Der folgende Text wurde als Flugblatt auf der Berliner Friedensdemonstration am 25. November verteilt.
Es droht derzeit eine völlige Militarisierung Deutschlands, an deren Ende nur ein Dritter Weltkrieg stehen kann – das steht hinter der ominösen Forderung von Verteidigungsminister Pistorius, Deutschland müsse „kriegstüchtig“ gemacht werden.
Wir sind derzeit schon mit zwei regionalen Kriegen konfrontiert, die bei allen historisch spezifischen Gründen, die für die direkt betroffenen Völker wie die Ukrainer, Russen, Israelis und Palästinenser natürlich von enormer Bedeutung sind, aber zugleich Austragungsort sind für die geopolitische Auseinandersetzung zwischen der neoliberalen Ordnung des Globalen Nordens und der aufstrebenden neuen Ordnung des Globalen Südens. Denn in dem einen Fall geht es darum, Rußland als integralen Teil dieser neuen Ordnung „zu ruinieren“ (Baerbock), und in dem anderen um den Iran und die Ausbreitung der BRICS in Südwestasien.
Deutschland läßt sich vor den Karren der untergehenden Fiktion einer vom Westen dominierten unipolaren Welt spannen, die die Interessen der deutschen Bevölkerung fundamental verletzt, weil dies uns in einen Krieg zu ziehen droht, den wir als Nation nicht überleben würden. Dabei hat diese unterwürfige Politik uns schon jetzt international isoliert: Während in den USA längst offen diskutiert wird, daß der Krieg in der Ukraine nicht zu gewinnen ist und von dort keine zusätzlichen Mittel mehr für die militärische Unterstützung zur Verfügung gestellt werden, will Deutschland die Militärausgaben für die Ukraine von vier auf acht Milliarden verdoppeln. Und während die allermeisten Staaten des Globalen Südens und alle Menschenrechtsorganisationen für einen sofortigen Waffenstillstand in Gaza eintreten, sind selbst 5000 tote Kinder dort für die deutsche Regierung nicht genug, sich dieser Forderung anzuschließen!
Aber damit nicht genug; hinter der Forderung von Pistorius, Deutschland „kriegstüchtig“ zu machen, findet im deutschen (?) Sicherheits-Establishment eine breite Debatte darüber statt, was das eigentlich bedeutet. Die DGAP, eine die Regierung beratende atlantische Denkfabrik, hat soeben einen „Policy Brief“ von zwei Militärexperten, Christian Mölling und Torben Schütz, veröffentlicht, wonach ein „Quantensprung“ und eine völlige „Mentalitätsänderung“ bezüglich der notwendigen Aufrüstung Deutschlands erforderlich sei.
Sie konstruieren das Narrativ, Rußland brauche nach dem Ende des Ukrainekriegs zehn, vielleicht aber auch nur sechs Jahre, um seine volle militärische Schlagkraft wieder herzustellen, und wäre dann aufgrund seiner imperialen Ambitionen geneigt, NATO-Mitgliedsländer anzugreifen. Deshalb müsse die Regierung gemeinsam mit den Landesregierungen und den Parlamenten eine sicherheitspolitische Dekade ausrufen, in der 1. die Bundeswehr zur stärksten europäischen NATO-Armee aufgebaut werden müsse, 2. die Rüstungsindustrie massiv verstärkt werden müsse, und 3. die gesellschaftliche Resilienz gestärkt werden müsse.
In dem Papier heißt es: „Der viel geforderte Mentalitätswechsel wird nur geschehen, wenn die Gesamtverteidigung ein Teil des Alltags von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft wird.“
Resilienz müsse in alle Bereiche der Gesellschaft vordringen, in die Kommunen, öffentliche Einrichtungen, Vereine und Betriebe, Wettbewerbe, Weiterbildungen, Trainingscamps und viele weitere, interaktive Formate. Praktisch die gesamte Bevölkerung soll in ein Reservistenheer verwandelt werden. So heißt es weiter:
„Statt einer militärischen Dienstpflicht sollte es in den Bereichen, die für die Gesamtverteidigung relevant sind, ein verpflichtendes Praktikum für alle in Deutschland lebenden Menschen im Alter von 18 bis 65 Jahren geben.“
Es sollen also alle Menschen im arbeitsfähigen Alter von 18 bis 65 Jahren – höchstwahrscheinlich auch Sie, die dies hier jetzt lesen -, in diese Universalmobilmachung einbezogen werden! Und während in der realen Welt gerade die Haushaltsplanung aufgrund der ideologiebefrachteten Wirtschafts-Inkompetenz der Ampelregierung ihr Waterloo erlebt, wird in dem DGAP-Papier vorgeschlagen, die öffentlichen Haushalte über die Amtszeit mehrerer Regierungen hin zu belasten, damit die geplanten Streitkräftestrukturen und Beschaffungen weitergeführt werden können und die Rüstungsindustrie ihre Produktionsplanungen beibehalten kann. Im Klartext: Wen die Bundesbürger in den nächsten Jahren wählen, ist völlig egal, die Aufrüstung soll im vollen Tempo weiter gehen! Das Demokratieverständnis dieser Leute läßt die Diktatoren dieser Welt vor Neid erblassen!
In einem Punkt haben diese Kriegstreiber allerdings recht: Wir brauchen in Deutschland einen Mentalitätswechsel, aber in eine völlig andere Richtung, als es ihnen vorschwebt. Wir brauchen eine starke Friedensbewegung und souveräne Staatsbürger, die die Interessen Deutschlands und nicht die anderer Regierungen vertreten!
Die Welt erlebt derzeit einen ganz anderen Epochenwandel: Das Zeitalter des Kolonialismus der letzten 600 Jahre geht zuende. Die Nationen des Globalen Südens haben dank des wirtschaftlichen Aufstiegs Chinas und seiner Seidenstraßen-Initiative (BRI) zum ersten Mal die Chance, Armut und Unterentwicklung zu überwinden. 150 Nationen arbeiten seit zehn Jahren zum gegenteiligen Vorteil mit der BRI zusammen. Und obwohl China immer wieder betont hat, daß die BRI allen Nationen für die Kooperation offen steht, zogen es die USA, Großbritannien und die EU vor, auf der geopolitischen Dominanz des Westens zu bestehen, worin der wirkliche Grund für die oben genannten Kriege besteht.
Wir brauchen in Deutschland allerdings einen Mentalitätswechsel, der darin bestehen muß, daß wir eine Regierung wählen, die mit den Staaten des Globalen Südens kooperiert. Die BRICS-Plus, die Shanghai Corporation Organization, die EAEU, SCO, ASEAN, AU und G77, also die Organisationen des Globalen Südens, repräsentieren längst die überwältigende Mehrheit der Menschheit. Dort, vor allem in Asien, vollzieht sich die Hauptdynamik der wirtschaftlichen Entwicklung. Es ist in unserem ureigensten Interesse, daß wir als Exportnation mit diesen Staaten kooperieren. Es sollte uns zu denken geben, daß alle diese Nationen einen völlig anderen Blick auf die strategische Lage haben als den, den uns unsere Mainstream-Medien als den allein seligmachenden, eurozentristischen Blickwinkel einbläuen wollen.
Wir brauchen ein völlig neues Paradigma, das die Idee der einen Menschheit voranstellt und die Geopolitik ein für allemal hinter sich läßt.
Wir brauchen:
* Einen sofortigen Waffenstillstand und eine diplomatische Lösung für den Krieg in der Ukraine.
* Eine neue globale Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur, die die Interessen aller Staaten auf diesem Planeten berücksichtigt, einschließlich der von Rußland, der Ukraine, China, Israel und Palästina. Das Vorbild ist der Westfälische Frieden, der dieses Prinzip, daß der Frieden nur möglich ist, wenn man die Interessen des anderen berücksichtigt, erarbeitet hat.
* Eine umfassende Nahost-Sicherheitskonferenz, wie sie von China vorgeschlagen wurde und wie sie von der OIC und der Arabischen Liga unterstützt wird. Ein sofortiger Waffenstillstand und diplomatische Verhandlungen sind dazu der erste Schritt. Für die gesamte Region Südwestasien muß ein wirtschaftlicher Aufbauplan umgesetzt werden, wie er von Lyndon LaRouche bereits 1975 mit dem „Oasen-Plan“ vorgeschlagen worden ist. Der neue Namen für Frieden heißt Entwicklung, und zwar die Entwicklung aller.
In der International Peace Coalition (IPC) schließen sich seit vier Monaten immer mehr Organisationen und Personen zusammen, mit dem Ziel, die internationale Friedensbewegung so stark werden zu lassen, daß der Frieden dauerhaft errungen werden kann. Schließen Sie sich uns an!
Der folgende Offene Brief wurde von Helga Zepp-LaRouche zur sofortigen Verbreitung bei den Vereinten Nationen in New York und in aller Welt verfaßt.
Wer könnte leugnen, daß die wichtigste Verpflichtung aller Regierungen die Wahrung des Weltfriedens ist? Zwei Weltkriege und der Abwurf von zwei Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki im letzten Jahrhundert brachten den betroffenen Ländern Tod und Leid in einem Maß, das für viele heutige Regierungen und Politiker unvorstellbar ist.
Dennoch war die Existenz der Menschheit niemals in größerer Gefahr als heute. Der strategische Krieg zwischen dem „Westen“ und Rußland um die Ukraine wird zunehmend zum militärischen Patt, und es bleiben nur zwei Möglichkeiten: entweder eine Eskalation, mit dem Risiko des Einsatzes von Atomwaffen, oder eine sofortige Beendigung des Krieges durch diplomatische Verhandlungen!
Wenn noch tödlichere Waffen wie Taurus-Marschflugkörper und nuklearfähige F-35-Bomber eingesetzt werden, wie es jetzt geplant ist, droht damit eine Europäisierung oder noch größere Ausweitung des Krieges. Wenn es zu einem atomaren Weltkrieg kommt, wird die Menschheit in den darauffolgenden zehn Jahren in einem nuklearen Winter aussterben, und mit ihr praktisch alles Leben auf dem Planeten.
Wo sonst sollte das zur Sprache kommen als in der UN-Vollversammlung? Die Staatschefs, die an dieser Sitzung dieser einzigartigen Institution teilnehmen, vertreten alle Nationen der Welt und müssen sich mit dieser existentiellen Gefahr befassen. Wenn die gegenwärtige Weltordnung zur Gefahr des Aussterbens der Zivilisation geführt hat, dann muß diese Weltordnung verändert werden! Die Welt braucht eine neue internationale Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur, die den Sicherheits- und Entwicklungsbedürfnissen jedes einzelnen Landes der Welt Rechnung trägt. Eine solche neue Ordnung muß Bedingungen schaffen, die das Leben aller Menschen schützen und fördern, und muß das Potential jedes Menschen als kreatives Individuum schützen. Und das nicht nur für die heute lebenden Menschen, sondern auch für künftige Generationen!
Die Welt befindet sich in einem epochalen Wandel. Nach rund 600 Jahren geht die Ära des Kolonialismus zu Ende, und an ihre Stelle tritt ein neues Weltwirtschaftssystem, das ein Leben in Würde für alle ermöglicht. Die Umsetzung der Gürtel- und Straßen-Initiative (BRI), des größten Infrastruktur- und Entwicklungsprogramms in der Geschichte der Menschheit, schafft die Voraussetzungen dafür, daß immer mehr Länder Armut und Unterentwicklung überwinden können. Die jüngste Erweiterung der BRICS in Johannesburg, denen inzwischen etwa 40 weitere Länder beitreten wollen, und die nachfolgenden Konferenzen in St. Petersburg, Jakarta, Neu-Delhi und Wladiwostok haben gezeigt, mit welchem atemberaubendem Tempo ein neues System entsteht. Auch die Bemühungen um neue Kreditmechanismen für die Entwicklung, wie z.B. die Neue Entwicklungsbank (NDB) der BRICS, die jetzt zur „Großen Bank des Globalen Südens“ wird, sind so begrüßenswert wie notwendig.
Doch die Gefahr einer Spaltung der Welt in zwei Blöcke ist noch nicht überwunden, und mit einer solchen Spaltung würden geopolitische Brüche, wie sie die Weltkriege im 20. Jahrhundert verursachten, bestehen bleiben. Daher der dringende Appell an die Länder des Globalen Nordens, das Bestreben der Globalen Mehrheit zu unterstützen, eine gerechte neue Weltwirtschaftsordnung für alle zu schaffen!
Dieser historische Moment ist eine größere Herausforderung und Chance als das Ende des Kalten Krieges, eine bessere Welt zu schaffen.
Lassen wir uns diese einmalige Chance nicht entgehen!
Auf der Internetkonferenz des Schiller-Instituts am 9. September hielt die Gründerin und Vorsitzende des Instituts die folgende Rede. (Übersetzung aus dem Englischen, Zwischenüberschriften wurden von der Redaktion hinzugefügt.)
Es ist dringend notwendig, daß wir den normalen Bürgern der europäischen Nationen und der USA – die täglich mit einer Flut von Nachrichten in den Mainstream-Massenmedien bombardiert werden, die im allgemeinen so verdreht sind, daß sie eine fast völlig fiktive parallele Realität schaffen – den tektonischen Wandel bewußt machen, der sich in diesem historischen Moment vollzieht. Denn nur wenn sie die Entscheidungen erkennen, die eindeutig vor uns liegen, besteht Hoffnung auf einen positiven Ausweg aus der gegenwärtigen existentiellen Krise der Menschheit.
Es ist höchste Zeit, den Erfolg bzw. das Scheitern der offiziellen Politik der letzten Zeit zu überprüfen, um die Gültigkeit oder die Fehler der eigenen Denkprinzipien zu beurteilen. Wenn es eine Lehre daraus gibt, wie es im 20. Jahrhundert zu zwei Weltkriegen gekommen ist, dann sind das die unzähligen Fehlkalkulationen seitens der Teilnehmer an diesen Kriegen. Angesichts dieser Parallele kann man die Alarmglocken nur so schrill wie möglich läuten lassen.
Die geopolitische Konfrontation der US-geführten NATO über die Ukraine, die keineswegs „unprovoziert“ am 23. Februar 2022 begann, sondern eigentlich schon mit der von der NED [National Endowment for Democracy] finanzierten „Orangenen Revolution“ 2004, und die mit Victoria Nulands Maidan-Putsch 2014 eskalierte, funktioniert eindeutig nicht so, wie es beabsichtigt war. Die beispiellose Serie von Sanktionen hat Rußland nicht „ruiniert“, wie Annalena Baerbock es sich gewünscht hatte, sondern eine weitreichende Neuausrichtung Rußlands nach Osten und Süden bewirkt.
Aber auch Rußlands Erwartung, daß die Militärische Sonderoperation nur von kurzer Dauer sein würde, hat sich nicht erfüllt, da die russische Führung offensichtlich die Auswirkungen der NATO-Operationen in der Ukraine seit dem Maidan-Putsch und die darauf folgende Haltung der Bevölkerung sowie die weitreichende Bereitschaft des Westens zum militärischen Engagement in der Ukraine unterschätzt hat.
Nun ist eine militärische Pattsituation erreicht, und die Fortsetzung der Militäroperationen kann trotz aller neuen Waffenlieferungen nur zur völligen Zermürbung der menschlichen Ressourcen der Ukraine führen, die bereits horrende Opferzahlen zu beklagen hat, und zur Gefahr einer Eskalation bis hin zur nuklearen Ebene, wenn entweder Rußland seine territoriale Integrität bedroht sieht oder jemand glaubt, ein begrenzter Atomkrieg sei möglich.
Wenn die Europäer davon überzeugt waren, daß ihr Nachgeben gegenüber den Forderungen nach immer „mehr Waffen“ für die Ukraine zu einem Sieg der Ukraine auf dem Schlachtfeld führen würde, dann hat auch das nicht funktioniert. Statt dessen finden sich die europäischen Nationen völlig abgeschnitten von jeglichen Beziehungen zu ihrem Nachbarn Rußland wieder, die „Energieabhängigkeit“ hat sich von Rußland auf die viel teurere amerikanische Energie verlagert, und Deutschland hat inzwischen selbst den Anschein eines Restes von Souveränität und damit den Respekt der ganzen Welt verloren. Deutschland, das einstige wirtschaftliche Kraftzentrum Europas, durchläuft einen rasanten Prozeß der Deindustrialisierung, verursacht durch die exorbitanten Preise für Energie, die die wunderbare Schutzmacht, der „Verbündete“ USA liefert, die nicht zögern, die angeschlagenen deutschen Industriebetriebe mit Hilfe des Inflation Reduction Act in die USA umzusiedeln – ganz zu schweigen von den NordStream-Pipelines, wo niemand die nachträglich erfundene Geschichte über die Segelyacht Andromeda glaubt. Ein beliebtes Sprichwort dieser Tage lautet: „Wozu braucht man Feinde, wenn man solche Freunde hat?“
Deutschland hat sich in einen Fußabtreter verwandelt, auf dem die NATO-Stiefel herumtrampeln, während die derzeitige politische Führung mit ihrer grün-atlantischen Ideologie, für die es ein Euphemismus wäre, sie „deutsch“ zu nennen, so ziemlich alles verspielt, was all die Generationen aus den Trümmerfeldern nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut haben. Die Hälfte des deutschen Mittelstandes, der das gesamte Sozialsystem des Landes speist, geht entweder in Konkurs oder verläßt das Land, um in den USA oder in China neu zu investieren.
Die überwältigende Stimmung im Land ist verzweifelt; Restaurantbesitzer, Landwirte, Handwerker, Ladenbesitzer, Krankenschwestern, alle Arten von Dienstleistungsbranchen – sie alle haben das Gefühl, daß ihnen der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Und diejenigen, die nicht zur Alternative für Deutschland, einer rechten Partei mit einigen guten Punkten, aber auch inakzeptablen Elementen, überlaufen wollen, haben das Gefühl, daß sie keine Stelle haben, an die sie sich wenden können. „Alles wird gegen die Wand gefahren“, ist einer der meistgehörten Sätze in vielen privaten Gesprächen. Die Menschen fühlen sich völlig verraten. Wir sollten uns daran erinnern, daß es genau dieses Gefühl des Verrats nach dem Versailler Vertrag war, das der Weimarer Republik den Todesstoß versetzte!
Eine viel folgenreichere Entwicklung
Aber was die meisten Bürger des Westens nicht ahnen, ist, daß sich anderswo, in den Teilen der Welt, die von den Vorgängen zwischen der NATO und Rußland auch betroffen sind, eine viel größere, viel folgenreichere Entwicklung vollzieht. Die „Kollateralschäden“, wie hohe Energie- und Lebensmittelpreise in diesen Ländern, wurden [im Westen] als „vernachlässigbar“ angesehen, und dieses Versehen erweist nun sich als die größte Fehleinschätzung überhaupt.
Die einseitigen – und damit illegalen – Sanktionen gegen Rußland und eine ganze Reihe anderer Länder, die Beschlagnahmung von Staatsvermögen und der Mißbrauch des Dollars als Waffe, zusätzlich zu den langjährigen Erfahrungen mit unfairen Handels- und Kreditbedingungen, haben zu einem gigantischen Rückschlag in den Ländern des Globalen Südens geführt, der sich inzwischen zur Globalen Mehrheit entwickelt hat und mehr als 85% der Weltbevölkerung darstellt. Die massiven Versuche der NATO-Staaten, Länder in Lateinamerika, Asien und Afrika unter Druck zu setzen, damit sie sich im Ukraine-Konflikt auf die Seite der „Demokratien“ der „regelbasierten Ordnung“ gegen die vermeintlichen „Autokratien“ und „Diktaturen“ stellen, sind gründlich nach hinten losgegangen. Die Identität dieser Länder als Teil der Blockfreien-Bewegung [NAM] und des „Geistes von Bandung“, des großen Bündnisses zwischen asiatischen und afrikanischen Ländern der Konferenz von 1955, wurde wieder lebendig und damit auch die Erinnerung daran, daß es die Sowjetunion war, die viele Entwicklungsländer in ihrem Unabhängigkeitskampf gegen die Kolonialmächte unterstützt hatte.
Als Lyndon LaRouche, mein verstorbener Ehemann, 1975 mit dem Vorschlag für die Internationale Entwicklungsbank (International Development Bank, IDB), die jährlich 400 Milliarden Dollar an Krediten für industrielle Entwicklungsprojekte ausgeben sollte, erstmals eine Alternative zum IWF und seinen Konditionalitäten vorschlug, wurde dieser Vorschlag von der NAM, die bereits 75% der Weltbevölkerung vertrat, aus vollem Herzen unterstützt und in ihre Abschlußresolution in Colombo, Sri Lanka, aufgenommen. Die Reaktion der damaligen Finanzmächte war brutal: Indira Gandhi und Frau Bandaranaike wurden von der Macht verdrängt, Präsident Ali Bhutto und Premierministerin Indira Gandhi wurden einige Jahre später ermordet. Infolge dieser Angriffe spielte die NAM viele Jahre lang eine geschwächte Rolle.
Lyndon LaRouche, dessen 101. Geburtstag wir gestern feierten, und seine internationale Bewegung schrieben unermüdlich Entwicklungspläne:
einen umfassenden Infrastrukturplan für den gesamten afrikanischen Kontinent, der 1976 auf einer Konferenz in Paris vorgestellt wurde,
die „Operation Juarez“ für Lateinamerika in Zusammenarbeit mit dem mexikanischen Präsidenten Lopez Portillo,
einen 50-Jahres-Plan für das Pazifikbecken angesichts der zu erwartenden Zunahme der Bevölkerungsdichte in diesem Teil der Welt,
einen 40-Jahres-Plan für Indien, den Frau Gandhi umzusetzen begann,
den „Oasenplan“ für Südwestasien sowie
1991, als die Sowjetunion zerfiel, die Eurasische Landbrücke oder Neue Seidenstraße.
Alle diese Programme wurden auf buchstäblich Hunderten von Konferenzen und Seminaren auf fünf Kontinenten vorgestellt.
Nachdem Präsident Xi Jinping vor genau zehn Jahren und zwei Tagen in Kasachstan das Konzept der Neuen Seidenstraße (BRI) vorgestellt hatte, ignorierten westliche Regierungen, Denkfabriken und Medien erstaunlicherweise dieses Programm, das eindeutig das größte Infrastrukturprogramm der Geschichte war, noch um Größenordnungen größer als der Marshallplan für Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Aber für die Länder des Globalen Südens wurde die BRI zur großen Wende, sie ermöglichte es vielen von ihnen zum ersten Mal, ernsthaft Infrastrukturprogramme, Industrieparks, fortschrittliche Wissenschaftsprojekte usw. zu starten.
Ab Ende 2017 wechselte die Haltung des Westens gegenüber der BRI abrupt von Gleichgültigkeit zu Feindseligkeit. Erst in den Sicherheitspapieren des Pentagon und dann synchron in allen westlichen Medien und Denkfabriken wurde China in seinem Aufstieg als „Systemrivale“ und „Gegner“ charakterisiert, was jüngst in der „Entkopplung“ und dem „De-Risking“ gipfelte. Mit der jüngsten Erweiterung der BRICS zu BRICS-11 und dem bekundeten Interesse von rund 40 weiteren Ländern, sich ebenfalls anzuschließen, ist die Idee einer vollständigen Abkopplung von Rußland und China mehr als absurd: Sie ist selbstmörderisch. Die Perspektive, zwei mehr oder weniger getrennte Blöcke zu schaffen, ist in der Realität nicht umsetzbar und kann nur als der vergebliche Versuch gesehen werden, einen Gegner vor einem geplanten militärischen Angriff wirtschaftlich zu schwächen, der angesichts der Existenz von tausenden Atomraketen die Vernichtung der menschlichen Spezies und allen Lebens auf der Erde bedeuten würde.
Ökonomie der Menschheit
Es ist an der Zeit, eine grundlegende strategische Neubewertung vorzunehmen. Liegt es jetzt nicht eher im Interesse der USA und der europäischen Nationen, die Initiative zu ergreifen, um mit allen Ländern des Globalen Südens zusammenzuarbeiten und eine wohlhabende Welt für alle Nationen aufzubauen, als das Risiko einzugehen, eine Politik zu verfolgen, die zum „Ende der Geschichte“ führen könnte, allerdings auf ganz andere Weise, als Francis Fukuyama, der geistige Vater der größten politischen Fehleinschätzung, es sich vorgestellt hat?
Heute Morgen kam die Nachricht, daß Premierminister Modi auf dem laufenden G20-Gipfel in Neu-Delhi in einem längst überfälligen Schritt verkündet hat, nämlich daß die Afrikanische Union in die G20 bzw. damit G21 aufgenommen wurde. Das ist zwar positiv, aber völlig unzureichend. Um die Gefahr eines dritten, diesmal thermonuklearen Krieges zu beseitigen, müssen wir eine völlig neue internationale Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur schaffen, die die Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen aller Nationen auf dem Planeten berücksichtigt. Und das ist nur möglich, wenn sie auf der Entwicklung aller, auf dem Interesse des anderen und der Schaffung einer gemeinsamen Zukunft beruht, die für die gesamte Menschheit vielversprechend und aufbauend ist.
Die umfassende Studie Die Neue Seidenstraße wird zur Weltlandbrücke, die das Schiller-Institut 2014 als Reaktion auf Präsident Xis Ankündigung in Kasachstan 2013 veröffentlicht hat, kann die Grundlage für eine solche Friedensordnung für das 21. Jahrhundert sein. Sie gibt eine klare Orientierung für den wirtschaftlichen Aufbau aller Teile des Planeten, konkrete Pläne zur Überwindung der Unterentwicklung im Globalen Süden sowie konkrete Leitlinien für den Wiederaufbau der verfallenden Volkswirtschaften des Globalen Nordens. Zusammen mit den „Zehn Prinzipien“, die ich für eine solche neue Architektur vorgeschlagen habe, könnten diese Vorschläge die Grundlage für jeden ernsthaften Versuch sein, eine Lösung für die gegenwärtige Krise zu finden. Warum nicht eine Sondersitzung der Vollversammlung der Vereinten Nationen einberufen, um eine solche neue internationale Architektur zu erörtern, wo doch offensichtlich so viele Menschen auf der ganzen Welt über die Bedrohung des Weltfriedens besorgt sind?
Die Idee ist eine Weltlandbrücke, die alle infrastrukturell erschlossenen Kontinente durch Tunnel und Brücken miteinander verbindet, so daß man bald mit einer Magnetbahn von der Südspitze Argentiniens oder Chiles nach Norden durch Amerika über die Beringstraße und die Transsibirische Eisenbahn bis nach Gibraltar und weiter durch Afrika zum Kap der Guten Hoffnung reisen kann.
Das wird die Verwirklichung der Vision des deutschen Ökonomen Friedrich List mit seiner „Raum- und Zeitökonomie“ sein, in der er beschrieb, wie ein fortschrittliches Transport- und Kommunikationssystem mit hoher Geschwindigkeit, dichtem Zeitplan und Kosteneffizienz der Infrastruktur ein neues Niveau der geistigen und materiellen Produktivkräfte ermöglichen würde. Diese Entwicklung werde dann zu einer „Republik des Planeten“ führen, die auf der „Ökonomie der Menschheit“ basiert, die es ermöglichen würde, daß alle Talente ihre Ideen austauschen und in allen Bereichen der Wissenschaft und Kunst und in allen Wissensbereichen zusammenarbeiten, was wiederum die Effizienz aller Kräfte der Menschheit steigern würde. Das ist natürlich das genaue Gegenteil von „Entkopplung“ und „Derisking“.
Eine ähnliche Vorstellung von der zukünftigen Entwicklung der Menschheit zu einer großen Gemeinschaft der ganzen Welt, einer „datong shijie“, findet man auch bei Cai Yuanpei, dem ersten Bildungsminister der Republik China und Präsidenten der Universität Peking, der Schillers Konzept der ästhetischen Erziehung in China einführte. Offensichtlich lag Nikolaus von Kues‘ Idee von der Harmonie im Makrokosmos, die auf der bestmöglichen gegenseitigen Entwicklung aller Mikrokosmen beruht, die gleiche evolutionäre Grundidee zugrunde. Gottfried Wilhelm Leibniz‘ Idee einer vorgegebenen Harmonie im Universum verkörpert die gleiche Idee, ebenso wie Wernadskijs Vorstellung von der zunehmenden Herrschaft der Noosphäre über die Biosphäre. Und ich erinnere mich sehr gut daran, wie Lyndon LaRouche seine Mitarbeiter verblüffte, als er davon sprach, daß trotz der gegenwärtigen Bedeutung der Souveränität des Nationalstaates das nicht die letzte Stufe in der Entwicklung der Menschheit sein wird.
Sehen Sie sich den jüngsten Durchbruch an, den China vor einer Woche bei der kontrollierten Kernfusionstechnologie für eine neue Generation einer „künstlichen Sonne“, der Huanliu-3, erzielt hat. Nach Angaben der China National Nuclear Corporation (CNNC) wurde zum ersten Mal der Betrieb im Hochverflüssigungsmodus mit einem Plasmastrom von einer Million Ampere realisiert. Der Hocheinschlußmodus wird auch als Standardmodus für den Internationalen Thermonuklearen Versuchsreaktor (ITER) in Cadarache, Frankreich, verwendet, der von sieben Mitgliedsparteien betrieben wird: China, EU, Indien, Japan, Rußland, Südkorea und USA. Diese inhärent sichere Form der Kernenergie ist, sobald sie vollständig realisiert ist, eine der Technologien, die der geopolitischen Rivalität die Grundlage entziehen wird, denn sie wird Energie so reichlich und billig machen, daß sie billiger sein wird als die Fortsetzung militärischer Konflikte.
Die Perspektive für ein völlig neues Paradigma in den internationalen Beziehungen zeichnet sich am Horizont ab, und das könnte viel schneller kommen, als die meisten sich vorstellen können. Ein Wechsel in den Vereinigten Staaten bei den nächsten Präsidentschaftswahlen könnte die USA wieder auf den Weg der Republik bringen. Wie Sergej Glasjew angedeutet hat, wird wahrscheinlich im Jahr 2024, während Rußlands BRICS-Vorsitz, eine neue BRICS-Währung entstehen, die sich als Rettungsboot für das globale Finanzsystem erweisen könnte.
Es gibt also allen Grund für eine kulturell optimistische Sicht auf die Zukunft der Menschheit – vorausgesetzt, wir ersetzen Haß, Neid und Mißgunst durch Liebe, Großzügigkeit und Neugierde auf das Potential der anderen Kulturen. Noch haben wir Zeit, die Axiome unseres Denkens neu zu justieren.
Sie können den Appell am Ende der Seite durch eine Unterschrift unterstützen!
Der Gipfel der BRICS-Staaten, der vom 22.-24. August in Johannesburg in Südafrika stattfand, demonstrierte ungeachtet aller Störmanöver von westlicher Seite der ganzen Welt, daß eine neue Weltwirtschaftsordnung entstanden ist, die ein neues Kapitel in der Geschichte der Menschheit eröffnet. Nationen des Globalen Südens, die schon jetzt die große Mehrheit der Weltbevölkerung repräsentieren, bringen ihre praktische Entschlossenheit zum Ausdruck, die vergangene Periode von rund 600 Jahren des Kolonialismus für immer zu beenden und ein Wirtschaftssystem zu errichten, das die souveräne, gleichberechtigte Entwicklung aller Staaten auf dieser Erde, die Eliminierung von Armut und die Schaffung eines menschenwürdigen Lebensstandards für alle ermöglicht. Wir, die Bürger des Globalen Nordens, müssen diese Entwicklung aus vollem Herzen beglückwünschen und durch praktische Kooperation unterstützen!
Dabei ist eine korrekte Analyse, wie es zu dieser tektonischen Veränderung der strategischen Lage gekommen ist, essentiell. Diese Ausbildung eines neuen Wirtschaftsmodells ist nicht etwa das Ergebnis der Arbeit von „russischen Trollen“ oder „chinesischer Aggression“, wie es uns die Mainstream-Medien weiszumachen versuchen werden. Sie ist vielmehr das Resultat einer gewaltigen strategischen Fehlkalkulation von Kräften primär in den USA und Großbritannien, die sich nach der Auflösung der Sowjetunion fälschlicherweise als die Sieger des Kalten Krieges betrachteten und daraus das Recht ableiteten, einer unipolaren Welt ihr neoliberales Wirtschaftsmodell aufzuzwingen und alle Regierungen, die sich dieser „regelbasierten Ordnung“ nicht fügen wollten, durch diverse Methoden des „Regime-Wechsels“ zu ersetzen.
Die historische Chance von 1989, die darin bestand, eine damals absolut mögliche Friedensordnung für das 21. Jahrhundert zu errichten, wurde vertan und durch die Wolfowitz-Doktrin der US-Neocons und die Politik Brzezinskis ersetzt, die die von den USA und Großbritannien dominierte unipolare Weltordnung zementieren sollte, die besagte, daß niemals eine Nation oder Gruppe von Nationen die USA wirtschaftlich, militärisch oder politisch überflügeln dürfe.
Zu diesem vermeintlichen „Ende der Geschichte“, das Fukuyama zu sehen glaubte, gehörte auch die vollständige Deregulierung der Märkte und die weitreichende Privatisierung von Wirtschaftssegmenten, die zuvor unter staatlicher Kontrolle gewesen waren. Der Profitmaximierung in einer globalisierten Kasino-Wirtschaft stand nun nicht mehr viel im Wege, was zu einer immer weiteren Öffnung der Schere zwischen Arm und Reich und letztendlich genau an den Punkt führte, den Lyndon LaRouche 1971 prognostiziert hatte, als Präsident Nixon die festen Wechselkurse des Bretton-Woods-Systems aufhob, nämlich in die Systemkrise des neoliberalen Finanzsystems, die sich 2008 bereits manifestierte und die seitdem nicht behoben, sondern durch unbegrenztes Gelddrucken der Zentralbanken, das sogenannte „QE“, nur hinausgeschoben wurde.
Diese Politik, die wesentlich der Spekulation nützte, führte zu einer vielschichtigen Gegenreaktion. China war zwar bereit, sich mit seiner Reform- und Öffnungspolitik an der Globalisierung zu beteiligen, aber anstatt sich dem Modell der westliche neoliberalen Demokratie zu unterwerfen, besann sich diese 5000 Jahre alte Zivilisation auf ihre eigene Kultur, verfolgte das Modell des Sozialismus mit chinesischen Kennzeichen und setzte damit ein beispielloses Wirtschaftswunder in Gang. Die Bereitschaft Chinas, die Erfahrung dieses Erfolgsmodells mit anderen Nationen des Globalen Südens in der Form der Seidenstraßen-Initiative zu teilen, führte zu einer Renaissance der Blockfreien Bewegung und der Wiederbelebung des „Geistes von Bandung“. Es ist schmerzlich im Bewußtsein der Länder des Globalen Südens, daß der Kolonialismus sehr wohl in moderner Form – nämlich in den unfairen Handels- und Kreditbedingungen des liberalen Finanzsystems – fortbestand, wovor schon die Präsidenten Sukarno und Nehru seinerzeit vor 68 Jahren in Bandung gewarnt hatten.
Dieser Kolonialismus wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht beendet, wie Präsident Roosevelt beabsichtigt hatte, sondern durch Churchill und Truman perpetuiert. Aber vor allem nach dem 11. September 2001 konzentrierten die USA sich unter dem Banner des „Krieges gegen den Terrorismus“ auf militärische und sicherheitspolitische Operationen weltweit, die Errichtung von bis zu 1000 Militärbasen und die Ausbildung von militärischen Kräften in so gut wie allen Kontinenten. Dazu kamen dann diverse „humanitäre Interventionskriege“, die Kriege in Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien etc. Ganz offensichtlich blieb dabei die Idee des wirtschaftlichen Aufbaus dieser Länder auf der Strecke.
Es sollte niemanden verwundern, daß sich eine große Anzahl der Nationen des Globalen Südens unter diesen Umständen für die Kooperation mit den BRICS-Staaten entscheiden, die ihnen reales Wirtschaftswachstum und die Behandlung als ebenbürtige Partner anbieten. Darin und in der sehr konkreten Erfahrung des Verhaltens der früheren Kolonialmächte und der derzeitigen Hegemonialmacht liegt der Grund, warum die Nationen des Südens sich geweigert haben, Rußlands angeblich „unprovozierten Aggressionskrieg“ auf der Seite des „regelbasierten“ Westens zu verurteilen.
Der BRICS-Gipfel zeigte diese historische Neuausrichtung in der Welt so dramatisch sichtbar, daß selbst die Mainstream-Medien und politischen Kräfte, die bis vor kurzem in altgewohnter eurozentristischer Arroganz die Länder des Globalen Südens bestenfalls als exotische Urlaubsorte wahr genommen haben, nicht umhinkommen , die neue Realität zur Kenntnis zu nehmen. Aber die alles entscheidende Frage wird sein, wie sich die Nationen des Globalen Nordens zu dieser neu entstehenden Wirtschaftsordnung verhalten.
Der Versuch, die längst nicht mehr existierende unipolare Welt aufrecht zu erhalten, wird mit fast hundertprozentiger Garantie zum Dritten Weltkrieg führen, dem wir mit der Lage in der Ukraine – wo die konventionelle Dimension des Krieges mit dem Scheitern der ukrainischen Gegenoffensive erschöpft ist, sodaß nur die Beendigung des Krieges durch diplomatische Verhandlungen oder die Eskalation zum Einsatz von Nuklearwaffen als Optionen verbleiben – schon gefährlich nahe gekommen sind. Die Vorstellung, der Westen müsse sich von China und dem Einflußgebiet der BRI „entkoppeln“ oder „Risikominderung“ betreiben, wie die neue, lächerliche Formulierung heißt, würde nicht nur zu einer wirtschaftlichen Selbstzerstörung z. B. Deutschlands führen, sondern sie führt ebenfalls zum Krieg. Denn die Aufspaltung der Welt in zwei komplett separate Blöcke – einen US-dominierten, globalen NATO-Block, der weiter am Modell der Kasino-Wirtschaft festhält, und einen wirtschaftlich schnell wachsenden Block des Globalen Südens um die BRICS-Staaten – würde ebenfalls nicht friedlich bleiben.
Es gibt nur einen sicheren Weg, wie wir aus den vielen existentiellen Krisen, die an vielen Orten der Welt bestehen, herauskommen können: Anstatt das neue Wirtschaftsmodell der BRICS-Staaten als Gegner zu betrachten und zu bekämpfen, liegt es im ureigenen Interesse der Nationen des Globalen Nordens, mit dieser entstehenden Neuen Weltwirtschaftsordnung zu kooperieren und gemeinsam die gewaltigen Aufgaben der Überwindung von Armut und Unterentwicklung in Angriff zu nehmen.
Es gibt zwar derzeit nur wenig Anzeichen, daß die Vertreter des transatlantischen Establishments bereit wären, sich ihre Fehleinschätzungen und Politikfehler der letzten fast 35 Jahre einzugestehen, von wenigen Ausnahmen wie dem ehemaligen französische Präsidenten Sarkozy abgesehen. Aber die normalen Bürger Europas und der USA sollten jetzt ganz dringend die Axiome ihres eigenen Denkens überprüfen, ob sie nicht vielleicht doch von einer eurozentristischen Sichtweise und dem damit verbundenen latenten Rassismus beeinflußt sind. Die einfache diesbezügliche Gretchen-Frage lautet: Haben wir es wirklich hingenommen, daß es für immer so bleiben soll, daß fast eine Milliarde Menschen permanent am Rande des Hungertodes steht, zwei Milliarden kein sauberes Trinkwasser haben, 940 Millionen über keinen Zugang zu Elektrizität verfügen und der allergrößte Teil der Menschheit aufgrund von Armut nicht die Fähigkeit besitzt, die in ihnen angelegten Potentiale zu entwickeln, und damit dessen beraubt werden, was zum kostbarsten Gut des Menschen gehört?
Wir müssen die Entstehung dieser neuen Wirtschaftsordnung nicht nur als für Afrika, Asien und Lateinamerika längst überfällig ansehen, sondern auch verstehen, daß auch wir selbst nur durch die Kooperation mit ihnen unsere eigene marode Wirtschaft wieder in Gang bringen können. Präsident Xi Jinping hat von Anfang klar gemacht, daß die Belt- and Road-Iinitiative für die Kooperation mit allen Staaten dieser Erde offen ist, und es ist so gut wie sicher, daß die BRICS-Staaten auf Kooperationsangebote der westlichen Nationen offen reagieren werden.
Dies erfordert allerdings, daß wir im Westen unmißverständlich demonstrieren, daß wir zu einer ehrlichen Kooperation bereit sind. Dazu gehört vor allem, das Konzept der Ausdehnung der NATO zu einer Globalen NATO aufzugeben und konkret an einer neuen internationalen Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur mitzuarbeiten, die die Interessen aller Nationen, die von Rußland, der Ukraine, China und aller anderen Staaten eingeschlossen, berücksichtigt. Welche Aspekte eine solche neue Architektur berücksichtigen muß, habe ich in den zehn Prinzipien zu diesem Thema formuliert.
Unsere ganze Zukunft, die der Nationen des Globalen Südens und nicht zuletzt der Weltfrieden, wird davon abhängen, ob wir genügend Kräfte in den europäischen Nationen und den USA dafür gewinnen können, die außergewöhnliche Chance zu ergreifen, die in der Kooperation mit den BRICS-Plus-Staaten liegt. Wir erleben derzeit einen Epochenwandel, wie er vielleicht einmal in tausend Jahren vorkommt, und das Großartige ist, daß wir alle diese neue Ära durch unseren Beitrag mitgestalten können. Wir können dazu beitragen, daß die beschämende Phase des Kolonialismus beendet wird, und ein menschliches Kapitel der Universalgeschichte beginnt.2
zepp-larouche@eir.de
Initiierende Unterzeichnerin: Helga Zepp-LaRouche (Deutschland), Gründerin des Schiller-Instituts
Weitere prominente Unterzeichner (Zugehörigkeit nur zu Identifikationszwecken)
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Tse Anye Kevin
Afrika
Vizepräsident, State55
Abderrahim Kachour
Algerien
TV-Journalist, Sender AL-24
Pablo Antonio Anzaldi
Argentinien
Professor für Politikwissenschaft, Katholische Universität von Argentinien; Superior War College
Enrique Juan Box
Argentinien
Sozialkommunikator
Juan Francisco Numa Soto
Argentinien
Rechtsberater des binationalen Wasserkradtwerks Yacyretá; Professor i.R. für Verfassungsrecht, Universität Buenos Aires
Carlos Pérez Galindo
Argentinien
Anwalt
Eduardo Anibal Putruele
Argentinien
Wirtschaftsprofessor i.R., University of Concepión del Uruguay
Osman Vladimir Escobar Torrez
Bolivien
Menschenrechtssekretär der bolivianischen Arbeitergenossenschaft (COB)
Max Yecid Ibáñez
Bolivien
Ehemaliger Sekretär der Schlichtungsstelle, Bundesverband der Elektro- und Telefonarbeiter von Bolivien
Sandra Marca Uscamayta
Bolivien
Gemeinde Tajibal, Santa Cruz
Jairo Dias Carvalho
Brasilien
Professor für Philosophie der Technologie, Bundesuniversität Uberlândia
Jacques Bacamurwanko –
Burundi/Guinea
Ehemaliger Botschafter Burundis in den Vereinigten Staaten, Burundi/Guinea
Juan Gómez
Chile
Friedensaktivist
Fernando Duque Jaramillo
Kolumbien
Anwalt, Masterabschluß in Politikwissenschaften
Enrique Ramirez Guier
Costa Rica
Bilologe, Berater
Juan José Arias Dipre
Dominikanische Republik
Chemie-Ingenieur
Ramón Emilio Concepción
Dominikanische Republik
Rechtsanwalt, Präsidentschaftsbewerber für die Partei PRM (2020)
Esther C. Cuenca Carrión
Dominikanische Republik
Professor
Salvador De Jesús Piñeiro
Dominikanische Republik
Anwalt
Máximo Doleo R.
Dominikanische Republik
Psychologe
Rafael Antonio Espaillat Almonte
Dominikanische Republik
Geograph
Ramón Gross
Dominikanische Republik
Betriebswirt; Lehrer und Professor an der Katholischen Universität von Santo Domingo
Dantes Ortiz Núñez
Dominikanische Republik
Historiker; Geschichtsprofessor, Autonomous University of Santo Domingo
Rafael Reyes Jerez
Dominikanische Republik
Journalist
Patricia Merizalde
Ecuador
Gründerin und Präsidentin der Internationalen Feministischen Poesie-Bewegung, „Women’s Flight“ (Vuelo de Mujer)
Alexis Ponce
Ecuador
Menschenrechtsanwalt, Nationale Vereinigung der Patienten und gefährdeten Familien Ecuadors
Präsident, Solidarité et Progrès;, ehemaliger Präsidentschaftskandidat
Dominique Delawarde
Frankreich
General (a.D.) der französischen Armee
Jean-Pierre Luminet
Frankreich
Astrophysiker
René Michel
Frankreich
Universitätsprofessor, Mathematiker
Ali Rastbeen
Frankreich
Präsident, Académie de Géopolitique, Paris
Dr. jur. Wolfgang Bittner
Deutschland
Autor
Joachim Bonatz
Deutschland
Vizepräsident des Ostdeutsches Kuratorium von Verbänden e.V., Berlin
Ole Doering
Deutschland / China
Professor der Philosophie, Hunan Normal University
Karl-Heinz Kaufmann
Deutschland
Friedensaktivist
Friedemann Munkelt
Deutschland
Oberst a.D. der NVA
Prof. Wilfried Schreiber
Deutschland
Oberst a.d., Prof Dr. Phil et sc. oec., Senior Research Fellow, World Trends Institute for International Policy, Potsdam
Bartholomew Chirapanga
Ghana
Übersetzer für juristische Dienstleistungen ins russische, deutsche, englische und französische
Dr. Takis Ioannides
Griechenland
Mitbegründer, Global Gandhian Harmony Association
Raul Anibal Marroquin Casasola
Guatemala
Koordinator, Citizen Observatory for Peace „The Pupil of Heaven“, San Cristóbal, Verapaz
Otto Rene Quiñonez Carias
Guatemala
Ehemaliger Kongreßabgeordneter (1991/1993)
Donald Ramotar
Guyana
Ehemaliger Präsident Guyana
Hassan Salem Abbas
Irak
Mitglied des irakischen Repräsentantenrates (Parlament) Kommitee der Märtyrer, Opfer und politisch Gefangener
Mustafa Jabbar Sanad
Irak
Mitglied des irakischen Repräsentantenrates (Parlament)
Angelo Aiello
Italien
Ehemaliger Direktor der Scouts für den AC Milan
Francesco Battaglia
Italien
Professor für chemische Physik
Davide Donateo
Italien
Gründer, News Academy
Nino Galloni
Italien
Generaldirektor, Arbeitsministerium, 1990-2002, Ökonom und Autor
Liliana Gorini
Italien
Vorsitzende, Movisol
Bruno Marro
Italien
Musiker, Komponist, Autor
Alessia Ruggeri
Italien
Gewerkschaftlerin, Internationale Friedenskoalition
Chandra Muzaffar
Malaysia
Gründer und Direktor der Internationalen Bewegung für eine gerechte Welt (JUST);
Ms. Adam A. Ouologuem
Mali
Journalist; Präsident der malischen Diaspora in der Region DC, Maryland & Virginia; Präsident der Africa Society Inc. in Mali
Alberto Vizcarra Ozuna
Mexiko
Ehemaliger Kongreßabgeordneter; Koordinator der Bürgerbewegung für Wasser, Ciudad Obregón, und der Nationalen Front zur Rettung des mexikanischen Ackerlandes, Sonora
Alex Krainer
Monaco
Finanzberater, Krainer Analytics
Bolívar Téllez Castellón
Nicaragua
Ph.D. im Bildungswesen; Anwalt
Dr. Adewale Aiyden
Nigeria
Gerichtsmedizinerin
David Ajetunmobi
Nigeria
Gewerkschaftsführer im Automobilsektor
Thore Vestby
Norwegen
Ehemaliges Parliamentsmitglied
Blagoje Babić
Serbien
Mitglied der serbischen Akademie der WIrtschaftswissenschaften
Natasa Milojevic
Serbien
Politische Analystin; ehemliges Parlamentsmitglied
Meshack Mokete Maxongo
Südafrika
LaRouche-Bewegung, Südafrika
Lars Modin
Südafrika
Schiffsingenieur
Javier Otazu
Spanien
Ökonom
Juan José Torres Nuñez
Spanien
Dichter, Autor, freiberuflicher Journalist
Hussein Askary
Schweden
Vize-Vorsitzender, Belt and Road Institut Schweden, Südwestasienkoordinator, Schiller-Institut
Nationaler Direktor, American Muslim Alliance (AMA)
David Andersson
Vereinigte Staaten
Co-Direktor, Pressenza International Press Association
Anastasia Battle
Vereinigte Staaten
Schiller-Institut (USA); Herausgeberin, Leonore Magazine; Humanity for Peace Organizer
Prof. Oliver Boyd-Barrett
Vereinigte Staaten
Professor Emeritus, Bowling Green State University
Nick Brana
Vereinigte Staaten
Vorsitzender, People’s Party
Lt. (ret.) Robert Branca
Vereinigte Staaten
Reserve der US-Marine; Vietnam-Veteran
Ellen Brown
Vereinigte Staaten
Aktivistin für öffentlich-rechtliches Bankenwesen, Autorin: „Web of Debt“
Lisa Hart Carroll
Vereinigte Staaten
Schauspielerin, Malerin, Schriftstellerin; Mitarbeiterin und Witwe von Al Reinert; Drehbuchautor des Films Apollo 13; Regisseur und Produzent von „For All of Mankind“.
Dr. Joycelyn Elders
Vereinigte Staaten
15th Surgeon-General of the United States (1993-1994)
Graham Fuller
Vereinigte Staaten
Ehemaliger CIA-Beamter; ehemaliger stellvertretender Vorsitzender des National Intelligence Council; Autor
Jack Gilroy
Vereinigte Staaten
Pax Christi, Upstate NY; Pax Christi International; Veterans for Peace
Ephraim Haile
Vereinigte Staaten;Eritrea
Eritreisches Kultur- und Entwicklungszentrum (ECDC), Eritreische Diaspora, Boston
Dr. Abate Kirkos
Vereinigte Staaten
Gründer, Forum für Forschungsinitiativen, Wissen, Austausch und Entwicklungsunterstützung (FRIENDS)
Helga Zepp-LaRouche eröffnete die Straßburger Konferenz des Schiller-Instituts am 8.7. 2023 mit dem folgenden Vortrag.
Exzellenzen, sehr verehrte Gäste, liebe Freunde des Schiller Instituts!
Welche eine Freude ist es, Menschen von so vielen Nationen hier in Straßburg persönlich begrüßen zu dürfen, nachdem die Umstände uns für über drei Jahre gezwungen haben, unsere Schiller-Konferenzen nur virtuell abzuhalten! Aber wir haben diese Zeit gut genutzt, indem wir so viele neue Kräfte weltweit zusammengebracht haben, damit wir jetzt in diesem entscheidenden Moment der Weltgeschichte zusammen intervenieren können, um ein neues Paradigma für die Zukunft der Menschheit zu schaffen!
Um es gleich vorauszuschicken: Auch wenn sich unser Kontinent in einer existentiellen Krise befindet, wir werden seinen Untergang nicht zulassen, sondern das Beste, was die europäische Kultur hervorgebracht hat und was jetzt hinter den Sprechblasen einer dekadenten Gegenkultur und der Barbarei des Ewig Gestrigen verschüttet ist, lebendig machen und in die Gestaltung des Neuen Paradigmas mit einbringen!
Wir befinden uns zweifellos im gefährlichsten Moment, dem die menschliche Gattung je ausgesetzt war. Denn wir stehen kurz, extrem kurz davor, uns als Gattung auf diesem Planeten auszulöschen, was die Konsequenz eines globalen Nuklearkrieges sein würde. Und im Gegensatz zur Propaganda der transatlantischen Mainstream-Medien ist die Gefahr nicht eine Konsequenz des „unprovozierten Aggressionskrieg Rußlands“ noch des „immer aggressiver auftretenden imperialen Machtanspruchs Chinas“, sondern des skrupellosen Spiels mit dem atomaren Feuer seitens der transatlantischen Kräfte, die mit allen Mitteln versuchen, die unipolare Dominanz über die Welt auszuüben, zu einem Zeitpunkt, wo sich die Welt längstens in eine multipolare Richtung entwickelt hat.
Während die Mainstream-Medien unisono jeden als „Putin-Versteher“ verunglimpfen, der wagt zu denken, daß die Geschichte nicht erst am 24. Februar 2022 begonnen hat und die NATO und die US-Regierung Organisationen finanzieren, die Menschen auf Listen setzen, die lebensgefährlich sind, haben sich die Nationen des Globalen Südens sehr wohl eine unabhängige Sicht der Dinge errungen. Die trotz gegenteiliger Versprechen sechsfach ausgeführte Ostausweitung der NATO über 1000 km an die Grenzen Rußlands heran ließ sich ebensowenig verheimlichen wie die Anstrengungen des Nord-„Atlantischen“ Verteidigungsbündnisses, sich nunmehr im Indopazifischen Raum als Globale NATO auszubreiten. Vor allem aber mit den immer unverhohleneren und arroganteren Appellen, mit denen die Vertreter der „regel-basierten Ordnung“ verlangen, daß sich die ganze Welt ihren Intrigen und neumodischen Ablaß-Händeln, wie einer Carbon-Steuer oder einem CO2-Emissionshandel, unterwerfen soll, mittels derer sie die Existenz eines hoffnungslos bankrotten neoliberalen Finanzsystem wenigstens noch etwas zu verlängern hoffen, haben sie den Rubikon überschritten.
Wir erleben derzeit einen Epochenwechsel, allerdings nicht von der Art, von der Bundeskanzler Scholz am 24. Februar 2022 sprach, der auf die Militarisierung Europas als Protektorat der USA hinausläuft, sondern wir sehen das Ende der 500 Jahre andauernden Kolonialzeit, die die Staaten des Globalen Südens mit der Hilfe Chinas und der Gürtel- und Straßen-Initiative (BRI) endgültig abzuschütteln entschlossen sind.
So verlangte Präsident Ramaphosa kürzlich in Paris beim Internationalen Finanz-Gipfel, daß die internationale Gemeinschaft die Finanzierung des Inga-Damm zur Verfügung stellen sollte; Zitat: „Laßt uns das verwirklichen, und dann glauben wir Euch, daß Ihr es ernst meint mit den Versprechungen, die Ihr macht… Schätzungsweise würde der Damm 80 Milliarden kosten und mindestens 42 Gigawatt Elektrizität erzeugen, was einen absolut revolutionären Effekt auf die Energieversorgung des gesamten Kontinent und seine Ökonomie hätte.“
Über 30 Nationen haben einen Mitgliedsantrag bei den BRICS gestellt, zu denen dann die bevölkerungsreichsten Staaten der Welt gehören werden. Der hauptsächlich von den USA und Großbritannien ausgehende Versuch, sich von China „abzukoppeln“ oder zu „de-risken“, wie diese alberne Formulierung inzwischen heißt – von China, mit dem alle diese Staaten inzwischen eng verbunden sind -, kann nur zu einem wirtschaftlichen Selbstmord oder zu einer ebenso selbstmörderischen geopolitischen Blockbildung führen, die ebenso die Saat für einen Weltkrieg in sich trüge.
Angesichts dieser tektonischen Machtverschiebung, wie sie höchstens ein oder zweimal in einem Jahrtausend stattfindet, müssen sich die europäischen Nationen, aber auch Amerika, entscheiden, ob sie mit dieser neu entstehenden Weltordnung produktiv kooperieren wollen, oder ob sie mit der NATO, den USA und Großbritannien auf die totale Konfrontation und den Versuch der Unterdrückung der großen Mehrheit der Menschheit zusteuern wollen.
Mit der Entscheidung zwischen diesen beiden Optionen wird zugleich unsere moralische Überlebensfähigkeit getestet: Sind wir als vernunftbegabte Wesen in der Lage, uns gemeinsam mit den Staaten des Globalen Südens eine Ordnung zu geben, die unser aller Zusammenleben garantiert und wie Leibniz es ausdrücken würde, die Glückseligkeit kommender Generationen ermöglicht? Oder sind wir seelenlose menschliche Maschinengewehre, die nur haßerfüllt auf die Vernichtung des vermeintlichen Gegners gerichtet sind?
Die NATO und die Ukraine
Daß dies keine akademische Frage ist, wird nicht zuletzt in vier Tagen bei dem jährlich stattfindenden NATO-Gipfel in Vilnius deutlich werden, zu dem die ungarische Regierung dankenswerter Weise insistiert hat, daß eine Aufnahme der Ukraine in die NATO außer Frage steht, solange der Krieg andauert, was eigentlich selbstevident sein sollte.
Nun gibt es aber aktuelle Stellungnahmen der beiden führenden, regierungsnahen Berliner Denkfabriken, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), die sich zu möglichen Sicherheitsgarantien für die Ukraine jenseits einer formalen NATO-Mitgliedschaft äußern. Auch wenn es sich dabei nur um Überlegungen von Denkfabriken und nicht unbedingt die Politik der Berliner Regierung handelt, so verdienen diese Papiere dennoch größte Aufmerksamkeit, denn ihre Autoren sind typisch für die sogenannten „Experten“, die nonstop in den Talkshows zu Worte kommen, um die Sichtweise der Bevölkerung auf diese Weise zu beeinflussen.
Nicht nur in Frankreich macht man sich in der letzten Zeit große Sorge über den anscheinend vollständigen Verlust jeglicher Souveränität Deutschlands (um die es noch nie gut bestellt war), wie er in der fehlenden Reaktion der deutschen Regierung auf die Sabotage der Nord-Stream-Pipelines zum Ausdruck kam.
Nun muß man in Betracht ziehen, daß die SWP, die u.a. die Regierung, den Bundestag, EU, NATO und UN berät, auf die Initiative des Bundesnachrichtendienstes (BND) zurückgeht, der bei seiner Gründung unter der Ägide der amerikanischen Besatzungsmacht 1962 Personal aus dem militärischen Nachrichtendienst Fremde Heere Ost, einer Nazi-Organisation, und der Gehlen-Organisation aufnahm. Die SWP hatte zunächst ihren Sitz in Ebenhausen, einem Nachbarort von Pullach, dem Sitz des BND. Die sehr viel größere DGAP mit 2800 Mitgliedern wurde bereits 1955 in Zusammenarbeit mit und nach dem Vorbild des amerikanischen Council on Foreign Relation und des britischen Royal Institute for International Affairs, dem sogenannten „Chatham House“ gegründet.
In einem SWP -Papier vom 29.6.2023 heißt unter dem Titel „Von Ad-hoc-Unterstützung zu langfristigen Sicherheitsgarantien als NATO-Mitglied“, daß es außer einer vollen Aufnahme in die NATO für die Ukraine zwei Optionen gäbe, die Kiew wirklich Sicherheit gewährten. Die erste sei eine „Demilitarisierung“ Rußlands durch eine Reduzierung der Streitkräfte und der Rüstungsindustrie auf ein Maß, das keine „Offensivoperationen“ mehr erlaube. Dies sei nur möglich über „externe Schocks“, eine eindeutige Niederlage der Armee, einen Verzicht der Führung auf ihr „neoimperiales Rollenverständnis“, was einen Regimewechsel erfordere, und die gleichzeitige Denuklearisierung des russischen Militärpotentials.
Die reden vom Dritten Weltkrieg! Rußland ist die größte Nuklearmacht der Welt, es wird sich nicht einfach „denuklearisieren“ lassen. Sie sagen dann, diese Option sei aber „zur Zeit unrealistisch“ – aber alleine, daß man so denkt, ist Wahnsinn.
Die zweite Option bestünde darin, daß die Ukraine selber ein Atomwaffenarsenal aufbaut. Für alle Fälle lieferte die DGAP noch eine weitere Option, die unter dem Stichwort „Igel“ zirkuliert, als Sinnbild für eine so massive Aufrüstung der Ukraine, als Super-Waffenschmiede sozusagen, die alle künftigen Angriffe abschrecken solle. Dazu gehört auch die vom Vorsitzenden des britischen Verteidigungsausschusses, Tobias Ellwood, vorgeschlagene Variante, die die Unterstützung durch eine Koalition der Willigen und eine schlagfertige Einsatztruppe, eine „Joint European Defense Initiative“ (JEDI) vorsieht.
Der deutsche Rheinmetall-Konzern hat schon angekündigt, in der Ukraine eine moderne Panzerfabrik und andere Waffenschmieden zu bauen. Derweil finanzierten die amerikanischen Rüstungsfirmen Grumman, Raytheon und Lockheed Martin Sektempfänge in der ukrainischen Botschaft in Washington, nicht zuletzt wohl um das MoU zu feiern, das der größte Finanzdienstleister der Welt, BlackRock, der eine Vermögensmasse von 10 Billionen Dollar verwaltet, mit der ukrainischen Regierung an Land gezogen hatte, für den gesamten Wiederaufbau der Ukraine.
JEDI soll also nur überbrücken helfen, langfristig sei ein NATO-Beitritt unverzichtbar. Ziel sei es, die Ukraine unwiderruflich in den euro-atlantischen Strukturen zu verankern. Vorrangig sei deshalb, den eigenen Bevölkerungen „Sinn, Zweck und Ziele“ eines ukrainischen Nato-Beitritts proaktiv zu vermitteln und gegen Einrichtungen vorzugehen, die sich als zivilgesellschaftlich ausgeben – Organisationen wie das Schiller-Institut -, aber de facto „vom russischen Staat kontrolliert sind“. Sind wir nicht, für’s Protokoll!
Was für ein Alptraum! Die weitgehend zerstörte Ukraine soll in ein waffenstarrendes Land verwandelt werden, einen „Igel“, der an einen permanenten Goldesel für den Militärisch-Industriellen Komplex auf beiden Seiten des Atlantiks erinnert. Die Ukraine soll zu einem „eingefrorenen“ Konflikt werden, der jederzeit aktiviert werden kann, als permanente Überschreitung der roten Linien Rußlands, das in der Zwischenzeit „ruiniert“ werden soll (Baerbock) oder dauerhaft geschwächt (Austin, RUSI, Stoltenberg etc.).
Keinen einzigen Gedanken an ein Ende des Krieges durch Diplomatie, keine Friedensverhandlungen, keine positive Vision für die ukrainische Bevölkerung, und schon gar nicht eine Friedensordnung für die Welt als Ganze! Welch‘ ein häßlicher, destruktiver Geist präsentiert sich hier, keine menschliche Regung beeinflußt das Denken, kalt wie ein Roboter, der von einem wurmstichigen Algorithmus gelenkt wird!
Dazu paßt, daß die amerikanische Regierung gerade beschlossen hat, Streubomben in der Ukraine einzusetzen, was selbst Frau Baerbock dazu veranlaßte, die USA zu kritisieren – immerhin.
Arroganz macht blind für die Realität
Aber die Arroganz, daß man ja zum Lager der „Guten“ gehört und deshalb ungestraft die furchtbarsten Dinge vorschlagen kann, macht eben auch blind. Die Realität ist ja keineswegs, daß die russische Wirtschaft kollabiert, ganz im Gegenteil. Das Wirtschaftswachstum betrug im Mai 5,4%, während sich Deutschland offiziell in einer Rezession befindet, und gezwungen durch die Sanktionen mußte Rußland zu seinem eigenen Vorteil viele Produktionszweige im eigenen Land aufbauen und den vom Westen abgeschnittenen Handel nach Asien umlenken, wo ohnehin die Musik der Weltwirtschaft spielt. Der transatlantische Finanzsektor hingegen sitzt auf einer Blase von 2 Billiarden $ ausstehender Derivatkontrakte – das ist eine 2 mit 15 Nullen -, die letztlich eine hoffnungslose Verschuldung des Systems bedeuten. Die Zentralbanken wanken in anscheinender Orientierungslosigkeit zwischen quantitative easing (QE) und quantitative tapering (QT) hin und her.
Den Vogel abgeschossen hat aber Josep Borrell, Hoher Vertreter der EU für Außenpolitik, der auf einem ganz hohen Roß saß, als er in einer Rede in der Europäisch-Diplomatischen Akademie in Brügge kürzlich meinte, Europa sei ein Garten, der größte Teil der restlichen Welt hingegen ein Dschungel, der in diesen Garten eindringen könne.
Mit dieser Sichtweise werden sich weder die z.T. 5000 Jahre alten Kulturvölker Asiens anfreunden können, die zusammen mit den anderen Staaten des Globalen Südens längst dabei sind, eine Neue Weltwirtschaftsordnung aufzubauen – und wo Herr Borrell inzwischen als Humorist gilt, den man aber nicht unbedingt mehr einladen muß, wie gerade von China -, noch die fast 50 Prozent der deutschen Unternehmen, die aufgrund des Mißmanagements der deutschen Regierung und der nicht mehr bezahlbaren Energiepreise fluchtartig das Land verlassen.
Bei Borrells deplaziertem Gartenvergleich wird man an den 10. Auftritt im Zweiten Akt in Schillers Schauspiel Don Carlos erinnert, als der Marquis von Posa, der sich als Weltbürger versteht und die Befreiung Flanderns vom spanischen Joch im Herzen trägt, König Philipp II gegenüber tritt, dem absoluten Herrscher von Spanien, dem Reich, von damals gesagt wurde, daß in ihm „die Sonne nie untergeht“. Philipp sagt hier ganz ähnlich:
„Sehet in meinem Spanien Euch um. Hier blüht des Bürgers Glück in nie bewölktem Frieden; und diese Ruhe gönn ich den Flamändern.“
Und Posa antwortet:
„Die Ruhe eines Kirchhofs,
Und Sie hoffen…den allgemeinen Frühling aufzuhalten,
der die Gestalt der Welt verjüngt? SIE wollen –
Allein in ganz Europa – sich dem Rade
des Weltverhängnisses, das unaufhaltsam
in vollem Laufe rollt, entgegenwerfen?
Sie werden nicht!..“
Die absolute Mehrheit in Deutschland z.B. hat kein Vertrauen mehr in die Regierung, und laut jüngsten Umfragen sind 79% nicht zufrieden mit der Politik der Regierung. Hier in Frankreich haben wir jüngst gesehen, wie es mit dem sozialen Gefüge im „Garten“ bestellt ist.
Keine Mauer könne hoch genug sein, um den Garten zu schützen, meint Borrell? Nun, wir sehen an den Außengrenzen der EU, wie diese Mauern aussehen. Papst Franziskus bezeichnete die Auffanglager für Flüchtlinge in den Anrainerstaaten Europas treffenderweise als KZs, die von hohen, mit NATO-Draht geschützten Mauern umgeben sind, und deren demonstrierte Schrecklichkeit die Menschen davon abhalten soll, sich in kleinen Booten aufs Mittelmeer zu wagen, das längst zu einem grauenhaften Massengrab geworden ist.
Nein Herr Borrell, dieses Europa ist kein Garten. Es ist ein Kontinent, den fähige Politiker wie Charles de Gaulle und Konrad Adenauer aus dem Trümmerhaufen des Zweiten Weltkrieges in eine bessere Zukunft führen wollten, und den eine durch und durch dekadente politische Kaste, die ihre Friedenspflicht ad acta gelegt hat, heute dabei ist, in eine erneute Katastrophe zu führen, die die Schrecken des Zweiten Weltkriegs bei weitem zu übertreffen droht.
Und wenn weite Teile der Welt außerhalb Europas vielleicht an einen Dschungel erinnern, dann deshalb, weil Europa in den vergangenen Jahrhunderten Afrika nicht entwickelt hat, sondern bekannte Familien in der transatlantischen Welt ihre Vermögen auf dem Sklavenhandel aufgebaut, vom Opium-Handel profitiert haben, oder Profit ziehen aus dem modernen Nachfolger des Kolonialismus, der Casino-Wirtschaft, in der die Regeln bestimmt werden in unserer ach so phantastisch organisierten, regelbasierten Ordnung.
Oder vielleicht sind andere Regionen ein Dschungel, weil die transatlantischen Interventionsarmeen darin gehaust haben, wie die NATO 20 Jahre in Afghanistan, eine Zeit, in der nichts aufgebaut wurde, nur um ein Land in Schutt und Asche zu hinterlassen. Oder wie im Irak, der von einem ins Moderne aufsteigenden Land zurückgebombt wurde in das Steinzeitalter, und bei dem Madeleine Albright den Tod von 500.000 irakischen Kindern einen angemessenen Preis für das Recht fand, das Land weiter zu ruinieren. Man könnte die Liste noch um einiges fortsetzen, warum einige Länder dieser Erde keine Gärten sind, Syrien, Jemen, Libyen, Haiti usw.
Der Globale Süden eröffnet einen Ausweg
Doch es gibt einen Ausweg. Die Nationen des Globalen Südens, deren Existenz von der G7 gerade erst entdeckt wurde, nämlich bei ihrem Gipfeltreffen in Hiroshima, und die die überwältigende Mehrheit der Menschheit repräsentieren, sind längst dabei, die Fesseln des modernen Kolonialismus abzuschütteln und eine neue internationale Währung, neue Entwicklungsbanken und ein neues Kreditsystem zu schaffen. Über 30 Staaten haben Mitgliedschaft bei den BRICS-Plus beantragt, die SCO, AU, ASEAN, EAEU, Mercosur und andere Organisation sind dazu übergegangen, ihren Handel in nationalen Währungen abzuwickeln. 151 Staaten arbeiten mit Chinas Belt & Road-Initiative zusammen, die dieses Jahr ihr zehnjähriges Jubiläum feiert und es in diesem Jahrzehnt geschafft hat, daß der Name „Entwicklungsländer“ auf die Staaten des Globalen Südens wieder zutrifft.
Wir müssen in Europa, ja auch in Amerika den ohnehin zum Scheitern verurteilten Versuch aufgeben, den Aufstieg dieser Länder durch eine Abkopplung oder „De-risking“ einzudämmen, sondern wir müssen Konfrontation, die ohnehin nur dem Militärisch-Industriellen Komplex nützt, durch Kooperation ersetzen. Deutschland, Frankreich, Italien, und alle anderen europäischen Nationen müssen Teil des neuen Paradigmas bei den internationalen Beziehungen werden.
Unser Mittelstand, der jetzt unter dem alten Paradigma bankrott geht, kann nicht nur helfen, den Inga-Damm zu bauen, sondern auch das Transaqua-Projekt zu verwirklichen, das zwölf weitere Staaten in Afrika Elektrizität geben würde. Wir können mit China kooperieren, den ganzen Globalen Süden mit einem Schnellbahnsystem ausstatten, Häfen, Wasserwege bauen, Wüsten durch die großangelegte Entsalzung von Meereswasser begrünen, neue Städte bauen.
Ja, und wo wir schon einmal dabei sind, können wir auch unsere eigene Infrastruktur, die marode ist, erneuern, anstatt die Rüstungsindustrie reich und die Bevölkerung arm zu machen, Schulen reparieren, das Gesundheitssystem wieder funktionsfähig machen. Wir können die internationale Kooperation bei dem Fusionsprojekt ITER zu einem Crash-Programm intensivieren, um die kommerzielle Nutzung der Fusionsenergie schneller zu erreichen, und uns die ganze Umweltverschmutzung und Landschaftszerstörung mit diesen unsäglichen Windrädern sparen. Und wir können die Ukraine als Brücke zwischen Mitteleuropa und Rußland als Teil der Neuen Seidenstraße wieder aufbauen.
Europa und Amerika auf diesen Kurs zu bringen: dazu verpflichten wir uns. Und erinnern wir uns, was Posa weiter zu König Phillipp sagt, und was wir den vielen Borrells heute mit Schiller sagen:
„Geben Sie die unnatürliche Vergöttrung auf,
die uns vernichtet!…
Sie wollen pflanzen für die Ewigkeit,
Und säen Tod? Ein so erzwungnes Werk
Wird seines Schöpfers Geist nicht überdauern…
Geben Sie,
Was Sie uns nahmen wieder! Lassen Sie,
Großmütig, wie der Starke, Menschenglück
Aus Ihrem Füllhorn strömen – Geister reifen
In Ihrem Weltgebäude, Geben Sie,
Was Sie uns nahmen, wieder. Werden Sie,
von Millionen Königen, ein König!
Nun, wir brauchen heute keine Könige mehr, aber in Abwandlung on Posas Worten laßt uns sagen:
Die Vorsitzende des Schiller-Instituts eröffnete am 10. Juni die Konferenz „Die Welt braucht JFKs Friedensvision“ mit dem folgenden Vortrag. (Übersetzung aus dem Englischen, Zwischenüberschriften wurden von der Redaktion hinzugefügt.)
Guten Morgen! Ich grüße Sie alle. Wir gedenken heute einer der wichtigsten Reden der Nachkriegszeit, der Rede, die Präsident John F. Kennedy vor 60 Jahren an der American University hielt, seiner sehr berühmten Friedensrede.
Aber wir tun dies nicht auf akademische Weise, sondern mit einer dramatischen weltweiten Mobilisierung möglichst vieler Kräfte und als dringender Appell an die US-Regierung, zu der von John F. Kennedy geäußerten Sichtweise zurückzukehren, daß die Vereinigten Staaten wieder zu einer Kraft des Friedens auf der Welt werden müssen. Wie Kennedy sagte: „Nicht eine Pax Americana, die der Welt durch amerikanische Kriegswaffen aufgezwungen wird…, sondern die Art von Frieden, die das Leben auf der Erde lebenswert macht.“
Denn wir sind besorgt, daß die Welt dem möglichen Ausbruch eines neuen Weltkrieges gefährlich nahe ist, der diesmal ein thermonuklearer Krieg wäre und damit die Vernichtung allen Lebens auf der Erde bedeuten würde. In zwei Tagen beginnt über Deutschland das größte NATO-Luftkriegsmanöver seit dem Ende des Kalten Krieges, Air Defender 23, mit der Verlegung von hundert Kampfjets aus den USA nach Deutschland, darunter die nuklearwaffenfähigen Tarnkappenmaschinen F-35, sowie 120 weiteren Kampfjets aus anderen Ländern. Das Manöver simuliert einen Luftkrieg gegen einen imaginären Feind, der ebenfalls über eine schlagkräftige Luftwaffe verfügt, und es ist offensichtlich, wer das sein könnte.
Unter den gegenwärtigen Bedingungen eines eskalierenden Krieges in der Ukraine kann ein einzelner militärischer Zwischenfall oder Pilotenfehler sehr leicht als Akt der Aggression mißverstanden werden. In letzter Zeit gab es immer mehr ukrainische Angriffe auf russisches Territorium, und die russische Luftraumüberwachung wird mit Sicherheit in höchster Alarmbereitschaft sein, um das NATO-Manöver zu beobachten.
Russische Beobachter, die überprüfen könnten, daß das Manöver kein Vorwand für die Vorbereitung eines atomaren Angriffs ist, wurden nicht eingeladen.
Auch wenn dieses Manöver schon seit 2018 vorbereitet wurde, setzt die konkrete Durchführung unter den Bedingungen eines heißen Krieges mitten in Europa die ganze Welt dem Risiko der Selbstzerstörung aus, selbst wenn es nicht aus Absicht, sondern durch ein Mißgeschick passiert. Dieses Manöver muß enden, bevor es anfängt!
Jüngst haben John E. Herbst, Senior Director des Eurasia Center des Atlantic Council, und Daniel Fried, Fellow des Council, den offensichtlich wahnsinnigen Vorschlag wiederholt, das nukleare Spiel mit dem Feuer auf die Spitze zu treiben; unter der Überschrift „Der Schlüssel zur Beendigung des Kriegs in der Ukraine? Ein Angriff auf die Krim“ greifen sie den Vorschlag des britischen Royal United Services Institute (RUSI) von vor einem Jahr auf, den Ukraine-Krieg zu „beenden“, indem man eine „Kubakrise auf Steroiden“, wie sie es nennen, heraufbeschwört, indem die Ukraine die Krim angreift. Durch die Zerstörung der Kertsch-Brücke würde die Ukraine die Krim einnehmen, dann würden die Risse in Putins Regime zunehmen und er würde gestürzt. Dann würde Rußland akzeptieren, den Krieg verloren zu haben.
Ohne jede Erwähnung der enormen Gefahr, daß damit die ultimative rote Linie der derzeit stärksten Atommacht Rußland überschritten würde, und ohne das Fehlen von Hinterzimmergesprächen zu berücksichtigen, wie sie zwischen Kennedy und Chruschtschow stattfanden, spiegelt dieser Vorschlag offensichtlich die Denkweise einer wichtigen Fraktion im anglo-amerikanischen Establishment wider, für die der Atlantic Council das Sprachrohr ist.
Darüber hinaus behauptet der britische Armeeoberst a.D. Hamish de Bretton-Gordon, Mitglied des Order of the British Empire und ehemaliger Kommandeur der chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen Streitkräfte des Vereinigten Königreichs und der NATO, ohne den geringsten Beweis, Präsident Putin wolle aus dem Kernkraftwerk Saporoschje eine „improvisierte Atomwaffe“ machen. Daher solle der Westen handeln, um Putin „dringend zu stoppen“, und zwar mit „allem, was nötig ist“.
Diese Vorschläge sind purer Wahnsinn. Es sollte jeden vernünftigen Menschen auf dem Planeten in höchstem Maße alarmieren, daß es für die Mainstream-Medien „normal“ geworden ist, derartiges atomkriegshetzerisches Gift zu veröffentlichen, und daß fast alle westlichen Institutionen solche unverantwortlichen Äußerungen nicht anprangern, sondern sich dem offiziellen Narrativ über Putins „unprovozierten Angriffskrieg“ anschließen.
Die Lage ist heute weitaus gefährlicher als während der Kubakrise und weitaus gefährlicher als während der Mittelstreckenraketen-Krise Anfang der 1980er Jahre. Aber das öffentliche Bewußtsein wurde unterdrückt durch eine unerbittliche Kriegspropaganda, die Rußland und zunehmend auch China verteufelt und die in Teilen der Bevölkerung scheinbar jegliches historisches Gedächtnis ausgelöscht hat und andere mit einem verzweifelten Gefühl der Ohnmacht zurückläßt!
Was ist zu tun?
Was ist in diesem unglaublich gefährlichen Moment der Geschichte zu tun? Das Schiller-Institut verbreitet international einen Appell an den Präsidenten der Vereinigten Staaten, d.h. an Präsident Biden, für eine dringende Rückkehr zur Politik von John F. Kennedy, wie sie in seiner heute vor 60 Jahren gehaltenen Friedensrede zum Ausdruck kommt.
Mein verstorbener Mann, Lyndon LaRouche, war der festen Überzeugung, daß das Attentat auf Kennedy und ganz besonders die Vertuschung der Hintergründe des Mordes durch die Warren-Kommission einen tiefen Einschnitt, einen dramatischen Paradigmenwechsel in der amerikanischen Politik bedeutete, eine Übernahme durch das, was Präsident Eisenhower den „Militärisch-Industriellen Komplex“ nannte, und die Umwandlung der USA von dem Amerika, von dem Kennedy sprach – nämlich eines, das „nicht nur für Frieden für Amerikaner eintritt, sondern für Frieden für alle Männer und Frauen, nicht nur für Frieden in unserer Zeit, sondern für Frieden für alle Zeiten“ -, in ein Amerika, das auf der „Pax Americana“ einer unipolaren Welt bestand, die damals in Gang gesetzt wurde.
Mit Kennedy wurde sein grenzenloses Vertrauen in die Vervollkommnungsfähigkeit des Menschen und die Kraft seiner Glaubwürdigkeit ermordet, und eine Abwärtsspirale in die heutige tiefe kulturelle Krise begann. Und es ist keine Übertreibung zu sagen, daß die gegenwärtige schreckliche Situation – mit Massenschießereien alle 16 Stunden, mit dramatischen Selbstmordraten unter den Jugendlichen, mit der sich ausbreitenden Drogensucht und der Hoffnungslosigkeit für die ärmeren Teile der Bevölkerung – das Ergebnis davon ist, was es für die amerikanische Gesellschaft bedeutete, daß die Ermordung eines gewählten Präsidenten und ihre Vertuschung stattfinden konnte, ohne daß die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen wurden.
Gemäß dem Kennedy Assassination Records Collection Act von 1992 sollten die sogenannten „Attentatsakten“ am 26. Oktober 2017 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden – es sei denn, „der Präsident der Vereinigten Staaten bescheinigt, daß: 1. ein weiterer Aufschub aufgrund eines erkennbaren Schadens für die militärische Verteidigung, nachrichtendienstliche Operationen, die Strafverfolgung oder die Pflege der auswärtigen Beziehungen erforderlich ist und 2. der erkennbare Schaden so schwerwiegend ist, daß er das öffentliche Interesse an der Offenlegung überwiegt“.
Dieses Enddatum fiel in die Amtszeit von Präsident Trump, der immer versprochen hatte, diese Akten freizugeben. Er ließ das Datum verstreichen, und laut Richter Napolitano sagte Trump zu ihm: „Herr Richter, wenn Sie sehen würden, was ich gesehen habe, wüßten Sie, warum ich sie nicht freigeben kann.“
Was wäre also ein so schwerwiegender Schaden, daß er das öffentliche Interesse an der Freigabe der Dokumente überwiegt? Ich denke, das bringt uns zum Kern der Sache. Robert Kennedy jr., der Neffe von John F. Kennedy und Sohn des ebenfalls ermordeten Robert Kennedy, hat vor kurzem enthüllt, was sein Vater vermutete.1
Was könnte ein schwerwiegenderer Schaden sein als ein globaler Atomkrieg, der die menschliche Gattung und alle Erinnerungen an sie auslöschen würde, weil es niemanden mehr gäbe, der auch nur die Frage untersuchen könnte, wie es zu dieser beispiellosen Tragödie gekommen ist? Ist es nicht die vordringlichste Aufgabe für jeden, dem es möglich ist, alles zu tun, um diese Aufzeichnungen vollständig freizugeben, und nicht nur häppchenweise, wie es das Nationalarchiv derzeit tut?
Falls es zu einem Atomkrieg kommt, würde sich der Mord an Kennedy und die Vertuschung als punctum saliens im Sinne von Friedrich Schillers Definition erweisen, womit eine Entwicklung in Gang gesetzt wurde, die in die Katastrophe führte. Wenn die Möglichkeit der nuklearen Vernichtung endgültig abgewendet werden soll, muß der Präsident der Vereinigten Staaten unbedingt zum Paradigma von Kennedys Friedensrede zurückkehren.
Die unipolare Weltordnung ist gescheitert
Abgesehen von der unmittelbaren Krise um die Ukraine durchläuft die Welt derzeit einen epochalen Wandel, was im Westen nur wenigen bewußt ist. Aber in den Ländern des Globalen Südens sind sich viel mehr Menschen dessen bewußt. Die Bemühungen des kollektiven Westens – USA, Großbritannien, EU, und seltsamerweise auch Japan, das sich für einen Teil des Westens hält -, die unipolare Welt aufrechtzuerhalten, die Fukuyama zufolge nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion als „Ende der Geschichte“, als Fortsetzung der Wolfowitz-Doktrin entstehen sollte, haben nicht funktioniert. Anstatt sich der „regelbasierten Ordnung“ zu unterwerfen – ein höchst flexibles Konzept, je nachdem, wo es angewandt wird -, sehen die Länder des Globalen Südens es als vorteilhafter an, mit Chinas Gürtel- und Straßen-Initiative zu kooperieren und eine echte wirtschaftliche Entwicklung zu realisieren, statt faktisch in einem kolonialen Status zu verharren, der von diesen Regeln diktiert wird – wie etwa den Konditionalitäten des IWF oder dem Joch der „angemessenen Technologien“, das grundlegende Infrastrukturprojekte, die Voraussetzung für eine ernsthafte Industrialisierung, verweigert. Die sechs Osterweiterungen der NATO, die nun zu einer Globalen NATO zu werden droht, waren verbunden mit der Nutzung des Dollars als Waffe und Sanktionsregelungen gegen jedes Land, das sich nicht in diese unipolare Welt einfügen wollte. Als Folge davon kam es zu einem epochalen Rückschlag, mit dem die Befürworter der „alternativlosen“ weltweiten Verbreitung des neoliberalen Systems offensichtlich nicht gerechnet hatten.
Diese Länder suchen nun in einem Akt der Selbstverteidigung nach einem anderen System, das die Entwicklung ihrer Volkswirtschaften ermöglicht, und viele haben das Ziel, relativ kurzfristig Länder mit mittlerem Einkommen zu werden. Mehr als 30 von ihnen haben sich um die Mitgliedschaft in der BRICS-Plus-Gruppe beworben oder wollen dies tun, und der Geist von Bandung, das große Ziel der Bewegung der Blockfreien Staaten, ist wieder da, und dieses Mal mit größerem Nachdruck, weil es die Zusammenarbeit mit China und die Gürtel- und Straßen-Initiative gibt.
Es wäre absolut tragisch, wenn die Vereinigten Staaten und die Länder der angestrebten Globalen NATO weiter versuchen würden, sich von der überwältigenden Mehrheit der menschlichen Bevölkerung, etwa 85% der Menschheit, „abzukoppeln“. Wenn sich die Welt in zwei grundlegende Blöcke aufspaltet, dann würde das nicht nur der Weltwirtschaft enormen Schaden zufügen, sondern mit ziemlicher Sicherheit zu einem Dritten Weltkrieg führen, selbst wenn die Krise um die Ukraine kurzfristig entschärft werden könnte.
Ansehensverlust des Westens
Dem durchschnittlichen Amerikaner oder Deutschen mag es nicht auffallen, aber ihren Geheimdiensten ist es sicher klar, daß das Image von Ländern wie den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Deutschland enorm gelitten hat.
Deutschland zum Beispiel, das früher international für seine wissenschaftlichen Entdeckungen und seine klassische Kultur bewundert wurde, ist zum Gespött der Welt geworden, weil es aus der Atomenergie aussteigt, ohne eine Alternative zu haben, mit einer Regierung, die unfähig ist, gegen die Schuldigen an der Sabotage der Nord Stream-Pipelines vorzugehen oder die Bevölkerung gegen die Deindustrialisierung der Hälfte ihrer Volkswirtschaft zu verteidigen, was ganz Europa ins wirtschaftliche und soziale Chaos zu stürzen droht!
Und für die Vereinigten Staaten? Das Land, das einst der Leuchtturm der Hoffnung und Tempel der Freiheit war, ist heute gefürchtet – oder schlimmeres. Nach einer Studie des Watson Institute der Brown University sind in den Kriegen nach dem 11. September 2001 mindestens 937.000 Menschen durch direkte Kriegsgewalt ums Leben gekommen, darunter Soldaten auf allen Seiten der Konflikte, Söldner, Zivilisten, Journalisten und humanitäre Helfer. Aber ein Vielfaches davon kam in diesen Kriegen indirekt ums Leben, nämlich schätzungsweise 3,7 Millionen Menschen, aufgrund von Folgeerscheinungen wie Unterernährung, beschädigter Infrastruktur und Umweltzerstörung. Alles in allem also mehr als 4,5 Millionen Menschen.
Eine Utopie?
Viele mögen es für utopisch halten, daß US-Präsident Biden den 60. Jahrestag von Kennedys Friedensrede zum Anlaß nehmen könnte, einen Weg zu finden, um mit Rußland und China Frieden zu schließen, so wie Kennedy diese Frage angegangen ist, indem er die Interessen und den historischen Beitrag des anderen respektierte. Sollten diese Kritiker Recht behalten, könnte die gesamte Menschheit in einer Tragödie enden.
Aber vielleicht könnte gerade diese Vision eine sein, die vom amerikanischen Volk angenommen wird: daß Präsident Biden der große Friedensstifter unserer Zeit wird und einen Platz in der Geschichte findet, der nicht ihr „Ende“ ist – auch nicht durch einen Atomkrieg -, sondern eine neue Ära der Menschheit begründet, in der alle Nationen in einem „echten Frieden zusammenleben, der Art von Frieden, die das Leben auf der Erde lebenswert macht, jener Art, die es Männern und Nationen ermöglicht, zu wachsen und zu hoffen und ein besseres Leben für ihre Kinder aufzubauen – nicht nur Frieden für Amerikaner, sondern Frieden für alle Männer und Frauen – nicht nur Frieden in unserer Zeit, sondern Frieden für alle Zeiten.“
Das ist definitiv etwas, wofür es sich zu kämpfen lohnt! Ich danke Ihnen.
Anmerkung:
1. Daß die CIA an der Ermordung von Präsident John F. Kennedy beteiligt war.
Erklärung von Helga Zepp-LaRouche zum internationalen Tag der Pressefreiheit
Pressefreiheit und Freiheit für Assange sind identisch!
Laut dem „Narrativ“ der Mainstream-Medien gibt es Länder, in denen die Pressefreiheit gedeiht, wie in Norwegen, das erneut den einschlägigen Index anführt, und Länder, in denen sie unterdrückt wird. In Wirklichkeit ist ehrlicher Journalismus in den Mainstream-Medien fast völlig verschwunden. Die Vorstellung einer historischen oder objektiven „Wahrheit“, die durch investigativen Journalismus aufgedeckt werden kann, wurde von allen Seiten beschossen, durchlöchert und begraben.
Stattdessen gibt es eine willkürliche Vielfalt von Beschreibungen dieser „Wahrheit“, die entweder als „Fälschung“ bezeichnet werden, „entlarvt“ werden oder sogar schon vor ihrer Entstehung durch „Prebunking“ zerstört werden müssen.
In Wirklichkeit findet ein brutaler Kampf um die Kontrolle des „Narrativs“ der „regelbasierten Ordnung“ statt. Journalismus wurde dazu degradiert, dieses als Erfüllungsgehilfe der herrschenden Eliten durchzusetzen.
Wäre dies eine Übertreibung, hätte Seymour Hersh in Norwegen einen neu geschaffenen Nobelpreis für herausragende journalistische Leistungen erhalten, und alle norwegischen Medien hätten sich in der Berichterstattung über die Rolle Norwegens bei der Sabotage der Nord Stream-Pipelines hervorgetan.
Die Staatsoberhäupter, die sich an diesem Wochenende zur Krönung von King Charles versammeln werden, können ihr Engagement für Freiheit und Demokratie unter Beweis stellen, indem sie dem neu gekrönten König zu seiner ersten Amtshandlung gratulieren: Freiheit für Julian Assange!
Liebe Freunde des Schiller-Instituts in aller Welt, wo immer Sie auch sein mögen! Wir haben uns hier via Internet versammelt, vereint durch die aufrichtige Verpflichtung, Optionen zu entwickeln und aufzuzeigen, wie die Menschheit die existentiellen Gefahren der eskalierenden geopolitischen Konfrontation zwischen dem „Westen“ und insbesondere Rußland und China überwinden kann, die im schlimmsten Fall schon sehr kurzfristig zu einem globalen Atomkrieg und damit zur Vernichtung der gesamten Menschheit und allen Lebens auf der Erde in einem darauf folgenden nuklearen Winter führen könnte.
Doch obwohl diese Gefahr sehr akut ist, gibt es gleichzeitig Grund, äußerst froh und optimistisch zu sein, weil wir die Geburt einer neuen Ära in der Geschichte der Menschheit erleben – einen epochalen Wandel, bei dem die Überreste der alten kolonialen Ordnung, in der Milliarden Menschen zu Armut, Hunger und Unterentwicklung verurteilt waren, durch eine neue Weltwirtschaftsordnung abgelöst werden, die in den kommenden Jahren Bedingungen schaffen wird, unter denen jedes neugeborene Kind die Chance hat, sein Potential voll zu entfalten, ein kreativer Mensch zu werden und zum weiteren Fortschritt der Menschheit beizutragen. Wir haben also das große Privileg, in einem der spannendsten Momente der Geschichte zu leben!
Lassen Sie mich mit einer wirklich bahnbrechenden Entwicklung beginnen. Der brasilianische Präsident Lula da Silva verkündete am Donnerstag in Shanghai bei der Amtseinführung der ehemaligen Präsidentin Dilma Rousseff als Leiterin der Neuen Entwicklungsbank (NDB), daß diese Bank der BRICS nun ihre ursprüngliche Aufgabe erfüllen wird, den Ländern des Globalen Südens umfangreiche Kredite zu gewähren, frei von den Fesseln der Auflagen, die den Schwellenländern von den traditionellen Institutionen – dem IWF – auferlegt wurden. Angesichts der Größe der Bevölkerung und des Gewichts der Volkswirtschaften der BRICS-Plus-Länder würde diese Bank mit globaler Reichweite alle Voraussetzungen erfüllen, um die „Großbank des Globalen Südens“ zu werden. Zum Ziel der neuen Entwicklungsbank sagte er:
„Es ist nicht hinnehmbar, daß auf einem Planeten, der genügend Nahrungsmittel für die gesamte Menschheit produziert, Hunderte Millionen Männer, Frauen und Kinder nichts zu essen haben. Es ist nicht hinnehmbar, daß die Verantwortungslosigkeit und Gier einer kleinen Minderheit das Überleben des Planeten und der gesamten Menschheit gefährdet…“
Die Internationale Entwicklungsbank
Genau das war die Motivation hinter dem Vorschlag für die Internationale Entwicklungsbank (IDB), den mein verstorbener Mann Lyndon LaRouche 1975 machte, nachdem er von Feiern der Baath-Partei aus dem Irak zurückgekommen war, wo er viele Führungspersönlichkeiten des Entwicklungssektors getroffen hatte. Mitglieder der LaRouche-Organisation warben ein ganzes Jahr lang in allen Ländern der Bewegung der Blockfreien Staaten für diese IDB, und dieses Konzept wurde 1976 in ihrer Schlußresolution, die eine gerechte Neue Weltwirtschaftsordnung forderte, auf ihrer Konferenz in Colombo auf Sri Lanka praktisch angenommen.
Aber damals ging die globale Oligarchie dazu über, alle Anführer der Blockfreien Bewegung zu destabilisieren – Frau Gandhi, Frau Bandaranaike, Zulfikar Ali Bhutto und viele andere. Erst viele Kämpfe und 48 Jahre später wird dieses Konzept einer Internationalen Entwicklungsbank von einer Gruppe von Ländern umgesetzt, die stark genug sind, es gegen die Finanzinstitutionen zu verteidigen, die jede derartige Bemühung als „Systemkonkurrenz“ betrachten, die eingedämmt oder zerschlagen werden muß.
Heute findet ein Epochenwandel statt, nach einer historischen Periode von etwa 600 Jahren, seit in Europa mit dem Frankreich Ludwigs XI. und den Schriften des Nikolaus von Kues, der als erster das Konzept des repräsentativen Regierungssystems formulierte, die ersten souveränen Nationalstaaten entstanden, die zum ersten Mal dem Gemeinwohl verpflichtet waren und mit der bis dahin herrschenden Tradition brachen, daß der Staat nur zum Schutz der Privilegien der oligarchischen Elite existierte.
Die verschiedenen Reiche, die bis zum 15. Jahrhundert die einzige Herrschaftsform waren und seit der Antike ununterbrochen bestanden – das mesopotamische, das persische, das römische, das byzantinische, das osmanische, das venezianische, das anglo-holländische und das britische Imperium, um nur einige zu nennen -, schützten immer nur die Interessen des Adels und seiner Mitläufer an der Macht, und versuchten, die Mehrheit der Bevölkerung als Sklaven oder so rückständig wie möglich zu halten, um leichter über sie herrschen zu können. Das koloniale System der Ausbeutung der Ressourcen der unterworfenen Länder, der Sklavenhandel, das eigentliche System des Freihandels als Mittel zur Kontrolle der Preise und der Handelsbedingungen, all das war ein Auswuchs des Systems der Imperien.
Und wie Präsident Sukarno und Präsident Nehru auf der Konferenz von Bandung betonten, besteht der Kolonialismus in modernen Formen fort. Er besteht weiter in der Verweigerung zu Krediten für die Entwicklung durch das Finanzsystem, die Konditionalitäten, die Schuldenfallen der Weltbank und des IWF, die John Perkins in seinem Buch Bekenntnisse eines Economic Hit Man so treffend beschrieben hat, oder in Form der weltweiten Kontrolle über die Lebensmittel, vom Saatgut über die Anpflanzung, die Ernte und die Verarbeitung bis hin zum Verkauf an den Kunden durch ein halbes Dutzend riesiger Lebensmittelkartelle.
Und dieses System endet jetzt! Die Neue Entwicklungsbank verspricht, ein entscheidendes Element des neuen Paradigmas zu werden, das durch die Zusammenarbeit der BRICS-Plus entsteht, für die laut dem russischen Außenminister Lawrow bereits 24 weitere Länder des Globalen Südens ihre Mitgliedschaft beantragt haben und die nun ein deutlich größeres BIP als die G7-Länder repräsentieren und mit Sicherheit die große Mehrheit der Weltbevölkerung darstellen.
Eine neue internationale Währung
Ein weiterer Aspekt des neuen Systems ist die neue internationale Währung, die nicht auf Geldwerten, sondern auf Gold und anderen Rohstoffen basiert und derzeit von einer Kombination von Ländern des Globalen Südens geschaffen wird. Diese neue Währung entsteht als ein Akt der Selbstverteidigung gegen eine ganze Reihe von Maßnahmen der bisher maßgeblichen Finanzinstitute: die rücksichtslose Geldschöpfung von Billionen von Dollar, Euro, Pfund und Yen, die sogenannte „Quantitative Lockerung“ nach dem Systemkollaps von 2008, die Nutzung des Dollars als Waffe durch die Beschlagnahmung ausländischer Vermögenswerte Rußlands, Afghanistans und anderer, die brutalen Sanktionen gegen so viele Länder mit dem Ziel, Regimewechsel herbeizuführen, indem man die Bevölkerung der betroffenen Länder aushungert und zum Aufstand zwingt. Diese neue Währung spiegelt auch Lyndon LaRouches Ideen wider, die er in einem berühmten Artikel vom 18. Juli 2000, „Warenkorb statt Währungskorb: Handel unabhängig vom Wechselkurs“ dargelegt hat.1
Trennbankendebatte in der Schweiz
Auch in einem Land, das nicht zum Globalen Süden gehört, aber ebenfalls vom gleichen Geldsystem der Profitmaximierung für wenige betroffen ist, regt sich Widerstand gegen die verheerenden Folgen des anhaltenden Zusammenbruchs des transatlantischen Finanzsystems – nämlich in der Schweiz. Nach dem Beinahe-Zusammenbruch der Credit Suisse, den gescheiterten Rettungsversuchen mit 50 Milliarden Schweizer Franken und der erzwungenen Übernahme durch die UBS sitzt die Schweiz nun auf dem Vulkan einer monströsen „systemrelevanten“ Bank, einer aufgeblähten UBS, die potentiell die gesamte Schweizer Wirtschaft ruinieren kann und deren Derivatgeschäfte mit entsprechenden Gegenparteien eine tickende Zeitbombe für das gesamte Finanzsystem darstellen. Daher ist im Nationalrat ein heftiger Kampf um die Einführung eines Trennbankengesetzes entbrannt, weil sich ein Großteil der Schweizer Bevölkerung immer noch als Bürger eines souveränen Staates fühlt.
Warum also ist der Westen nicht glücklich, wenn ein neues System entsteht, das ein Rettungsboot für alle sein könnte? Wenn man zum Beispiel den Mainstream-Medien in Deutschland oder der US-Regierung zuhört, ist die große Kontroverse unserer Zeit der Kampf zwischen „Demokratien“, die natürlich „gut“ sind, und „Autokratien“, die offensichtlich „schlecht“ sind. Für sie ist Rußland paranoid, wenn es meint, daß die inzwischen sechs NATO-Osterweiterungen, nicht um „einen Zentimeter“, sondern um tausend Kilometer bis hin zu mehr als 1300 km seiner Grenzen, eine Bedrohung darstellen könnten, weil die Vereinigten Staaten mit ihrem Militärbudget von über 800 Milliarden Dollar, mehr als die nächsten neun Länder zusammen und die NATO keiner Fliege etwas antun würden.
In dieser Berichterstattung zeigen sie ein erstaunliches Maß an Amnesie in Bezug auf die verschiedenen Interventionskriege in Südwestasien, die Millionen von Opfern gefordert haben. Und ganz sicher wollen sie nicht erwarten, daß der Durchschnittsbürger sich eingehender mit den Auswirkungen der offiziellen US-Militärdoktrin befaßt, die einen nuklearen Präventivschlag zuläßt – der nonchalanten Haltung, mit der die Länder Europas zum Schlachtfeld eines hypothetischen „begrenzten Atomkriegs“ werden.
Oder überlegen Sie, warum Daniel Ellsberg kürzlich an die Pläne von John Foster Dulles im Jahr 1958 erinnerte, im Falle eines militärischen Konflikts um Taiwan Atomwaffen einzusetzen, wobei er sich auf eine Studie der Rand Corporation – „Die Krise in der Straße von Taiwan – eine dokumentierte Geschichte“ – bezog, um dann an heutige Whistleblower zu appellieren, über Debatten im Pentagon über den Einsatz von Atomwaffen in China zu berichten. China, über das die meisten Menschen so gut wie nichts wissen, ist laut Denkfabriken und Medien in letzter Zeit „aggressiver“ geworden und will durch Investitionen die Welt erobern.
Im öffentlichen Diskurs im Westen geht es nicht mehr um die historische Wahrheit, die durch Nachforschungen und sokratischen Dialog ans Licht gebracht werden kann, sondern um die Kontrolle über das „Narrativ“, das dann zu einer Glaubensstruktur wird.
Ein sehr bemerkenswertes Beispiel aus jüngster Zeit: Als Rolf Mützenich, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, kürzlich die Forderung des französischen Präsidenten Macron unterstützte, die Europäer müßten ihre eigenen Interessen verteidigen und dürften sich nicht als Vasallen der USA in den Konflikt zwischen den USA und China um Taiwan hineinziehen lassen, konterte der führende SPD-Abgeordnete Michael Roth: „Ich sehe keine blinde Gefolgschaft in Europa. Ich sehe hingegen in Washington ein Höchstmaß an Verantwortungsbewußtsein für Frieden und Stabilität in Europa.“
Es ist jedoch nicht klar, ob er damit die möglicherweise letzten Momente des Friedens nach dem Druck der USA auf Deutschland meinte, immer mehr schwere Waffen in die Ukraine zu schicken, bevor die ganze Situation zu einem Weltkrieg eskaliert, oder ob er die „Stabilität“ in Europa meinte, nachdem die gesamte europäische politische Klasse nach Seymour Hershs glaubwürdiger Analyse darüber, wer die Nord-Stream-Pipelines gesprengt hat, den Mund gehalten hat.
Vergessen ist offensichtlich die scharfe Rüge von Helmut Schmidt gegen den Unilateralismus der Bush-Administration, als er in der Zeit schrieb: „Europa braucht keinen Vormund“ und den Einfluß von Robert Kagan, Richard Perle, Zbigniew Brzezinski und Paul Wolfowitz anprangerte. Es ist unklar, ob die Apologeten der „guten Demokratien“ einfach nur gute Schüler des ehemaligen CIA-Chefs Pompeo sind, der sich öffentlich damit brüstete, daß sie „ganze Trainingskurse“ hatten, in denen ihnen beigebracht wurde, wie man lügt, betrügt und stiehlt, oder ob sie sich selbst schon so lange indoktriniert haben, daß sie jetzt ihre eigene Propaganda glauben.
Das „Projekt für ein neues amerikanisches Jahrhundert“
Jeder, der ernsthaft die Zeitgeschichte studiert, wird feststellen, daß der Kern des gegenwärtigen Konflikts zwischen dem Westen und Rußland, China und dem Globalen Süden die sogenannte Wolfowitz-Doktrin des Projekts für ein neues amerikanisches Jahrhundert (PNAC) ist, die für die USA das Recht auf eine unipolare Welt auf der Grundlage der anglo-amerikanischen Sonderbeziehung beansprucht, in der es keiner Nation oder Gruppe von Nationen erlaubt sein soll, die USA in Bezug auf politische, wirtschaftliche oder militärische Macht zu überholen.
Das war die Glaubensstruktur all jener anglophilen US-Präsidenten und Strategen, die davon überzeugt waren, daß es eine „endgültige Teilung Chinas“ geben müsse, um den „arischen Stamm“ zu erhalten, wie Churchill es 1902 in einem Interview formulierte; oder daß Rußland „besiegt“, „geschwächt“ und in zehn Einheiten aufgeteilt werden müsse, wie kürzlich Mitglieder westlicher Regierungen erklärten. Es war auch durchweg die Glaubensstruktur hinter Kissingers berüchtigtem Papier NSSM-200, in dem es im wesentlichen hieß, daß die Rohstoffe der Länder des Globalen Südens aus strategischem Interesse den Vereinigten Staaten gehören. Sie stand hinter Madeleine Albrights Formulierung, der Tod von 500.000 irakischen Kindern sei „die Sache wert“, und hinter Obamas Beharren, es gehe nicht an, daß alle Afrikaner ein Haus und ein Auto haben, weil sonst „der Planet überkocht“.
Die große Mehrheit der Länder der Welt kann erkennen, daß der Anspruch der „regelbasierten Ordnung“, die Protagonisten des „Guten“ zu sein, die in einem „Garten“ leben, während alle anderen irgendwie im „Dschungel“ dahinvegetieren, immer mehr bröckelt. Unter diesen Umständen würde eine „Abkopplung“ – nicht nur von China, sondern auch von dem entstehenden neuen Wirtschaftssystem – nicht nur den Untergang des Westens im Chaos bedeuten, sondern höchstwahrscheinlich auch die Eskalation in einen Atomkrieg.
Mit der Globalen Mehrheit zusammenarbeiten
Es muß uns daher gelingen, mit allen Mitteln einen bedeutenden Teil der Menschen in den Vereinigten Staaten und den europäischen Ländern davon zu überzeugen, über die Bedeutung des historischen Wandels nachzudenken, in dem wir uns gerade befinden. Dies ist nicht der Zeitpunkt, um in der Welt herumzurennen und Druck auf die Länder Afrikas, Lateinamerikas oder Asiens auszuüben, damit sie mit Rußland und China brechen, was sie ohnehin nicht tun werden.
Wenn wir diese Teile der Bevölkerung in Europa und den Vereinigten Staaten rechtzeitig dafür mobilisieren können, zu erkennen, daß es in unserem besten Interesse ist, mit den BRICS-Plus, der SCO, ASEAN, der Afrikanischen Union und anderen Organisationen der globalen Mehrheit zusammenzuarbeiten, dann wird die menschliche Gattung in eine glänzende neue Ära eintreten, in der wir uns endlich auf die großen Aufgaben der Menschheit konzentrieren können: auf die Schaffung von Frieden durch Entwicklung, auf die Überwindung der Armut für jeden Menschen auf dem Planeten, auf die allgemeine Bildung für jedes neugeborene Kind, auf die Schaffung von Energie- und Rohstoffsicherheit durch wissenschaftliche Durchbrüche, durch die Zusammenarbeit in der internationalen Raumfahrt, durch die Erkenntnis, daß wir die schöpferische Gattung im Universum sind.
Ich rufe alle Teilnehmer dieser Konferenz auf, mit uns zusammenzuarbeiten, möglichst viele Nationen zu ermutigen, eine internationale Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur auf die Tagesordnung zu setzen, die alle Konflikte löst, indem sie eine gerechte Weltwirtschaftsordnung schafft und indem sie eine neue Renaissance im Dialog der besten Traditionen aller Kulturen schafft, damit sich die Menschheit endlich menschlich verhält.
Und lassen Sie mich meinem verstorbenen Ehemann Lyndon LaRouche ein großes „Danke!“ und den Beifall aller guten Menschen auf diesem Planeten aussprechen für das, was er zu den heutigen Chancen der Menschheit beigetragen hat! Ich danke Ihnen.
(Aus dem Englischen übersetzt, Zwischenüberschriften wurden von der Redaktion hinzugefügt.)
Anmerkung:
1. Englisch https://larouchepub.com/eiw/public/2000/eirv27n30-20000804/eirv27n30-20000804_004-on_a_basket_of_hard_commodities-lar.pdf, Deutsch in Neue Solidarität, Nr. 33 und 34/2000
Sie können den Aufruf durch Ihre Unterschrift auf dem Farmular am Ende des Beitrags unterstützen.
Die Erschütterungen im Finanzsystem, die weltweit durch den Run auf die Silicon Valley Bank (SVB), ihre anschließende Schließung und Zwangsverwaltung ausgelöst wurden, sind ein klarer Aufruf an die Regierungen der Welt, schnell zu handeln, um eine Wiederholung der Krise von 2008 in größerem Ausmaß zu verhindern – größer und tödlicher, weil alle sogenannten „Werkzeuge“ der Zentralbanken ausgeschöpft sind.
Angesichts der extremen Überschuldung des Finanzsystems in Verbindung mit offenen Derivatepositionen von zwei Billionen Dollar droht der „Mutter aller Spekulationsblasen“ das Schicksal dessen, was der Wallstreet-Guru Bill Gross als Supernova beschrieb – ein hell leuchtender Stern, der plötzlich verglüht. Zwischen der Skylla von Finanzverknappung – welche immer höhere Nachschußforderungen und einen Run auf die Banken auslöst, wie es vor den Schwierigkeiten der SVB der Fall war – und der Charybdis von Geldlockerung – soll die Hyperinflation doch die Schulden auffressen – gibt es keine Lösung innerhalb des Systems. In beiden Fällen – einem plötzlichen Zusammenbruch des gesamten Systems oder einer hyperinflationären Entwertung des Lebenswerks vieler Menschen – ist der potentielle Schaden für Milliarden von Menschen und der wahrscheinliche Tod von Millionen inakzeptabel.
Da die Ursachen der finanziellen Systemkrise im Jahr 2008 nicht angegangen wurden und seit 15 Jahren durch Null- und sogar Negativzinsen zum Nachteil der physischen Kapazitäten der Wirtschaft rücksichtslos Liquidität gepumpt wurde, gefolgt von dem geopolitisch motivierten Wahnsinn der Wirtschaftssanktionen, die jetzt massiv auf den Westen zurückfallen, bricht inzwischen das gesamte System zusammen. Weder Schachtsche Sparmaßnahmen noch „bail-outs“ oder „bail-ins“ werden die Situation verbessern. Nur ein Ende der Kasinowirtschaft und eine Rückkehr zu soliden Investitionen in die Realwirtschaft, die darauf abzielen, die Produktivität der Wirtschaft durch eine höhere Kapitalintensität und Energieflußdichte zu steigern, werden Abhilfe schaffen.
Wäre Präsident Franklin D. Roosevelt noch am Leben, würde er einen Bankfeiertag ausrufen, eine Glass-Steagall-Bankentrennung und einen New Deal durchsetzen und den Amerikanern die Teilnahme an einem neuen Bretton-Woods-System anbieten, entsprechend seiner ursprünglichen Absicht, umfangreiche Kredite bereitzustellen, um den Lebensstandard der Menschen im globalen Süden zu erhöhen. Leider ist nicht zu erwarten, daß der derzeitige US-Kongreß die Statur oder die Weisheit hat, dies ebenfalls zu tun.
Zwar sind die Bemühungen der Eurasischen Wirtschaftsunion, der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) und der BRICS-Plus zur Schaffung einer neuen rohstoffbasierten Währung und eines neuen Finanzsystems angesichts aller möglichen Beschränkungen und Überreste früherer Ansätze noch nicht ausreichend vorangeschritten, doch die Dramatik der Ereignisse könnte dazu führen, daß die Umsetzung der bestehenden Absichten beschleunigt wird. Da die sehr reale Möglichkeit eines unkontrollierten Zusammenbruchs des Finanzsystems die Gefahr einer Eskalation des gegenwärtigen Stellvertreterkriegs zwischen der NATO und Rußland mit China im Hintergrund durch einen Unfall oder eine Fehlkalkulation heraufbeschwören könnte, besteht dringender Handlungsbedarf.
Es muß unverzüglich eine Dringlichkeitskonferenz einberufen werden, auf der die Regierungen der Welt signalisieren, daß sie in gutem Willen gemeinsam handeln werden, um zu einer neuen globalen Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur überzugehen, die die Interessen aller Nationen des Planeten berücksichtigt. Erster Ausdruck einer solchen neuen Architektur sollte die Umsetzung der von Lyndon LaRouche vorgeschlagenen Vier Gesetze sein: ein globales Glass-Steagall-System, ein System von Nationalbanken, ein neues Kreditsystem und internationale Zusammenarbeit bei der nächsten Generation wissenschaftlicher und technologischer Investitionen, wie z.B. in die Kernfusion und die Weltraumforschung.
Diese Dringlichkeitskonferenz muß entweder im Rahmen der UN-Generalversammlung oder der G20 stattfinden. Wenn diese Institutionen nicht in der Lage sind, entsprechend zu reagieren, müssen andere Veranstalter gefunden werden, wie die BRICS-Plus, die SCO oder eine Kombination repräsentativer Institutionen. Wenn das Wohlergehen und möglicherweise die Existenz der menschlichen Gattung auf dem Spiel steht, müssen alle ideologischen Hindernisse überwunden werden.
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Nein, nicht schlafwandelnd, sondern mit weit geöffneten Augen, aber ohne Verstand, ohne Rückgrat und ohne Gewissen treibt uns das transatlantische Establishment auf das Kliff zu, hinter dem die thermonukleare Hölle lauert, die alles Leben auf diesem Planeten auszulöschen droht. Das 12-Punkte Programm, das China am 24. Februar für eine diplomatische Lösung der strategischen Krise zwischen der NATO und Rußland veröffentlicht hat, repräsentiert einen möglichen Rettungsanker in letzter Minute, der uns vor dem Absturz bewahren kann. Es wurde zwar reflexartig von Präsident Biden und der EU-Kommission abgelehnt, findet aber aus gutem Grund wachsende Unterstützung bei den Nationen des Globalen Südens und damit dem weitaus größten Teil der Menschheit. Er muß unbedingt ein integraler Fokus all der Kräfte weltweit werden, die sich angesichts der existentiellen Bedrohung der Menschheit für eine diplomatische Lösung des Ukraine-Konflikts einsetzen, und repräsentiert eine offensichtliche, konkrete Option, die für das Angebots von Papst Franziskus, die Friedensverhandlungen auf dem Gelände des Vatikans abzuhalten, eine Orientierung sein könnte.
Der Grund für die sofortige Ablehnung des chinesischen Friedensplans durch die USA und die NATO liegt in deren diametral entgegengesetzter Zielsetzung, nämlich der Wiederherstellung einer unipolaren Welt, in der es China absolut nicht zukommt, eine solche Rolle als Friedensvermittler zu spielen. Wie NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am 28. Februar in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der finnischen Ministerpräsidentin Sanna Marin in Helsinki, erklärte, sieht er die Zukunft der Ukraine (langfristig) als Teil der EU und als Mitglied der NATO. Damit ist für die NATO der Wunsch nach einer neutralen Ukraine vom Tisch, wohl wissend, daß dies von Rußland als Mißachtung seiner Forderung nach Sicherheitsgarantien gesehen wird. Das heißt, die USA, Großbritannien, die NATO und ihre Atlantiker vertreten die Linie: „Die Ukraine muß auf dem Schlachtfeld gewinnen, Rußland muß ruiniert werden.“
Umgekehrt sieht Rußland dies natürlich als existentielle Bedrohung, und es wird seinerseits versuchen, die Entscheidung auf dem Schlachtfeld herbeizuführen. Die russische Regierung befände sich in einem Paralleluniversum, wenn sie die Vorschläge und Optionen für eine komplette Zerschlagung der Russischen Föderation nicht ernstnähme, die im Dezember 2022 auf einer gemeinsamen Veranstaltung der Jamestown Foundation und des Hudson Instituts diskutiert wurden. Die „minimalistische“ Variante bestünde demnach darin, Rußland in eine „lockere konföderationsähnliche politische Verwaltungsstruktur“ zu verwandeln – eine faktische Entmachtung der russischen Regierung -, während das „maximalistische“ Ziel in einer vollständigen Zerschlagung und Aufteilung Rußlands „entlang ethnoreligiöser Linien“ und der damit einhergehenden Schaffung eigener Staaten wie Tschetschenien, Dagestan und Tatarstan bestünde. In diesem Fall müßten eine dem Morgenthau-Plan vergleichbare Demilitarisierung und „Entsowjetisierung“ durchgeführt und breite Teile der Gesellschaft vor ein Kriegsverbrechertribunal gestellt bzw. umerzogen werden.
Da sich die Mitarbeiter dieser beiden Denkfabriken aus dem inneren Kern der amerikanischen Geheimdienste und des Militärisch-Industriellen Komplexes, also der eigentlichen Machtstruktur der USA rekrutieren, muß Moskau in diesen Szenarios die Absicht der US-Administration vermuten. Und damit wäre dann die Bedingung erfüllt, die die russische Militärdoktrin für den Einsatz von Nuklearwaffen vorsieht – wenn nämlich die territoriale Existenz Rußlands bedroht ist.
Nach der Einschätzung von Experten verschiedener Nationalitäten ist ein militärischer Sieg der Ukraine jedoch in weiter Ferne. Die ukrainischen Truppen hatten in den letzten drei Monaten enorme Verluste von im Schnitt 1000 Mann pro Tag und seit Mitte Februar um die 500 pro Tag zu verzeichnen. Die rund 10 Millionen Flüchtlinge – zwei Millionen davon in Rußland – sagen übereinstimmend, daß sie nicht in die Ukraine zurückkehren wollen. Insgesamt ist die Bevölkerungszahl von 37,5 Millionen auf derzeit etwa 20 Millionen gesunken. Beinahe die Hälfte der städtischen Infrastruktur ist zerstört, während alle entscheidenden Industriekapazitäten sich in Regionen befinden, die von Russen bewohnt werden.
Unter diesen Umständen ist ein auf Jahre angelegter Abnutzungskrieg, wie er sich aus den Aufträgen der NATO an die Waffenproduzenten ablesen läßt, ein einziger Fleischwolf, bei dem die Bevölkerung „bis zum letzten Ukrainer“ aufgerieben wird.
Während US-Militärs wie Generalstabschef Milley aufgrund einer realistischen Einschätzung der Lage auf Verhandlungen drängen, und sogar die RAND-Corporation aus ihren eigenen Gründen von einem „langen Krieg“ in der Ukraine abrät, folgt die Falken-Fraktion um das US-Außenministerium offensichtlich dem Vorschlag des Royal United Services Institute (RUSI), einer der führenden Denkfabriken Großbritanniens. Dieses hatte empfohlen, den Krieg bis an den Punkt zu eskalieren, an dem Rußland mit dem Einsatz von Atomwaffen drohen müsse, weil sonst die Krim und damit russisches Territorium bedroht wäre. Nach dieser perversen Logik würde eine dann folgende „gesteigerte Kubakrise“ die Beilegung des Krieges „befördern“, weil Rußland so zur Kapitulation gezwungen werden könne. Die für ihre aktive Mitwirkung im Maidan-Coup in Kiew 2014 berüchtigte Staatssekretärin im US-Außenministerium, Victoria „Dr. Strangelove“ Nuland, bekräftigte erst kürzlich erneut ihre Unterstützung für militärische Angriffe der Ukraine auf die Krim. Die Gefahr einer kurzfristigen Eskalation zu einem globalen Atomkrieg wird damit bewußt in Kauf genommen, und offensichtlich spielt das Leben der ukrainischen Bevölkerung hier keine Rolle, sondern es geht ausschließlich um die Niederwerfung Rußlands, um den Status der amerikanischen Hegemonie zurückzugewinnen.
Nicht Rußland ist isoliert, sondern der Westen
Die EU-eigene Denkfabrik European Council of Foreign Relations bemerkt in einer jüngsten Studie, daß zwar die USA und Europa näher aneinander gerückt sind, daß sich aber der Westen zunehmend vom Rest der Welt entfernt. Wer sich von dieser Realität einen eigenen Eindruck verschaffen will, dem sei das Video über den Dialog zwischen Sergej Lawrow und Sunjoy Joshi, dem Chef der indischen Denkfabrik ORF, beim diesjährigen Raisina-Dialog, empfohlen. Bei dieser Prestige-Veranstaltung der indischen Regierung versammelt sich regelmäßig eine gute Repräsentation der Elite des Globalen Südens. Wie Lawrow u.a. darlegte, ist die ursprünglich von Außenminister Primakow initiierte Troika Rußland-Indien- China immer noch ein Herzstück der strategischen Kooperation, die aber inzwischen eine massive Erweiterung über die BRICS-Plus erfahren hat, bei der es inzwischen zwei Dutzend Mitgliedsanträge weiterer Staaten des Globalen Südens gibt.
Es kann also keine Rede von einer Isolation Rußlands sein, sondern wir reden hier von der bei weitem überwiegenden Mehrheit der Menschheit. Und diese Mehrheit unterstützt den chinesischen Friedensvorschlag, der vorsieht, die Souveränität und territoriale Integrität aller Länder zu respektieren, die Mentalität des Kalten Krieges aufzugeben, die Feindseligkeiten zu beenden, die Sanktionen gegen Rußland zu beenden, und der im übrigen konkrete Schritte vorschlägt, wie auf diplomatische Weise die Krise überwunden werden kann. Auch Präsident Selenskyj hat betont, daß er darüber mit Präsident Xi sprechen will. Die geradezu hysterischen Reaktionen der Mainstream-Medien und Atlantiker auf diesen Vorschlag lieferten einmal mehr den Beweis, daß ideologische Brillen blind machen.
Es ist also höchste Zeit, daß der chinesische Vorschlag ins Zentrum der Diskussion gerückt wird. Wir befinden uns heute in einer vergleichbaren Lage wie der, in der die Verhandlungen über den Westfälischen Frieden 150 Jahre Religionskrieg in Europa beendet haben. Damals kamen die Kriegsparteien zu dem Schluß, daß der Krieg beendet werden müsse, weil sonst niemand mehr da wäre, der sich über einen Sieg freuen könnte, weil alle tot wären. Genau das ist unsere Situation heute – mit dem Unterschied, daß die Existenz von Atomwaffen dieses Ergebnis sicherstellen würde.
Eines der wichtigsten Resultate des Westfälischen Friedens, der den Grundstein für das internationale Völkerrecht legte, war die Erkenntnis, daß der Frieden erfordert, daß das Interesse des Anderen berücksichtigt werden muß. Deshalb ist nicht nur die wiederholte Ostausweitung der NATO kriegstreibend, vielmehr ist die NATO selbst obsolet. Sie muß dringend durch eine neue internationale Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur ersetzt werden, die die Interessen aller Staaten auf diesem Planeten berücksichtigt.
Es ist dringend nötig, daß die sich neu entwickelnde Friedensbewegung, die mit der Demonstration „Rage against the War Machine“ am 19. Februar in Washington, am 25. Februar in Berlin und in vielen anderen Kundgebungen in Italien, Frankreich, Deutschland und in vielen anderen Ländern auf den Plan getreten ist, sich klar für ein Ende der NATO und für die Unterstützung des chinesischen Vorschlags für eine friedliche Lösung des Konfliktes ausspricht, der andernfalls droht, zum Ende der Zivilisation zu führen.