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Sperrt die Kriegsmeute in den Zwinger!

Sperrt die Kriegsmeute in den Zwinger!

Bericht vom 66. Treffen der Internationalen Friedenskoalition am 6. September 2024

Den Mitschnitt der Veranstaltung finden Sie hier auf englisch.

Auf der 66. wöchentlichen Online-Sitzung der Internationalen Friedenskoalition (IPC) am 6. September diskutierte eine hochkarätige Gruppe von Wissenschaftlern, Militärs und Politikern über verschiedene Facetten des Wahnsinns der politischen Führung in den USA und Europa, deren selbstmörderische Politik Oberst Larry Wilkerson treffend mit dem Shakespeare-Zitat beschrieb: „Mord rufen, und des Krieges Hund‘ entfesseln“.1

Die Gründerin des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, eröffnete die Sitzung mit der Warnung: „Das Ziel ist es, Rußland eine strategische Niederlage zuzufügen“ – und angesichts von Rußlands Status als nukleare Supermacht sei das unmöglich, ohne einen Atomkrieg zu beginnen. Eine maßgebliche Rolle spielten dabei die Briten, so habe die russische Regierungssprecherin Maria Sacharowa kürzlich erklärt, London stecke hinter den Drohnenangriffen und der ständigen Eskalation im Ukraine-Krieg. Präsident Biden habe dem US-Kongreß eine Änderung des amerikanisch-britischen Verteidigungsabkommens von 1958 vorgelegt, um es dauerhaft zu machen, anstatt es alle zehn Jahre zu verlängern, um dieses Abkommen „Trump-sicher“ zu machen.

Sie machte die Teilnehmer auf Bidens neue Atomwaffendoktrin aufmerksam, die so geheim ist, daß offenbar keine elektronische Version davon existiert. Aus Gesprächen mit Militärexperten wüßten wir, daß die Entscheidung, Raketen in Deutschland zu stationieren, schon 2021 vorbereitet wurde. Trumps Nationale Sicherheitsstrategie (NSS) von 2017 habe zum ersten Mal Rußland und China als geopolitische Rivalen definiert, 2018 folgte eine Nationale Verteidigungsstrategie (NDS) zur Modernisierung der Atomwaffen. Im Gegenzug habe Rußland die Einführung neuer Waffensysteme angekündigt, darunter Hyperschallraketen. 2022 sei dann in der Nuclear Policy Review festgelegt worden, daß die USA Atomwaffen zur „Verteidigung ihrer vitalen Interessen“ einsetzen können, und der britische Verteidigungsminister Mark Lancaster habe das gleiche für die britische Regierung verkündet. Deutschland habe die jüngsten Änderungen der US-Politik in typisch vorauseilendem Gehorsam übernommen.

Im August 2019 seien die USA dann aus dem INF-Vertrag über die Begrenzung nuklearer Mittelstreckenraketen ausgetreten. Zepp-LaRouche forderte, daß die USA und Rußland die gegenseitigen Inspektionen ihrer Atomwaffen wieder einführen.

Dr. Ted Postol, emeritierter MIT-Professor und einer der weltweit führenden Atomwaffenexperten, betonte, mit der jüngsten Aufrüstung würden die amerikanischen Kernwaffen zu „Waffen für einen überraschenden Präventivschlag“. Die USA hätten mit großem Aufwand, einer Technik namens super-fuze („Super-Zünder“), verbesserte Waffen entwickelt, die Raketen im Silo präventiv zerstören können. Einen solchen Ansatz würde nur jemand verfolgen, der einen Atomkrieg führen und gewinnen will – eine völlig verrückte Geisteshaltung. Jeder russische Offizier könne nur zu dem Schluß kommen, daß die USA einen Angriff vorhaben.

Oberst a.D. Larry Wilkerson, ehemaliger Stabschef von US-Außenminister Colin Powell, erinnerte sich an Gespräche mit Powell über die Nationale Sicherheitsstrategie von 2002, vor der er damals warnte: „Wir sind auf dem Gipfel des Berges, und wenn wir sehen, daß sich jemand am Fuß des Berges rührt, werden wir ihn töten… Wir werden in etwas hineingezogen, das anfangs konventionell ist…, aber sobald wir anfangen zu verlieren – und das werden wir –, werden wir auf Atomwaffen zurückgreifen.“

Heute höre er zum ersten Mal seit dem Kalten Krieg hochrangige Offiziere wieder über den „Nutzen von Atomwaffen“ sprechen, die für die Rüstungsunternehmen sehr lukrativ seien. In den Jahren 1991-92, als sowohl die USA als auch Rußland viele Atomwaffen verschrotteten, habe er selbst gesehen, wie das die Führung des Militärisch-Industriellen Komplexes „zu Tode erschreckte“.

Der in Dresden geborene Oberst a.D. Prof. Dr. Wilfried Schreiber, Senior Research Fellow am WeltTrends Institut für Internationale Politik in Potsdam, berichtete anschließend, Militärhistorikern zufolge sei Dresden als eines der ersten Ziele für eine amerikanische Atombombe vorgesehen gewesen, aber der Krieg endete, bevor es dazu kommen konnte. Jetzt sei die Gefahr eines Atomkriegs wieder da, akuter als jemals zuvor. Deutschland gehe mit der Stationierung von Raketen mit Reichweite bis Moskau ein größeres Risiko ein als jedes andere Land, denn nach der militärischen Logik seien die Orte, an denen diese modernen Systeme stationiert sind, die wichtigsten Angriffsziele. Die einseitige Entscheidung von Bundeskanzler Scholz, diese Raketen einfach zu akzeptieren, bedeute, daß die deutsche Demokratie versagt hat.

Oberstleutnant a.D. Ralph Bosshard von der Schweizer Armee, Berater für militärisch-strategische Fragen, verglich die Entscheidung von Biden und Scholz für die Raketenstationierung in Deutschland mit dem Vorgehen von Bundeskanzler Helmut Schmidt 1979. Der habe der Stationierung von Pershing-II-Raketen zugestimmt, gleichzeitig aber Verhandlungen geführt, die dann in den INF-Vertrag mündeten. Biden und Scholz hingegen wollten jedoch stationieren, ohne zu verhandeln. Bosshard betonte, die „Enthauptungsschläge“, wie der schockartige Angriff der USA im Irakkrieg, hätten die UN-Charta geschwächt. „Die NATO ist nichts weiter als ein sicherer Hafen, hinter dem westliche Mächte ihre geopolitischen Ambitionen verfolgen… Europa sollte seine Lektion lernen und sein Schicksal nicht bedingungslos an die Global Players ketten.“

Zepp-LaRouche zeigte sich bewegt von den Äußerungen ihres Landsmannes Prof. Schreiber; er habe „das Herz vieler Menschen in Deutschland berührt“. Im Zeitalter der thermonuklearen Waffen sei der Krieg so barbarisch geworden, daß er für immer geächtet werden muß.

Der New Yorker Kongreßkandidat José Vega fragte Oberst Wilkerson, ob jemand im US-Außenministerium oder einer anderen Behörde es genauso machen könnte wie vor Jahrzehnten Daniel Ellsberg, der Pläne zum Einsatz von Atomwaffen gegen China aufdeckte. Wilkerson antwortete, Ellsberg sei „ein Held par excellence“. Die USA „sind das einzige Land der Welt, das die Welt in Lehen aufteilt und für jedes Lehen einen Vier-Sterne-General einsetzt“. Die USA hätten Pläne gehabt, in Länder im ganzen Nahen Osten einzumarschieren, wenn sie den Irak leichter besiegt hätten. Die jüngsten Äußerungen von Außenminister Blinken über die „Unantastbarkeit von Grenzen“ seien der Gipfel der Heuchelei.

Postol ergänzte, die Atomkriegsplanung sei heute ein Ritual von Leuten, die keine Ahnung von der tatsächlichen physikalischen Wirkung von Atomwaffen haben. Nebenwirkungen, wie etwa massive Feuerstürme, würden gar nicht in die Planung einbezogen. „Sie haben nicht einmal die grundlegenden physikalischen Auswirkungen richtig eingeschätzt“, sagte er. Wilkerson meinte daraufhin: „Meine Erfahrung aus 31 Jahren Militärdienst ist, daß ich mehr Angst vor der zivilen Führung habe als vor dem Militär“, worauf Postol antwortete: „Ich auch!“

Botschafter a.D. Jack Matlock, ein bekannter Experte der russischen Geschichte und Kultur, den Präsident Reagan für den wichtigen Posten des US-Botschafters in der Sowjetunion auswählte, gab einen Überblick über die Ereignisse nach dem Untergang der UdSSR. US-Außenminister James Baker und seine Kollegen hätten Staatschef Gorbatschow versichert, daß die NATO sich keinen Zentimeter nach Osten ausweiten würde. Das Problem für Rußland sei nicht die NATO-Erweiterung an sich, sondern die Einrichtung von US- oder NATO-Militärbasen in diesen Ländern. Eine besonders große Provokation sei die Entscheidung der westlichen Mächte gewesen, sich in die Politik der Ukraine einzumischen.

Donald Ramotar, ehemaliger Präsident von Guyana, bekundete seine Bewunderung für Matlock und fragte, inwieweit die kritische Lage heute auf eine Verschlechterung der Qualität der Führung im Westen zurückführen sei? Matlock antwortete, ein großes Problem sei die Vorliebe dafür, alle Probleme militärisch zu lösen. Ramotar erklärte, die Welt sei derzeit in zwei Blöcke geteilt: die ehemaligen Kolonialmächte, die versuchen, ihre Vorherrschaft aufrechtzuerhalten, und der Globale Süden. Er befürwortete Zepp-LaRouches Vorschlag, einen „Rat der Vernunft“ aus erfahrenen Staatsmännern zu gründen, um aus dieser Falle auszubrechen.

Abschließend forderte Zepp-LaRouche die Teilnehmer auf, das auf dem Treffen Besprochene weithin zu verbreiten und bei den kommenden Demonstrationen auf die Straße zu gehen. Die USA müßten „den geopolitischen Unsinn beenden“ und mit dem Globalen Süden zusammenarbeiten. „Wir müssen uns auf Lösungen zubewegen, denn wenn wir nur gegen das Negative protestieren, wird das nicht ausreichen.“

Anmerkung

1. „Cry Havoc, and let slip the dogs of war…”, William Shakespeare, Julius Cäsar, 3. Aufzug 1. Szene.

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