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Helga Zepp-LaRouche, Präsidentin des Schiller-Instituts, hielt am 12. April in einem Internetforum des Manhattan-Projekts des LaRouche-Aktionskomitees folgende Rede über die COVID-19-Pandemie. Daran nahmen auch teil: der Ökonom und Journalist Dr. Mario Roberto Morales aus Guatemala, Ramasimong Phillip Tsokolibane (LaRouche-Bewegung Südafrika), sowie Harley Schlanger (Schiller-Institut) und Kesha Rogers (LaRouchePAC, Texas).
„Die Meisten ahnen gar nicht, wie schwer die Krise ist“
Wir erleben eine Zeit voller dramatischer Veränderungen. Viele Dinge, die die Bevölkerung für selbstverständlich hielt, haben sich in nur wenigen Wochen komplett verändert. Einige erahnen es, aber die meisten Menschen haben nicht einmal den Hauch einer Ahnung, wie schwerwiegend diese Krise sein wird.
Am 1. April wurden eine Million COVID-19-Infizierte und 80.000 Tote gemeldet. Nur elf Tage später waren es 1,7 Millionen Infizierte und 103.000 Tote. Die Infektionsrate hat sich in elf Tagen somit fast verdoppelt, und dieser Anstieg könnte in Zukunft noch größer werden, wenn man bedenkt, daß viele Länder, wo es dringend nötig wäre, gar nicht die Möglichkeit haben, Tests durchzuführen. Die Pandemie hat die Entwicklungsländer der Südhalbkugel noch gar nicht erreicht, und dennoch trifft diese Pandemie uns bereits jetzt schon wie ein schwerer Sturm.
In den USA wurden wegen des Lockdowns in nur drei Wochen 18 Millionen Menschen arbeitslos. Nach Angaben der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) wird für Deutschland ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 30%, in anderen europäischen Ländern zwischen 25 bis 29% erwartet. Viele Kleinbetriebe und Restaurants sind bereits pleite oder fürchten es zu werden. Menschen können ihre Miete nicht bezahlen, und wegen fehlender Einnahmen können Vermieter ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen. Bauern verlieren ihre Abnehmer in den Restaurants, die schließen mußten. Supermärkte sind nicht mehr in der Lage, den Tafeln übrig gebliebene Lebensmittel zu überlassen. Obdachlose drängen sich vor den Ausgabestellen der Tafeln, nur um mit noch weniger als sonst oder gar nichts in der Hand wieder gehen zu müssen. Gleichzeitig verteilen die USA und die europäischen Länder dreistellige Milliardenbeträge in Form von Krediten und Zuwendungen an Hauseigentümer, Kleinbetriebe und Selbständige, die sonst kein Einkommen hätten. Aber die Angst ist groß. Viele Betroffene haben keinerlei Hilfe erhalten und fürchten, leer auszugehen.
Der WHO-Vorsitzende Dr. Tedros sagte erst vor kurzem, daß nach dem konsequenten Lockdown ein Stagnieren der Infektionsrate in Ländern wie Italien, Spanien, Frankreich und Deutschland festzustellen sei, aber es noch lange keinen Grund zur Entwarnung gebe, da er einen enormen Anstieg der Infektionsrate in Afrika vor allem in ländlichen Gebieten erwarte. Von 54 afrikanischen Ländern sind bereits 52 vom Coronavirus betroffen, und dort ist die Gesundheitsgrundversorgung extrem schlecht. Sollten die Quarantänemaßnahmen zu früh aufgehoben werden, warnt Dr. Tedros, könnte das ein verheerendes Wiederaufflammen der Pandemie bedeuten.
Inmitten dieser Lage hat Präsident Trump angekündigt, einen Beraterstab von 35 Personen einzuberufen – bestehend aus Geschäftsleuten, Wissenschaftlern und Ärzten -, die ihm helfen sollen, die „schwerste Entscheidung seines Lebens“ zu treffen, nämlich, wann und wie weit man die Quarantänemaßnahmen wieder lockern könne. In den USA, aber auch in Europa gibt es viele neoliberale Ökonomen, die meinen, die Maßnahmen müßten sofort wieder gelockert werden, denn sollte die Wirtschaft weiter still stehen, wären die wirtschaftlichen Schäden schlimmer als die Folgen der Pandemie. Dies ist jedoch sehr zu bezweifeln, denn eine zu frühe Lockerung der Maßnahmen bedeutet, eine zweite und dritte Welle der Pandemie mit unabsehbaren Folgen zu riskieren. Einige dieser Ökonomen meinen auch, es müsse massiv in den Klimaschutz, den Green New Deal etc. investiert werden, sobald die Pandemie vorbei ist. Ich muß sagen, man braucht kein Hellseher sein, um festzustellen, daß dieses Denken eine absolute Katastrophe heraufbeschwört, denn es bedeutete die Auslöschung der Menschheit.
Leider glauben vieler dieser Ökonomen, es reiche aus, wenn die Zentralbanken Milliarden über Milliarden von Dollar und Euro ins System pumpen, wie z.B. die Federal Reserve, die nicht nur 2 Billionen Dollar in die Wirtschaft – Haushalte und Kleinbetriebe -, sondern zusätzlich auch 4 Billionen Dollar in das Finanzsystem gesteckt hat. Praktisch alle Zentralbanken haben beschlossen, unbegrenzt Geld ins System zu pumpen. Es ist unmöglich, daß dieses System eine Spekulationsblase von 1,8 Billiarden Dollar lange erhalten kann. Es ist gibt keine schnelle Lösung. Man kann nicht willkürlich die Quarantänemaßnahmen lockern oder weiter Geld ins System pumpen, sondern die fundamentalen Ursachen der Krise müssen gelöst werden.
Warum droht eine Katastrophe?
Was sind diese fundamentalen Gründe? Mein verstorbener Ehemann Lyndon LaRouche hat 1971 vor einer solchen Katastrophe gewarnt. Er präzisierte 1974 diese Gefahr weiter: Sollte der Lebensstandard der Bevölkerung langfristig gesenkt werden, d.h. die Ernährung unter ein kritisches biologisches Minimum absinken, dann bestehe die Gefahr, daß die unterernährte Bevölkerung der Entwicklungsländer zur Brutstätte von Epidemien und Pandemien sowohl alter als auch neuer Krankheiten wird. Genau dieses Problem ist eingetreten, so daß die relative potentielle Bevölkerungsdichte unter die Zahl der tatsächlich lebenden Menschen abgesunken ist.
Genau diese Situation erleben wir vor allem in den Entwicklungsländern, wo sich nicht nur das Coronavirus ausbreitet, sondern die Bevölkerung bereits durch HIV, Tuberkulose und andere Krankheiten geschwächt ist. In Afrika kommt noch eine Heuschreckenplage dazu, und es leiden dort jetzt schon 60 Millionen Kinder an Hunger. Sollte sich die Corona-Pandemie dort weiter ausbreiten, sieht die Zukunft katastrophal aus.
Deswegen fordern wir den Aufbau eines vollständigen Weltgesundheitssystems. Das ist der einzige Weg, diese Krise grundlegend zu beenden. Es gibt dazu keine Alternative und keine Kompromisse. Jedes Land braucht einen Standard der Gesundheitsversorgung nach dem amerikanischen Hill-Burton-Gesetz von 1946. Unter anderem war darin vorgesehen, für je 1000 Einwohner 4,5 Krankenbetten vorzuhalten. Im Zuge der Privatisierung des Gesundheitssektors verfügen die USA heute nur noch über 2,8 Betten pro 1000 Einwohner. Südafrika hat 0,7 Betten. Nigeria, wo ein Fünftel der Bevölkerung südlich der Sahara lebt, hat 0,5 Betten.
Um das Ziel von 4,5 Betten pro 1000 Einwohner zu erreichen, müßten auf der ganzen Welt insgesamt 35 Millionen neue Krankenhausbetten entstehen. Das bedeutet eine knappe Verdoppelung der momentan verfügbaren Betten. Und natürlich werden nicht nur Krankenhausbetten benötigt, sondern auch medizinisches Personal wie Ärzte und Pflegekräfte. Auch entsprechende Medizinausrüstungen müßten produziert werden. In den USA gibt es momentan 170.000 Beatmungsgeräte für 330 Millionen Menschen. Das sind 515 Geräte pro eine Million Menschen. In Deutschland gibt es 25.000 Beatmungsgeräte für 83 Millionen Menschen oder 300 pro eine Million. Vergleicht man die amerikanischen Zahlen mit Nigeria, wo es gerade 500 Beatmungsgeräte für 200 Millionen Menschen gibt, so ist Nigeria 200mal schlechter versorgt als die USA. Es gibt aber auch Länder wie Liberia mit 4,7 Millionen Einwohnern, die nicht ein einziges Beatmungsgerät haben. Um die ganze Welt auf das Niveau der USA anzuheben, müßten global 40 Millionen Beatmungsgeräte produziert werden.
Auf dem afrikanischen Kontinent leben 1,1 Milliarden Menschen, das sind 14% der Weltbevölkerung. Aber in Afrika gibt es 60% der extremen Armut der Welt; 70% der afrikanischen Bevölkerung hat keinen elektrischen Strom; 20% der Menschen in den Städten leben in Slums; und ähnliche Bedingungen herrschen in vielen anderen Teilen der Dritten Welt.
Schneller Aufbau notwendig
Was man zuallererst braucht, ist ein zentralisierter Ansatz in jedem Land, was oftmals nur vom Militär geleistet werden kann. Man müßte so vorgehen, wie es auch in den Vereinigten Staaten und anderen Ländern praktiziert wird. Die infizierten Menschen müssen von den nicht infizierten Menschen getrennt werden. Industrie und Landwirtschaft müssen in etwa so aufgebaut werden, wie es Präsident Franklin Roosevelt während der Zeit des New Deal in den 1930er Jahren getan hat. Ein Vorbild muß das sein, was China in Afrika macht: Eisenbahnen und andere Infrastruktureinrichtungen bauen und die Neue Seidenstraße auf den afrikanischen Kontinent verlängern.
Wie das amerikanische Institute for Health Metrics berechnet hat, werden in den Vereinigten Staaten 575.000 zusätzliche Krankenhausbetten benötigt werden, um den nationalen Durchschnitt auf 4,5 Betten pro 1000 Bewohner zu erhöhen.
Natürlich brauchen diese zusätzlichen Krankenhäuser mehr Strom, mehr Wasser, sanitäre Einrichtungen und Transportkapazitäten. Um weltweit das Hill-Burton-Niveau zu erreichen, d.h. 30 Millionen weitere Krankenhausbetten für die Welt, bedeutet dies etwa 100.000 MW zusätzliche Stromerzeugungskapazität und 12 Billionen Liter sauberes Wasser, d.h. etwa die Hälfte des Wassers, das durch den Drei-Schluchten-Damm fließt. Außerdem die Produktion von 10 Millionen Beatmungsgeräten, Hunderten von Milliarden von Masken und persönlicher Schutzkleidung, Hunderte von Millionen von Tests, Impfstoffen, Medikamenten und so weiter.
Die einzige Möglichkeit, das zu erreichen, ist die sofortige Umrüstung der Unternehmen in den Industrieländern. Anstatt sich darüber zu entrüsten, daß der Automobilsektor und andere Industriezweige derzeit unterbeschäftigt sind oder geschlossen wurden, sollten diese wichtigen industriellen Kapazitäten für die Herstellung der genannten Güter umgerüstet werden. Einige der großen Automobilfirmen und andere haben bereits zugestimmt, genau dies zu tun, zum Beispiel General Motors, Ford, General Electric, McLaren, Jaguar, Landrover, VW, Rolls Royce, Airbus, SpaceX, Phillips.
Was durchgesetzt werden muß
Entscheidend ist, daß die Präsidenten der vier größten Weltmächte – der Vereinigten Staaten, Rußlands, Chinas und Indiens – zu einem sofortigen Gipfeltreffen zusammenkommen; und alle anderen Länder sind dazu aufgerufen, sich den Bemühungen zur radikalen Umgestaltung des Weltsystems anzuschließen. Die Präsidenten und die Länder der Welt müssen sich auf ein ganzes Bündel von Maßnahmen einigen.
Ich denke, es ist offensichtlich, daß alle Sanktionen sofort aufgehoben werden müssen. Die EU zum Beispiel ist an Sanktionen gegen 35 Länder beteiligt, was es diesen Ländern praktisch unmöglich macht, die Pandemie wirksam zu bekämpfen. Die Sanktionen aufrechtzuerhalten, läuft derzeit auf einen Massenmord hinaus.
Alle Länder müssen auch dem Aufruf von UNO-Generalsekretär Guterres folgen, der zu einem sofortigen Waffenstillstand aufgerufen hat; alle militärischen Aktionen müssen eingestellt werden, damit die Pandemie bekämpft werden kann.
Offensichtlich kann man von den Entwicklungsländern auch nicht verlangen, in der schlimmsten Krise in unserem Leben und mit Sicherheit seit 1918 und vielleicht seit der Pest im 14. Jahrhundert weiterhin wucherische Schulden zu bezahlen, die ohnehin höchst unrechtmäßig sind. Was wir brauchen, ist ein allgemeines Schuldenmoratorium.
Um ein so gigantisches Projekt für das Weltgesundheitssystem zu finanzieren, müssen die vier Gesetze von Lyndon LaRouche umgesetzt werden. Das bedeutet ein neues Kreditsystem in Form eines Neuen Bretton-Woods-Systems, über das auch große, langfristige, zinsgünstige Kredite für die Entwicklungsländer vergeben werden können, was im Zusammenhang mit der bestehenden Kasinowirtschaft keinen Sinn macht. Zweitens braucht jedes Land eine Nationalbank, und die Zusammenarbeit zwischen diesen Nationalbanken begründet bereits ein Neues Bretton-Woods-System. Dann brauchen wir ein Crash-Programm internationaler Zusammenarbeit, die glücklicherweise bereits zwischen Wissenschaftlern aus China, den Vereinigten Staaten, Frankreich und anderen Ländern funktioniert.
Crash-Programme in drei grundlegenden Bereichen sind vordringlich: Zur Entwicklung der Kernfusion, in der biologischen Forschung zur Bekämpfung der Pandemie und anderer Krankheiten und drittens zur gemeinsamen internationalen Zusammenarbeit im Weltraum, wodurch zukunftsweisende Durchbrüche erzielt werden können, die wir unbedingt brauchen, um die Produktivität der Wirtschaft zu erhöhen. Darüber hinaus muß es eine sofortige internationale Vereinbarung zur Unterstützung der Entwicklungsländer geben, um das Pandemieproblem durch die Entsendung internationaler Brigaden von Ärzten, Pflegekräften, Ingenieuren und anderen Fachkräften zu lösen – in Abstimmung mit den Vereinten Nationen, der Afrikanischen Union und ähnlichen Organisationen und unter uneingeschränkter Achtung der Souveränität dieser Länder.
Wenn wir so vorgehen, besteht meines Erachtens die Möglichkeit, nicht nur die Corona-Pandemie erfolgreich zu bekämpfen, sondern eine neue Weltwirtschaftsordnung zu begründen, die die Unterentwicklung beseitigt, die der wahre Grund für die jetzige Krise ist. Es hätte für die ganze Weltbevölkerung offensichtlich sein müssen, daß es kein normaler Zustand der Menschheit ist, die Entwicklungsländer und sogar Bereiche im sogenannten entwickelten Sektor in einem Zustand von Verarmung, Hunger und Krankheiten zu belassen.
Wir müssen unser Verhalten ändern
Wir befinden uns jetzt an einem Scheideweg. Entweder wir ändern unser Verhalten oder wir versinken über einen längeren Zeitraum in einem finsteren Zeitalter. Wir sollten die Ostertage nutzen, um darüber nachzudenken, wie wir eine neue Ebene des Erhabenen, eine neue Ebene der Menschlichkeit erreichen können, welche für die Christen durch die Auferstehung Christi und die damit verbundene Hoffnung symbolisiert ist. Und auch Menschen, die keine Christen sind, können an dieser Hoffnung teilhaben.
Wir haben einen Punkt erreicht, an dem wir unsere Menschlichkeit auf einer ganz anderen Ebene finden müssen. Wenn wir das tun, können wir die Geopolitik überwinden, können wir Konfrontation und Krieg als Weg der Konfliktlösung überwinden und einen neuen Weg für alle Nationen finden, um gemeinsam für die eine Menschheit zu arbeiten. Ich möchte, daß Sie sich alle diesen Bemühungen anschließen, denn die Lage wird sich noch weiter zuspitzen. Aber wenn wir uns der Aufgabe verschreiben, eine neue gerechte Weltwirtschaftsordnung, beginnend mit einem Weltgesundheitssystem, zu schaffen, können wir aus dieser Krise herauswachsen und menschlicher werden.
Wenn Sie dazu beitragen möchten, können Sie sich hier zur Internetkonferenz des internationalen Schiller-Instituts am 25./26. April anmelden: Die Existenz der Menschheit hängt jetzt von der Schaffung eines neuen Paradigmas ab!
Wir erleben derzeit die schwerste Weltgesundheitskrise der letzten hundert Jahre, die deshalb so gefährlich ist, weil die Coronavirus-Pandemie mit der systemischen Weltfinanzkrise zusammentrifft, die schon vor Ausbruch der medizinischen Krise vor der Explosion stand und nun durch die Pandemie nur ausgelöst worden ist. Es gibt eine Lösung – aber nur, wenn die westlichen Gesellschaften bereit sind, die gesamte Axiomatik des neoliberalen Modells durch eine Wirtschaftspolitik zu ersetzen, die nicht an monetaristischen Gesichtspunkten, d.h. am Profit der Spekulanten, sondern am unbedingten Wert des menschlichen Lebens, naturwissenschaftlichen Prinzipien und der Solidarität mit der gesamten Menschheitsfamilie orientiert ist.
Immerhin hat inzwischen selbst Präsident Macron ausgesprochen, was nicht mehr zu übersehen ist, daß nämlich das politische System der liberalen Demokratie ungeeignet ist, auf existentielle Bedrohungen adäquat zu reagieren. Je schneller in Europa und den USA begriffen wird, daß wir bezüglich der gesundheitlichen Maßnahmen exakt das gleiche tun müssen, was China im Januar in Wuhan und der Provinz Hubei getan hat, desto mehr Menschenleben werden gerettet werden können. Anstatt die Zeit zu nutzen, die die Welt durch das entschlossene Handeln der chinesischen Regierung, das von der WHO korrekterweise als absolut vorbildlich charakterisiert worden ist, gewonnen hatte, verloren die westlichen Regierungen wertvolle Wochen, was dazu führte, daß Europa sich nun zum Epizentrum der Pandemie entwickelt hat und die Lage in den USA aufgrund des bisherigen Mangels an Tests sehr unklar ist.
Aber die notwendige Reorganisation kann nicht auf den Gesundheitsbereich beschränkt bleiben: Wir brauchen ein vollkommen neues Paradigma für die Politik und die Wirtschaft, wenn wir einen Absturz der Zivilisation wie im 14. Jahrhundert verhindern wollen. Zahlreiche Wissenschaftler in mehreren Nationen gehen davon aus, daß sich rund 70 Prozent der Bevölkerung innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre infizieren werden, jedenfalls bis ein Impfstoff gefunden wird und produziert werden kann. Professor Drosten von der Charité zitierte eine neue Studie, nach der man nicht mehr von einer langsameren Verbreitung des Virus im Frühling und Sommer ausgehen kann. Gleichzeitig muß davon ausgegangen werden, daß sich die Pandemie während des Winters in der südlichen Hemisphäre weiter weltweit ausbreiten wird, um dann im Herbst verstärkt und möglicherweise in mutierter Form auf die nördliche Hemisphäre zurückzukehren. Es geht also nicht nur darum, die Folgen des Abbaus unseres nationalen Gesundheitssystem während der letzten Jahrzehnte zu korrigieren und es innerhalb kürzester Zeit für die Behandlung der zu erwartenden Anzahl von Patienten auszustatten, sondern wir müssen kurzfristig die Bedingungen für ein globales Gesundheitssystem schaffen.
Die gegenwärtige Krise kommt keineswegs unerwartet. Bereits 1974 initiierte Lyndon LaRouche eine von ihm so bezeichnete „Biological Holocaust Taskforce“ (Arbeitsgruppe biologischer Holocaust), deren Aufgabe es war, die Wirkung der Austeritätspolitik und der Auflagen des IWF und der Weltbank vor allem auf den Entwicklungssektor zu untersuchen. LaRouche und seine Mitarbeiter präsentierten die Ergebnisse dieser Studien in einer Reihe von Berichten, die davor warnten, daß die von diesen Institutionen verursachte Absenkung des Lebensstandards in mehreren Kontinenten über einen langen Zeitraum hinweg, notwendigerweise zur Wiederkehr alter Seuchen und zum Entstehen neuer Krankheiten und Pandemien führen würde.
Wenn man die heutigen Bedingungen in vielen Nationen in Afrika, Asien, Lateinamerika, ja selbst in armen Regionen in Europa und den USA bedenkt, dann müßte klar sein, daß nur eine globale Änderung der Politik Abhilfe schaffen kann. Gegenwärtig haben rund zwei Milliarden Menschen kein sauberes Trinkwasser, bei den meisten sogenannten Entwicklungsländern kann man überhaupt nicht von einem modernen Gesundheitssystem sprechen. Gegenwärtig herrscht eine Hungersnot in mehreren Ländern Südafrikas, eine Heuschreckenplage, gegen die die Weltgemeinschaft nicht rechtzeitig vorgegangen ist, droht Dutzende von Staaten in Afrika, Asien und Lateinamerika zu verwüsten. Als Resultat der sogenannten „humanitären“ Interventionskriege und der schon genannten Unterentwicklung haben sich Millionen von Flüchtlingen auf den Weg nach Europa und Amerika gemacht, um der Gefahr für Leib und Leben zu entkommen.
Wenn wir also verhindern wollen, daß die Coronavirus-Pandemie sich in Wellen ausbreitet und von der nördlichen zur südlichen Hemisphäre und wieder zurück wandert, und so möglicherweise der Nährboden für weitere ähnliche und schlimmere Viren geschaffen wird, dann müssen wir einen radikalen Systemwandel einleiten.
Nach dem Beispiel von Wuhan und der Provinz Hubei, die insgesamt 14 temporäre Krankenhäuser einschließlich der benötigten Intensivpflegebetten gebaut hatten, müssen auf der ganzen Welt Krankenhäuser mit Isolierstationen gebaut werden. Dabei müssen die Standards der WHO berücksichtigt werden. China hat z.B. in nur einem Monat 16.000 Krankenhausbetten neu geschaffen.
Internationale wissenschaftliche Forschungszentren müssen etabliert werden, um den COVID-19-Virus und andere Viren und Bakterien zu erforschen, Impfstoffe müssen getestet und weiterentwickelt werden. Ergebnisse der Forschung in Biophysik, Nuklearbiologie und Weltraummedizin müssen umgehend allen Nationen zur Verfügung gestellt werden. Referenzpunkt hierbei ist die von Lyndon Larouche entwickelte Konzeption einer Strategic Defense of the Earth (Strategische Verteidigung der Erde, SDE), bei der der Schutz des menschlichen Lebens gegen Pandemien einen Schwerpunkt darstellt.
Diese weltweiten Maßnahmen erfordern Investitionen, die unter den Bedingungen des gegenwärtig kollabierenden Finanzsystems nicht zu leisten sind. Die derzeitigen Maßnahmen der Zentralbanken, Liquidität in Billionenhöhe in das Finanzsystem zu injizieren, und selbst die Bereitstellung von Haushaltsmitteln durch die Regierungen, sind angesichts der hyperinflationären Geldvermehrung nicht aufrecht zu erhalten.
Wenn wir die Coronavirus-Pandemie erfolgreich bekämpfen wollen, die notwendigen Krankenhäuser ausstatten bzw. bauen wollen, brauchen wir das Gesamtpaket von Maßnahmen, das Lyndon LaRouche seit Jahren vorgeschlagen hat:
- Es muß unverzüglich ein globales Trennbankensystem eingeführt werden, das genau dem Vorbild von Roosevelts Glass-Steagall-Gesetz vom 16. Juni 1933 nachempfunden ist. In diesem System müssen die Geschäftsbanken unter staatlichen Schutz gestellt und durch eine Brandmauer vollständig von den spekulativen Investmentbanken getrennt werden, die keinen Zugang mehr zu den Vermögenswerten der Geschäftsbanken oder zu dem Privileg von Rettungsaktionen durch Steuergelder haben dürfen. Toxische Papiere dieser Banken einschließlich ausstehender Derivatkontrakte müssen abgeschrieben werden
Berechtigte Forderungen, die mit der Realwirtschaft oder mit den Renten und anderen Vermögenswerten der arbeitenden Bevölkerung zusammenhängen, sind auch im neuen System als gültig einzustufen. Einige Kategorien von Zahlungsansprüchen müssen vorläufig eingefroren und von staatlichen Institutionen auf ihre Gültigkeit hin überprüft werden.
- In jedem Land muß eine Nationalbank in der Tradition von Alexander Hamilton oder der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet werden, damit staatliche Kredite für produktive Investitionen die physische Wirtschaft mit den notwendigen Mitteln versorgen können. Die Vergabe dieser Kredite muß sich an den Prinzipien einer hohen Energieflußdichte und einer optimalen Steigerung der Produktivität der Produktionskapazitäten und der Arbeitskraft durch Betonung des wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts orientieren.
- Unter den teilnehmenden Ländern muß ein System fester Wechselkurse eingerichtet werden, und es müssen Kooperationsverträge zwischen souveränen Staaten zum Zwecke genau definierter Infrastruktur- und Entwicklungsprojekte abgeschlossen werden. Diese Verträge stellen zusammengenommen faktisch ein Neues Bretton-Woods-System in Roosevelts Sinne dar, mit der ausdrücklichen Absicht, die industrielle Entwicklung des Entwicklungssektors zu fördern.
- Für die dringend notwendige Steigerung der Produktivität der Weltwirtschaft, um eine Weltbevölkerung von derzeit fast acht Milliarden Menschen zu versorgen, brauchen wir ein internationales Crashprogramm zur Realisierung der Fusionsenergie und anderer Avantgardetechnologien wie in der optischen Biophysik und den Biowissenschaften, um Lösungen für Herausforderungen wie das Coronavirus zu finden, sowie internationale Zusammenarbeit in Raumfahrt und Weltraumtechnologie; dies kann die notwendige nächsthöhere wirtschaftliche Plattform der Weltwirtschaft schaffen, wie sie der Ökonom Lyndon LaRouche entwickelt hat.
Die einzigen Institutionen, die ein solches weltweites Programm durchsetzen können, sind die führenden Regierungen dieser Erde, die in ihrer Zusammensetzung repräsentativ für die gesamte Weltbevölkerung sein müssen. Es reicht also keineswegs aus, wenn sich nur die Regierungen der G7 untereinander abstimmen, sondern diese Lösungen können nur mit der Einbeziehung von Rußland, China und Indien durchgesetzt werden.
Das bedeutet auch, daß die Geopolitik endgültig überwunden und durch die Idee der gemeinsamen Zukunft und Ziele der einen Menschheit ersetzt werden muß. Wenn wir den Absturz in ein neues finsteres Zeitalter verhindern wollen, müssen das neumalthusianische Denken, der wissenschaftsfeindliche „Grüne New Deal“, Monetarismus und Eurozentrismus durch die Ideen der physikalischen Ökonomie ersetzt werden, die sich ausschließlich an den wissenschaftlich nachprüfbaren Prinzipien des Universums orientiert.
Und endlich die vielleicht wichtigste Änderung, die wir in unserem Denken vornehmen müssen: Wir brauchen eine neue humanistische Renaissance, eine Renaissance der klassischen Kultur. Denn es war nicht zuletzt der grenzenlose Hedonismus, der mit dem Modell der liberalen und neoliberalen Demokratie einhergegangen ist, der die Welt an diesen Punkt gebracht hat. Jetzt ist der Moment gekommen, in dem wir die Ideologie des „Alles ist erlaubt“ ad acta legen müssen. Wir werden diese Krise nur meistern, wenn wir zu einer inneren Selbstbestimmung in Übereinstimmung mit der Liebe zur Menschheit finden. Aber dazu sind wir schließlich Menschen!
zepp-larouche@eir.de
In einer Gegenwart, in der zunehmend sinnlose Gewalt, ein Verfall der kulturellen Werte, eine kaum noch zu überbietende Verflachung beim sogenannten volkstümlichen Geschmack und eine Verrohung des Umgangs miteinander zu beobachten sind, haben wir immer noch eine ganz entscheidende Quelle, von der eine kulturelle und moralische Erneuerung ausgehen kann: die klassische Kunst! Das großartige Menschenbild, das mit den dichterischen Werken von Dante, Petrarca, Lessing oder Schiller oder den erhabenen und großen Kompositionen von Bach, Mozart, Verdi, Beethoven, Schubert, Schumann oder Brahms verbunden ist, ist immer noch ein Bezugspunkt für die Art und Weise, wie wir uns als Gesellschaft definieren.
Aber wenn wir die Rolle der Künstler in der Gegenwartskultur betrachten und Schillers Maßstab anlegen, der da heißt:
„Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben,
Bewahret sie!
Sie sinkt mit euch! Mit euch wird sie sich heben!“
dann ergibt sich ein degradiertes Bild. Unser Bildungssystem vermittelt kaum Kenntnis der klassischen Kultur, die sogenannte Jugendkultur wird von einem Kult der Häßlichkeit dominiert, und die klassische Kultur selbst ist unter massivster Attacke. Seit Jahrzehnten erfindet das sogenannte Regietheater immer neue Abgründe von Abscheulichkeit, Inszenierungen von Shakespeare oder Schiller sind nicht wiederzuerkennen, seit geraumer Zeit werden auch die Opernbühnen Schlachtfelder, auf denen die perversen Phantasien der Intendanten und Regisseure realisiert werden, und nun vergreifen sich sogenannte moderne Komponisten sogar an den Kompositionen Beethovens, weil sie offensichtlich selber nichts zustandebringen.
Damit muß Schluß sein! Es ist Zeit für eine Gegenoffensive!
Das Beethoven-Jahr, in dem nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt eine große Anzahl von Beethovens Kompositionen aufgeführt werden, bietet die wunderbare Chance, daß wir uns an unsere bessere kulturelle Tradition in Deutschland erinnern und sie dem seit Jahrzehnten fortdauernden moralischen Abwärtstrend entgegenstellen. Wir dürfen einer Theater- und Musik-Mafia, die die klassische Kunst ruiniert, nicht länger das Ruder überlassen, und rufen dazu auf, eine Renaissance-Bewegung für die Verteidigung und Wiederbelebung der klassischen Kunst zu schaffen. Wie Friedrich Schiller in den Ästhetischen Briefen so unwiderlegbar dargestellt hat: Nur in der großen Kunst finden wir die innere Kraft, unsere eigene Kreativität zu entwickeln und uns als Menschen zu verbessern.
Die Welt befindet sich derzeit in einem Epochenwandel, in dem die bisherige, von den atlantischen Staaten dominierte Ära eindeutig zu Ende geht und sich der Schwerpunkt der Entwicklung nach Asien verlagert, wo es mehrere Völker gibt, die auf ihre zum Teil über 5000 Jahre alten Zivilisationen zu recht stolz sind und diese pflegen. Wenn Europa irgendetwas dazu beizutragen hat, um das entstehende neue Paradigma in der Welt in einem humanistischen Geist mit zu gestalten, dann ist es unsere Hochkultur der Renaissance und der Klassik.
Lesen Sie dazu auch den offener Brief an die Klassikliebhaber Deutschlands im Beethoven-Jahr: Die Grenze des Zumutbaren ist endgültig überschritten!
Das BRICS-Informationsportal brachte als Aufmacher am 15.1. einen Artikel „Können die BRICS ein Katalysator für ein neues internationales Währungssystem auf der Basis von Infrastrukturentwicklung sein?“ von Paul Gallagher von EIR und Richard A. Black vom Schiller-Institut. Die Autoren schlagen vor, die laufende Kernschmelze des Finanzsystems zu lösen, indem man Lyndon LaRouches Wirtschaftswissenschaft für nationale Wirtschaftsentwicklung auf die derzeit zu wenig genutzte Neue Entwicklungsbank (NDB) der BRICS anwendet, zudem empfehlen sie die Gründung einer Russischen Bank für Infrastruktur und Industrie. (https://infobrics.org/post/30146/)
Gallagher und Black skizzieren die akute Gefahr der gegenwärtigen anglo-amerikanischen Geldpolitik und zeigen dann eine Lösung auf: „Zwei Mitglieder der BRICS, China und Rußland, sind bereits an neuen Initiativen beteiligt, die mit dem alten Muster des Nichtinvestierens in die Infrastruktur brechen: Chinas Gürtel- und Straßen-Initiative (BRI) und der Plan der Russischen Föderation, mit nuklearer Stromerzeugung Afrika zu ,erleuchten’. Der amerikanische physikalische Ökonom Lyndon LaRouche hatte in langjährigen Forschungsarbeiten gezeigt, daß die großen Infrastrukturen – Hochgeschwindigkeitsbahnen, Kernkraftwerke der dritten und vierten Generation, große Wassermanagementsysteme – der zentrale und unersetzliche Produzent von Wertschöpfung in einer Volkswirtschaft sind. LaRouche hatte gezeigt, daß ,die tatsächliche Rolle der Infrastruktur in einer lebensfähigen Form der Wirtschaft… die produktiven Arbeitskräfte verstärkt – eine wissenschaftsgetriebene Steigerung der physischen Produktivität am Ort der Produktion’. Man sollte untersuchen, wie die Neue Entwicklungsbank der BRICS in Bezug auf Größe und Konzeption erweitert werden könnte, um eine Keimzelle für ein neues Geldsystem für Entwicklung zu werden.“
Anhand der vorgeschlagenen Gründung einer Russischen Bank für Infrastruktur und Industrie beschreiben die Autoren dann den Weg zur Gründung weiterer solcher Nationalbanken sowie der Beteiligung der USA auf Grundlage der bewährten Prinzipien Alexander Hamiltons.
In einem vielbeachteten Appell erklärte Helga Zepp-Larouche, Vorsitzende des internationalen Schiller-Institutes, daß die Zerstörung der Oper „Fidelio“ von L. van Beethoven in einer Aufführung in Darmstadt einem Dammbruch gleichkomme.
Hier wurde nicht nur durch die Regie der Sinn der Oper , sondern sogar auch die Musik entstellt.
„Die Grenze des Zumutbaren ist endgültig überschritten“, erklärte Frau Zepp- LaRouche.
Wenn dieser Zerstörung nicht Einhalt geboten würde, wird sich die ganze Welt über den „Eurotrash“ lustig machen, wie dieses Genre inzwischen in vielen Ländern genannt wird.
Dieser Appell erregte schon international Aufsehen, wie z.B. in den USA, Italien und Holland.
Wir bitten Sie, den nachfolgenden Appell zu unterstützen, zu veröffenlichten und zu verbreiten.
Hier als PDF im A4 Format zum Herunterladen.
Hier als PDF im A3 Format zum Herunterladen.
Von der Unfähigkeit, Musik zu komponieren
Ein Offener Brief an die Klassikliebhaber Deutschlands im Beethoven-Jahr: Die Grenze des Zumutbaren ist endgültig überschritten!
Von Helga Zepp-LaRouche
Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben,
Bewahret sie!
Sie sinkt mit euch! Mit euch wird sie sich heben!
Friedrich von Schiller
Das erste, was man über die Aufführung von Beethovens Fidelio im Staatstheater Darmstadt in einer Inszenierung von Paul Georg Dittrich und einer musikalischen Bearbeitung des Finales durch Annette Schlünz sagen kann: Sie ist grottenschlecht. Grottenschlecht vom musikalischen, vom künstlerischen, vom philosophischen und vom menschlichen Standpunkt. In einer langen Reihe von stupiden, geschmacklosen, repetitiven Aufführungen des Regietheaters, wie sie seit mehr als einem halben Jahrhundert (!) auf die Bühne gebracht werden – zunächst beschränkt auf das Theater, und seit Jahren auch der Oper angetan -, war diese Aufführung der absolute Tiefpunkt.
Als Hans Neuenfels im Sommer 1966 als 25 Jahre alter Dramaturg am Trierer Theater als Werbung für das „1. Happening in Rheinland-Pfalz“ ein Flugblatt verteilen ließ, wo er auch die Frage stellte: „Warum schänden Sie nicht kleine Mädchen?“, befand er sich durchaus in Übereinstimmung mit den Überzeugungen der 68er Bewegung, wie man spätestens seit Cohn- Bendit weiß. Seitdem – seit 53 Jahren! – kopulieren diverse Nackte, Rockerbanden, Schizophrene oder Nazi-Kostümierte auf den Bühnen und haben erfolgreich die Stücke und Kompositionen der klassischen Dichter und Komponisten bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Originalität sieht anders aus.
Die Darmstädter Fidelio-Inszenierung präsentiert nicht nur eine Multimedia-Mischung von ästhetischen Abgeschmacktheiten, Brechtschen Entfremdungseffekten und einer Überlagerung der musikalischen Szenen des ersten Teils mit einer die ganze Bühne ausfüllenden Leinwand, auf die Bilder und Filmausschnitte projiziert werden. Diese sollen den zeitgeschichtlichen Hintergrund illustrieren, vor dem acht Inszenierungen von 1805 bis heute stattgefunden haben. Der Gesamteindruck ist chaotisch, die Sänger, die gegen diese Clip-Gewitter ansingen müssen, beginnen einem leid zu tun, so wie Leonore, die die ganze Zeit wie ein kopfloses Huhn um die Bühne herumlaufen muß.
Aber die wirkliche Monstrosität ereignet sich im zweiten Teil, als das Finale, die großartige Freiheitshymne der Oper, durch Einschübe von Kompositionen im Stil der Neuen Musik von Annette Schlünz martialisch regelrecht zerhackt wird. Schlünz beschreibt die von ihr komponierten Einschübe im Programmheft folgendermaßen:
„Nach und nach ist so ein ,Heil-Chor’ entstanden, der teilweise verstummt oder in dem nur einzelne Stimmen oder Wörter stehen geblieben sind. Manchmal radikalisiere ich auch Beethovens Instrumentation, um seine Ideen noch zu verstärken oder ich wiederhole einzelne Takte und stoppe dann plötzlich. Ein ganz großer Wunsch von mir war es, Fremdklang mit einzuflechten und die Musik an manchen Stellen einzufärben. Die Trompetenfanfare, die schon vor Beginn der Vorstellung vom Balkon des Staatstheaters erklingt, greife ich auf und erweitere sie: Das ist das Signal, das zum Aufbruch ruft. Einige Instrumente und Musiker, die aus dem Orchesterklang herausfallen, werden sozusagen abtrünnig und bringen etwas Neues herein. Das F-Dur Ensemblestück – ein fantastisches Stück Musik mit einer Sakralität und Geschlossenheit, an die ich mich nie heranwagen würde – lasse ich hingegen unberührt wie einen Edelstein stehen. Das anschließende Zwischenspiel mit meiner Musik, bei der unterschiedliche Klänge inklusive der Stimmen von acht Vokalsolistinnen durch den Raum geschickt werden, bricht die Beethoven’sche Klangwelt vollends auf.“
Vom Standpunkt der malträtierten Zuschauer hatte der von Schlünz zwischengeschobene Krach, bei dem Sänger und Instrumentalisten aus Plätzen mitten im Publikum und von allen Seiten ihren ohrenbetäubenden Mist hinausposaunten, mit Musik nicht mehr das geringste zu tun: Die Grenze zur Körperverletzung war eindeutig überschritten.
Wie emotional gestört Schlünz ist, wird aus ihren nächsten Sätzen deutlich:
„Beim Hören habe ich mir oft vorgestellt, ich würde an den Reglern eines Mischpults sitzen und die Geschwindigkeit noch weiter hochdrehen. Und da würde ich Beethoven einfach mal unterstellen, daß er beim Komponieren im Sinn hatte, fast etwas zu überdrehen. Das ist eine regelrechte Jubelmaschine! Mich erinnert das an Kinder, die vor Aufregung völlig überschnappen, weil sie nicht wissen, wie sie ihre Gefühle im Griff behalten sollen.“
Wenn hier irgend etwas übergeschnappt ist, dann ist es die von Schlünz hier demonstrierte Erbärmlichkeit, ihre emotionale Impotenz, das Erhabene des Sieges der Liebe zwischen Leonore und Florestan zu begreifen. Mehr noch, sie kann diese Größe offensichtlich nicht ertragen, ihre Vorstellung, mittels der Regler eines Mischpults die Geschwindigkeit der Musik hochdrehen zu wollen, ist der gleiche unkontrollierbare Ausraster, mit dem die Mörder des Ibykus sich selbst verraten, nachdem der Chor der Erinnyen die höhere Macht der Poesie im Theater von Korinth wachgerufen hat. Kleine, niedrig gesinnte Geister können weder große Ideen noch erhabene Gefühle ertragen.
Das großartige Finale des Fidelio, in dem Beethoven die Überwindung der Tyrannei durch den Mut der Gattenliebe zelebriert, ist Ausdruck der edelsten Humanität, bei der Liebe, Mut und Freiheitswille ihren musikalischen Ausdruck finden. In der Arie Leonores heißt es zuvor: „Ich wanke nicht, mich stärkt die Pflicht der Gattenliebe.“ Beethoven wählte den Stoff der Oper als im Sinne Schillers gelungene Idealisierung einer historischen Begebenheit, der Befreiung des Helden der Amerikanischen Revolution und französischen Republikaner, Marquis de La Fayette, durch seine Frau Adrienne. Darin kommt Beethovens eigene republikanische Gesinnung zum Ausdruck, wozu in der damaligen Zeit immer noch feudaler Strukturen und napoleonischer Feldzüge selber schon persönlicher Mut und Freiheitswille gehörte.
Für die gestörte Emotionalität der Vertreter der Frankfurter Schule und des liberalen Zeitgeistes sind solche zutiefst menschlichen Gefühle nicht mehr zugänglich. Der Regisseur Paul-Georg Dittrich sagt in seinem Interview im Programmheft in aufschlußreicher Weise, daß ihm das Finale vorkommt „wie eine Feier, bei der man gar nicht weiß, was eigentlich gefeiert wird“. Wenn Dittrich und Schlünz das nicht wissen, heißt das aber noch lange nicht, daß sie das Recht hätten, auch den normalen Menschen den Zugang dazu durch die Dekonstruktion der Komposition Beethovens zu zerstören.
Im Geiste des „Kongreß für kulturelle Freiheit“
Aber genau das war von Anfang an die Absicht der diversen Strömungen, in deren Tradition sich Dittrich, Schlünz und die ganze Inszenierung in Darmstadt befinden, einem Amalgam aus Adorno, der Eisler-Brecht-Schule und des Kongresses für kulturelle Freiheit. In einem bemerkenswerten Anflug wahrheitsgerechter Berichterstattung berichtete die FAZ am 12.11. 2017 in dem Artikel „Die CIA und die Kultur: Wie man die großen Wörter klaut“ über die Ausstellung anläßlich des 50jährigen Jubiläums des Skandals, als 1967 bekannt wurde, daß die gesamte gigantische Operation des Kongresses für kulturelle Freiheit eine von der CIA finanzierte Operation als Teil des Kalten Krieges war. Und dann das für die FAZ schon beinahe sensationelle Eingeständnis über das Ganze: „Die beunruhigende Pointe ist, daß der Geheimdienst dabei nicht einfach eine sinistre Reaktion beförderte, sondern eben jenem Linksliberalismus zum Durchbruch verhalf, der bis heute den Mainstream-Standard der westlichen Intellektuellen bildet.“
Die Darmstädter Fidelio-Inszenierung ist gewissermaßen die Endmoräne dieses Prozesses. Angefangen hatte er mit dem Wandel der amerikanischen Nachkriegspolitik. Nach dem unzeitigen Tod Roosevelts, unter dessen Führung die USA im Zweiten Weltkrieg mit der Sowjetunion im Kampf gegen den Faschismus verbündet waren, geriet der intellektuell wesentlich kleinere Truman schnell unter den Einfluß Churchills. Mit seiner berüchtigten Fulton-Rede am 5. März 1946 läutete dieser den Kalten Krieg ein. Damit gewannen die Vorläufer jener Elemente im amerikanischen Sicherheitsapparat, vor denen Eisenhower später als dem Militärisch-Industriellen Komplex warnte und die heute oftmals verkürzt als „Tiefer Staat“ bezeichnet werden, die Oberhand.
Der nunmehr ausgerufene Kalte Krieg erforderte, daß die tiefen Emotionen, die Amerikaner und Russen aufgrund der Kriegserfahrung verbanden und wie sie im Treffen an der Elbe in Torgau ihren Höhepunkt fanden, durch ein antirussisches Sentiment ersetzt werden mußten. Es mußte ein neues Feindbild aufgebaut und die gesamte Axiomatik des Denkens in der Bevölkerung entsprechend geändert werden. Für die USA bedeutete dies, die Grundannahmen in der Bevölkerung zu ändern, die zur Unterstützung der Politik Roosevelts beigetragen hatten. Für Europa und insbesondere Deutschland mußten die Wurzeln der europäischen humanistischen Kultur, die die kulturelle Identität jenseits der zwölf Jahre Schreckensherrschaft ausmachten, zerstört und durch ein Konstrukt ersetzt werden – die Dekonstruktion der klassischen Kultur.
Das Instrument, das für diesen Zweck geschaffen wurde, war der „Kongreß für kulturelle Freiheit“ (CCF), ein gigantisches Programm der psychologischen Kriegsführung, das von den Geheimdienstkreisen um Allan Dulles unter der Leitung von Frank Wisner, dem damaligen Chef des Büros für politische Koordination im US-Außenministerium, ins Leben gerufen wurde. Später wurde der CCF in die Abteilung für verdeckte Operationen verlagert. Die Operation dauerte offiziell von 1950 bis 1967, als die New York Times am 27. April 1967 veröffentlichte, daß der CCF eine Operation des CIA war – eine Enthüllung, die sich zum größten Kulturskandal des 20. Jahrhundert entwickelte. Der CCF operierte in 35 Staaten, gab 20 Magazine heraus, und tatsächlich steuerte der CIA praktisch jede Kunstausstellung und kulturelle Veranstaltung. In Europa gab es in dieser Zeit so gut wie keinen Schriftsteller, Musiker, Maler, Kritiker oder Journalisten, der nicht in irgendeiner Form mit diesem Projekt in Verbindung stand – mal wissentlich, mal ohne eine Ahnung zu haben.
Die Orientierung dieser Kulturprojekte war im wesentlichen die gleiche wie die der Frankfurter Schule, deren führende Vertreter während der Zeit des Nationalsozialismus in den USA im Exil waren und dort teilweise in den Sold der amerikanischen Geheimdienste getreten waren, wie Herbert Marcuse und andere. Auf jeden Fall paßten die Ansichten der Frankfurter Schule perfekt in das Programm des CCF. Theodor Adorno vertrat z.B. die absurde und ignorante Auffassung, daß der Idealismus Friedrich Schillers direkt zum Nationalsozialismus geführt habe, weil er einen radikalen Standpunkt eingenommen habe. Deshalb sei es nötig, die Schönheit vollkommen aus der Kunst zu entfernen. In seinem Aufsatz „Kulturkritik und Gesellschaft“, 1949 geschrieben, gipfelte seine misanthropische Sichtweise in dem vielzitierten Satz: „Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch.“
In Darmstadt auch hier nichts Neues: Im Programmheft zur Fidelio-Aufführung vertritt ein George Steiner exakt die gleiche Meinung: „Ist es möglich, daß im klassischen Humanismus selbst, in seiner Neigung zur Abstraktion und zum ästhetischen Werturteil, ein radikales Versagen angelegt ist? Kann es sein, daß Massenmord und jene Gleichgültigkeit gegenüber den Greueln, die dem Nazismus Vorschub geleistet hat, nicht Feinde oder Negationen der Zivilisation sind, sondern ihr gräßlicher aber natürlicher Komplize?“
Was hier in Reinformat zum Ausdruck kommt, ist exakt die psychologische Kriegsführung des CIA-gesteuerten CCF, der die Wurzeln der humanistischen Identität in der deutschen Bevölkerung zugunsten einer anglo-amerikanischen kulturellen Werteskala ausreißen sollte.
Eine Frage des Menschenbilds
Um es noch einmal auf den Punkt zubringen: Es gibt keinen größeren Gegensatz als den, der zwischen dem erhabenen Menschenbild des Humanismus und der klassischen Kunst und dem barbarischen Menschenbild der Nationalsozialisten existiert. Das Menschenbild der Klassik sieht den Menschen als prinzipiell gut an, als das einzig vernunftbegabte Geschöpf, das die in ihm angelegten Potentiale durch die ästhetische Erziehung zu einem harmonischen Ganzen, zu einem schönen Charakter, wie Wilhelm von Humboldt es ausgedrückt hat, vervollkommnen kann. Die klassischen Kunstwerke in der Dichtung, den bildenden Künsten und der Musik zelebrieren diese schöne Menschlichkeit und sind selbst wiederum Inspiration für die kreativen Fähigkeiten der Leser, Zuschauer und Zuhörer.
Das Menschenbild der Nationalsozialisten hingegen mit seiner Blut-und-Boden-Ideologie geht von einer rassistischen, chauvinistischen und sozialdarwinistischen Ideologie der Überlegenheit der arischen Rasse aus. Zu behaupten, die Tatsache, daß sowohl die Klassik als auch der Nationalsozialismus in Deutschland vorgekommen sind, beweise, daß es einen inneren Zusammenhang zwischen diesen vollkommen gegensätzlichen Vorstellungen gäbe, ist genau so absurd wie die Behauptung, aus der amerikanischen Verfassung seien geradewegs die Interventionskriege der Regierungen Bush und Obama entstanden oder aus der Überzeugung der Johanna von Orleans die französische Kolonialpolitik. Diese Behauptungen stammen in Wirklichkeit aus der Giftküche der CIA, zu deren Rezepten spätestens seit den Zeiten des CCF die „notwendige Lüge“ und die „glaubhafte Abstreitbarkeit“ gehören, wovon die Welt in jüngster Vergangenheit mit dem andauernden Coup gegen Präsident Trump durch den britischen Geheimdienst in Zusammenarbeit mit dem „Tiefen Staat“ wieder genügend viele Kostproben bekommen hat.
Die Frage, wie es vom hehren Ideal der deutschen Klassik zum Absturz unter der Herrschaft der Nationalsozialisten kommen konnte, ist eine der wichtigsten Fragen überhaupt. Um sie zu beantworten, ist die gesamte Ideengeschichte seitdem notwendig, vom Angriff der Romantik auf die Klassik und der damit beginnenden Auflösung der klassischen Form über den beginnenden Kulturpessimismus, der mit der Konservativen Revolution als Antwort auf die Ideen von 1789 und der politischen Restauration des Wiener Kongreß einzusetzen begann, über Schopenhauer und Nietzsche, die Bewegung des Jungen Europa vor dem Ersten Weltkrieg bis hin zum Ersten Weltkrieg und seinen Folgen.
Den Zweck, Kulturpessimismus zu induzieren, verfolgten auch die diversen Musikprojekte des CCF. 1952 veranstaltete er ein einmonatiges Musikfestival in Paris mit dem Titel: „Meisterwerke des 20. Jahrhunderts“, bei dem über hundert Symphonien, Konzerte, Opern und Ballette von über 70 Komponisten des 20. Jahrhundert aufgeführt wurden. Das Boston Symphony Orchestra, das eine führende Rolle bei weiteren Projekten des CCF spielen sollte, eröffnete das Festival mit einer mehr als gewöhnungsbedürftigen Aufführung von Strawinskys Sacre du Printemps. Ebenfalls aufgeführt wurden die Atonalisten Arnold Schönberg (bei dem Adorno studiert hatte) und Alban Berg, dazu Paul Hindemith, Claude Debussy und Benjamin Britten, um nur einige zu nennen. Weitere Konferenzen zur Propagierung von atonaler und Zwölftonmusik folgten in Prato und Rom, die ausschließlich Avantgarde-Musik förderten. Bei all diesen gut finanzierten Veranstaltungen wurde es als selbstverständlich erachtet, daß alle so taten, als würde ihnen häßliche Musik gefallen.
Die „Darmstädter Ferienkurse für Neue Musik“, ebenfalls unterstützt von der amerikanischen Militärregierung und dem CCF, brachte u.a. Schönberg, Webern und Bartok zur Aufführung. Dozenten wie Adorno, Olivier Messiaen und John Cage referierten über ihre Musiktheorie. Eine offizielle Beurteilung von Ralph Burns, Chef der OMGUS Cultural Affairs Branch, im Review of Activities über diese Kurse lautete: „Man war sich allgemein darüber einig, daß ein Großteil dieser Musik wertlos ist und besser nicht hätte gespielt werden sollen. Man bedauerte, daß Zwölftonmusik übermäßig viel Raum gegeben wurde. Ein Kritiker beschrieb die Konzerte als ,Triumph des Dilettantismus’.“
Es geht hier gar nicht darum, jemanden davon abzuhalten, atonale oder Zwölftonmusik oder welche Formen von Avantgarde-Musik auch immer zu komponieren oder anzuhören. Jeder nach seinem Geschmack. Es geht darum, daß durch die Idee der Gleichberechtigung aller Töne der temperierten chromatischen Skala die viel höheren Freiheitsgrade, die sich aus der polyphonen, harmonischen und kontrapunktischen Komposition, wie sie sich seit Bach über Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Schumann und Brahms entwickelt haben, massiv reduziert werden. Damit fallen die Mehrdeutigkeit der Noten und die Beziehungen zwischen den Tonarten, die Möglichkeit der enharmonischen Verwechslungen usw. weg: Die „Motivführung“ ist eine Form der Komposition, die aus einer einzigen musikalischen Idee heraus alle weiteren Themen, alle Sätze und schließlich die gesamte Komposition gesetzmäßig entwickelt. Diese Technik des Komponierens hat sich, wie Norbert Brainin, der Primgeiger des Amadeus-Quartetts, stringent dargelegt und in diversen Meisterklassen demonstriert hat, von Haydns „Russischen Quartetten“ op. 33 über Mozarts „Haydn- Quartette“ bis zu Beethovens späten Quartetten zu immer größerer Komplexität und Vollendung entwickelt.
Von diesem hohen Niveau, das die klassische Komposition mit Beethoven erreicht hatte, ist die sogenannte Moderne Musik – und es gibt durchaus gute moderne Kompositionen -, wenn sie diese Prinzipien aus dem Fenster wirft, ein Abstieg vergleichbar mit dem von einem sich antientropisch entwickelnden Universums von bisher mindestens zwei Billionen bekannten Galaxien herunter zur Vorstellung der flachen Erde.
So gut wie alle wirklich kreativen Menschen von Konfuzius bis Albert Einstein erkannten und nutzten die Wirkung von guter oder klassischer Musik zur Beförderung ihrer eigenen kreativen Fähigkeiten und zur ästhetischen Veredlung der Bevölkerung. Konfuzius machte die richtige Beobachtung, daß man an der Qualität der Musik den Zustand eines Staates ablesen könne. Die Versenkung in die Kompositionen großer klassischer Komponisten eröffnet den tiefsten Zugang zu den kreativen Fakultäten der menschlichen Seele und des Geistes. Wo sonst kann wie bei der klassischen Musik die Leidenschaft gestärkt und vertieft werden, die notwendig ist, über den eigenen kleinen Tellerrand hinauszublicken und sich mit den großen Gegenständen der Menschheit zu beschäftigen? Oder das Empfindungsvermögen ausgebildet werden, um die Forderung Schillers zu erfüllen, die er in der Rede zur Universalgeschichte aufstellt:
„Ein edles Verlangen muß in uns entglühen, zu dem reichen Vermächtnis von Wahrheit, Sittlichkeit und Freiheit, das wir von der Vorwelt überkamen und reich vermehrt an die Folgewelt wieder abgeben müssen, auch aus unsern Mitteln einen Beitrag zu legen, und an dieser unvergänglichen Kette, die durch alle Menschengeschlechter sich windet, unser fliehendes Dasein zu befestigen.“
Es ist genau diese Emotionalität der Liebe, die im Finale des Fidelio zum Ausdruck kommt: Liebe zum Gatten, Liebe zur Menschheit und die Idee der Freiheit in der Notwendigkeit, die Idee, mit Leidenschaft die Pflicht zu erfüllen und darin frei zu werden, was Schiller als die Qualitäten seines Ideals der schönen Seele und des Genies definiert hat. Es ist die Quintessenz der gesamten ästhetischen Methode der Klassik und Friedrich Schillers insbesondere: „Weil es die Schönheit ist, durch welche man zur Freiheit wandert.“
Verhurzt
Aber es ist genau dieser Freiheitsbegriff, dem die ganzen Verfechter von Regietheater, disharmonischer Musik und postmoderner Dekonstruktion den Kampf angesagt haben, weil er ihrem liberalen Konzept von „Freiheiten“ statt Freiheit entgegensteht. Also greifen sie hemmungslos in die schon reichlich zerfressene Mottenkiste von Brechtschen Verfremdungseffekten: Unterbrechungen, Filmclips, Spruchschilder, auf das Publikum gerichteter Kameraführung etc., um die Zuschauer so aus ihren Hör- und Denkgewohnheiten heraus zu „schocken“. Was in Darmstadt dabei heraus kommt, ist eine Mischung aus Clockwork Orange – man erinnere sich an die gewalttriefende Scheußlichkeit von Stanley Kubrick, die mit der Musik der 9. Symphonie Beethovens untermalt wurde – und der intellektuellen Tiefe Helene Fischers. Wenn Helene Fischer im roten Latex-Outfit zu orgiastischen Bewegungen ihren Song „Sag mal, spürst Du das?“ ins begeisterte Publikum hineinschnulzt, dann ist das ungefähr genau so subtil, wie wenn während des gesamten Finales auf der Bühne der Satz „Bewegt es Dich?“ in großen Neonlettern aufleuchtet. Offensichtlich meint der Regisseur Dittrich, daß das intellektuell herausgeforderte Publikum mit einer Holzlatte aufgeweckt werden müsse. Dazu dann das eingangs erwähnte Bombardement mit ohrenbetäubendem Krach durch im Zuschauerraum verteilte Instrumentalisten und Chormitglieder.
Das Publikum dankte für diesen Klamauk mit einem gequälten Mini-Applaus. Wenn es das Ziel der Inszenierung war, entweder das Publikum zum politischen Handeln in der Gegenwart aufzufordern oder die zeitgenössische Musik für ein „breiteres Publikum“ (Dittrich) zu öffnen, dann muß man in beiden Fällen sagen: Ziel verfehlt. Der bekannte „Hurz“-Sketch von Hape Kerkeling beschreibt die Reaktion der meisten Zuschauer – die sich offensichtlich schon zu lange an die Zumutungen des Regietheaters und den Kulturkrieg des CCF gewöhnt haben, der offensichtlich immer noch andauert – sehr treffend.
Abschließend sei ein Zitat von Alma Deutscher, die wirklich komponieren kann, erwähnt: „Wenn die Welt so häßlich ist, warum soll man sie dann noch häßlicher machen mit häßlicher Musik?“
Verteidigt die klassische Kultur!
Ehe das Vorbild von Frau Schlümpf Beispiel macht, noch andere klassische Kompositionen im Sinne von Hans Neuenfels zu „schänden“, soll diese Kritik im Beethoven-Jahr eine Debatte ins Leben rufen, die Klassik gegen solche Übergriffe zu verteidigen.
Das Beethoven-Jahr, in dem nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt eine große Anzahl von Beethovens Kompositionen aufgeführt werden, bietet die wunderbare Chance, daß wir uns an unsere bessere kulturelle Tradition in Deutschland erinnern, dem seit Jahrzehnten fortdauernden moralischen Abwärtstrend entgegenstellen und im bewußten Hören von Beethovens Musik die innere Kraft finden, unsere eigene Kreativität lebendig werden zu lassen.
Die Welt befindet sich derzeit in einem Epochenwandel, in der die bisherige, von den atlantischen Staaten dominierte Ära eindeutig zu Ende geht und sich der Schwerpunkt der Entwicklung nach Asien verlagert, wo es mehrere Völker gibt, die auf ihre zum Teil über 5000 Jahre alten Zivilisationen zu recht stolz sind und diese pflegen. Wenn Europa irgend etwas dazu beizutragen hat, um das entstehende neue Paradigma in der Welt in einem humanistischen Geist mit zu gestalten, dann ist es unsere Hochkultur der Renaissance und der Klassik.
Viele Wissenschaftler, Künstler und durchaus deutschlandfreundliche Menschen auf der ganzen Welt wundern sich ohnehin seit geraumer Zeit, was mit den Deutschen eigentlich los ist, daß sie sich so weit von ihrer Eigenschaft als Volk der Dichter und Denker entfernt haben. Wenn wir uns das Beethoven-Jahr verhunzen lassen – oder sollte man sagen, „verhurzen“ lassen? -, dann würde man Deutschland als Kulturnation wohl endgültig abschreiben.
Um Diskussionsbeiträge wird gebeten.
zepp-larouche@eir.de
Helga Zepp-LaRouche kommentierte am 4. Januar in LaRouchePAC-TV die Weltlage nach der Ermordung des iranischen Generals Qasem Soleimani.
„Ich möchte an Sie alle appellieren, sich ganz persönlich dafür einsetzen, den Ablauf der derzeitigen Ereignisse zu ändern. Gestern wurde der iranische Generalmajor Soleimani, der im Iran ein Nationalheld ist, ermordet, und auch der stellvertretende Kommandeur der irakischen Volksmobilisierungstruppen [Abu Mahdi al-Muhandis], ein hochrangiger Militäroffizier, wurde ermordet. Sie wurden Opfer eines Drohnenangriffs in der Nähe des Flughafens von Bagdad.
Infolgedessen wird die Welt sehr wahrscheinlich in eine Spirale von Vergeltung und Gegenvergeltung mit völlig offenem Ausgang eintreten. Es hat bereits viele internationale und nationale Reaktionen auf dieses Ereignis gegeben – einige hysterisch, aber einige auch äußerst nachdenklich und warnend.
Ich möchte besonders eine davon erwähnen, die von den „Geheimdienstveteranen für Vernunft“ (VIPS)1 – das sind ehemalige Geheimdienstler, die alle zu Whistleblowern wurden. Sie ziehen einen wichtigen Vergleich, daß nämlich dieser Anschlag an die Ermordung des österreichischen Erzherzogs Ferdinand im Juni 1914 erinnert, die den Ersten Weltkrieg auslöste. Es wurde oft gesagt, daß die Welt damals in den Ersten Weltkrieg schlafwandelte. Wenn die Menschen damals gewußt hätten, was kommen würde, hätten sie den Ersten Weltkrieg niemals begonnen, denn in diesen vier Jahren haben sich Deutsche und Franzosen in den Schützengräben gegenseitig bekämpft – vier Jahre eines sinnlosen Gemetzels, das das moralische Rückgrat einer ganzen Generation gebrochen hat, und das war es eigentlich, was die Nazis und den Zweiten Weltkrieg möglich machte. Die VIPS äußern die Überzeugung, daß heute eine Eskalation zum Dritten Weltkrieg keineswegs eine nur entfernte Möglichkeit sei; und ich stimme dieser Ansicht absolut zu.
Ich möchte noch eine andere sehr wichtige Quelle anführen, nämlich Scott Ritter, der nicht nur in der Sowjetunion als Waffeninspekteur bei der Umsetzung des INF-Vertrages mitgewirkt hat, sondern auch während des Golfkrieges im Stab von General Schwarzkopf war; von 1991-98 diente er zudem als UN-Waffeninspekteur im Irak. Er ist also mit der ganzen Region bestens vertraut. Sein Kommentar lautete:
„Die Vereinigten Staaten sind auf die Folgen ihrer Ermordung von Qasem Soleimani nicht vorbereitet, schon deshalb nicht, weil sie nichts über die Realität des Mannes, den sie ermordet haben, wissen und die Auswirkungen seines Todes auf den Iran oder den Nahen Osten nicht abschätzen können.“2
Ich möchte Sie daran erinnern, daß die kürzlich in der Washington Post erschienene Dokumentation über Afghanistan mehrere Interviews mit führenden US-Militärs enthielt, die zugaben, daß sie selbst lange nach Beginn des Afghanistan-Krieges keine Ahnung hatten, wer eigentlich ihr Feind war. Ich glaube, [der damalige US-Verteidigungsminister] Rumsfeld war einer von ihnen. Ritter fährt fort:
„Amerikanische Politiker beider großer Parteien sind sich einig in ihrer Beschreibung von Soleimani als einem bösartigen Mann, dessen Tod gefeiert werden sollte, auch wenn die Folgen seines Ablebens unbekannt bleiben.“
Ich muß dazu betonen, daß es eine äußerst barbarische Idee ist, den Tod eines Menschen zu feiern. Ritter fährt fort:
„Der Jubel über Soleimanis Tod ist jedoch aus Unkenntnis über die Ereignisse und Handlungen geboren, die sein Werk prägten und die die Welt, in der er tätig war, bestimmten. Während die USA Soleimani als ein Nebenprodukt der bösartigen Absichten des Iran im Nahen Osten darstellen, ist die Realität viel krasser: Soleimani ist das direkte Ergebnis der unverantwortlichen aggressiven Politik Amerikas…
Soleimanis Vorgehen, um diesen Erfolg zu erreichen, waren jedoch nicht Teil eines iranischen Masterplans für regionale Vorherrschaft, sondern ein wesentlicher Bestandteil von Irans Fähigkeit, effektiv auf die Fehler der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten bei der Umsetzung ihrer Aggressionspolitik in der Region zu reagieren.“
Es sei daran erinnert, daß genau dies der Kontext war, über den General Flynn Präsident Obama 2012 im Weißen Haus zu informieren versuchte, nämlich, daß die Vereinigten Staaten die falschen Kräfte in der Region unterstützen. Aus diesem Grund geriet General Flynn dann ins Fadenkreuz, und dies ist auch der Grund, warum das Russiagate und jetzt das Impeachment gegen Trump losgetreten wurde – wegen Trumps Verbindung zu Flynn.
Es sollte auch daran erinnert werden, daß dieses Attentat keine Vergeltung war, sondern ein im voraus geplanter Mord an einem ausländischen Amtsträger, einem Nationalhelden, der zusammen mit Chamenei an der Spitze des Iran stand. Die Bedeutung dieses Vorgangs läßt sich in seiner Tragweite nur damit vergleichen, als wäre der nationale Sicherheitsberater der Vereinigten Staaten oder Vizepräsident Pence ermordet worden. In gewisser Weise ist dies für das iranische Volk noch viel bedeutsamer, denn dieser Mann wurde geliebt und bewundert.
Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, hat eine wichtige Äußerung hierzu gemacht. Wenn das Pentagon Informationen über einen bevorstehenden Angriff auf Amerikaner gehabt hätte, so sagte sie, wäre es der richtige Weg gewesen, diese Beweise dem UN-Sicherheitsrat vorzulegen und eine Sondersitzung zu fordern. Aber nichts dergleichen sei geschehen.
Persönlich möchte ich dazu sagen, daß uns jetzt das Gesetz des Dschungels droht, da das Völkerrecht offenbar nichts mehr gilt.
Noch ist Zeit, die Situation herumzureißen. Wir rufen auf zu einem Sondergipfel zwischen Präsident Trump, Präsident Putin, Präsident Xi Jinping und wenn möglich Premierminister Narendra Modi auf. Diese vier Führer sollten einen gemeinsamen Plan für die industrielle Entwicklung der gesamten südwestasiatischen Region vorlegen, was der einzige Weg ist, Frieden zu schaffen. Dies ist seit langem die Politik des Schiller-Instituts. Alle großen Nachbarstaaten des sogenannten Nahen Ostens – Rußland, China, Indien, Iran, aber auch alle anderen Länder einschließlich der Vereinigten Staaten und der europäischen Nationen – müssen sich auf einen regionalen Entwicklungsplan einigen und die Neue Seidenstraße, die bereits in den Iran und nach Pakistan führt, in den Irak, nach Afghanistan, Syrien, in die Türkei und dann über Ägypten nach Afrika und über die Türkei nach Europa verlängern.
Ein solcher Plan lag bereits vor fünf Monaten vor, als sich Präsident Putin energisch dafür einsetzte, alle verschiedenen Gegner in der Region an einen Tisch zu bringen. Er hatte größten Druck auf Saudi-Arabien und Israel ausgeübt, er arbeitete mit Syrien und der Türkei zusammen, und alles sah recht vielversprechend aus. Hätte Trump diesen Kurs aufgegriffen und sich über inoffizielle Kanäle mit Rußland und China abgestimmt, hätte er ein Held des Friedens werden können – und er kann es immer noch werden.
China hat damals eine Billion Dollar für den Wiederaufbau von Afghanistan, Irak und Syrien zugesagt. Xi Jinping hat in seiner Neujahrsansprache vor wenigen Tagen erneut betont, daß die Belt & Road-Initiative allen Ländern zur Teilnahme offen stehe. Der einzige Weg, wie man zu dieser sehr späten Stunde und an diesem Punkt der Eskalation den Weltfrieden wiederherstellen kann, ist die Zusammenarbeit der vier Mächte – der Vereinigten Staaten, Rußlands, Chinas und Indiens. Das ist jetzt der wichtigste Punkt auf der Tagesordnung.
Am 25. und 26. April jährt sich zum 75. Mal das Zusammentreffen amerikanischer und sowjetischer Truppen an der Elbe 1945, zu dem Putin Trump eingeladen hat, und auch dazu, an den Feiern zum 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs und des Sieges über den Faschismus im Mai in Moskau teilzunehmen.
Trump hat durchblicken lassen, daß er sehr daran interessiert sei, an einer oder sogar beiden dieser Veranstaltungen teilzunehmen. Da wir den April und Mai vielleicht so nicht mehr erleben, schlagen wir vor, sofort eine solche Dringlichkeitskonferenz der vier Präsidenten abzuhalten. Wenn wenn wir etwas aus zwei Weltkriegen gelernt haben, dann, daß Weltkriege für die Menschen absolut schrecklich sind. Wenn es jetzt zu einem dritten Weltkrieg käme, würde wahrscheinlich niemand überleben, denn es sollte jedem denkenden Menschen klar sein, daß im Zeitalter thermonuklearer Waffen Krieg keine Option zur Konfliktlösung mehr sein kann.
Ich appelliere daher an Sie, diese Botschaft zu verbreiten. Präsident Trump braucht öffentliche Unterstützung, um genau das zu tun – sich mit den drei anderen Präsidenten zusammenzuschließen und den Weltfrieden zu retten. Das ist mein Appell an Sie alle.“
Anmerkungen:
- Veteran Intelligence Professionals for Sanity, Siehe https://consortiumnews.com/2020/01/03/vips-memo-doubling-down-into-yet-another-march-of-folly-this-time-on-iran
- Siehe https://www.rt.com/op-ed/477423-us-soleimani-assassination-consequences/
Chinas englischsprachige internationale Mediengruppe CGTN (China Global Television Network) gründete am 4.12. im Rahmen des dritten jährlichen Global Media Summit mit über 300 Teilnehmern aus Politik, Wirtschaft, Medien und Technologie den „CGTN Think Tank“. Die neue Denkfabrik wird „kooperative Beziehungen zu 50 renommierten Denkfabriken weltweit haben, um Einblicke in die Weltentwicklung zu geben und den Austausch zwischen verschiedenen Kulturen zu fördern“, so eine Erklärung des Senders. Hier finden Sie ein Video zur Eröffnungszeremonie der Veranstaltung.
Zu den Gründungsmitgliedern, die an der Veranstaltung teilnahmen, gehörte Helga Zepp-LaRouche als Gründerin und Präsidentin des Schiller-Instituts. Weitere prominente Mitglieder sind Leiter von Vereinigungen, die sich dem Dialog der Zivilisation widmen, Handelskammern und ähnlichen Institutionen.
Zepp-LaRouche sprach in der ersten Sitzung der Veranstaltung über das rasch zerfallende westliche Finanzsystem und die Dringlichkeit einer neuen Bretton-Woods-Konferenz zur Schaffung eines neuen Systems, das dem Geist der Neuen Seidenstraße entspricht.
Sie betonte, daß die Vereinigten Staaten und Europa mit der Belt & Road-Initiative bei der Industrialisierung Afrikas und beim Wiederaufbau Südwestasiens kooperieren müssen. Die Ausweitung der BRI zu einer globalen Weltlandbrücke, erklärte sie, schüfe auch eine Grundlage zur Ablösung der NATO. „Die NATO ist nicht nur ,hirntot’, sondern auch obsolet, weil sie nicht mehr dem Eigeninteresse der Mitgliedstaaten dient. Sobald wir eine globale Kooperation in der BRI haben, können wir auch eine neue internationale Sicherheitsarchitektur schaffen. Viele mögen glauben, daß das ein utopisches Konzept ist, aber es ist der einzige Weg aus einer existentiellen Krise für die gesamte Menschheit.“
Sie wurde auch vom englischsprachigen China Radio International (CRI) interviewt (http://chinaplus.cri.cn/podcast/detail/1/190097, ab der 13. Minute).
Zepp-LaRouche berichtete am 7.12., ihre chinesischen Gesprächspartner seien über die Verschlechterung der Beziehungen zwischen den USA und China und die abscheulichen Angriffe auf China aus den Vereinigten Staaten sehr verärgert, weil sie befürchten, daß das Verhältnis erst nach langer Zeit wieder repariert werden kann. Die meisten hätten keine Ahnung, daß das Absetzungsverfahren gegen Donald Trump in den USA faktisch ein Putsch ist. Auch über das Ausmaß der Finanzkrise und des drohenden Finanzkrachs seien sich die meisten nicht im klaren.
Daher konzentrierte Zepp-LaRouche sich in ihrem Interview mit CRI auf diese Themen.
Rund 15.000 Landwirte mit 5600 Traktoren aus allen Teilen des Landes versammelten sich am 26.11. auf den Straßen Berlins zum größten Bauernprotest seit Jahren. Der Protest richtet sich vor allem gegen die radikale „grüne“ Agenda der Europäischen Union, die eine „nachhaltige Landwirtschaft“ anstrebt, indem sie alle Pestizide und Herbizide verbieten und die Bauern für Treibhausgasemissionen zur Kasse bitten will. Die Bauern hatten auf ihren Traktoren Banner mit Slogans wie „Euer Essen kommt von unserem Land“ und „Ohne uns habt ihr nichts zu essen“.
Neben Berlin fanden Traktorkorsos in verschiedenen Regionen Deutschlands statt, wo seit Wochen Protestaktionen laufen. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner wurde in Berlin von den Demonstranten mit Zischen und Buhrufen empfangen, als sie ein Lippenbekenntnis für die Bauern ablegte, sonst aber die EU-Agenda als „alternativlos“ verteidigte. Als Umweltministerin Svenja Schulze sprechen wollte, drehten viele ihr demonstrativ den Rücken zu, und die Pfiffe waren so laut, daß sie nach fünf Minuten die Bühne verlassen mußte.
Die Landwirte wehren sich auch gegen die Hetzkampagnen der Mainstream-Medien und der Bevölkerungsteile, die von dieser Propaganda gehirngewaschen sind. So berichtete eine Frau in ihrer Rede bei der Berliner Kundgebung, ihre Kinder würden in der Schule als „Tierquäler“ und „Insektenmörder“ gemobbt.
Die Landwirte sind auch empört, weil Banken und andere branchenfremde Institutionen Ackerland verschuldeter Landwirte aufkaufen. In Ostdeutschland befinden sich bereits 50% der landwirtschaftlichen Nutzfläche nicht mehr in den Händen von Bauern. Außerdem wird jetzt darüber diskutiert, wie man aus Bauern Energieerzeuger machen kann, indem man Ackerland in riesige Flächen von Solarmodulen verwandelt!
Das Schiller-Institut intervenierte in Berlin mit einem Flugblatt für den Schutz der Familienbetriebe gegen die agroindustriellen Konzerne, für eine Umstrukturierung des Finanzsektors mit einer Bankentrennung und für ein Paritätspreissystem, das den Landwirten ein angemessenes Einkommen sichert und neue Investitionen ermöglicht. Weitere Forderungen des Schiller-Instituts sind die Wiedereinführung zinsgünstiger Darlehen für die landwirtschaftliche Erzeugung und ein Schuldenerlaß für hochverschuldete Landwirte, um sie vor Zwangsversteigerungen zu schützen.
Angesichts der Welle von Bauernprotesten seit Anfang Oktober sah Bundeskanzlerin Merkel sich gezwungen, einen „Dialog“ zu versprechen und am 2.12. in Berlin ein Treffen mit 40 Bauernverbänden und verwandten Gruppen und Institutionen zu organisieren.
Hier als PDF: Landwirteflugblatt-2019
Am 20. März 1525 verabschiedeten Bauern aus Schwaben in Memmingen die 12 Artikel der Bauernschaft, in denen sie gegenüber dem Schwäbischen Bund ihre Forderungen erhoben. Sie gelten zu Recht als erste Niederschrift der Menschen- und Freiheitsrechte in Europa. Heute erheben sich wieder Bauern gegen die Zerstörung ihrer Existenzgrundlage durch die EU. Ihre Revolte ist nur ein Teil eines weltweiten Aufstandes gegen die neoliberale Wirtschaftspolitik, die die Realwirtschaft zerstört, aber die Interessen von Banken und Kartellen verteidigt.
Die jetzige Protestwelle von Landwirten in Deutschland und in ganz Europa macht deutlich, daß es um die Existenz der bäuerlichen Landwirtschaft und um die zukünftige Sicherung der Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung geht. Mit den neuen, rein ideologischen und völlig praxisfernen Auflagen unter dem Deckmäntelchen des „Umweltschutzes“ werden nicht nur die Lebensgrundlagen der Bauern, sondern auch die der Gesamtbevölkerung zerstört.
Die Politik der EU mit immer mehr Bürokratie und Umweltauflagen für die Familienbetriebe muß gestoppt werden, da sie nur ein Vorwand zur Zerstörung der mittelständischen Struktur unserer Wirtschaft als ganzer ist. Damit werden die einst revolutionären Reformen des Freiherrn von Stein zunichte gemacht und Bauern wieder zu Leibeigenen der Feudalherren. Die heutigen Feudalherren sind Kapitalgesellschaften, die die Bauern zwingen, ihr Dasein weiter als Auftragsbauern zu fristen oder ihre Betriebe ganz aufzugeben.
Die entscheidende Forderung zur Erhaltung der bäuerlichen Struktur in der Landwirtschaft ist die Wiedereinführung des Paritätspreissystems. Das gilt sowohl für die traditionelle Landwirtschaft als auch für Biobetriebe, da beide zu Opfern des Diktats der Preispolitik der Handelskonzerne geworden sind. Der Bauer braucht einen kostendeckenden Preis, um seinen Betrieb erhalten und modernisieren zu können und ihn dann auch im geordneten Zustand an seinen Nachfolger übergeben zu können. Die bäuerliche Struktur garantiert nicht nur die Produktion von gesunden Nahrungsmitteln, sondern ist auch der beste Umweltschutz. So kann man verhindern, daß die Bauern im Rahmen der aktuellen Klimahysterie gezwungen werden, zum „Energiewirt“ zu mutieren statt Nahrungsmittel zu produzieren. Außerdem verhindert man so den Mißbrauch der Agrarflächen durch Monokulturen von Maisanbau für Biogasanlagen und Biosprit und auch für den Bau von Wind- oder Photovoltaikanlagen. Die sogenannte Energiewende erhöht – ohne jegliche wissenschaftliche Grundlage – nicht nur die Energiekosten für die Volkswirtschaft und deindustrialisiert Deutschland noch weiter, sie verschandelt auch unsere schöne Kulturlandschaft.
Wie muß eine europäische Agrarpolitik aussehen?
Die folgenden Forderungen wurden bereits Anfang Juni 1986 aufgestellt, als Landwirte und landwirtschaftliche Interessenvertreter aus Frankreich, Dänemark, Spanien, Schweden und der Bundesrepublik in Ginsheim bei Mainz die Europäische Landwirtekommission innerhalb des Schiller-Instituts gründeten. Das Schiller-Institut kämpft seit 1984 dafür, der Politik des Neoliberalismus die Politik einer neuen gerechten Weltwirtschaftsordnung entgegenzusetzen, in der das Gemeinwohl vor Profit mit Geldgeschäften steht.
In der Grundsatzerklärung wurden damals folgende 6 Punkte für die europäische Agrarpolitik formuliert:
- Sofortige Preiserhöhungen nach dem Paritätspreissystem für alle landwirtschaftlichen Produkte, um den ständigen Einkommensverlust der Familienbetriebe aufzuhalten.
- Reorganisation des EG-Finanzhaushalts im Rahmen der europäischen Beteiligung an einem neuen Weltwährungssystem, das die Voraussetzungen für eine gemeinsame Entwicklung und erweiterte Handelsbeziehungen der Partner sowohl innerhalb als außerhalb der Gemeinschaft schafft.
- Nationale Notprogramme, um auf Grund der falschen Politik in Not geratene Familienbetrieb zu retten, unter Berücksichtigung regionaler landwirtschaftlicher Strukturen.
- Schutz des Eigentums, wie es in der Verfassung eines jeden freien Landes verankert ist, vor den Machenschaften zahlreicher Banken. Zwangsversteigerungen und Pfändungen sind bei Betrieben, die unverschuldet in Not geraten sind, für unzulässig zu erklären und auszusetzen, damit sie vor dem Zugriff auf Kartellierung ausgerichteter malthusianischer Interessengruppen und Wirtschaftsgiganten bewahrt werden können.
- Rücknahme jener überzogenen Umweltschutz- und Hygienebestimmungen, die auf eine Enteignung der landwirtschaftlichen Betriebe hinauslaufen.
- Entflechtung der landwirtschaftlichen Genossenschaften von unkontrollierten internationalen Finanzinteressen und Reform des Genossenschaftswesens im Sinne Raiffeisens;
– kompromißlose Anwendung der Kartellgesetze und der Gesetze, die den Besitz landwirtschaftlicher Fläche regeln;
– gesetzliche und steuerliche Regelungen, um die flächenunabhängige, industrielle Erzeugung landwirtschaftliche Produkte zu verhindern.
Diese Forderungen von 1986 sind ganz offensichtlich auch heute noch immer aktuell. Vor allem Punkt 2 stellt den Dreh- und Angelpunkt dar, denn wir haben es nicht nur mit einer Krise der Agrarpolitik zu tun. Das gesamte neoliberale Paradigma der Politik der letzten 40 Jahre hat die Welt an den Rand der nächsten großen Finanzkrise gebracht, die eine weltweite Depression wie nach 1929 auslösen wird, wenn wir nicht das alte Spekulationsparadigma durch ein neues Paradigma von globalem wirtschaftlichem Wohlstand ersetzen. Dafür ist ein neues Weltkreditsystem („Neues Bretton Woods“) mit festen Wechselkursen und fairen Handelsbeziehungen zur Förderung der Realwirtschaft nötig, wie es der US-Ökonom Lyndon LaRouche mit seinen „Vier Gesetzen“ ausgearbeitet hat.
Die Chance für eine produktive Kehrtwende ist gegeben, da China seit 2013 mit seiner Politik der Neuen Seidenstraße eine andere Alternative der Zusammenarbeit der Nationen für die gemeinsamen Ziel der Menschheit und der Armutsbekämpfung eingeleitet hat, woran sich bereits über 150 Staaten beteiligen. Dieses neue Paradigma wurde 1996 von der Vorsitzenden des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, auf einer Konferenz in Peking vorgestellt. Jetzt gilt es, auch Deutschland für eine Beteiligung an der Neuen Seidenstraße zu gewinnen und dieses Land wieder zu einem produktiven Partner der Welt wie im berühmten Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit zu machen. China wendet heute nur die Methoden an, die Deutschland selbst im Wirtschaftswunder genutzt hat, als der Staat die Realwirtschaft und nicht die Spekulation förderte.
Die Bauern können heute wieder wie 1525 zu einer Kraft werden, die das Gemeinwohl verteidigt, wenn sie ihre Forderungen in den Kontext des Kampfes für eine gerechte neue Weltwirtschaftsordnung stellen. Kontaktieren Sie uns!
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Werner Zuse, Schiller-Institut, Tel. 089-7254219 oder per mail an info@schiller-institut.de