Top Left Link Buttons
  • Englisch
  • Deutsch

madeleine

Author Archives

Internetseminar: „Mit dem ,Great Reset’ in den wirtschaftlichen Niedergang? Oder ein Neues Paradigma für Kooperation?“

Warnung vor dem drohenden Absturz in eine Ökodiktatur

Von Alexander Hartmann

Das Schiller-Institut veranstaltete am 3. Februar ein dreieinhalbstündiges Internetseminar zum Thema „Mit dem ,Great Reset’ in den wirtschaftlichen Niedergang? Oder ein Neues Paradigma für Kooperation?“ Zu den Referenten gehörten neben der Vorsitzenden des Schiller-Instituts Helga Zepp-LaRouche und mehreren Autoren der kürzlich erschienenen E.I.R.-Studie Die Pandemie besiegen – Eine neue Epoche der Menschheitsgeschichte der Sinologe Dr. Ole Doering und der Logistikexperte Dr. Uwe Behrens.

Helga Zepp-LaRouche eröffnete die Veranstaltung mit dem Thema: „Absturz in die grüne Ökodiktatur oder Kooperation für ein Weltgesundheitssystem?“ Sie beschrieb die von der globalen Pandemie und Kriegsgefahr beherrschte schreckliche Weltlage, betonte jedoch, es gebe eine Alternative zur gegenwärtigen Politik. Aber dafür sei ein anderes Denken notwendig, denn das neoliberale Modell funktioniere nicht mehr.

Schon 1971, als US-Präsident Nixon den Dollar vom Gold abkoppelte, habe ihr Ehemann, der verstorbene Ökonom Lyndon LaRouche, gewarnt, die damit eingeleitete Demontage der produzierenden Wirtschaft werde in eine Wirtschaftsdepression, Faschismus und Krieg führen. Nun fordere die Finanzwelt einen „Regimewechsel“ in der Finanzpolitik und wolle mit Hilfe der sog. „Taxonomie“ praktisch alle Aspekte des Lebens diktieren. Aber dies würde die Menschheit auf das Niveau vor der Industrialisierung zurückwerfen. Als Beispiel dafür, was dies bedeutet, verwies sie auf eine Studie über die Folgen eines langanhaltenden, großflächigen Stromausfalls, der schon nach wenigen Tagen zum Ausfall unserer lebensnotwendigen Infrastruktur und zum Zusammenbruch der Versorgung der Bevölkerung führen würde.

Der Grund für den erfolgreicheren Umgang vieler ostasiatischer Nationen, allen voran Chinas, mit der Pandemie sei deren vollkommen andere Denkweise. Sie verwies auf die Rede des chinesischen Präsidenten Xi Jinping beim „virtuellen“ Weltwirtschaftsforum, wo er im Gegensatz zu den Vertretern des „Great Reset“ eine Kooperation zur Entwicklung des globalen Südens forderte. Das sei der richtige Ansatz, betonte Frau Zepp-LaRouche, denn um die Pandemie wirklich zu besiegen, brauche die Welt ein Weltgesundheitssystem, in dem jedes Land nicht nur eine moderne medizinische Versorgung hat, sondern auch sauberes Wasser, Energie, Infrastruktur, eine produktive Landwirtschaft und Industrie.

Das Schiller-Institut fordere dies schon seit Jahrzehnten und habe seine Vorschläge hierzu in Form des Konzepts der „Weltlandbrücke“ zusammengefaßt. Die jüngsten Ansätze zur deutsch-russischen Kooperation bei der Produktion von Impfstoffen gegen COVID-19 seien ein kleiner Schritt in diese Richtung.

Als notwendige Richtschnur des Handelns verwies sie auf Lyndon LaRouches „Vier Gesetze“: Die Kasinowirtschaft muß durch die Rückkehr zum Glass-Steagall-Trennbankensystem beendet werden; in jedem Land müssen Nationalbanken zur Finanzierung der Entwicklung des Landes gegründet werden, ähnlich der Kreditanstalt für Wiederaufbau; die Nationen müssen im Rahmen internationaler Vereinbarungen eines neues Bretton-Woods-Abkommens kooperieren; und dies insbesondere beim Aufbau der Infrastruktur und in den Pionierbereichen der Wissenschaft wie der Kernfusion und der Weltraumforschung.

Der wesentliche Unterschied zwischen den Great Reset/Green Deal-Plänen der Davoser Eliten und dem globalen Weltaufbauprogramm des Schiller-Instituts liege im Menschenbild. Erstere betrachten die Menschheit als einen Parasiten, der die Welt zerstört, „aber der Mensch ist kein Parasit“.

Was man von China lernen kann

Der Berliner Philosoph, Sinologe und Gesundheitsethiker Dr. Ole Doering sprach über das Thema: „Was man von China bei der Pandemie-Bekämpfung lernen kann.“ Er erinnerte an die berühmte „Ruck-Rede“ des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog und die spätere Feststellung dessen Nachfolgers Horst Köhler, der geforderte „Ruck“ sei ausgeblieben, weil alle auf ihn warteten, anstatt ihn gemeinsam in Gang zu setzen. Verantwortung werde ins Private verdrängt.

China hingegen habe einfach nur angewandt, was es vom Westen gelernt hat. Die Bereitschaft der Regierung zur Intervention habe nichts mit dem Kommunismus zu tun, vielmehr sei das Vermeiden von Chaos schon seit 3000 Jahren – seit der Ära der Streitenden Reiche, die er mit dem 30jährigen Krieg in Mitteleuropa verglich – eine wesentliche Priorität, dies sei tief in der chinesischen Kultur verwurzelt. Deshalb sei eine weitsichtige Perspektive in China selbstverständlich. Ökonomie werde in China noch so verstanden, wie es dem griechischen Begriff der „guten Haushaltsführung“ entspricht, als optimale Nutzung der Ressourcen, und nicht als System zur Erzielung maximaler Profite. „Wir können von China lernen, was wir bereits gewußt haben“ – insbesondere die innere Verknüpfung von Wirtschaft und Sozialethik.

Vollständige Kontrolle der COVID-Ausbreitung notwendig

Dr. med. Wolfgang Lillge, Chefredakteur des Wissenschaftsmagazins Fusion aus Berlin, sprach über „Impfstoffe und Immunisierung für ein globales Gesundheitssystem“. Auch wenn die Lage in Ostasien etwas besser sei, sei COVID-19 insgesamt vollkommen außer Kontrolle, und mit der Zunahme der Fälle steige auch die Gefahr neuer Mutationen des Virus, wie sie bereits aus Großbritannien, Südafrika und Brasilien gemeldet wurden. Solch neue Mutationen müßten so schnell wie möglich identifiziert werden.

Er beschrieb die Wirkungsweise der neuartigen Messenger-RNA-Impfstoffe, die er als wichtigen wissenschaftlichen Durchbruch bezeichnete. „Aber Impfungen allein werden nicht ausreichen“, es sei eine vollständige Kontrolle der Ausbreitung notwendig. Er zitierte dazu aus seiner Erklärung vom vergangenen September, in der er Massentests für die gesamte Bevölkerung gefordert hatte. Das sei aber leider nicht geschehen.

Notwendig sei eine weltweite Koordination und Strategie des Vorgehens, dafür sei der COVAX-Ansatz weltweiter Solidarität ein gutes Vorbild. Er verwies auf den Appell des südafrikanischen Präsidenten Ramaphosa, den unterentwickelten Ländern Zugang zu Impfstoffen zu ermöglichen, und unterstützte die Forderung, den Patentschutz für COVID-Impfstoffe aufzuheben: „Wir sind erst sicher, wenn alle Länder ein modernes Gesundheitssystem haben.“

Medizintechnik für die Welt

Rainer Apel, Deutschland-Redakteur der Nachrichtenagentur E.I.R. in Wiesbaden, sprach über „Deutsche Medizintechnik für das Weltgesundheitssystem“. Deutschland sei weltweit nach den Vereinigten Staaten die Nummer zwei in der Medizintechnik, aber nur 2% der deutschen Medizintechnik-Exporte gehen nach Afrika. Das müsse sich ändern, denn Afrika brauche viele Krankenhäuser und Infrastruktur, Prothesen für Kriegsopfer u.v.a.m. Vor allem der Bereich der Automatisierung müsse weiterentwickelt werden. So müßten Krankenhäuser in Modulbauweise für die Massenproduktion entwickelt werden, um schnell Hunderte von Krankenhäusern aufbauen zu können.

Was jedoch fehle, sei die finanzielle Absicherung der Unternehmen. Ein Ansatz hierfür sei die deutsch-chinesische Vereinbarung über die Kooperation beim Aufbau der Infrastruktur in Afrika, die 2017 zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping getroffen wurde: „Frau Merkel muß nur zum Telefon greifen.“ Für die Finanzierung könne die von China initiierte Asiatische Infrastrukturinvestmentbank (AIIB) genutzt werden, in der Deutschland aufgrund seiner Erfahrungen mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau eine wichtige Rolle spiele.

Kreditsystem statt Geldsystem

Claudio Celani vom E.I.R.-Wirtschaftsressort in Wiesbaden sprach dann über „Staatskredit zur Finanzierung des Aufschwungs“. Er griff zunächst eine Frage aus der vorangegangenen Diskussion zur Bedeutung richtiger Ernährung auf und betonte, vor allem müsse ein Mindestmaß an Ernährung für alle sichergestellt werden. Dazu müßten weltweit 1,5 Milliarden neue produktive Arbeitsplätze geschaffen werden, davon rund 30 Millionen in Europa. Dafür müßten drei Billionen Euro mobilisiert werden; das scheine sehr viel, aber die EZB habe im vergangenen Jahr allein 2 Billionen Euro eingesetzt, um die Finanzmärkte zu stützen. Das Problem sei, daß von all diesem Geld nichts in die Produktion fließe. Deshalb müsse anstelle des herrschenden Geldsystems ein Kreditsystem geschaffen werden, ein Neues Bretton Woods, wie es von Lyndon LaRouche vorgeschlagen wurde.

Ein anderes Verständnis des Staates

Dr. Uwe Behrens, Logistik-Manager i.R. in Berlin, beleuchtete dann „Chinas Erfolge bei der Pandemie- und Armutsbekämpfung“. Behrens lebte und arbeitete als Logistikexperte rund 27 Jahre in China und bereiste in dieser Zeit auch viele andere asiatische Länder. Im Westen herrsche Unverständnis, warum die ostasiatischen Länder so viel besser mit COVID fertig wurden. Einer der wesentlichen Gründe dafür seien die unterschiedlichen gesellschaftlichen Werte: Im Westen stehen die individuellen Rechte und Freiheiten ganz oben, im Osten soziale Harmonie und Berechenbarkeit, individuelle Interessen sollen hinter dem Interesse des Gemeinwohls zurückstehen. So sei der harte Lockdown in Wuhan allgemein akzeptiert worden, Maskentragen sei vollkommen normal, schon aus Rücksichtnahme auf die anderen.

Eine weitere Grundlage des Erfolgs sei die digitale Durchdringung der Gesellschaft. Bis zu 90% der Bevölkerung hätten Smartphones, überall sei die Corona-App installiert, und der gesamte Umgang mit Corona werde digital gesteuert. Dabei spiele auch das andere Verständnis des Staates eine große Rolle – in Europa gelte der Staat als etwas Fremdes, als ein Zwangsapparat, während in China 93% der Bevölkerung den Staat als etwas Positives betrachten; der Staat sorge für das Wohl der Bevölkerung und sei fast so etwas wie ein Teil der Familie.

Natürlich könne man nicht alles von China auf den Westen übertragen, aber man könne vieles lernen und übernehmen. Als Beispiel nannte er die Armutsbekämpfung: Während die Armut in der übrigen Welt wachse, herrsche in China ein ganz anderer Trend. Der Grund dafür sei vor allem der Ausbau der Infrastruktur, inklusive der Kommunikation. Selbst in kleinen Dörfern sei das Internet verfügbar, und es könnten dort Firmen gegründet werden, die ihre Produkte über das Internet überallhin vermarkten. Das gleiche sei auch in Afrika notwendig.

Fossile Energieträger: ein notwendiger Schritt auf dem Weg zur Industrialisierung

Zum Abschluß beschrieb Andrea Andromidas, E.I.R.-Energieexpertin in Wiesbaden, „Die Folgen der Dekarbonisierung für die wirtschaftliche Produktivität“. Ein wesentlicher, aber kaum diskutierter Aspekt der Dekarbonisierungspolitik sei, daß die fossilen Energieträger verschwinden sollen, weil sie die Grundlage für eine Industrialisierung darstellen. Sie skizzierte die Entwicklung der menschlichen Wirtschaft von der Nutzung von Wind- und Wasserkraft über Dampfmaschinen, die Nutzung von Kohle, Öl und Gas, den Einsatz von Verbrennungsmotoren und die Entwicklung der Kernspaltung und Kernfusion zu immer höheren Energiedichten. Dabei führe die Entwicklung von einer wetterabhängigen zu einer wetterunabhängigen Energieversorgung und von schmutzigen Industrien zu immer saubereren Industrien, bis die fossilen Energieträger schließlich nicht mehr verbrannt, sondern als industrieller Rohstoff genutzt werden. Wichtig sei dabei, daß die fossilen Energieträger ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zu immer höheren Energiedichten sind, man könne nicht von Windmühlen und Wasserrädern direkt zur Kernspaltung oder Kernfusion übergehen.

Sie beschrieb dann an drei Beispielen die Folgen der Dekarbonisierungspolitik:

Deutschland werde nach dem Atomausstieg durch den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas zurückgeworfen auf eine wetterabhängige Energieversorgung – ein unerhörter Vorgang, den es so in der Geschichte noch nie gegeben habe.

Im Gegensatz dazu habe China alles: Erneuerbare, Wasserkraft, alte (schmutzige) Kohlekraftwerke werden durch neue ersetzt und ergänzt, die Kernkraft wird ausgebaut, und es wird viel in die Entwicklung der Kernfusion investiert. Chinas Dekarbonisierungsstrategie ziele auf das Jahr 2060, um die Nutzung der fossilen Brennstoffe quasi auf natürlichem Wege hinter sich zu lassen.

Afrika hingegen werde es verboten, in Kohlekraft zu investieren; so werde in einem Papier der Bundesregierung argumentiert, wenn jeder Afrikaner Zugang zu elektrischem Strom erhalte, würden Hunderte von Kohlekraftwerken gebraucht, und das wolle man nicht. Für Afrika bedeute dies, daß es niemals eine Industrie entwickeln und somit auch nicht aus Armut und Elend herauskommen könne. Statt dessen wolle man in Afrika mit Windparks und Solaranlagen Wasserstoff zur Produktion von „grünem Stahl“ erzeugen – für Europa, aber nicht für Afrika, denn man wolle kein „zweites China“. Rußlands Präsident Putin habe Recht mit der Warnung in seiner Rede in Davos, die Welt werde in zwei Teile geteilt: „Der Westen marschiert zurück, die übrige Welt geht mit China voran.“

In ihrem Schlußwort betonte Helga Zepp-LaRouche nochmals, daß die selbstzerstörerische Politik des Westens die Gefahr einer nuklearen Konfrontation heraufbeschwört. Sie lud die Teilnehmer des Seminars ein, sich dem von ihr gegründeten „Komitee für die Coincidentia Oppositorum“ anzuschließen, um das vorherrschende Denken zu ändern und die Gegensätze zu überwinden.


Helga Zepp-LaRouche im Interview mit China Radio International

Helga Zepp-LaRouche, Gründerin und Präsidentin des internationalen Schiller-Instituts, wurde am 2. Februar zehn Minuten lang von China Radio International (CRI) in der Sendung World Today zu Covid-19 und den Problemen der Impfstoffverteilung interviewt. Sie sagte, Gesundheitsminister Jens Spahn habe erklärt, die Bundesregierung wolle auch die russischen und chinesischen Impfstoffe in Deutschland einsetzen, da sie sich als „sicher und wirksam“ erwiesen hätten. Dies sei das Ergebnis der Tatsache, daß „die ganze EU in der Corona-Frage in einer Krise steckt. Die Impfstoffe wurden viel zu spät bestellt, was ein weiteres Zeichen für die Inkompetenz der EU-Bürokratie unter von der Leyen ist, die zu geizig war, die Impfstoffe rechtzeitig zu bestellen.“

Sie betonte weiter, daß es töricht sei, Impfstoffe zu horten, anstatt sie schnell in die Entwicklungsländern zu schicken, denn das Virus werde in mutierter Form in die Industriestaaten zurückkommen. „Wenn die EU alle ihre Bürger impfen würde und die Pandemie sich in Afrika ausbreitet, würde sie (hierher) zurückkommen… Dies ist eine sehr kurzsichtige Politik. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, die Menschen in allen Ländern zu impfen.“

Auf den Vorwurf angesprochen, China betreibe „Impfdiplomatie“, indem es Impfstoffe nach Serbien schicke, sagte Frau Zepp-LaRouche: „Wenn es Impfdiplomatie ist, aber anderen Ländern hilft, ist das eine gute Sache. Warum sollte das schlecht sein?“ Sie sagte, wir sollten „über unseren eigenen Schatten springen“, um anderen zu helfen. Sie lobte Kanzlerin Merkel dafür, daß sie sich an Putin gewandt habe, um nicht nur den russischen Impfstoff zu kaufen, sondern auch Fragen einer gemeinsamen Produktion anzusprechen. Sie verwies nachdrücklich auf ihren eigenen Vorschlag eines Weltgesundheitssystems, das nicht nur für Covid, sondern für alle zukünftigen Viruserkrankungen notwendig sei. Dies sei auch ein Mittel, um eine neue Weltwirtschaftsordnung zur Industrialisierung des Entwicklungssektors in Gang zu setzen.

Sie unterstützte die Forderung des ehemaligen griechischen Premierministers Alexis Tsipras und des WHO-Generalsekretärs Tedros Ghebreyesus, alle Patente auf COVID-Impfstoffe aufzuheben und überall eine Massenproduktion von Impfstoffen zu starten. Das beste Ergebnis der Pandemie, sagte sie, wäre der Aufbau eines neuen Paradigmas zur Entwicklung aller Nationen.

Hören Sie sich die ganze Sendung an (englisch). Das Segment mit Helga Zepp-LaRouche beginnt bei Minute 24.17


Gandhis Vision für ein neues Paradigma

Gandhis Vision für ein neues Paradigma in den internationalen Beziehungen, ein Weltgesundheitssystem und
direkte gewaltfreie Aktionen in Zeiten des sozialen Zusammenbruchs

Von Helga Zepp-LaRouche,
Präsidentin des Internationalen Schiller-Instituts

Helga Zepp-LaRouche präsentierte dieses Papier als Beitrag zu der zweitägigen internationalen Online-Konferenz der Association of Asian Scholars zum Thema „Gandhi neu überdenken: Frieden, Gerechtigkeit und Entwicklung“ vom 30.-31. Oktober 2020, anläßlich der Feierlichkeiten zum 150. Geburtstag Mahatma Gandhis. Sie trug eine gekürzte zehnminütige Version des Beitrags vor und nahm auch an der Podiumsdiskussion teil.

Internationale Beziehungen

Mit der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie auf der ganzen Welt sind alle die vielen inakzeptablen Probleme des systemischen Unrechts, die zuvor die Welt geplagt hatten – die Armut und Unterentwicklung, die in der gesamten Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg existierten –, plötzlich explosionsartig aufgebrochen, und der dünne Schleier, der die Zerbrechlichkeit des gegenwärtigen globalen Systems die ganze Zeit über verdeckt hatte, wurde weggerissen. Inzwischen hat die Pandemie mehr als eine Million Menschen hingerafft, und nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) droht sie mindestens eine weitere Million Menschen zu töten, bevor ein Impfstoff auf die gesamte Weltbevölkerung angewendet werden kann, und es kann sogar noch schlimmer kommen.Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) werden in diesem Jahr 500 Millionen Arbeitsplätze verloren gehen, und wenn sich die Prognose des Direktors des Welternährungsprogramms (WFP), David Beasley,2 als richtig erweist, könnten wir bald einer Hungersnot biblischen Ausmaßes gegenüberstehen, die bis zu 300.000 Menschen pro Tag tötet.3

Das Weltfinanzsystem, das die Welt seit 1945 beherrscht und das zunehmend dereguliert wurde, seit Richard Nixon im August 1971 das ursprüngliche Bretton-Woods-System durch die Einführung frei schwankender Wechselkurse demontierte – ein Prozeß, der sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion beschleunigte –, hatte bereits 2008 den Punkt des systemischen Zusammenbruchs erreicht. Die ganze Quantitative Lockerung der Zentralbanken seitdem hat die Finanzblase weiter vergrößert, zum Vorteil der Reichen, die reicher werden, während die Mittelklasse schrumpft und die Armen ärmer werden. Dieselben Zentralbanken wollen nach der vom ehemaligen Chef der Bank von England, Mark Carney, erklärten Absicht nun einen „Regimewechsel“, bei dem sie die Regierungen bei der Festlegung der Finanz- und Haushaltspolitik ablösen wollen.4

Um es nur kurz zu erwähnen: Als Folge der Verschärfung der transatlantischen Finanzkrise haben sich auch die verschiedenen Krisenherde bis zu einem sehr gefährlichen Punkt der Eskalation aufgeheizt – in einigen Regionen sogar bis zum Krieg, wie zwischen Aserbaidschan und Armenien, in anderen als laufende Regimewechsel-Operation, wie in Weißrußland, und wiederum in anderen als potentiell heiße Konflikte wie im Südchinesischen Meer oder um Taiwan. In allen diesen Krisengebieten läßt sich die geopolitische Manipulation der modernen Form des Britischen Empire ablesen, das als Imperium in Form des Finanzsystems von Zentralbanken, Investmentbanken, Hedgefonds, Versicherungs- und Rückversicherungsgesellschaften usw. weiterbesteht. Die sichtbarste Manifestation dieses Imperiums sind die Londoner City und die Wall Street, die sich historisch als Juniorpartner der City entwickelt hat.

gemeinfrei

 

Mahatma Gandi beim „Salzmarsch“ 1930, einer Protestaktion gegen die englischen Steuern auf Salz.

Die Frage ist also: Kann angesichts einer Welt, die in vielerlei Hinsicht völlig außer Kontrolle zu sein scheint und in der Zwang und Schikane an die Stelle von Diplomatie und Dialog getreten zu sein scheinen, Mahatma Gandhis Philosophie noch einen Weg für die Errichtung einer neuen Weltordnung aufzeigen? Es ist eine begründete Annahme, daß Gandhi an diese Frage mit der gleichen inneren Zielstrebigkeit und Entschlossenheit herangehen würde, um die ganze Menschheit vom Joch der imperialen Unterdrückung zu befreien, wie er zu seiner Zeit an die Frage der Befreiung Indiens von kolonialer Unterjochung heranging.

Wenn wir in diesem Jahr den 75. Jahrestag der Verabschiedung der UN-Charta feiern, ist es dringender denn je, daß wir die Prinzipien erneuern, auf denen die UN-Charta und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (UDHR) gründeten. Es ist wichtig, die Welt daran zu erinnern, daß Gandhis Philosophie der Gewaltlosigkeit und das praktische Vorbild seines Sieges über das Britische Empire die wichtigsten Einflüsse waren, die die Formulierung dieser bahnbrechenden Dokumente prägten. Er war die wichtigste Inspiration für den Kampf gegen den Kolonialismus und die intensiven Debatten um die indische Verfassung. Die indischen Vertreter, die sich an den verschiedenen Aspekten des Entwurfs der UDHR beteiligten – Begum Hamid Ali, Hansa Mehta, Lakshmi N. Menon und M.R. Masani –, waren alle von Gandhis Ideen beeinflußt. Hansa Mehta gehörte der Gruppe von Eleanor Roosevelt in der UN-Menschenrechtskommission an, die die UDHR formulierte.

Gandhis Konzept der Gewaltlosigkeit beeinflußte auch später die Fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz – das Panchsheel-Abkommen –, wie sie erstmals am 29. April 1954 im „Abkommen über Handel und Verkehr zwischen der Region Tibet und Indien“ formell zum Ausdruck kamen. In der Präambel wurden diese Prinzipien festgeschrieben:

  1. gegenseitige Achtung der territorialen Integrität und Souveränität des anderen;
  2. gegenseitiger Verzicht auf Aggression;
  3. gegenseitige Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten des anderen;
  4. Gleichheit und Zusammenarbeit zum gegenseitigen Nutzen; und
  5. friedliche Koexistenz.

Dieselbe Philosophie wurde auch auf der ersten Konferenz der unabhängigen asiatischen und afrikanischen Staaten in Bandung beibehalten, und unter der Führung des indischen Ministerpräsidenten J. Nehru und des chinesischen Ministerpräsidenten Zhou Enlai wurden diese Prinzipien zu den Zehn Prinzipien von Bandung erweitert. Sie bildeten auch den völkerrechtlichen Kern der Konferenz der Blockfreien Bewegung 1961 in Belgrad.

Es unterstreicht Nehrus Bescheidenheit und Integrität, wie er 1960 in einem Interview mit dem Herausgeber des Massenblatts Blitz, dem Journalisten RK Karanjia, antwortete, der in seiner Frage von der „Ära Nehru“ gesprochen hatte, die nach 1947 eindeutig begonnen hätte. Nehru sagte: „Ihre Verwendung von Wörtern wie ,Nehru-Ära’ und ,Nehru-Politik’ ist falsch. Ich möchte meine Zeit als authentische Gandhi-Ära bezeichnen, und die Politik und Philosophie, die wir umzusetzen versuchen, sind die Politik und Philosophie, die Gandhi gelehrt hat.“

Im weiteren Verlauf des Interviews äußerte Karanjia die Vermutung, Nehru gehe über das Prinzip der Gewaltlosigkeit hinaus, indem er als Antwort auf die Bedrohung durch die Atombombe die Prinzipien von Panchsheel und der friedlichen Koexistenz schuf. Nehru gab Gandhi in seiner Antwort erneut die Ehre: „All dies war Teil von Gandhis Philosophie. Tatsächlich ist der Weg des Panchsheel, des Friedens und der Toleranz, die Einstellung ,Leben und leben lassen’, seit Ewigkeiten grundlegend für das indische Denken, und man findet es in allen Religionen. Könige wie Ashoka praktizierten es, und Gandhiji integrierte es in die praktische Philosophie des Karma, die wir geerbt haben.“

Nehru führte weiter aus: Gandhis „Gedanken, Methoden und Lösungen haben dazu beigetragen, die Kluft zwischen der industriellen Revolution und dem Atomzeitalter zu überbrücken…, schließlich ist die einzig mögliche Antwort auf die Atombombe Gewaltlosigkeit, nicht wahr?“

Inzwischen hat das Nationalarchiv in Washington historische Dokumente veröffentlicht, aus denen hervorgeht, daß der Atomwaffenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki am Ende des Zweiten Weltkriegs militärisch völlig unnötig war. Der Krieg war praktisch beendet, Japan war durch die amerikanische Seeblockade und die russische Besetzung Koreas und Nordchinas von seinen Nachschublinien abgeschnitten. Trumans Entscheidung, die Bombe abzuwerfen – die von Churchill voll und ganz unterstützt wurde –, war zu diesem Zeitpunkt nur eine Demonstration des Prinzips der „Schrecklichkeit“ im Hinblick auf die künftige anglo-amerikanische Politik gegenüber der Sowjetunion und als Test für ihre Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Dahinter steckte die allgemeine Strategie, die Bertrand Russell 1946 in seinem Artikel „Die Atombombe und die Verhütung des Krieges“ im Bulletin of the Atomic Scientists veröffentlichte und die H.G. Wells bereits vor dem Zweiten Weltkrieg betont hatte: daß es darum ging, die Erfahrung des Krieges so schrecklich zu machen, daß jeder Feind gezwungen werden konnte, seine Souveränität aufzugeben und sich faktisch einer Weltregierung zu unterwerfen.

Als Folge davon verloren mehr als 200.000 Menschen ihr Leben, und viele weitere erlitten dauerhafte gesundheitliche Schäden.

Zum 75. Jahrestag der Bombardierung Hiroshimas und Nagasakis warnte kürzlich der russische Außenminister Lawrow vor einer Änderung der US-Militärdoktrin, die Atomwaffen als „einsetzbar“ betrachtet, was offensichtlich auf der Vorstellung beruht, daß ein begrenzter Atomkrieg „gewinnbar“ wäre.5 Dies ist offenbar ein Verweis auf den W76-2-Sprengkopf mit geringer Sprengkraft, der jetzt auf U-Booten der Ohio-Klasse eingesetzt wird.6 Ernstzunehmende Atomwaffenexperten, wie der MIT-Professor Theodore Postol, argumentieren jedoch überzeugend, daß es in der Natur von Atomwaffen liegt, daß sie alle eingesetzt werden, sobald es zum Einsatz einer einzigen Waffe kommt. Im Zeitalter der thermonuklearen Waffen würde dies natürlich die Vernichtung der menschlichen Gattung bedeuten.

Um auf die vorhin gestellte Frage zurückzukommen: Ist Gandhis Philosophie der Gewaltlosigkeit angesichts dieser existentiellen Frage für die gesamte Menschheit noch anwendbar?

Die Antwort lautet ja, aber es erfordert den gleichen furchtlosen Einsatz, das Joch des Imperiums abzuwerfen, wie er sein Handeln lenkte. In Gandhis Namen muß daher in allen Ländern eine Kampagne gegen die Bedrohung der Existenz der Menschheit durch Atomwaffen und für die Notwendigkeit ihrer vollständigen Beseitigung beginnen. Dieses Ziel steht im Einklang mit den Prinzipien, die die UNO von Anfang hatte, denn seit der ersten Resolution der Vollversammlung 1946 gibt es die Forderung nach weltweiter nuklearer Abrüstung. Seitdem hat es zahlreiche diplomatische Bemühungen unter der Führung der UNO gegeben, die auf die Beseitigung von Atomwaffen und allen anderen Massenvernichtungswaffen abzielten.

Heute existieren mehr als 13.000 Atomwaffen, die sich im Besitz von acht Ländern befinden; wenn es jemals zum Einsatz käme, würde dieses Arsenal ausreichen, die Weltbevölkerung mehrmals zu vernichten. Doch mit dem Ausstieg aus dem ABM-Vertrag, dem INF-Vertrag, dem Open-Sky-Vertrag und der unmittelbaren Gefahr, daß der letzte Atomwaffenkontrollvertrag, der Neue START-Vertrag, im Februar 2021 ausläuft, besteht die Gefahr, daß die beiden größten strategischen Atomwaffenarsenale der Welt zum ersten Mal seit den 1970er Jahren nicht mehr gebändigt sind.

Weil die bisherigen Rüstungskontrollabkommen wegfallen, äußern viele Experten die Sorge, daß die gegenwärtige Lage gefährlicher ist als selbst auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, als sogar noch in der Kubakrise die Kommunikation zwischen John F. Kennedy und Nikita Chruschtschow funktionierte.

Der Wiederaufbau der Rüstungskontrolle ist zwar dringend notwendig, um die Gefahr eines außer Kontrolle geratenen Wettrüstens einzudämmen; aber das eigentliche Ziel, die endgültige Abschaffung der Atomwaffen, kann wahrscheinlich nur erreicht werden, wenn sie durch neue Technologien auf der Grundlage neuer physikalischer Prinzipien technologisch obsolet gemacht werden können und diese neuen Technologien von allen Atommächten in Zusammenarbeit umgesetzt werden, wie es der amerikanische Staatsmann Lyndon LaRouche der Reagan-Administration und der Sowjetunion vorgeschlagen hat, woraus dann die Strategische Verteidigungsinitiative (SDI) wurde.

Die UN-Vollversammlung hat in ihrer Resolution 68/32 vom Dezember 2013 den 26. September zum „Internationalen Tag für die vollständige Abschaffung der Kernwaffen“ erklärt und diesen Tag seither jedes Jahr begangen. Aber angesichts der drohenden Gefahr, die sich aus einer zunehmenden geopolitischen Konfrontation zwischen der NATO und den USA auf der einen Seite und Rußland und China auf der anderen Seite ergibt, kann die Kampagne für die vollständige Abschaffung der Atomwaffen nicht auf einen Tag reduziert werden, sondern sie muß zu einer fortwährenden, beschleunigten Kampagne an jedem Tag, in jedem Land und auf allen Ebenen der Gesellschaft werden.

Gandhi glaubte immer daran, daß die Jugend jedes Landes Berge versetzen kann und daß sie dafür verantwortlich ist, ihre Länder zu erheben und zu entwickeln. Es war seine feste Überzeugung, daß es gerade die Führung der kommenden Generation ist, die alle Schichten der Gesellschaft zusammenbringen kann. Angesichts der Gefahr eines Atomkrieges ist es daher von höchster Dringlichkeit, die Jugend der Welt an die Botschaft des Friedens und der Gewaltlosigkeit zu erinnern, an Mahatma Gandhi und sein großes Geschenk des Ahimsa (gewaltloser Kampf), das er der Menschheit gemacht hat. Die Renaissance von Ahimsa wird auch der Weg sein, auf dem junge Menschen von Gandhis Idee von Spiritualität und Selbstreinigung lernen können – als ein Weg, sich vom Joch der Gedankenkontrolle durch alle Arten von Abhängigkeiten, seien es Drogen, Alkohol oder exzessiver Internetkonsum, zu befreien.

Angesichts all dieser Gefahren ist es sehr klar, daß die Menschheit einer entscheidenden Prüfung unterzogen wird: Werden wir, als die bisher einzige schöpferische Gattung, die im Universum bekannt ist, fähig sein, uns selbst eine Weltordnung zu geben, die die langfristige Überlebensfähigkeit der Menschheit garantiert? Wir brauchen daher dringend eine internationale Debatte über die Notwendigkeit, zu den Prinzipien von Panchsheel als Grundlage der internationalen Ordnung zurückzukehren. Diese Prinzipien müssen vertieft werden, weil ihre ontologische Verbindung mit der kosmischen Ordnung nachgewiesen werden kann. In allen großen Kulturen und Religionen gibt es Bezüge auf die Substanz dieser Prinzipien, auch wenn die Sprache, in der sie ausgedrückt werden, unterschiedlich ist.

Auf dieser Grundlage müssen wir ein neues Paradigma in den Beziehungen zwischen den Nationen etablieren, bei dem das Interesse des anderen das Interesse jedes einzelnen ist. Das Gemeinwohl der Menschheit als Ganzes muß das Leitprinzip sein, gegen das kein nationales Interesse im Widerspruch stehen darf. Wenn sich alle Nationen auf diese Weise auf die gemeinsamen Ziele der Menschheit konzentrieren, werden wir eine neue Ära der menschlichen Zivilisation erreichen.

Ein Weltgesundheitssystem

Die Coronavirus-Pandemie, die jetzt auf der ganzen Welt wütet, hat den Schleier vom gegenwärtigen Weltsystem gerissen und gezeigt, wie dramatisch unterentwickelt viele Länder sind. COVID-19 hat bereits mehr als eine Million Menschenleben gekostet und wird nach Angaben der WHO aller Wahrscheinlichkeit nach eine weitere Million Menschenleben fordern, bevor ein Impfstoff entwickelt und in jedem Winkel der Welt verabreicht worden ist.

© LaRouchePAC

 

Mehr als 1,5 Milliarden Menschen arbeiten im „informellen Sektor“ und sind besonders stark von den wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie betroffen.

Aber es trifft nicht nur die Menschen, die an COVID-19 gestorben sind oder daran langfristige medizinische Schäden davontragen. Die andere große Kategorie von Opfern sind die zwei Milliarden Menschen, die nach Angaben der IAO in der sogenannten informellen Wirtschaft arbeiten – einschließlich der Subsistenz-Landwirtschaft mit ihrer entsetzlich niedrigen Produktivität – und denen nun infolge von Lockdowns oder Unterbrechungen der Produktions- und Versorgungsketten der plötzliche Verlust ihres Einkommens droht. Nach Angaben der IAO werden bis Ende des Jahres 500 Millionen Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren. In Afrika liegt die reale Arbeitslosigkeit bei 65% und in Lateinamerika bei 42%, wenn man nicht nur die offiziellen Arbeitslosenstatistiken zählt, sondern auch die große Zahl von Menschen, die sich täglich bemühen, irgendwie an Geld zu kommen, damit sie und ihre Familien essen können, die aber eigentlich nichts produzieren. Die Jugend der Welt ist von dieser „informellen“ Wirtschaft oder besser gesagt „Schattenwirtschaft“ besonders betroffen. In der Altersgruppe der 15- bis 24jährigen sind 77% aller Arbeitsplätze „informell“.

Die Pandemie hat auch die landwirtschaftliche Produktion in vielen Teilen der Welt schwer beeinträchtigt, sei es, weil COVID-19 die Arbeitskräfte in Großschlachtereien trifft, weil Viehzüchter gezwungen sind, ihre Herden zu töten, oder weil Bauern in armen Ländern selbst von der Krankheit betroffen sind. Dadurch droht der Welt auch eine Hungerkatastrophe, die laut David Beasley vom WFP bald „biblische Ausmaße“ erreichen kann, indem bis zu 300.000 Menschen am Tag verhungern.

Gandhis Prinzip des Sarvodaya hatte großen Einfluß auf die UN-Agenda für nachhaltige Entwicklung 2030 mit ihrem Leitgedanken „niemanden zurücklassen“ und dem Ziel „die am weitesten Zurückbleibenden als erste zu erreichen“. Das außergewöhnliche Ausmaß der COVID-19-Krise erfordert es, den Zeitplan zur Erreichung dieser Ziele zu beschleunigen. Die Umsetzung von Sarvodaya bedeutet, daß der dringendste, erste Schritt der Aufbau eines Weltgesundheitssystems sein muß, ohne das wir diese Pandemie und die Gefahr künftiger Pandemien nicht überwinden können. Gandhi sagte, Armut sei die schlimmste Form der Gewalt, und der Fortschritt der Gesellschaft müsse sich nach dem Zustand der Schwächsten und Verletzlichsten richten. Für den Fall der Pandemie liegt dies auf der Hand: Sie wird nicht vorbei sein, bis sie in jedem einzelnen Land besiegt ist.

© CGTN

 

Das Huoshenshan-Krankenhaus in Wuhan wurde innerhalb von zehn Tagen gebaut und in Betrieb genommen.

Es gibt eine wichtige Lehre, die aus der gegenwärtigen Krise zu ziehen ist: Das Coronavirus wäre nicht zu einer Pandemie geworden, wenn alle Staaten über ein modernes Gesundheitssystem verfügt hätten. Nach dem Ausbruch in den Provinzen Wuhan und Hebei war das chinesische Gesundheitssystem in der Lage, sich zu rüsten, in wenigen Wochen rasch neue Krankenhäuser zu bauen und medizinisches Fachpersonal aus dem ganzen Land zu mobilisieren. Nach zwei Monaten hatte China die Pandemie im Wesentlichen unter Kontrolle und konnte seitdem einen neuen Ausbruch verhindern. Wenn jedes andere Land die gleichen Möglichkeiten gehabt hätte, dann wäre daraus keine außer Kontrolle geratene Pandemie geworden.

Die Gründe für die Pandemie sind nicht in erster Linie medizinischer, sondern wirtschaftlicher Natur. 1973 betraute Lyndon LaRouche eine „Biologische Taskforce“ mit der Aufgabe, die Auswirkungen der IWF-Auflagen auf die Entwicklungsländer zu untersuchen. Diese Arbeitsgruppe kam zu dem Schluß, daß das Blockieren von Investitionen der sogenannten „Dritten Welt“ in Infrastruktur, Gesundheit und Bildung, um der Schuldentilgung Vorrang zu geben, auf Dauer zum Auftreten alter und neuer Krankheiten und Pandemien führen würde. Die durch Hunger, Mangel an sauberem Wasser, Mangel an medizinischen Einrichtungen usw. verursachte Schwächung des Immunsystems ganzer Generationen auf mehreren Kontinenten würde zwangsläufig in einem biologischen Holocaust resultieren. Wenn man die vielen Industrialisierungsprogramme für Afrika, Lateinamerika, Asien und auch die armen Regionen Europas und der Vereinigten Staaten, die LaRouche und seine Bewegung seit den siebziger Jahren ausgearbeitet haben, umgesetzt hätte, dann könnte sich heute jeder Mensch auf diesem Planeten eines menschenwürdigen Lebens erfreuen.

Um Gandhis Sarvodaya-Prinzip heute anwenden zu können, brauchen wir eine koordinierte internationale Anstrengung, um in jedem Land der Welt ein modernes Gesundheitssystem aufzubauen, auf dem Niveau des US-amerikanischen Gesundheitssystems bei der Anwendung des Hill-Burton-Standards und des deutschen und des französischen Gesundheitssystems vor der Privatisierungswelle, mit der ab den 1970er Jahren Habgier und Profitdenken an die Stelle das Gemeinwohlprinzips traten. Auch das Gesundheitssystem von Wuhan ist ein guter Bezugspunkt.

Der Aufbau solcher Gesundheitssysteme muß dann der Ausgangspunkt dafür sein, die neue Weltwirtschaftsordnung aufzubauen, für die die Blockfreien-Bewegung seit den 1950er Jahren kämpft. Die Motivation für die Industrieländer, sich am Aufbau dieses Weltgesundheitssystems zu beteiligen, wird ihr eigenes Interesse sein: Diese Pandemie und künftige Pandemien, vor denen Virologen und Epidemiologen jetzt warnen, werden mit Sicherheit kommen, und wir werden sie nicht eindämmen können, wenn nicht alle und besonders auch die ärmsten Länder mit dem Notwendigen ausgerüstet sind, um die Bedrohung zu überwinden.

Aber man kann natürlich kein Krankenhaus bauen, wenn kein sauberes Wasser, keine sanitären Anlagen, Stromversorgung, Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur usw. vorhanden sind. Heute haben mehr als zwei Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser, ausreichenden sanitären Anlagen oder beidem.

Die dringende Notwendigkeit eines Gesundheitssystems mit modernen Kliniken, die über das Internet an die beste professionelle Versorgung in Kliniken in fortgeschrittenen Ländern angeschlossen werden können, mit umfassenden medizinischen Versorgungsstationen in ländlichen Gebieten sowie medizinischen Forschungszentren wird daher der Katalysator für Entwicklungsprogramme sein, wie man sie schon vor vielen Jahrzehnten hätte realisieren sollen. Weil dies nicht passiert ist, sterben jedes Jahr 800.000 Kinder unter fünf Jahren an Durchfallerkrankungen. Die ordnungsgemäße Entsorgung von Abwässern und das Klären von Trinkwasser sind eine absolut unerläßliche Voraussetzung, um das Leben von Milliarden von Menschen zu retten. Als Überbrückungsmaßnahme können temporäre sanitäre Einrichtungen in Massenproduktion hergestellt und in den Entwicklungsländern verteilt werden, bis eine dauerhafte Infrastruktur aufgebaut ist. Der Aufbau dieser Infrastruktur wird vielen Millionen Menschen in allen beteiligten Ländern eine sinnvolle Beschäftigung bieten.

Die Welt verfügt derzeit über einen Bestand von 18,6 Millionen Krankenhausbetten, was ein enormes Defizit darstellt. Der Hill-Burton-Standard in den USA sah 4,4 Krankenhausbetten auf tausend Einwohner vor. Derzeit sind es in den USA 2,8 Krankenhausbetten auf tausend Menschen, in Südasien 0,7 und in Nigeria 0,5. Um den Standard von 4,5 auf tausend Einwohner zu erreichen, müßte man die Zahl der Krankenhausbetten auf 35 Millionen steigern, also fast doppelt so viel wie heute. Dies erfordert den Bau von 35.200 neuen modernen Krankenhäusern, insbesondere in Afrika, Asien und Lateinamerika.

Weitere konkrete Aspekte, die man sich zum Ziel setzen muß, sind die [Corona]-Testkapazitäten, die je nach Größe der Bevölkerung auf mehrere Millionen pro Tag erhöht werden müssen, zunächst durch Notfalleinfuhren und dann so schnell wie möglich durch den Aufbau von Fertigungskapazitäten. Weiterhin brauchen wir: Personal zum Nachverfolgen der Kontakte, das geschult und eingestellt werden muß, Mund-Nasen-Schutzmasken und anspruchsvollere Schutzausrüstung (PSA), die zur Verfügung gestellt werden müssen, damit eine dramatisch erhöhte Anzahl von Beschäftigten im Gesundheitswesen ihre Arbeit sicher ausführen kann. Beatmungsgeräte müssen in ausreichender Menge zur Verfügung gestellt werden. Die Forschung an Medikamenten und Impfstoffen muß finanziert werden.

All diese Maßnahmen an sich reichen jedoch nicht aus, um die Leben zu retten, wir brauchen dazu eine erheblich größere Zahl von Ärzten, Krankenschwestern und anderem medizinischem Personal. Mehr dazu im folgenden Abschnitt. Aber wie wir gesehen haben, ist das Sarvodaya-Prinzip nicht nur nobel, es ist für das Überleben der menschlichen Gattung unverzichtbar.

Direkte Aktion heute

Auf der ganzen Welt gibt es zahlreiche politische Führungspersönlichkeiten und Bewegungen, die von Mahatma Gandhi inspiriert wurden und werden. Aber die vielleicht konsequentesten unter ihnen waren bisher die berühmten amerikanischen Bürgerrechtsführer Martin Luther King, Amelia Boynton Robinson und James Bevel, die das Prinzip der Gewaltlosigkeit in ihrem Kampf gegen die Überreste der Sklaverei, Rassismus und Rassentrennung übernahmen, was 1964 zur Unterzeichnung des Civil Rights Act durch Präsident Lyndon B. Johnson führte. Was sie inspirierte, war Gandhis Auffassung von Gewaltlosigkeit als Satyagraha: die Idee, daß man die Macht der Liebe und Wahrheitssuche bewußt in sich selbst entwickeln muß, so daß es unmöglich wird, sich an irgendeinem Übel zu beteiligen, weil man Geist und Seele durch Selbstreinigung von der Gefahr, möglicherweise korrumpiert zu werden, vollständig befreit hat. King wandte die Methode der gewaltfreien Aktion zum ersten Mal 1955 beim Busboykott von Montgomery an, über den King schrieb: „Während des Boykotts von Montgomery war Indiens Gandhi das Vorbild unserer Methode der gewaltfreien Veränderung der Gesellschaft.“ Und später sollte er darüber sagen: „Ich erkannte zum ersten Mal, daß die christliche Doktrin der Nächstenliebe, wenn sie mit Gandhis Methode der Gewaltlosigkeit arbeitet, eine der wirksamsten Waffen ist, die den unterdrückten Menschen in ihrem Freiheitskampf zur Verfügung steht.“

NARA

 

Dr. Martin Luther King 1963 beim Marsch für Arbeit und Freiheit.

1959 reisten King und seine Frau Loretta fünf Wochen lang nach Indien, um Gandhis Denken näher kennenzulernen. Viele Menschen in Indien wußten von dem Busboykott von Montgomery. King traf zahlreiche Familienmitglieder Gandhis, indische Aktivisten und Politiker, darunter Ministerpräsident Jawaharlal Nehru. Diese Reise spielte eine große Rolle bei der späteren Entwicklung der Bürgerrechtsbewegung in den USA, und King wurde quasi zum moralischen Gewissen Amerikas. Er war auf dem besten Wege, völlig berechtigt Präsident der Vereinigten Staaten zu werden, als er ermordet wurde. King, Malcom X, John F. Kennedy und Robert Kennedy wurden umgebracht, und die wahren Hintergründe ihrer Ermordung wurden weitgehend vertuscht.

Die Morde an diesen vier Persönlichkeiten, die für einen ungeheuren kulturellen Optimismus, für den festen Glauben an menschliche Schöpferkraft, Freiheit und Gerechtigkeit standen, wie auch die anschließende Vertuschung hatten einen großen Einfluß auf den Paradigmenwechsel, der seither im Wertesystem der USA stattgefunden hat, sowie auf den Wandel von einem grundlegenden Optimismus, was der Mensch bei der Gestaltung einer besseren Zukunft für die Menschheit erreichen kann, bis hin zu dem gegenwärtigen sozialen Chaos. Zahlreiche führende Bürgerrechtler, die mit King zusammengearbeitet hatten, lieferten der Autorin im Laufe der Jahre ein ausführliches Bild von der Realität der Existenz zweier Amerikas: nämlich einem weißen Amerika, das von der weißen Bevölkerung als das einzige wahrgenommen wird, und einem schwarzen Amerika, das sich der Existenz dieser beiden Welten völlig bewußt ist und das in einigen Gegenden in Bezug auf Lebensstandard, Zugang zu Nahrung, Wohnqualität und Gesundheitsversorgung usw. eher wie Enklaven der Dritten Welt aussieht.

In der letzten Zeit hat nach einer ganzen Serie von Polizistenmorden an schwarzen Bürgern – zusätzlich zu der hohen Rate an Kriminalität und Schießereien unter Schwarzen – der acht Minuten lange, grausame Mord eines Polizisten an dem Afroamerikaner George Lloyd, der mit einem Smartphone in aller sichtbaren Brutalität gefilmt und über das Internet weltweit verbreitet wurde, eine Protestwelle in zahlreichen amerikanischen Städten ausgelöst. Anfangs waren die meisten Demonstranten wirklich Menschen, die aufgebracht waren über die Manifestation des Rassismus, den kein Schwarzer in Amerika leugnet, wenn er nicht korrumpiert ist und der relativ kleinen Oberschicht in Medien, Public Relations, Hochschulen und Intelligenzia angehört, die „es geschafft haben“ und daher wie das Establishment denken.

Aber diese Proteste wurden sehr schnell von gewalttätigen Gruppierungen unterschiedlicher Couleur übernommen. Der breitere Kontext für den Ausbruch von Unruhen ist der unerbittliche Krieg des angloamerikanischen neoliberalen Establishments und seiner Geheimdienste, die oft verkürzt als „Deep State“ bezeichnet werden, gegen den Präsidentschaftskandidaten und dann gegen den Präsidenten Donald Trump. Sein Wahlsieg 2016 stellte ihre Kontrolle über die USA und damit die Sonderbeziehung zwischen Großbritannien und den USA, auf der die heutige Form des Britischen Empire und sein Ziel einer unipolaren Weltordnung beruhen, in Frage. Trump hatte es gewagt, zu versprechen, das Verhältnis zu Rußland zu bereinigen, die „endlosen Kriege“ zu beenden und den „vergessenen Menschen“, die Hillary Clinton verächtlich die „Erbärmlichen“ genannt hatte, eine Stimme zu geben.

Die Unruhen, die in mehreren US-Städten ausbrachen, wurden instrumentalisiert als Teil verschiedener Szenarien, tatsächlich die amerikanische Verfassung umzustürzen. Interessengruppen wie das Transition Integrity Project (TIP) und verwandte Organisationen veröffentlichten Drehbücher, die Anlaß zu der Annahme geben, daß die verschiedenen gewaltbereiten Kräfte auf der Straße, wie Antifa, Black Lives Matter usw., tatsächlich eine Rolle bei den Vorwänden für einen Militärputsch im Zusammenhang mit den US-Wahlen dienen könnten, wovor einige pensionierte Offiziere wie der ehemalige Chef der Strafrechtsabteilung der US-Armee im Pentagon Oberst Richard Black warnen. Dies hat zu der merkwürdigen Situation geführt, daß die Vertreter der einen Seite der politischen Gleichung diese Unruhen als „friedliche Proteste“ bezeichnen, während die überwiegende Mehrheit der afroamerikanischen und anderen Bürger der betroffenen Städte diese Gewalt – die mit Vandalismus gegen Denkmäler der amerikanischen Geschichte einhergeht, darunter sogar Helden im Kampf gegen die Sklaverei – völlig ablehnen.

Die Ideologie dieser Protestgruppen besteht großenteils aus Derivaten des Einflusses der Frankfurter Schule, ein von der CIA gefördertes Projekt des Kulturkriegs in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, das Werte wie „harte Arbeit, rationales Denken, die Kernfamilie, Moral und Glaube an Gott“ als Merkmale einer „autoritären Persönlichkeit“ verleumdete, die bekämpft werden mußten. Das jüngste Ergebnis einer langen Kette solcher Wertewandel ist die LGTB-Kultur und die sogenannte „Identitätspolitik“, die die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen nach ihren sexuellen Präferenzen oder kulturellen, ethnischen oder politischen Vorlieben scharf trennt. Die Folge dieser veränderten Sichtweise ist eine neue Rassentrennung und das völlige Gegenteil von dem, wofür Martin Luther King gekämpft hatte, nämlich daß Menschen nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilt werden sollten.

Aus diesen Gründen, und obwohl soziale Spannungen und eine politische Polarisierung herrschen, die jeden gesellschaftlichen Zusammenhalt und selbst die Grundlagen der USA als Verfassungsrepublik bedrohen, spricht bisher niemand vom unglaublich reichen Erbe Kings und der Bürgerrechtsbewegung. Es sollte jedoch offensichtlich sein, daß die wesentlichen Wurzeln des Konflikts in den Kämpfen Gandhis und Kings liegen in den gleichen, faktisch unüberwindbaren Konflikten, auch wenn die historischen Prädikate sehr unterschiedlich sind. In allen diesen Fällen geht es um die gleiche Frage: um die Folgen einer imperialen Ordnung, die großen Teilen der Bevölkerung die grundlegenden Menschenrechte verweigert, und um den Punkt, an dem dieses Unrecht unerträglich wird, wie es in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung heißt.

Der Geist Mahatma Gandhis und die Tradition Martin Luther Kings können auf ganz konkrete Weise den Weg zu einem konstruktiven Ansatz gegenüber gewalttätigen Demonstrationen weisen, in den Vereinigten Staaten, in Frankreich oder in jedem anderen Land, in dem solche stattfinden. Das Sarvodaya-Prinzip kann der Funke für eine gewaltfreie Strategie zur Lösung des Problems sein. Da es die jungen Menschen dieser Welt sind, deren Zukunft durch die Kombination von Pandemie und Wirtschaftskrise am meisten bedroht ist, muß es eine Perspektive geben, die das Problem der Pandemie angeht und ihnen gleichzeitig einen konkreten Weg zu produktiven Aufgaben öffnet. Wie im zweiten Abschnitt dieses Artikels erörtert wurde, können wir die COVID-19-Pandemie und künftige Pandemien nur bewältigen, wenn jedes Land der Erde über ein modernes Gesundheitssystem verfügt, und das erfordert viel größere Kader an ausgebildetem medizinischem Personal, als derzeit verfügbar ist.

Gegenwärtig läuft das Vorhaben, in den USA, Europa und Afrika ein Komitee einzurichten, das Partnerschaften zwischen Universitäten, Kliniken, Krankenhäusern und medizinischen Einrichtungen organisieren soll. Die Aufgabe dieser Partnerschaften besteht darin, nach dem Vorbild von Präsident Roosevelts Civilian Conservation Corps (CCC) arbeitslose Jugendliche zunächst zu medizinischen Hilfskräften und dann zu medizinischem Personal auszubilden. In ärmeren Bevölkerungsschichten sind die notwendigen Gesundheitsmaßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie nicht unbedingt bekannt, so daß der erste Schritt darin besteht, junge Menschen entsprechend auszubilden und in die Gemeinden und Dörfer zu entsenden, um der Bevölkerung beizubringen, was zu tun ist.

In Tuskegee (Alabama), Tennessee und St. Louis (Missouri) laufen solche Aktivitäten an, bei denen pensionierte Ärzte, Mitarbeiter des Gesundheitswesens und die örtliche Polizei in vertrauensbildende Maßnahmen wie Hausbesuche einbezogen werden. Dies ist angesichts der allgemeinen Verwirrung in der Bevölkerung infolge der Ausbreitung von Verschwörungstheorien gegen Masken, Impfstoffe usw. sowie Unwissenheit über die Ausbreitung von Infektionen von entscheidender Bedeutung. Gleichzeitig kann man bereits mit einer vertieften medizinischen Ausbildung dieser jungen Menschen zu Ärzten, Krankenschwestern und Gesundheitspersonal beginnen.

Das Ziel ist ferner, rasch die Arbeit an Partnerschaftsprojekten mit Afrika für die gemeinsame Ausbildung und Entsendung amerikanischer, europäischer und afrikanischer Jugendlicher aufzunehmen, die mit Hilfe von medizinischem Personal, kirchlichen und Katastrophenschutzorganisationen aufgebaut und auch der hiesigen Bevölkerung die gleichen Dienste anbieten können.

Wegen der Hungersnot muß die Verteilung von Nahrungsmitteln hinzukommen, und diese Arbeit wird rasch auf die Ausbildung in den Bereichen Infrastrukturaufbau, Landwirtschaft und Industrieprojekte ausgeweitet werden. Es gibt viele junge und alte Landwirte in verschiedenen Ländern, die darauf reagieren und die es als eine Ehre betrachten würden, in einem Krisenmoment wie diesem zu helfen.

Im Aufruf zur Schaffung dieses Komitees heißt es: „Sobald diese Projekte konkrete Formen annehmen, werden sie den Enthusiasmus entfachen, den alle großen Pionierprojekte trotz des Ernstes der Lage hervorrufen können, und sie werden vielen jungen Menschen, die sonst in soziale Revolten und gewalttätige Aktivitäten hineingezogen würden, eine Zukunftsperspektive bieten.“

Wie bereits erwähnt, kann eine solche private Initiative der direkten Aktion in der Tradition der gewaltlosen Aktionen von Mahatma Gandhi und Martin Luther King die vor uns liegende gewaltige Herausforderung nicht alleine lösen. Sie kann aber ein praktisches Beispiel dafür liefern, wie Menschen guten Willens in einer ansonsten verzweifelten Situation eingreifen und die erforderliche Lösung aufzeigen können. Diese konkreten Beispiele werden dann die Regierungen ermutigen oder unter Druck setzen, ihre Kräfte zu bündeln und durch ein neues Kreditsystem den nötigen Rahmen zu schaffen, um die Unterentwicklung in den Entwicklungsländern dauerhaft zu überwinden.

Diese vielschichtige Initiative wird vieles auf einmal erreichen: Sie wird den Menschen gegen die Pandemie helfen, sie wird eine Zukunft für die Jugend schaffen und sie wird dazu beitragen, die Armut zu überwinden, indem sie eine echte wirtschaftliche Entwicklung in Gang setzt.

Diese drei Beispiele – der Paradigmenwechsel in den internationalen Beziehungen, die Notwendigkeit eines Weltgesundheitssystems und die direkte Aktion für die Jugend – zeigen uns die eminente Bedeutung und unbedingte Relevanz von Gandhis Philosophie für die Bewältigung der größten Herausforderungen unserer Zeit. Seine Idee der Selbstveredelung kann auch die Grundlage für einen Dialog der Kulturen unter allen Philosophen und Dichtern sein, die ein vergleichbares erhabenes Menschenbild haben. Ein solcher Dialog wird dazu beitragen, eine kulturelle Renaissance zu katalysieren, die so dringend notwendig ist, um die Welt aus der gegenwärtigen Zivilisationskrise, in der wir uns befinden, zu retten. Das wichtigste ist es aber, in den Menschen die Nächstenliebe zu entfachen, für die Gandhi steht, damit mehr Menschen große Seelen werden können.


Die Weltordnung nach der Pandemie? Das Menschenbild ist der Schlüssel!

Von Helga Zepp-LaRouche

Auch wenn sich die Mainstream-Medien darin zu übertreffen suchen, der Weltöffentlichkeit Joe Biden und seine anvisierte Kabinettsmannschaft von Super-Falken als die nächste US-Administration zu verkaufen, und Präsident Trump als populistisches Scheusal, das immer noch von Wahlbetrug faselt, so könnte eine unangenehme Überraschung auf diese Medien warten. Die eidesstattlich beschworenen Aussagen von Augenzeugen, die vielfältige Aspekte des Wahlbetrugs in den sogenannten Swing-Staaten dokumentieren, stellen juristisch gesehen Beweise dar. Soeben haben Abgeordnete aus beiden Kammern des Landtages in Pennsylvania angekündigt, daß sie ihr verfassungsmäßiges Recht in Anspruch nehmen wollen, die Wahlmänner selbst zu bestimmen.

Die Möglichkeiten, daß die Belege für den elektronischen Wahlbetrug durch die Wahlmaschinen der Firmen Dominion und Smartmatic doch noch rechtzeitig zutage gefördert werden können und damit die Beweismittel ausreichen, um das Ergebnis der Wahl umzukehren, sind vielfältig. Falls dies geschieht, steht die Welt vor einem Dammbruch, bei dem buchstäblich kein Stein mehr auf dem anderen stehen bleiben wird und die allermeisten Annahmen der Zeitgenossen über die politischen Realitäten in der transatlantischen Welt über den Haufen geworfen werden. Voraussichtlich werden die nächsten zwei Wochen bis zur Entscheidung des Electoral College, wer als nächster Präsident der USA bestätigt wird, trotz versuchter Zensur viele Aspekte des Wahlbetrugs zutage bringen.

Mit dieser Frage zusammenhängend, aber die tieferliegenden Ursachen der gegenwärtigen zivilisatorischen Krise betreffend, wies Präsident Putin in seiner jüngsten Rede vor der jährlichen Tagung des Waldai-Clubs, darauf hin, daß wir in einer Ära von offensichtlichen internationalen Schocks und Krisen leben. Als Grund für diese Krise benannte Putin das Paradox, daß die Menschheit einerseits zwar ein hohes Niveau an technologischer und sozio-ökonomischer Entwicklung erreicht habe, aber gleichzeitig mit einer Erosion der moralischen Werte und Bezugspunkte konfrontiert sei – dem Gefühl, daß die Existenz keinen Sinn mehr habe, bzw. daß der Zweck der Menschheit auf diesem Planeten Erde abhanden gekommen zu sein scheint. Diese Krise könne nicht durch diplomatische Verhandlungen oder selbst eine große internationale Konferenz überwunden werden, sondern erfordere die völlige Neudefinition der Prioritäten und Ziele. Und dies müsse bei jedem einzelnen beginnen, jeder Gemeinde, jedem Staat, und erst daraus könne dann eine globale Struktur entstehen. Der Ausgangspunkt für eine solche Transformation könne die COVID-Pandemie sein.

In der Tat führt die Reaktion auf die Pandemie zum Kern des Problems. Der relative Erfolg Asiens und Mißerfolg des Westens beim Versuch, COVID-19 unter Kontrolle zu bringen, ist so offensichtlich, daß selbst Mainstream-Zeitungen wie die NZZ oder die Zeit inzwischen von der Arroganz und Verbohrtheit Europas sprechen, die es daran hindern, die Lehren aus der Methode mehrerer asiatischen Staaten zu ziehen, die Pandemie auszumerzen, anstatt nur zu versuchen, sie halbherzig einzudämmen. Resultat dieser unterschiedlichen Herangehensweise sind extrem niedrige Neuinfektions- und Todeszahlen in China, Taiwan, Vietnam und Südkorea, während die Pandemie in mehreren Staaten Europas und den USA droht, exponentielle Wachstumsraten zu erreichen und die medizinischen Kapazitäten zu sprengen. Worin besteht der Unterschied?

Von Anfang hat Präsident Xi Jingping klargestellt, daß es die absolute Priorität der chinesischen Regierung sei, jedes einzelne Leben zu retten, und es besonders wichtig sei, die älteren und deshalb am meisten gefährdeten Menschen zu schützen. Nach anfänglich rigorosen Maßnahmen, wie Massentests, Kontaktverfolgung, Isolierung und Quarantäne in Wuhan und der Provinz Hubei gelang es, die Pandemie unter Kontrolle zu bringen und bei jedem Neuausbruch, wie in Beijing und Tsingtao, die infizierten Personen durch Massentests und effiziente digitale Kontaktverfolgung zu finden und zu isolieren, und so die Verbreitung des Virus zu stoppen.

Bei Asiaten generell, die bereits die Erfahrung der Bekämpfung von Sars- und Mers-Virus-Ausbrüchen hatten, gab es die irrationale Ablehnung der Gesichtsmasken ebenso wenig wie das westliche Mißtrauen gegenüber der App auf dem Handy, obwohl man dort geflissentlich die Totalausspähung durch NSA und GCHQ verdrängt hat. Inzwischen betrug das Wirtschaftswachstum in China im 4. Quartal wieder 4,9 Prozent, und die Menschen sind zu ihrem normalen sozialen Leben zurückgekehrt.

In ähnlicher Weise setzte Rußland die Priorität auf die Erhaltung des Lebens als Schlüsselwert der russischen Kultur und spirituellen Tradition. Putin unterstrich in seiner Waldai-Rede, angesichts der Erinnerung an die dramatischen demographischen Verluste, die Rußland im 20. Jahrhundert erlitten habe, sei es unerläßlich gewesen, um jeden einzelnen Menschen und die Zukunft jeder russischen Familie zu kämpfen. Putin betonte auch, daß es zum Wesen der russischen Tradition gehöre, den Schutz des menschlichen Lebens als höchste Priorität zu sehen.

Genau hier liegt die Crux der Sache: Der vermeintliche Widerspruch zwischen der Rettung von Menschenleben und den „Interessen der Wirtschaft“ hat längst zu einer Erosion der Werte geführt, die zumindest in der Vergangenheit nicht zuletzt mit dem Christentum, das von der Heiligkeit des menschlichen Lebens ausging, verbunden waren. Schon einige Jahrzehnte vor Corona verschob sich die Werteskala bei der Privatisierung des Gesundheitswesens zugunsten des Profits, worin der wesentliche Grund dafür lag, daß Europa und die USA vom Ausbruch der Pandemie so katastrophal auf dem falschen Fuß erwischt wurden. Nicht vorhandene Masken, Schutzkleidung, Unterversorgung mit Intensivpflege-Betten am Anfang der Pandemie und der bis heute andauernde dramatische Mangel an Pflegekräften sind Ausdruck dieser falschen Prioritätensetzung. Inzwischen kommt immer mehr zutage, daß das von manchen so gepriesene schwedische Modell, das auf die sogenannte Herden-Immunität gesetzt hatte, viele alte Menschen in Heimen das Leben gekostet hat. Statt sie noch kostenintensiv zu behandeln, hat man sie einfach palliativ versorgt und sterben lassen. Karl Lauterbach dazu: „Grob gesprochen werden dort sehr viele ältere Menschen geopfert, damit man die Cafés nicht zumachen muß.“

Nicht minder skandalös ist es, wenn in der Schweiz, einem der reichsten Staaten dieser Erde, nach vorhersehbaren Engpässen bei der medizinischen Versorgung nun offen von Triage die Rede ist. In Italien haben offensichtlich auch die Schreckensbilder aus Bergamo, wo im Frühjahr sich die Särge in den Straßen stapelten und schließlich von der Armee abtransportiert werden mußten, nicht ausgereicht, um angemessene Vorbereitungen auf die absolut vorhersehbare zweite Welle zu treffen, so daß sich die Ärzte in Mailand nun beschweren, daß sie Entscheidungen treffen müssen, die sie weder klinisch noch ethisch vertreten können.

Am 26. Februar hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein Grundsatzurteil gefällt, daß das 2015 eingeführte Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gegen das Grundgesetz verstoße, weil es ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben gebe und dabei Angebote von Dritten in Anspruch genommen werden dürften. Ganz in diesem Geiste brachte die ARD am 23. November den Spielfilm Gott als interaktiven TV-Event auf der Basis des Theaterstücks von Ferdinand von Schirach, bei dem es um den Wunsch eines gesunden 78jährigen geht, der nach dem Tod seiner Ehefrau nicht mehr leben will und um ärztlich assistierten Suizid bittet. Der als großes Spektakel inszenierte Versuch, historische Bedenken auszuräumen, daß die Nazis „lebensunwerte“ Menschen systematisch ausgerottet haben, muß angesichts der Pandemie und damit der ernsthaften Gefährdung alter und vorerkrankter Menschen als beispiellosen Zynismus und als Propagandaveranstaltung gewertet werden, die auch Erfolg hatte: 70,8 Prozent des Fernsehpublikums sprach sich bei der anschließenden Abstimmung für das Recht auf assistierten Suizid aus.

Zur Erinnerung: Bei den Nürnberger Prozessen warnte der medizinische Berater der Ankläger, Dr. Leo Alexander, vor dem utilitaristischen Denken, das der Euthanasie zugrunde gelegen hatte, und daß am Anfang nur ganz subtile Veränderungen in der Einstellung der Ärzte bezüglich der Kosten für die Behandlung der Menschen standen, die dann sehr bald als „lebensunwert“ kategorisiert wurden. Diese schiefe Ebene unter den Bedingungen einer sich massiv zuspitzenden Wirtschafts- und Finanzkrise noch einmal zu betreten, kann in Deutschland nur als historische Amnesie bezeichnet werden.

Wir befinden uns in einer Epoche tektonischer Veränderungen in der strategischen Lage, einer Zeit, in der es tatsächlich um Krieg oder Frieden geht und in der man vor allem die dramatischen Entwicklungen in den USA nicht verstehen kann, wenn man darin nicht den Ausdruck eines existentiellen Kampfes zwischen dem alten, untergehenden Paradigma der unipolaren Welt und einem neuen Paradigma sieht, bei dem es um die Etablierung einer neuen Weltordnung geht, die das langfristige Überleben der menschlichen Gattung ermöglicht. Die von Putin angesprochene Neudefinition der Prioritäten und Ziele der Gesellschaft, die dieser Weltordnung zugrunde liegen soll, muß dabei mit dem Menschenbild beginnen, das das Menschenleben als unantastbar auffaßt. Wenn man hier einen „Systemwettbewerb“ zwischen den Werten Chinas und Rußlands auf der einen Seite und dem Westen auf der anderen sehen will, dann täten wir im Westen gut daran, uns an unsere christliche und humanistische Tradition zu erinnern, wenn wir diesen Wettbewerb nicht erbärmlich verlieren wollen.


International Investigative Commission on Truth in Elections, Saturday, November 28, 2020

The Schiller Institute has convened an “International Investigative Commission on Truth in Elections” which will meet on Saturday, November 28, 2020, from 12:00 – 3:00 p.m. EST/ 6pm – 9pm CET. A panel of distinguished international jurists will hear reports from qualified Americans related to the ongoing electoral process in the United States, which is a matter of great international attention and concern. This is not a partisan issue. Some of the participants are, in their own political views, pro-Trump; some are anti-Trump. But what brings them together is a far greater issue: a concern over the universal importance of truth in elections, and the need to hold the United States to the same high standard as its own Constitution demands.

The reports will address both irregularities in that electoral process as well as cyber capabilities that are known to exist and which have been used in foreign countries in recent years, and which may have been used inside the United States for the first time in 2020. Reports will be provided by, among others:

1) William Binney, former technical director at the U.S. National Security Agency.

2) Col. Richard H. Black (ret.), career Judge Advocate officer and former chief of the Army Criminal Law Division, Office of the Judge Advocate General, at the Pentagon. 

3) Attorneys involved in the investigations of vote fraud in Michigan, Pennsylvania and other states (to be confirmed). 

An international commission of jurists will hear the reports and consider the evidence presented. The panel may also choose to select a Rapporteur and subsequently issue a report on their findings. The panelists will include:

1) Marino Elsevyf (Dominican Republic): Attorney-at-law; member of the 1995 Martin Luther King International Tribunal (with Ramsey Clark, Amelia Boynton Robinson and others).   

2) Simón Levy (Mexico): Doctor of Law from the National Autonomous University of Mexico (UNAM); former under-secretary of Tourism of Mexico;  post-doctoral student of artificial intelligence, UC Berkeley. 

3) David Meiswinkle (United States): Attorney-at-law with over a decade experience in vote fraud cases in the state of New Jersey; President/Executive Director of Lawyers’ Committee for 9/11 Inquiry. 

4) Juan Francisco Soto (Argentina): Constitutional attorney; legal counsel to Yacyretá Binational Entity (Paraguayan-Argentinian Yacyretá Dam).

Select media will be invited to audit the proceedings, which will be held over Zoom with simultaneous interpretation into Spanish.

The event will also be live-streamed over the Schiller Institute’s YouTube channel.


NASA-Rover steuert auf herausfordernde Marslandung zu

Am 18. Februar wird der NASA Mars Rover Perseverance – der größte Rover, der je zum Mars geschickt wurde – auf dem roten Planeten landen, um eine neue wissenschaftliche Mission zu beginnen. Diese soll nicht nur das menschliche Verständnis der Marsgeologie vertiefen und die Frage beantworten, ob jemals Leben auf dem Mars existierte, sondern auch als Wegbereiter für zukünftige Missionen zum Mars dienen. Doch bevor dieses wissenschaftliche Abenteuer beginnen kann, muss Perseverance das schwierigste Landemanöver durchführen, das die NASA je unternommen hat.

Die Landesequenz beginnt mit einem extrem heißen Eintritt in die Atmosphäre des Planeten, gefolgt von einem Abstieg per Fallschirm zum Landeplatz im Jezero-Krater. In einer Höhe von etwa zwei bis drei Kilometern über der Marsoberfläche wird sich der „Sky Crane“, der den Rover trägt, vom Fallschirm trennen und mit seinem Antrieb zur Oberfläche absteigen. Sobald der Rover auf der Oberfläche gelandet ist, trennt sich der „Sky Crane“ und fliegt davon. „Ich glaube nicht, dass ich übertreibe, wenn ich sage, dass der Eintritt, der Abstieg und die Landung der kritischste und gefährlichste Teil der Mission ist“, sagte Allen Chen, der Leiter des dafür zuständigen Teams, am 27. Januar während einer Pressekonferenz des NASA Jet Propulsion Lab. „Ein Erfolg ist nie sicher, und das gilt besonders dann, wenn wir versuchen, den größten, schwersten und kompliziertesten Rover, den wir je gebaut haben, an der gefährlichsten Stelle zu landen, auf der wir je zu landen versucht haben.“ Ein spektakuläres Animationsvideo der Landesequenz ist hier zu sehen: https://www.youtube.com/watch?v=rzmd7RouGrM

Der Jezero-Krater wurde als Landeplatz ausgewählt, weil man vermutet, dass sich dort einst ein Flussdelta und ein mit Wasser gefüllter See befunden haben. „Die hochentwickelten wissenschaftlichen Instrumente von Perseverance werden nicht nur bei der Suche nach versteinertem mikrobiellem Leben helfen, sondern auch unser Wissen über die Geologie des Mars und seine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erweitern“, sagte Ken Farley, Projektwissenschaftler für Mars 2020, vom Caltech in Pasadena, Kalifornien. „Unser Wissenschaftsteam ist damit beschäftigt, zu planen, wie wir am besten die riesige Menge an hochmodernen Daten verarbeiten können. Das ist die Art von „Problemen“, auf die wir uns freuen.“

Laut einer NASA-Pressemitteilung führt die Mission zusätzlich zu den wissenschaftlichen Instrumenten, die die Marsoberfläche erforschen sollen, auch Technologien mit sich, die sich mehr auf die zukünftige Erforschung des Mars konzentrieren. MOXIE (Mars Oxygen In-Situ Resource Utilization Experiment), ein Gerät in der Größe einer Autobatterie im Fahrgestell des Rovers, soll zeigen, dass die Umwandlung von Kohlendioxid in Sauerstoff auf dem Mars möglich ist. Zukünftige Anwendungen der Technologie könnten die riesigen Mengen an Sauerstoff produzieren, die als Bestandteil des Raketentreibstoffs und als Atemluft für die Astronauten benötigt werden würden.

Die Perseverance-Mission, so die NASA-Mitteilung, ist Teil eines größeren Programms, das Missionen zum Mond als Vorbereitung für die Erforschung des Roten Planeten durch Menschen vorsieht. Die NASA hat die Aufgabe, bis 2024 wieder Astronauten auf den Mond zu bringen. Bis 2028 will die NASA mit ihren Artemis-Mondforschungsplänen eine dauerhafte Präsenz des Menschen auf und um den Mond herum etablieren.


Xi Jinping spricht auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos

Der chinesische Präsident Xi Jinping war von Klaus Schwab eingeladen worden, auf dem diesjährigen, dem „Great Reset“ gewidmeten Weltwirtschaftsforum die „Keynote“ zu halten. In Anbetracht der wirtschaftlichen Rolle Chinas in der heutigen Welt, die im Gegensatz zu China massiv unter den wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-Krise leidet, nutzte Präsident Xi die Gelegenheit, die Vorstellungen Chinas zu präsentieren, in welche Richtung die Welt in ihrem Kampf zur Überwindung von COVID und der Wiederbelebung des Weltwirtschaftswachstums gehen sollte.

In seiner Rede mit dem Titel „Laßt die Fackel des Multilateralismus den Weg der Menschheit erhellen“ drückte Xi zwar seine Zuversicht aus, daß die Welt die Pandemie überwinden werde, doch werde die Welt nicht einfach zu dem zurückkehren, was sie vor COVID waren. Die erste Aufgabe, die vor der Menschheit liege, sei es, mit Hilfe makroökonomischer Politik „die Wirtschaft aus dem Sumpf zu ziehen. Wir müssen die treibenden Kräfte und Wachstumsmodelle der Weltwirtschaft verändern und ihre Struktur verbessern, um die Weichen für eine langfristige, solide und stetige Entwicklung der Weltwirtschaft zu stellen.“ Zweitens müßten die Länder „ideologische Vorurteile aufgeben und gemeinsam einen Weg der friedlichen Koexistenz, des gegenseitigen Vorteils und der Win-Win-Kooperation beschreiten.“ Die Länder seien vielfältig und hätten unterschiedliche Kulturen und Zivilisationen, sagte Xi, und diese Vielfalt sollte respektiert werden, da sie die Quelle der Stärke der Welt sei. Niemand sollte den Zivilisationen eine „Hierarchie“ auferlegen oder versuchen, anderen ihr System aufzuzwingen, warnte er.

Xi sagte weiter, die Welt müsse zusammenkommen, um sich den globalen Herausforderungen zu stellen, wobei er COVID und den Klimawandel als zwei der wichtigsten Themen nannte. Er erläuterte einige seiner eigenen Visionen, wie die Welt nach der Pandemie aussehen werde, und rief dazu auf, an der internationalen Rechtsstaatlichkeit festzuhalten, Kooperation statt Konfrontation zu praktizieren, Abkopplung und eine neue „Kalte-Kriegs“-Mentalität abzulehnen und in den internationalen Institutionen und in der Politik mit dem Wandel der Zeit Schritt zu halten. Er drückte Chinas Unterstützung für die Weltgesundheitsorganisation aus, forderte aber eine Reform der Welthandelsorganisation und des internationalen Finanz- und Währungssystems „in einer Weise, die das globale Wirtschaftswachstum ankurbelt und die Entwicklungsrechte, -interessen und -möglichkeiten der Entwicklungsländer schützt.“

Er bekräftigte weiterhin, daß China der Welt gegenüber offen bleiben und seine eigenen Ideen zu den Reformen beitragen werde. Alle Länder, so Xi, sollten ihre Verpflichtungen nach dem Pariser Abkommen einhalten, und auch China habe sich dazu bekannt, seine Kohlenstoffemissionen bis 2030 deutlich zu senken, auch wenn es schwierig sein werde. Er begründete dies jedoch so: „Wir tun dies als konkreten Schritt zur Aufrechterhaltung des Multilateralismus und als Beitrag zum Schutz unseres gemeinsamen Hauses und zur Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung der Menschheit“. Der Weg, den China einschlagen werde, bestehe nicht darin, seinem Volk Sparmaßnahmen aufzuerlegen, sondern darin, die Entwicklung von Wissenschaft und Technologie schnell voranzutreiben. Xi sagte: „Wissenschaft, Technologie und Innovation sind ein wichtiger Motor für den menschlichen Fortschritt, eine mächtige Waffe bei der Bewältigung vieler globaler Herausforderungen und der einzige Weg für China, ein neues Entwicklungsparadigma zu fördern und eine hochwertige Entwicklung zu erreichen. China wird mehr in Wissenschaft und Technologie investieren, ein System zur Förderung von Innovationen als Priorität entwickeln, Durchbrüche in Wissenschaft und Technologie schneller in tatsächliche Produktivität umsetzen und den Schutz des geistigen Eigentums verbessern, um ein innovationsbasiertes, qualitativ hochwertiges Wachstum zu fördern.“

Abschließend wiederholte Xi seine Forderung nach einer neuen Art internationaler Beziehungen: „Ein Nullsummenspiel oder ,der Sieger bekommt alles‘ ist nicht die Leitphilosophie des chinesischen Volkes. Als überzeugter Verfechter einer unabhängigen Friedenspolitik arbeitet China hart daran, Differenzen durch Dialog zu überbrücken, Streitigkeiten durch Verhandlungen zu lösen und freundschaftliche und kooperative Beziehungen mit anderen Ländern auf der Basis von gegenseitigem Respekt, Gleichheit und gegenseitigem Vorteil zu verfolgen. Als unverbrüchlicher Teil der Entwicklungsländer wird China die Süd-Süd-Kooperation weiter vertiefen und zu den Bemühungen der Entwicklungsländer beitragen, die Armut zu beseitigen, die Schuldenlast zu verringern und mehr Wachstum zu erreichen. China wird sich aktiver in die globale Wirtschaftspolitik einbringen und auf eine wirtschaftliche Globalisierung drängen, die offener, inklusiver, ausgewogener und vorteilhafter für alle ist.“ (eigene Übersetzung)

Hier finden Sie die deutsche Übersetzung der gesamten Rede auf der Webseite der chinesischen Botschaft in Berlin. 


Putin, Lawrow: Die Lehren aus den Nürnberger Prozessen nicht vergessen!

Der Beginn der NS-Kriegsverbrechenprozesse in Nürnberg nach dem Zweiten Weltkrieg jährte sich am 20. November zum 75. Mal. Zu diesem Anlaß fand über die Lehren aus den Prozessen in Moskau eine Konferenz statt, auf der der russische Präsident Wladimir Putin wie auch der russische Außenminister Sergej Lawrow sprachen.

„Ich bin sicher, daß das Thema des Forums für Sie nicht nur aus fachlicher Sicht von Bedeutung ist, sondern auch im Hinblick auf die persönliche Verantwortung für die Bewahrung der historischen Wahrheit über den Zweiten Weltkrieg“, sagte Putin laut dem Transkript des Kremls. „Wir verstehen die Bedeutung der Nürnberger Urteile und die durch diese Prozesse entwickelten Normen und Grundsätze, um auf die heutigen Herausforderungen und Bedrohungen zu reagieren.“

„Wir beziehen uns ständig auf die Lehren aus den Nürnberger Prozessen; wir verstehen ihre Bedeutung für die Verteidigung der Wahrheit des historischen Erinnerns, um fundierte und solide Argumente gegen vorsätzliche Verzerrungen und Verfälschungen der Ereignisse des Zweiten Weltkriegs vorzubringen, insbesondere gegen die schamlosen und betrügerischen Versuche, Naziverbrecher und ihre Helfershelfer zu rehabilitieren und sogar zu verherrlichen,“ fuhr er fort. „Ich werde noch mehr sagen. Es ist die Pflicht der gesamten internationalen Gemeinschaft, die Entscheidungen der Nürnberger Prozesse zu bewahren, denn sie betreffen die Prinzipien, die den Werten der Nachkriegsordnung und den Normen des Völkerrechts zugrunde liegen.“

Lawrow betonte in seinen Ausführungen die Bedeutung der Nürnberger Urteile für das Völkerrecht. „Die Nürnberger Prinzipien bildeten die Grundlage für die Normen, die die abscheulichsten internationalen Verbrechen betreffen“, sagte er. „Die Vorbereitung, Planung, Entfesselung und Führung eines Angriffskrieges wurden als solche hingestellt. Der Geist und der Wortlaut des Gerichtsverfahrens verkörperten Hoffnung auf Gerechtigkeit, Achtung vor dem Wert des menschlichen Lebens und der Menschenwürde. Am 24. Oktober 1946, genau ein Jahr nach Inkrafttreten der UN-Charta, sprach sich der erste UN-Generalsekretär Trygve Lie dafür aus, die Nürnberger Urteile zu einem dauerhaften Bestandteil des Völkerrechts zu machen. Im Dezember 1946 verabschiedete die UN-Generalversammlung einstimmig eine Sonderresolution, welche die von der Nürnberger Charta anerkannten völkerrechtlichen Grundsätze bestätigte.“

„Das Vermächtnis der Nürnberger Prozesse ist eindeutig nicht auf das Recht beschränkt ist, sondern hat einen enormen politischen, moralischen und erzieherischen Wert. Vor 75 Jahren fand eine starke Immunisierung gegen das Wiederaufleben des Nationalsozialismus in all seinen Formen und Manifestationen statt. Leider hat die in Nürnberg entwickelte Immunität gegen die braune Pest in einigen europäischen Ländern stark nachgelassen. Rußland wird sich weiterhin energisch und konsequent allen Versuchen widersetzen, die Geschichte zu verfälschen, Naziverbrecher und ihre Schergen zu verherrlichen und die international anerkannten Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs, einschließlich der Nürnberger Urteile, zu widerrufen.“


Rosatom entwickelt schwimmendes Kernkraftwerk für die Tropen

Kirill Komarov, erster stellvertretender Hauptgeschäftsführer von Rosatom, dem staatlichen russischen Kernenergiekonzern, teilte am Freitag auf einer Pressekonferenz mit, sein Unternehmen plane, das bereits für die Arktis entwickelte schwimmende Kernkraftwerk auch für tropische Gebiete umzurüsten.

„Wir arbeiten derzeit an einem neuen Projekt, um dieses schwimmende Kernkraftwerk zu optimieren,“ sagte Komarov laut TASS. „Wir denken darüber nach, gleichzeitig eine arktische und eine tropische Version für dieses Projekt herzustellen, um die Möglichkeit zu haben, es in andere Länder mit anderem Klima zu entsenden, insbesondere um es nicht nur zur Stromerzeugung, sondern auch zur Wasserentsalzung zu nutzen, was ein aktuelles Thema für Länder mit heißem Klima ist“, bemerkte er.


Kreativität im Zeitalter der künstlichen Intelligenz

Chérine Sultan vom französischen Schiller-Institut hielt bei der Internationalen Jugendkonferenz des Schiller-Instituts am 26. September 2020 den folgenden Vortrag.

Was ist die Sucht der nächsten Generation?

Experten der Neurowissenschaften ist es gelungen, unseren inneren Abschaltknopf zu entfernen: unsere Fähigkeit, aufzuhören, etwas anderes zu tun und unseren Willen und unser Handeln miteinander zu verbinden.

Junge Menschen verbringen auf TikTok Stunden damit, sich Videos anzusehen, die weniger als eine Minute lang sind! Hier gibt es ein Paradoxon! Man mußte sogar eigens eine Option hinzufügen, um die Anwendung nach 45 Minuten zu blockieren. Die Leute können ganze Tage (und Nächte) vor Fernsehserien verbringen, die nichts bringen. „Es kotzt mich an, aber ich schaue mir trotzdem die nächste Folge an“ – wie oft habt Ihr das schon gehört? Wir tappen in die Falle, weil das Drehbuch und der Schnitt alles tun, um unseren Appetit zu kitzeln und das Bedürfnis zu wecken, das Nächste zu sehen.

Die Definition einer Sucht besteht darin, eine Tätigkeit weiter auszuüben oder ein Produkt weiter zu konsumieren bis zu dem Punkt, an dem wir nicht mehr Freude empfinden, wenn wir es konsumieren, sondern Leid, wenn wir damit aufhören. Das Gefühl des kulturellen Leidens entsteht durch unsere Unfähigkeit, die Kontrolle über uns selbst zurückzuerlangen. Das bringen die Opfer der digitalen Technologie selbst zum Ausdruck, die sehr wohl erkennen, daß sie sich nicht mehr zurückhalten können, wenn sie der Versuchung nachgeben, am Bildschirm zu kleben: „Wir wissen, daß es nicht gut für uns ist, ja, wir wissen das, aber wir tun es trotzdem.“ Jawohl, wir sehen, daß wir weniger kreativ sind, wenn wir in diese Sucht verfallen – und genau das will die Oligarchie erreichen. Wir werden sehen, wie konsequent die digitalen Giganten dabei sind, ein antikreatives Mittel für einen antikreativen Zweck einzusetzen.

Brot und Spiele

Allerdings wurde das nicht erst im Zeitalter der digitalen Bildschirme erfunden: Schon der antike Zirkus nutzte diese Schwäche, um die Römer zu unterhalten. Das ist die Bedeutung des Ausdrucks „Brot und Spiele“.

Es scheint, daß bloßes Moralisieren nutzlos ist, weil der Abschaltknopf nicht mehr vom Willen gesteuert wird – nämlich jenem inneren moralischen Gefühl, das sich in dem „wir wissen, daß es nicht gut für uns ist“ ausdrückt. Daher wird auch der äußere moralische Druck eines Freundes, der uns mitfühlend rät, den Bildschirm abzuschalten, nicht wirksam sein.

Manchmal jedoch bedeutet Nächstenliebe, dem Nächsten einen freundlichen Tritt in den Hintern zu geben. Kennen Sie die Geschichte von Alypius, dem Freund des heiligen Augustinus? Der hatte sich immer geweigert, Gladiatorenkämpfe anzusehen – bis zu dem Tag, an dem ihn eine Gruppe von Freunden fast gewaltsam in den Zirkus schleppte. Seine Hände, die seine Augen bedeckten, in der Hoffnung, sich dieses Grauen zu ersparen, konnten seine Seele nicht schützen. Als er das schreckliche Schauspiel sah, wurde er Teil der blutrünstigen Menge. Sein Geist wurde unablässig an diesen Zirkus erinnert, was es ihm schwer machte, sich bei Augustinus auf seine Studien zu konzentrieren. Erst an dem Tag, an dem Augustinus die Zuschauer verspottete, indem er sie mit Sklaven verglich, nachdem er schon alle Hoffnung aufgegeben hatte, Alypius zu verändern, begann bei dem jungen Mann der Abschaltknopf wieder zu funktionieren.

In Alypius gewann die Vernunft schließlich wieder die Oberhand, weil er schon vorher Zugang zu etwas anderem gehabt hatte. Bei Kindern erfordert ihr kindlicher Grad an Autonomie und intellektueller Erfahrung, daß die Eltern ihnen bereichernde Aktivitäten und Freizeitmöglichkeiten bieten und eine legitime Zeit der Unterhaltung regeln, weil ihre Emotionen Achterbahn fahren und sie ein Ventil zur Entspannung benötigen.

Doch ab einem gewissen Alter ist die Lösung anders, anspruchsvoller – und schwieriger umzusetzen. Die Emotionen junger Erwachsener mögen immer noch Achterbahn fahren, aber ihr Intellekt beginnt, die Grenzen zu überschreiten, die er in der Kindheit hatte, und er verlangt nicht mehr, sich zu entspannen, er will sich immer mehr entwickeln und herausgefordert werden. Deshalb stellen Zeit und Art der Unterhaltung, die ein Kind befriedigt, einen Erwachsenen nicht mehr zufrieden: Wir wollen, daß unsere Unterhaltung uns auch intellektuell nährt. Viele Menschen lieben Netflix, weil es bereichernde Geschichten bietet.

Das Problem der Kultur bei jungen Erwachsenen und bei Erwachsenen überhaupt steht im Einklang mit dem, was viele als schädliche Auswirkungen der Konsumgesellschaft erkennen: der Wunsch, sich persönlich zu bereichern, während man nichts für andere tut. Wenn es jedoch um Kultur geht, ist es viel klarer, daß wir andere nicht bereichern werden, indem wir den Konsum reduzieren. Über das Teilen des Reichtums hinaus besteht daher die Notwendigkeit, die kulturelle Produktion neu zu beleben und zu überdenken.

Tatsächlich sind auch die scheinbar intellektuellen Teile unserer Kultur Fallen, die viele von denen einfangen, die behaupten, über den Tellerrand hinauszuschauen, indem sie „alternative“ Autoren lesen und „dissidente“ Kanäle schauen. Sie stellen eine Denkweise nicht in Frage, die durch diese beiden Kulturen – Massenkultur und Dissidentenkultur – induziert wird: Ich spreche vom Pessimismus. Wir werden darauf zurückkommen, aber wir können schon jetzt sagen, daß die Alternative zur Sucht 2.0, um diesen „Abschaltknopf“ wiederherzustellen, das Engagement ist.

Der „Fußabdruck“ der digitalen Welt

Wie viel vom weltweiten Stromverbrauch wird Ihrer Meinung nach vom digitalen Sektor verbraucht? Zehn Prozent! In Bezug auf die Treibhausgase entspricht das dem Luftverkehrssektor. Wenn ich also höre, der Lockdown sei ein Geschenk des Himmels für den Planeten, muß ich lachen, denn sämtliche Aktivitäten werden auf die Bildschirme verlagert, sowohl fürs Home Office als auch für die Freizeit. So viele junge Leute haben mir gesagt: „Weißt du, Netflix war während des Lockdown sehr nützlich für uns.“ Alle diese Energie dient kurz gesagt dem Datentransfer und der Speicherung auf den Servern.

Einige Zahlen zur Veranschaulichung meines Standpunktes:

– Online-Videos machen über alle Plattformen hinweg 75% des Internetverkehrs aus – in zwei Jahren werden es schätzungsweise 82% sein.

Netflix liegt bei 13%, YouTube bei 9% und Facebook bei 3%.

– Ein zehnstündiges HD-Video (eine ein- bis zweitägige Konferenz) erfordert so viele Daten wie die gesamte englischsprachige Wikipedia.

– In Frankreich entfällt die Hälfte des Datenflusses auf vier Betreiber, darunter Netflix, auf das ebenso viele Daten entfallen wie auf die drei anderen, Google, Facebook und Akamai Technologies, wo zahlreiche Webseiten angesiedelt sind.

Welchen Nutzen haben all die von diesen Plattformen gesendeten Daten? Ihre Gewinne stammen aus der Werbung. Die Werbung richtet sich an den einzelnen Benutzer, und das bedeutet, daß man den Geschmack des Benutzers kennen muß. Je mehr Videos angeschaut werden, desto mehr Daten über die digitalen Vorlieben der Benutzer werden analysiert, und desto mehr Möglichkeiten gibt es, gezielt Werbung zu senden, und desto mehr Aufrufe! Also… je mehr Werbung finanziert werden muß, desto mehr wird es geben. Das ist ein Hund, der seinen eigenen Schwanz jagt!

Der freie Wille in den digitalen Plattformen

Reed Hastings, der Gründer von Netflix, gibt dies zu: „Wir konkurrieren mit dem Schlaf.“ Die Plakatkampagne „U-Bahn – Arbeit – Netflix“ war wohldurchdacht. Dieser Ausdruck ersetzt den Refrain „U-Bahn – Arbeit – Schlaf“ über das Leben abgestumpfter Arbeiter. Und das wird nicht aufhören, denn der Datenverkehr nimmt jedes Jahr um 25% zu, d.h. er verdoppelt sich in drei Jahren und verdreifacht sich in fünf Jahren. Wir sind in die Ära des „Dataismus“ eingetreten.

Konkret ist die Werbung nicht genug. Wie funktionieren digitale Plattformen, um Sie süchtig zu machen? Kennen Sie die Namen der Waffen, die den Abschaltknopf zerstört haben?

Es gibt zwei Techniken, die in Kombination funktionieren:

1. Unendlichkeit: der unendliche Faden, der auf Facebook auf Ihrer Seite läuft, sowie die Autoplay-Funktion für YouTube oder Google, die direkt das folgende Video startet. (Ich habe von einem System namens Minimal gehört, das dazu dient, Autoplay zu blockieren: Es lohnt sich, sich damit auseinanderzusetzen.)

2. Ähnlichkeit: Benachrichtigungen und Empfehlungen ähnlicher Inhalte, die Sie auf das beschränken, was Sie bereits wissen und mögen. Weil sie es „Vorschläge“ nennen, lassen sie Sie glauben, daß Sie etwas Neues entdecken werden.

Ähnlichkeit – auch dieses Wort ist wichtig. Es wurde den antikreativen Prinzipien von John Lockes Ideen über „Kontakt, Ähnlichkeit und Ursache und Wirkung“ entnommen. Ähnlichkeit kombiniert mit Unendlichkeit ist der Schlüssel zum Erfolg der Kybernetik.

Haben Sie den Begriff Kybernetik schon einmal gehört? Er stammt aus dem Team von Norbert Wiener – dem Mann, den LaRouche als ersten grundlegend widerlegt hat. Ich ermutige Sie, diese Geschichte zu studieren, die die Frage der menschlichen Kreativität mit großer wissenschaftlicher Strenge aufwirft.

Einfach ausgedrückt, versuchte Wiener, ein Programm zu schaffen, das menschliches Verhalten in Situationen vorhersagen kann, die er als nichtlinear bezeichnet. Mit „nichtlinear“ meint er, daß Menschen im Gegensatz zu repetitiven mechanischen Systemen Entscheidungen nach ihrem freien Willen treffen. So weit, so gut.

Deshalb müsse im Falle des freien Willens per Definition eine Wahl getroffen werden. Im Hinblick auf die Kommunikation entspreche diese Wahl einem Mangel an Information. Um eine Vorhersage treffen zu können, müsse man sie in Information umsetzen und durch Rückkopplung verifizieren.

Wiener verwendet das Argument der statistischen Gastheorie, die zur Entropie führt. Entropie wird gleichgesetzt mit Unordnung, wie z.B. einem Mangel an Information.

Ich bin sicher, daß Sie hier nicht ganz folgen konnten, denn diese Begriffe sind etwas abstrakt und kompliziert. Daher begnügen Sie sich mit dem, was Sie verstehen, nämlich mit dem „freien Willen“, einem Konzept, das in der Mitte des 20. Jahrhunderts, in dem dieser Wiener aufgewachsen ist, in Frage gestellt wurde. Sie können also glücklich sein, weil wir ein System haben, das den freien Willen anerkennt und in seinen Vorhersagen berücksichtigt, und das von sehr hochrangigen Forschern. Das ist der Gipfel der Demokratie und des Fortschritts?!

Doch Vorsicht. Ich möchte eine Bemerkung zum freien Willen machen. In der Kybernetik wird der freie Wille tatsächlich durch den Programmierer begrenzt, der begrenzte und bereits existierende Arten von Entscheidungen in seine Analyse integriert. Wie könnte es anders sein? Letztendlich muß man ja ein Programm erstellen!

Die Ausgabe des Programms erfolgt dann mit Hilfe der Wahrscheinlichkeitstheorie und der Statistik. Welche Entscheidung wird mit größerer Wahrscheinlichkeit getroffen als eine andere? Um immer genauere Ergebnisse zu erhalten, muß die Maschine eine immer größere Datenmenge einbeziehen. Und wenn ein Fehler auftritt, wird der Programmierer zu dem Urteil kommen, daß die Daten unzureichend sind. Wieder einmal jagt der Hund seinen eigenen Schwanz.

Hierfür wurde eine Art Subunternehmer geschaffen: der Konsument mit seinen „Klicks“, die die Maschine korrigieren müssen, damit sie besser lernt (im sogenannten „Tiefen Lernen“). Es gibt viele andere digital verwandte Subunternehmer, wie Verkäufer auf Kommissionsbasis oder Paketzusteller, die in Filmen wie Sorry We Missed You von Ken Loach dargestellt werden – und die Ironie dabei ist, daß man solche Filme im Streaming ansehen oder bei Amazon bestellen kann.

Um auf das Problem von Daten und Menge zurückzukommen, kann man sich einen Grund vorstellen, warum die Trump-Administration TikTok und WeChat verbieten will: Neben der Angst vor Spionage und Einmischung ist das vor allem die Angst, China Zugang zu einem Ozean von Daten zu verschaffen, der ihm Durchbrüche in der künstlichen Intelligenz ermöglichen würde.

Was sind also Ihrer Meinung nach die Ziele der Kybernetik? Kybernetik kommt von dem griechischen Wort κυβερνήτης (kybernetes), was „regieren“ bedeutet.

Man hat schon oft über die kommerziellen Anwendungen gesprochen: Produkte zu verkaufen ist nichts Neues. Ein weiterer zugegebener Aspekt von Netflix, der leicht zu verstehen ist, ist politischer Natur: Menschen in Schlaf versetzen, ihre Aufmerksamkeit ablenken.

Ein weiterer Aspekt ist die soziale Kontrolle. Dazu gehört die Überwachung, die ja nicht alle beunruhigt, wie diejenigen, die denken: „Ich habe nichts zu verbergen. Beobachtet mich ruhig, beobachtet, was ich tue, ich lasse mich nicht manipulieren, da können Sie sicher sein.“

Ich stimme dieser Geisteshaltung zu und unterstütze sie. Aber Vorsicht! Denn soziale Kontrolle bedeutet mehr als nur Überwachung: Sie ist auch Orientierung, der Akt, der die Menschen dazu bringt, in einer bestimmten Weise zu denken. Genau wie in der Werbung wollen sie nicht nur wissen, was Sie mögen, und Ihren Geschmack überwachen, um Ihnen zu verkaufen, was Sie mögen, sie werden sogar voraussagen, was Ihnen gefallen wird, noch bevor Sie selbst es wissen. Genau wie in der Massenkultur wollen sie nicht nur wissen, welche Fernsehserie Sie an den Bildschirm fesselt und von Widerstand und politischem Handeln ablenken wird, sie werden Sie auch von bestimmten Meinungen überzeugen, noch bevor Sie selbst sie formulieren können, und ohne daß Sie überhaupt verstehen können, wie Sie zu einer solchen Schlußfolgerung kommen.

Der Optimismus wird zerstört

Was ist das vorrangige Ziel der Oligarchie, um uns zu einer bestimmten Denkweise zu bewegen? Den Optimismus zu zerstören! Denn es ist Ihre Sicht der Welt, die bestimmt, ob Sie zum Handeln getrieben werden.

Und vor allem: Auf welcher Ebene können wir eingreifen – bei den Ursachen oder bei den Wirkungen? Ja, die Folgen der Pandemie sind katastrophal. Ja, der Mensch zerstört und richtet Schaden an. Ja, die Auswirkungen sind schlimm. Ja, wir müssen die Folgen bekämpfen, um die negativen Auswirkungen zu verringern. Aber ist das die Ebene, auf der wir wirksam handeln können?

Engagieren Sie sich im humanitären und sozialen Bereich, wenn Sie die physische und moralische Energie dazu haben – ja und dreimal ja! Aber stellen Sie sich vor, daß Sie eines Tages frustriert sein werden, weil Ihre Handlungen, selbst wenn sie durch das Engagement weiterer Personen verzehnfacht werden, niemals ausreichen werden, um die Maschinerie der Zerstörung aufzuhalten, Ihre Energie wird dazu nicht ausreichen.

Konzentrieren Sie sich statt dessen auf die Ursachen und geben Sie nicht auf. Das ist der Auftrag, den uns Lyndon LaRouche gegeben hat. Handeln Sie auf dieser Ebene – dreitausend Mal ja!

So denken wie Kepler

Wie meine keplerianischen Freunde vorhin gezeigt haben, besteht die wahre Rolle der Wissenschaft darin, die Ursachen der Phänomene unseres Universums zu verstehen. Und von diesem Standpunkt aus sind die Neurowissenschaften – „dank“ Norbert Wiener – wissenschaftsfeindlich, weil sie versuchen, menschliche Phänomene zu interpretieren, indem sie sie elektrisch beobachten und in digitale Sprache übersetzen. Ist das die Art und Weise, wie Kreativität funktioniert?

Kepler tat etwas zu seiner Zeit Unvorstellbares: Er bewies, daß die Planetenbewegung keine Kreisbahn ist, obwohl der Kreis die perfekte Form hat und die Himmel perfekt sein müssen, weil sie von Gott geschaffen wurden. Er revolutionierte die Wissenschaft, und das anhand einer kleinen Anzahl von Messungen. Drei Maße ergeben einen Kreis, jeder Satz von drei Maßen ergibt einen anderen Kreis. Es bedurfte nur einer vierten Messung aus einem anderen Kreis, um zu beweisen, daß die vom Planeten erzeugte Bewegung absolut kein Kreis sein kann, sonst wären es ständig wechselnde Kreise! Brahe konnte sehen, daß seine Daten in dem einen oder anderen System unter den bestehenden Hypothesen nicht auf einen einfachen Nenner zu bringen waren. Er war gezwungen, zu tüfteln, um die offensichtlichen Anomalien zu verbergen. Aber in Wirklichkeit waren die Anomalien keine Anomalien: die Denkweise selbst war eine Anomalie. Sobald man den wahren Weg des Planeten verstanden hatte, wurden die „Anomalien“ auf einmal sehr kohärent.

Es ist der Geist der Hypothese, der es dem Menschen erlaubt, eine gezielte Herangehensweise, eine Absicht bei der Datenaufnahme zu verfolgen und vorhandene Messungen zu sortieren. Das erlaubt ihm, Rechenzeit zu sparen und eine entscheidende Demonstration zu erreichen.

Computer können nichts beweisen

Ein Computer verfügt nicht über diese Fähigkeit. Er mag im Vergleich zum Menschen eine unermeßliche Rechenkapazität haben, aber seine Berechnungsmethode wird niemals ein Schlüssel zur Demonstration sein.

Tatsächlich ist es vergebliche Mühe, zu versuchen, mit einem Computer etwas zu beweisen, weil das eigentliche Prinzip der Demonstration die Suche nach der Wahrheit ist. Glauben Sie, ein Computer hat die geringste Vorstellung davon, was eine Wahrheit ist? Hat er die Idee einer Idee? Was ist ein Kreis? Ist ein Kreis eine Menge von Punkten? Nein, denn zwischen zwei Punkten wird es immer einen Raum geben, während ein Kreis zunächst einmal eine ununterbrochene Linie ist. Es ist eine Bewegung, etwas, das in der Welt des Computers keine Bedeutung hat. Für ein solches Berechnungssystem bedeutet auch ein Kreis nichts, sinnvoll sind dort nur durch Koordinaten definierte Punkte.

Im weiteren Sinne wird niemals eine Maschine den menschlichen Geist verstehen können. Deshalb wird die Strategie benutzt, uns mit den digitalen Riesen – Apple, Amazon, Google, Microsoft, Facebook – von allen Seiten einzuhegen, um uns von der Kreativität abzulenken.

Kreativität ist unvereinbar mit statistischen und Wahrscheinlichkeitssystemen. So hat LaRouche Wiener widerlegt. Während seines Studiums der mathematischen Biophysik stellte LaRouche in der Zeit von 1948-52 Paradoxien in Modellen lebender Prozesse fest. Ich zitiere aus seiner Autobiographie:

„Lebensprozesse funktionieren weiter, auch wenn die herkömmliche mathematische Analyse der Entwicklung nicht mehr folgen kann. Ich folgerte daraus, daß es eine Funktionenklasse höherer Ordnung geben müsse, die alle gewöhnlichen mathematischen Funktionen als Sonderfall enthält.“

Aus seinen Werken schließt LaRouche folgendes: „Daß ich diesen Denkfehler Wieners begriff, ermöglichte meine Entdeckungen auf dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaft und ist mithin der Schlüssel zu meinem heutigen internationalen Einfluß.“

Besonders witzig ist es, wenn ein Prinzip entdeckt wird, noch bevor man die entsprechenden Daten beobachtet hat. Und genau das hat Einstein mit der Allgemeinen Relativitätstheorie getan, er stellte die Hypothese auf, daß ein Phänomen mit Gravitationswellen auftritt, das erst ein Jahrhundert später beobachtet werden konnte. Eine Maschine hätte das nie erreichen können. Der andere Witz: Wissen Sie, wer die erste Rechenmaschine konzipiert hat? Kepler und seine Freunde.

Sehen Sie hier das Video der Jugendkonferenz (engl.)


Page 71 of 75First...707172...Last