Methode liegt auch allen philosophischen Schriften und der wirtschaftswissenschaftlichen Methode meines verstorbenen Mannes Lyndon LaRouches und seiner physikalischen Ökonomie zugrunde.

Es ist im wesentlichen die Idee, daß die menschliche Vernunft die Fähigkeit hat, eine Lösung auf einer völlig anderen und höheren Ebene zu definieren als die, auf der all die Konflikte und Widersprüche entstanden sind. Es geht um die Fähigkeit, ein Eins zu denken, das von höherer Größe und Macht ist als das Viele. Wenn man seinen Geist trainiert, so zu denken, hat man den unfehlbaren Schlüssel zur Kreativität, und man kann diese Denkweise auf praktisch alle Bereiche des Denkens anwenden.

Um sich der Koinzidenz von Gegensätzen anzunähern, muß man mit einer Ablehnung der aristotelischen Methode beginnen. Aristoteles sagt, wenn etwas A ist, kann es nicht gleichzeitig B sein. Aber die Koinzidenz ist auch nicht A plus B, geteilt durch zwei, oder irgendeine andere algebraische oder arithmetische Berechnung. Nikolaus entwickelte dieses Konzept in mehreren seiner Schriften, aber am ausführlichsten in der De Docta Ignorantia (Über die gelehrte Unwissenheit), und diese wurde sofort von dem Heidelberger Professor und Scholastiker Johannes Wenck in einer Abhandlung De Ignota Litteratura (Der unwissende Gelehrte) angegriffen. Nikolaus antwortete darauf einige Jahre später, weil er diese Schrift nicht gleich erhielt, in einer kleinen Schrift, die ich allen empfehle, Apologia Doctae Ignorantiae (Verteidigung der gelehrten Unwissenheit). Darin beklagt er, daß heute – also zu der Zeit – die aristotelische Tradition vorherrsche, die das Zusammenfallen von Gegensätzen als Häresie wertet, weil diese Schule diesen Ansatz als etwas ihren Intentionen ganz Entgegengesetztes vollständig ablehne. Diese Intentionen waren eigentlich oligarchischer Natur, was er dort nicht sagt, aber darum ging es. Deshalb, sagte Cusa, wäre es ein Wunder, und es würde ihre Denkschule auf den Kopf stellen, wenn sie Aristoteles aufgeben und zu einer höheren Perspektive gelangen würden.

Im Gegensatz zur aristotelischen Methode, die sich in den Kampf zwischen Gegensätzen verstrickt, betrachtet die Sichtweise der Koinzidenz der Gegensätze den Vorgang von einer höheren Ebene aus. Dies wurde in dem kurzen Video angesprochen, das sie am Anfang [der Konferenz] gesehen haben, wo ich begründe, warum Lyndon LaRouches gesammelte Werke veröffentlicht werden müssen: Die Sicht der Koinzidenz ist so, als betrachte man das Geschehen von einem hohen Turm aus. Von dort sieht man den Jäger, die Gejagten und den Prozeß der Jagd. Das verschafft einem einen ganz anderen Sichtpunkt, als wenn man selbst der Jäger oder der Gejagte ist oder ständig mit der Nase am Boden herumläuft.

Auf diese Ebene des Denkens zu gelangen, bedarf jedoch einer enormen Anstrengung. Man kann es nicht einfach anknipsen, es ist ein intellektueller Kampf. Aber wenn man das bewältigt, hat man die Kraft, sich Bereiche zu eröffnen, die sonst völlig verschlossen wären. Nikolaus verweist darauf, wie Denker wie Avicenna auf die negative Theologie zurückgegriffen haben, um den Verstand aus der Gewohnheit herauszuholen, sich an von der Sinnesgewißheit gelieferten Scheinwahrheiten festzuklammern. Aber das scharfsinnigste, sagt Cusa, war Platos Argument im Parmenides-Dialog, der vielleicht der anspruchsvollste aller Dialoge Platos ist.

Platons Parmenides- Dialog

Parmenides (links) und Platon (rechts) sind sich
offensichtlich uneins. Zu sehen ist hier Raphaels
Schule von Athen

Parmenides war der Anführer der von der Methode her reduktionistischen Eleatischen Schule, die lehrte, daß das Wesen der Dinge nur durch den Denkprozeß erreicht werden könne, ohne irgendeinen Bezug zu materiellen Dingen. Aber dieses Wesentliche müsse von strengster Einfachheit sein, ohne jede Vielheit und Vielfalt, vor allem ohne jede Veränderung und Bewegung. Alle von den Sinnen gegebene Mannigfaltigkeit und die dadurch angedeutete Veränderung seien nur Schein, sagte Parmenides, bloße Illusion, daher könne Mannigfaltigkeit und Veränderung nie zum Wesen gehören oder daran teilhaben.

Im Dialog verlockt Platon nun Parmenides dazu, genau dieses eklatante Paradox seines Denkens aufzudecken, nämlich daß er das Prinzip der Veränderung ausgelassen hat.

In der von Platon begründeten Tradition ist diese „Veränderung“ allerdings nicht die lineare Ausdehnung eines euklidischen Raumes, sondern die kontinuierliche Abfolge neuer axiomatisch-revolutionärer Entdeckungen, was zu einer verschachtelten Reihe von Entdeckungen universeller physikalischer Prinzipien führt, die das Wissen über das physikalische Universum vertiefen und die schöpferischen Kräfte aller Menschen vervollkommnen, denen dieser Fortschritt vermittelt wird. Nikolaus sagt an einer Stelle, daß durch diese Bildung jeder Mensch die Entwicklung des gesamten Universums bis zu diesem Punkt in seinem Geist nachvollzieht. Dieser Mikrokosmos des Geistes, der sich mit dem Makrokosmos – dem Universum – in Übereinstimmung befindet, versetzt jeden Menschen potentiell in die Lage, vorausschauend zu wissen, was die nächste Entdeckung sein muß, um den gesetzmäßigen Prozeß der Schöpfung fortzusetzen.

Das ist sehr wichtig, weil dies engstens mit dem Konzept der relativen potentiellen Bevölkerungsdichte zusammenhängt, das Lyndon LaRouche entwickelt hat, da es uns ebenfalls einen Maßstab für die notwendige nächste Entdeckung liefert.

Für Platon ist jede einzelne solche Erkenntnis das Ergebnis einer entsprechenden Entdeckung, die der menschliche Geist auf „intuitive“ Weise hervorbringen kann. Deshalb betonte auch Einstein: „Phantasie ist wichtiger als Wissen. Wissen ist begrenzt, Phantasie aber umfaßt die ganze Welt.“ Sie regt den Fortschritt an und bringt die Evolution hervor.

Platons Antwort auf Parmenides ist daher sein ontologischer Begriff des Werdens als der Fähigkeit des menschlichen Geistes, ständig solche Hypothesen zu erzeugen, oder die Hypothese der höheren Hypothese, in der jene allumfassende Veränderung das Eine ist, das auf einer höheren Ebene das Viele einschließt.

Die Quadratur des Kreises

Nikolaus von Kues wusste, daß man über Archimedes Methode der Kreisquadratur hinausgehen muß

Dieselbe Denkmethode wandte Nikolaus an, als er ein Problem löste, das viele Denker und Mathematiker seit der Antike schlaflos gelassen hatte, nämlich das Problem der Quadratur des Kreises. Archimedes, ein früherer Mathematiker, hatte versucht, das Problem mit der Methode der Erschöpfung zu lösen, indem er eine immer größere Anzahl von Vielecken auf dem Kreis ein- und umschrieb. Die irrige Annahme ist, daß die Umfänge der beiden Polygone irgendwann mit dem Kreis zusammenfallen. Auf diese Weise fand Archimedes zwar eine brauchbare Annäherung an die Zahl Pi (π), aber in Wirklichkeit war das Problem nicht gelöst. Denn Cusa sagt, je mehr Ecken ein Vieleck hat, desto weiter entfernt es sich vom Kreis.

Es bedurfte Cusas revolutionärer Denkweise, um das Problem der Quadratur des Kreises zu lösen, indem er deutlich machte, daß ein Kreis nicht durch eine Geometrie konstruiert werden kann, die auf der axiomatischen Annahme von selbstevidenten Punkten und Geraden beruht, sondern daß man eine axiomatisch andere Geometrie anwenden muß, bei der die Kreiswirkung die euklidische selbstevidente Annahme des Punktes und der Geraden ersetzt. Dieses sogenannte isoperimetrische Prinzip vom Primat des Kreises macht deutlich, daß man vom Kreis zum Vieleck gelangen kann, aber nicht umgekehrt. Auf diese Weise lieferte Nikolaus den schlüssigen Beweis für den Unterschied zwischen dem auf die Kommensurablen beschränkten Bereich der Mathematik und dem davon komplett abgegrenzten Bereich der Inkommensurablen.

Dieser Fortschritt vom Verständnis der Quadratur des Kreises bei Archimedes zum überlegenen Verständnis bei Cusa veranschaulicht auch die Rolle der menschlichen Entdeckung eines bereits existierenden universellen Prinzips – den Übergang von dessen Existenz als Potential, das aber zuvor dem Blick des menschlichen Wissens verborgen war, hin zur „Verwirklichung“ dieses Prinzips durch die Akte der menschlichen Entdeckung. Dieser kontinuierliche Prozeß der Entdeckung ist ontologisch primär, das heißt, das Eine ist primär in Bezug auf den Inhalt eines jeden und aller der Vielen.

Bernhard Riemann, auf dessen wissenschaftlicher Methode der Name des LaRouche-Riemann-Wirtschaftsmodells mit beruht, führt in einer von Lyndon LaRouche zitierten Schrift, Zur Psychologie und Metaphysik, denselben Gedanken aus, indem er die menschliche Seele als einen Bestand an kompakten, eng und vielfältig miteinander verbundener Ideen beschrieb, die „Geistesmassen“, oder wie Lyn sie nannte „Gedankenobjekte“. Jede neue solche Geistesmasse schwingt mit allen vorher angesammelten mit und steht in wechselseitiger Beziehung zu ihnen, umso mehr, je mehr eine innere Verwandtschaft zwischen ihnen besteht. Riemann sagt auch, daß diese kompakten Geistesmassen weiter existieren, auch wenn der Mensch, der sie geschaffen hat, gestorben ist und Teil dessen wird, was er die Seele der Erde nennt.

Die Menschheit als geologische Kraft

Im wesentlichen dieselbe Idee drückte Wladimir Wernadskij in einem Vortrag in Paris im Jahr 1925 aus, in dem er die menschliche Gattung und den kollektiven menschlichen Geist als eine „geologische Kraft“ im Universum beschreibt. Wernadskij zufolge beweist die gesamte Geschichte des Universums, daß diese „Noosphäre“ mehr und mehr die Herrschaft über die Biosphäre gewinnen wird. Und dieser anti-entropische Charakter der Kreativität des menschlichen Geistes als fortschrittlichster Teil und treibende Kraft des physikalischen Universums ist der Grund, warum es Optimismus für die Zukunft der Menschheit gibt.

Es bedeutet, daß immer mehr Menschen in allen verschiedenen Nationen und Kulturen in der Lage sein werden, sich über das infantile Niveau der Sinnesgewißheit zu erheben und gescheiterte ideologische Traditionen zu überwinden – wie z.B. die rhetorische Schule der Sophisten, der es nicht um die Wahrheit geht, sondern um den Sieg einer beliebigen Behauptung, die der Sophist aufstellt, um sein partikulares Eigeninteresse zu fördern.

Nun, das Konzept des Zusammenfallens der Gegensätze läßt sich auf die gegenwärtige strategische Situation und eigentlich auf jeden Bereich des menschlichen Wissens anwenden. So definiert sich das Interesse der Menschheit nicht als das Interesse der gegenwärtig lebenden Menschen, im Hier und Jetzt, sondern wenn man das Interesse aller zukünftigen Generationen im Auge hat. Das ist im wesentlichen die gleiche Idee, die die Präambel der amerikanischen Verfassung ausdrückt: daß das Gemeinwohl nicht nur der Gegenwart, sondern allen zukünftigen Generationen dienen muß. Heute muß man das auf die ganze Welt, auf die gesamte menschliche Bevölkerung beziehen.

Um ein Verständnis dafür zu bekommen, was das bedeutet, wenn man das, was ich gerade theoretisch gesagt habe, auf die gegenwärtige Weltsituation anwendet: Dann ist jede Nation ein Mikrokosmos, und nach Nikolaus von Kues ist Frieden im Makrokosmos nur möglich, wenn jeder Mikrokosmos die bestmögliche Entwicklung hat, und es als sein eigenes Interesse ansieht, daß sich alle anderen Mikrokosmen entwickeln. Das heißt, man geht nicht vom „geopolitischen Eigeninteresse“ der Nation oder einer Gruppe von Nationen aus und stellt sich gegen das vermeintliche Interesse aller anderen, sondern man folgt einer anderen Konzeption, die diese aristotelische Methode des Widerspruchs ablehnt. Wenn man Platons Konzept der Veränderung und des Werdens als das ontologische Primäre auffaßt, dann kann man die Entwicklung jedes Mikrokosmos wie in einer kontrapunktischen, fugierten Komposition sehen, wo die Entwicklung jeder Note und jeder Idee zur zukünftigen Entwicklung aller anderen beiträgt.

Es gibt bereits Beispiele, wo man eine Annäherung daran sehen kann, wie das funktionieren kann. Eines ist die internationale Zusammenarbeit beim thermonuklearen Fusionsreaktor in Frankreich, in Cadarache, dem ITER, eine Gemeinschaftsarbeit von 34 Nationen, die alle von den Entdeckungen profitieren.

Rede von Dr. Bernard Bigot:

„ITER – Kernfusion, eine Option für die Zukunft“

Und heute ist es natürlich auch die mögliche internationale Zusammenarbeit in der Weltraumforschung und Raumfahrt: Derzeit laufen drei sehr faszinierende Missionen zum Mars, die alle in wenigen Wochen auf dem Mars ankommen werden – und wäre es nicht sinnvoll, solche Forschung gemeinsam zu betreiben? Dann ist die Frage nicht, wer als erster seine Flagge auf den Mars setzt oder wer als erster Frau oder erster Mann den Mars betritt, sondern es ist die Frage: Wie erobern wir das Sonnensystem für die menschliche Besiedlung?

Nun, unser Sonnensystem ist unglaublich groß. Ich weiß nicht, ob Sie vielleicht in letzter Zeit zu den Sternen, zur Milchstraße hinaufgeschaut haben, aber es ist noch sehr viel größer, unsere Galaxie ist nur eine von zwei Billionen Galaxien, die bisher vom Hubble-Teleskop entdeckt worden sind!

Denken Sie einmal über die langfristige Existenz der Menschheit nach. Die Menschheit gibt es seit ein paar Millionen Jahren, aber tatsächlich, in Bezug auf nachprüfbare aufgezeichnete Geschichte wissen wir nur ein wenig über die letzten 5000 Jahre, und noch ein bißchen mehr durch Archäologie, aber das ist wirklich nur eine sehr kurze Zeitspanne. Nun, wollen wir, daß die Menschheit die unsterbliche Spezies ist? Oder wollen wir, daß die Menschheit nur wie eine der vielen anderen Spezies ist, die kommen und gehen? Immer wenn große Perioden von Artensterben kommen, verschwinden sie, aber das macht nichts, die Evolution bringt dann andere Arten mit einem höheren Stoffwechsel hervor. Und ist es dann eigentlich egal, wenn auch die Menschheit einmal dabei verschwindet? Nun, das glaube ich nicht. Denn ich denke, daß die Menschheit absolut einzigartig ist, was auch immer wir noch im Universum finden werden, wenn es irgendwo anderes intelligentes Leben gibt. Wir sind bis jetzt die einzige bekannte schöpferische Gattung.

In ein paar Milliarden Jahren wird die Sonne aufhören, so zu funktionieren, daß wir auf der Erde leben können, und spätestens dann ist es eine Frage des Überlebens für unsere Gattung, den Weltraum zu besiedeln, andere Planeten für die menschliche Spezies bewohnbar zu machen. Ich denke, daß dies durchaus möglich ist, wenn wir uns von diesem gegenwärtigen Zustand wegbewegen, in dem wir uns wie Kleinkinder verhalten, wie kleine Jungs, die sich gegenseitig ans Schienbein treten, und wenn wir unser volles Potential entwickeln, indem wir mit anderen Menschen und anderen Kulturen kooperieren und die langfristige Bestimmung der Menschheit erfüllen, die Gattung zu sein, die bewußt Veränderungen im Universum anstößt, und auf diese Weise unsere wahre Bestimmung als menschliche Spezies erfüllen.

Nun, ich denke, es liegt an uns, diese Transformation zu vollbringen und auf diese Weise die Fähigkeit zu schaffen, lebend und glücklich aus dieser Krise herauszukommen. Und das ist es, was ich sagen wollte.


Video: Runder Tisch des Komitee Coincidentia Oppositorum

Eine Gruppe von vierzig Personen, darunter Mediziner, Landwirte, Musiker, Wissenschaftler, Pädagogen, Geistliche, Bürgerrechtler, Gemeindeaktivisten und besorgte Bürger, traf sich am 23. Oktober 2020 zu einem Runden Tisch und reagierte damit auf den Aufruf der Vorsitzenden des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, das Komitee Coincidentia Oppositorum (Zusammenfall der Gegensätze) zu bilden, um sich mit der COVID-Pandemie zu befassen, die mittlerweile mit einer extremen Hungerkrise einhergeht. Die Diskussion wurde mit kurzen Anmerkungen von Zepp-LaRouche, Dr. Joycelyn Elders, ehemalige U.S. Surgeon General, und Mike Callicrate, Viehzüchter und Eigentümer von Ranch Foods Direct, eröffnet. Es folgten lebhafte Ausführungen, in denen mehrere medizinische Fachkräfte detailliert über die Arbeit berichteten, die sie bereits in Afrika, Asien und Südamerika sowie in den USA durchgeführt haben und die sich für die Art von kommunalen Ausbildungsprogrammen im medizinischen Bereich eignen würde, die Zepp-LaRouche und Dr. Elders hervorgehoben haben und dem Vorbild von US-Präsident Franklin Roosevelts Civilian Conservation Corps (CCC) folgen. Führende Landwirte diskutierten ihre Bereitschaft und Fähigkeit, genügend Nahrungsmittel zu produzieren, um den Hunger zu stoppen und die Welt zu ernähren, wenn sie Paritätspreise erhalten, um in der Lage zu sein zu überleben und weiterzuproduzieren. Das Video zeigt einleitende Bemerkungen von Zepp-LaRouche, Dr. Elders und Mike Callicrate.


Das Komitee für die Coincidentia Oppositorum

Von Helga Zepp-LaRouche, Gründerin und Präsidentin des Schiller-Instituts

Wir erleben derzeit eine so beispiellose Kombination von Krisen, daß es die psychologische Grenze des Erträglichen zu übersteigen scheint. Gesundheitsexperten in der ganzen Welt warnen, daß es noch weitere neun Monate dauern kann, bis alle Nationen mit einem – noch nicht einmal garantiert zur Verfügung stehenden – Impfstoff versorgt werden können, und in dieser Zeitspanne eine weitere Million Menschen ihr Leben durch COVID-19 verlieren können. Aber eine noch viel größere Anzahl von Menschenleben ist durch die Hungerkatastrophe bedroht, die sich jetzt in den Entwicklungsländern als Folge der Einbrüche in der Landwirtschaft und des Zusammenbruchs des sogenannten Informellen Sektors der Wirtschaft ausbreitet. Schon jetzt werden viele Staaten von lang existierenden, durch die Pandemie noch verstärkten sozialen Spannungen zerrissen – eine Dynamik, die sich in den nächsten Monaten noch massiv verstärken kann.

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) meldet einen massiven Einbruch bei den Einkommen um 10,7% in den ersten neun Monaten dieses Jahres, entsprechend 3,5 Billionen Dollar, und einen Verlust von bis zu 500 Millionen Arbeitsplätzen bis Jahresende. In den Industrienationen wurden die Insolvenzen, Kurzarbeit und Entlassungen, die viele Existenzen in Frage stellen, zumindest zeitweise durch Unterstützungsprogramme seitens der Regierungen abgemildert. Aber die meisten Entwicklungsländer sind völlig außer Stande, vergleichbare Programme zu finanzieren. Bei den Ländern mit sogenannten „niedrigen bis mittleren Einkommen“ betrug der Einkommensverlust 23,3% im zweiten und 15,6% im dritten Quartal. Die Prognosen für das vierte Quartal sind noch weitaus pessimistischer.

Wenn man berücksichtigt, daß mehr als die Hälfte der Menschen in den Ländern Afrikas südlich der Sahara bereits vor dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie keine ausgewogene und ausreichende Ernährung hatte, dann ist die in Vice.com berichtete Nachricht, daß die Nahrungsmittelpreise in ganz Afrika im Schnitt um 250 Prozent gestiegen sind, katastrophal. Es droht, wie der Direktor des Welternährungsprogramms (WFP) David Beasley seit Monaten warnt, eine Hungerkatastrophe von „biblischem Ausmaß“, bei der pro Tag bis zu 300.000 Menschen zu sterben drohen.

Es ist eigentlich klar, daß angesichts einer solchen sich abzeichnenden Tragödie nur die Regierungen gemeinsam die Notprogramme verwirklichen können, die notwendig wären, um das Leben vieler Millionen Menschen zu retten. Doch die Erfahrung der letzten Monate zeigt leider, daß geopolitische Konfrontation des Westens gegen Rußland und China statt Kooperation auf der Tagesordnung steht und z.B. das WFP statt der dringend benötigten 5 Mrd.$ nur 750 Mio.$ erhalten hat.

Was also tun? Soll man zusehen, wie die Tragödie vor unseren Augen ihren Lauf nimmt?

Der Erfinder der modernen Naturwissenschaften und des souveränen Nationalstaates, der große Denker des 15. Jahrhunderts Nikolaus von Kues, entwickelte als Antwort auf das finstere 14. Jahrhundert, das von ähnlichen Katastrophen gekennzeichnet war wie unsere Gegenwart, eine neue Methode des Denkens – die Coincidentia Oppositorum, die, wie er selbstbewußt betonte, einen völlig neuen Ansatz für die Lösung von Problemen darstellte. Es war die Idee, daß der menschliche Geist als lebendiges Ebenbild des Schöpfers dazu fähig ist, die höhere Ebene zu definieren, auf der alle Widersprüche, die scheinbar unlösbar sind, überwunden werden können. Der menschliche Geist ist Nikolaus zufolge in der Lage, das Eine zu denken, welches eine höhere Mächtigkeit hat als das Viele. Ganz ähnlich stellte Albert Einstein fest, daß man die Probleme nicht auf der Ebene lösen kann, auf der sie geschaffen wurden.

Dieses Denken des Ineinsfallens der Gegensätze ist die Methode, die wir heute für die Lösung der die ganze Menschheit bedrohenden Krise anwenden müssen. Wir müssen einen Ausweg definieren, der die existentiellen Bedürfnisse aller betroffenen Menschen und Interessengruppen gleichermaßen erfüllt. Konkret auf die Pandemie bezogen läßt sich dieser Ansatz sehr wohl anwenden.

Ein erster Schritt

Da es die jungen Menschen dieser Welt sind, deren Zukunftschancen durch das Zusammentreffen der Pandemie und der Wirtschaftskrise, an deren Zustandekommen sie keinen Anteil hatten, am meisten gefährdet sind, muß man eine Perspektive für sie entwickeln, die zugleich das reale Problem anpackt und ihnen eine konkrete Aufgabe gibt. Die COVID-19- Pandemie und künftige drohende Pandemien werden wir nur in den Griff bekommen können, wenn in jedem Land dieser Erde ein modernes Gesundheitswesen aufgebaut wird, das dem Hill-Burton-Standard in den USA, dem deutschen und französischen Gesundheitssystem vor der Privatisierung oder dem in Wuhan erfolgreich demonstrierten System in China im Prinzip entspricht.

Der erste Schritt dazu könnte gemacht werden, indem man z. B. Universitätskliniken, Krankenhäuser, medizinische Fakultäten oder medizinische Hochschulen in den USA und europäischen Nationen durch Partnerschaften mit gleichartigen Institutionen in Afrika verbindet. Wenn man moderne Gesundheitssysteme aufbauen will, werden ja nicht nur die medizinischen Kapazitäten, wie Krankenhäuser, Infrastruktur, Wasser, Elektrizität etc. gebraucht, sondern auch gut ausgebildetes medizinisches Personal in sehr großer Anzahl.

Diese Partnerschaften sollen deshalb junge, z.T. arbeitslose Menschen in den USA, Europa und afrikanischen Staaten nach dem Vorbild von Roosevelts Civilian Conservation Corps (CCC) zunächst zu medizinischen Hilfskräften und dann später zu medizinischem Personal ausbilden. Der allererste Schritt ist die Schulung der jungen Menschen für den Einsatz in den Gemeinden bzw. Dörfern, um die Bevölkerung in die Gesundheitsmaßnahmen einzuweisen, die zur Bekämpfung der Pandemie notwendig sind.

In Tuskegee/Alabama, in Tennessee, in St. Louis/Missouri und weiteren Orten in den USA gibt es bereits eine solche Zusammenarbeit mit lokalen Institutionen, die auch Kliniken und lokale Polizeikräfte in vertrauensbildende Maßnahmen wie Hausbesuche einbezieht, was angesichts der allgemeinen Unsicherheit in der Bevölkerung und der teilweise massiven Kampagnen gegen das Tragen von Masken, die Ablehnung von Impfstoffen etc. dringend notwendig ist.

Die gemeinsame Ausbildung und der Einsatz von amerikanischen und europäischen jugendlichen Hilfskräften mit afrikanischen Jugendlichen in den afrikanischen Partnerschaftsprojekten erfordern ebenfalls vertrauensbildende Maßnahmen durch medizinisches Personal sowie Vertreter von Kirchen oder im Katastrophenschutz tätigen Organisationen. Von Anfang an sollten diese Programme zuerst auf die Verteilung von medizinischem Material und leicht transportierbaren Lebensmitteln, wie Milchpulver, Trocken- und Dosenfleisch etc. ausgerichtet sein, um dies so bald wie möglich auf die Ausbildung der Jugendlichen beim Aufbau von Infrastruktur und der Entwicklung von Landwirtschaft und Industrieprojekten auszuweiten.

In den sozialen Brennpunkten in amerikanischen Städten oder europäischen Vorstädten, in denen es in der letzten Zeit aus unterschiedlichen Gründen zu gewaltsamen Straßenkämpfen gekommen ist, wäre eine solche Ausbildungsperspektive für Jugendliche, die heute einer Vielfalt von Gefährdungen wie Drogen, Alkohol, Bandenkriminalität, Internetabhängigkeit und degradierter Gegenkultur ausgesetzt sind, die absolut notwendige Alternative, um eine gesellschaftlich notwendige und zukunftsweisende Aufgabe zu erhalten.

In den USA würde eine solche kreative gewaltfreie direkte Aktion historisch an der Bürgerrechtsbewegung von Dr. Martin Luther King anknüpfen. Es sei daran erinnert, daß Amelia Boynton Robinson, die Bürgerrechtlerin, die Dr. King nach Selma/Alabama holte und die im März 1965 während des berüchtigten „Blutsonntags“ auf der Edmund-Pettus-Brücke von der Polizei zusammengeschlagen und für tot gehalten zurückgelassen wurde, 25 Jahre lang Vizepräsidentin des Schiller-Instituts gewesen ist.

Es ist hier nicht der Ort, um die Komplexität der sozialen Brennpunkte zu diskutieren, sei es in den amerikanischen Städten mit den Gewaltausbrüchen, die vor allem seit der Ermordung des Afroamerikaners George Floyd stattgefunden haben, sei es in den französischen Banlieues, in denen die Auswirkungen der Pandemie die schon lange existierende soziale Schieflage dramatisch verschlimmert haben. Auch wenn es zweifellos Kräfte gibt, die bestehende soziale Konflikte für ihre politischen Zwecke instrumentalisieren, so bleibt dennoch die dringende Notwendigkeit, die eigentlichen Ursachen für die Verzweiflung und Entwurzelung der jungen Generation zu beseitigen. Ein solcher erster Schritt der Ausbildung zu medizinischen Hilfskräften kann in vielen Fällen der Startschuß sein, um dann eine professionelle Ausbildung als Krankenpfleger, Arzt oder medizinischer Wissenschaftler zu durchlaufen.

In dem Komitee sollten sich Personen zusammenfinden, die sich als eine Taskforce zur Realisierung dieses Projektes verstehen, die ihre unterschiedlichen Qualifikationen einbringen und einfach in einem anfangs kleinen, aber gut aufgezogen Beispiel demonstrieren, wie man das Problem so angeht, daß es auch als Pilotprojekt für entsprechende große Regierungsprogramme dienen kann, die dann hoffentlich bald folgen werden.

Die Hunger-Pandemie besiegen

Es ist dringend notwendig, weltweit genug medizinisches Personal auszubilden, um ein Weltgesundheitssystem aufzubauen. Aber damit muß die Überwindung der Hunger- Pandemie einhergehen. Es ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, daß in den Entwicklungsländern als Folge der durch die Pandemie massiv verschärften Hunger- Katastrophe buchstäblich viele Millionen Menschen vom Tod durch Verhungern bedroht sind – wie Jean Ziegler, ehemaliger UN-Beauftragter für Menschenrechte, beschrieben hat, eine der qualvollsten Todesarten –, während gleichzeitig in den USA und Europa Landwirte um ihr wirtschaftliches Überleben kämpfen müssen. Diese müssen teilweise ihre Herden töten, weil die Kartelle sklavenähnliche Bedingungen in der fleischverarbeitenden Industrie geschaffen haben, so daß es unter diesen Betrieben immer wieder zu Corona-Hotspots kommt. Es ist zudem unakzeptabel, daß die Landwirte, die die Lebensgrundlagen für die ganze Gesellschaft produzieren, durch eine profitmaximierende Politik der Banken und Kartelle und durch ideologisch „grün“ motivierte Auflagen in den Ruin getrieben werden.

Vertreter der Landwirtschaft sollten sich also an diese medizinischen Teams angliedern und sowohl den Nottransport geeigneter Lebensmittel in Krisengebiete organisieren als auch die Ausbildung von zusätzlichen Jugendlichen für die Entwicklung der Landwirtschaft in den Entwicklungsländern in Angriff nehmen. Gemeinsam mit afrikanischen Landwirten können sie mit dem Aufbau einer modernen Landwirtschaft beginnen, was natürlich den Ausbau von Infrastruktur, Wasser- und Elektrizitätsversorgung usw. erforderlich macht. Es gibt in den USA, Deutschland, Frankreich oder Italien begeisterte junge und ältere Landwirte, die es in dieser Krisensituation als einen Teil ihrer Lebensaufgabe sehen werden, bei einem solchen Programm für die Überwindung einer beispiellosen Notlage mitzuhelfen.

Was also in den USA und Europa gebraucht wird, ist der Zusammenschluß von medizinischen Fachkräften im Ruhestand, engagierten Individuen sowie sozialen und religiösen Organisationen, die in diesem Komitee zusammenarbeiten, um diese Ausbildungsprojekte zusammenzustellen. Es ist auch ihre Aufgabe, die notwendigen Spenden von transnationalen und mittelständischen Firmen von Vorständen zu sammeln, die verstehen, daß es sich bei diesen Projekten um eine humanitäre Notwendigkeit handelt und daß es zugleich in ihrem ureigensten Interesse liegt, daß wir eine Welt erhalten, in der wir leben können.

Sobald diese Projekte eine konkrete Form annehmen, werden sie trotz des Ernstes der Lage die Begeisterung auslösen, die alle großen Pionierprojekte erzeugen können, und sie werden für viele junge Menschen, die andernfalls in soziale Aufstände und gewaltsame Aktivitäten hineingezogen würden, eine Zukunftsperspektive weisen.

Wie gesagt kann eine solche private Initiative in der Tradition der gewaltfreien Aktionen von Mahatma Gandhi und Martin Luther King (direct civil action) die gigantische Herausforderung, vor der wir stehen, nicht alleine lösen. Aber sie kann ein praktisches Beispiel geben, wie Menschen, die guten Willens sind, in einer ansonsten recht verzweifelten Lage intervenieren und einen Lösungsansatz aufzeigen können. Diese konkrete Beispiele werden dann die Regierungen ermuntern bzw. unter Druck setzen, sich zusammenzuschließen und mit einem neuen Kreditsystem die Rahmenbedingungen im Großen zu schaffen, um die Unterentwicklung der Entwicklungsländer dauerhaft zu überwinden.

Die cusanische Idee, daß auf einer höheren Ebene eine Lösung gefunden werden kann, die die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt, fände so eine aktuelle Anwendung. Diese Initiative wird helfen, die Pandemie zu bekämpfen, sie wird eine sinnvolle Aufgabe für junge Menschen definieren und sie wird akute Notsituationen in wirtschaftlich benachteiligten Regionen in den USA und Europa ebenso wie in afrikanischen Staaten verbessern helfen. Sie wird außerdem die existentielle Wichtigkeit der Landwirtschaft in Zeiten von Hungersnöten hervorheben und Menschen vor dem Hungertod retten. In einer Situation, wo viele Menschen sich angesichts der Jahrhundertkatastrophe ohnmächtig fühlen, bietet das Komitee die Möglichkeit für jeden einzelnen, etwas zur Überwindung der Krise beizutragen.

Hier unterstützen

Das Komitee befindet sich derzeit in seiner Aufbauphase. Zur Mitarbeit haben sich bisher die folgenden Personen bereit erklärt (Stand 1.10. 2020):

– Dr Jocelyn Elders, ehem. Surgeon General of the United States

– Dr. Kildare Clarke, M.D., ehem. Associate Director, Emergency Room Kings County Hospital, Brooklyn, N.Y.

– Dr. Jacob Goldsmith, PhD., Prof. für Chemie, Seton Hall University, NJ

– Dr. Morad Abou-Sabe, Prof. für Mikrobiologie (em.), Rutgers University, NJ, Egyptian-American Professional Society

– Dr. Shirley Evers-Manly, Interims-Dekanin der Krankenpflegeschule der Alcorn-Universität in Mississippi und Vorstandsmitglied der National Black Nurses Association.

– Fran McClain, Registrierte Krankenpflegerin, 2019-20 Vorsitzende der Rutgers University Alumni Association

– Carolyn Nah, Ehem. Präsidentin der NAACP, Bridgeport, CT

– Dr. Alim Muhammad, M.D., Gründer und Präsident des Abundant Life Health Attainment Center

– Greg Witherspoon, Pastor, Präsident der Make Health Happen Organization, East St. Louis, Illinois

– Scott Muhammad, Direktor der Students For Education and Economic Development (SEED), Tuskegee, Alabama

– James „Jim” Evans, ehem. demokratischer Abgeordneter des Mississippi House of Representatives (1992-2016)

– Dr. Lucenia Williams Dunn, ehem. Mayor, Tuskegee/Alabama

– Lamar Lemons, ehem. Landtagsabgeordneter, Detroit, derzeit Kandidat für den Schulrat

– Dr. Algeron Phillips, M.D., E. Orange, NJ

– Dr. Benett Greenspan, ehem. Vorsitzender der Society of Nuclear Medicine and Molecular Imaging

– Dr. William Warrick, M.D., Vorsitzender Veterans for Peace

– Bishop Nicolas Homicil, Executive Director, The Voice of the Tabernacle Multi Service Center, Mattapan, MA

– Dr. Kathy Helgason, Neurologe und emeritierter Professor

– James Barnett, North Alabama Regional Representative (1985), Coalition of Black Trade Unionists


Chas Freeman: Sanktionen sind „sowohl heuchlerisch und kontraproduktiv als auch grausam“

Chas Freeman, ein ehemaliger Verteidigungsbeamter und Karrierediplomat, der als Botschafter in Saudi-Arabien und stellvertretender Missionschef in China und Thailand diente, reagierte auf den Aufruf Helga Zepp-LaRouches, den Völkermord in Syrien und im Jemen zu stoppen, mit der folgenden Erklärung über die Rolle von Sanktionen in der Außenpolitik:

„Ich bin aus folgenden Gründen nicht mit unserem Mißbrauch und der übermäßigen Nutzung von Sanktionen einverstanden: sie schaffen eher eine „Wohlfühl“- als eine ergebnisorientierte Diplomatie, sie sind unwirksam, wenn sie nicht einen positiven Vorschlag als Teil der Verhandlung derjenigen enthalten, die sie verhängen, sie schaffen Marktverzerrungen, die schnell zu Eigeninteressen führen, die für deren Aufrechterhaltung sorgen, sie verletzen unschuldige Menschen, erlauben es aber den Machthabern, ihre politische Macht mittels der Durchsetzung ‚humanitärer Ausnahmen‘ zu maximieren. Des Weiteren helfen die Sanktionen dabei, diejenigen an den Pranger zu stellen, gegen die sie angeblich gerichtet sind, indem sie die Bevölkerungen, denen damit angeblich geholfen werden soll, durch völlig am Ziel vorbeigehende Maßnahmen leiden lassen, sind eine Ausrede für das Versagen, die Übel, die sie vorgeben wirksam zu bestrafen, anzugehen, und erlauben es Politikern, sich zu profilieren, ohne etwas Effektives gegen die Probleme zu tun, die sie verurteilen. Kurz gesagt sind sie sowohl heuchlerisch und kontraproduktiv, als auch grausam. Da ihr eigentliches Ziel darin besteht, die heimische Wählerschaft zu befriedigen, anstatt in den Ländern, auf die sie abzielen, etwas zu erreichen, sind sie stets ‚erfolgreich‘. Aber sie verursachen immense, sinnlose und unmenschliche Entbehrungen dort, wo sie auferlegt werden.

Ich werde jede Gelegenheit nutzen, diese Punkte anzusprechen, wann immer ich kann. Ich bin entsetzt über unsere Komplizenschaft bei der Verelendung von Syrern und Jemeniten und sage das auch, wenn ich gefragt werde.“

Internationale Schiller-Institut/ ICLC Internetkonferenz: Der moralische Bankrott der transatlantischen Welt schreit nach einem Neuen Paradigma

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