Nachdem Indien die erste Welle des Covid-19-Angriffs im Jahr 2020 eher lobenswert überstanden hatte, erklärte die Modi-Regierung den „Sieg“ und ignorierte die Bedrohung, die um die Ecke lauerte – die zweite Welle des Virusangriffs. Dafür muss Indien nun teuer mit Menschenleben und dem allgemeinen Chaos bezahlen, das die globale Pandemie verursacht.
Am 4. Mai zeigten die Zahlen der Weltgesundheitsorganisation WHO, daß fast die Hälfte der in der vergangenen Woche weltweit gemeldeten COVID-19-Fälle auf Indien entfielen. Wie die WHO in ihrem wöchentlichen epidemiologischen Bericht ausführte, hätten 46% der weltweit gemeldeten Infektionen und 25% der weltweiten Todesfälle der vergangenen Woche in Indien stattgefunden. Die Zahl der täglichen Neuinfektionen im Land lag am 5. Mai bei 382.315, wie die Daten des Gesundheitsministeriums zeigen – der vierzehnte Tag mit mehr als 300.000 Fällen in Folge. Offiziell hat Indien in der letzten Woche jeden Tag mehr als 3.500 Todesfälle gemeldet.
Der Oberste Gerichtshof von Allahabad (AHC) stellte in Uttar Pradesh fest, daß der im ganzen Land weitverbreitete Tod von Covid-19-Patienten, der einzig auf den Mangel an Sauerstoffzufuhr in den Krankenhäusern zurückzuführen ist, einen kriminellen Akt und „nichts geringeres als einen Genozid“ darstelle. Der AHC erklärte, daß die zuständigen Behörden dafür verantwortlich seien, daß sie keine Maßnahmen ergriffen hätten, um die Aufrechterhaltung der Sauerstoffversorgungskette zu gewährleisten.
Im Januar/Februar dieses Jahres war die erste Welle von Covid-19 in Indien abgeebbt und die offiziellen Zahlen zeigten einen 90-prozentigen Rückgang der Spitzenwerte von 96.000 pro Tag im September 2020. Die Zahl der täglichen Todesopfer sank von 1.200 auf 80. Eine siegestrunkene Haltung begann sich auszubreiten, die von einem Haufen von Cheerleadern um Premierminister Modi angeführt wurde und heftige politische Kampagnen in fünf Bundesstaaten entfesselten, in denen im März/April Wahlen anstehen. Am 21. Februar dankten die hochrangigen Führer der Regierungspartei BJP Premierminister Modi für seine „visionäre Führung“, die den Covid-Angriff effektiv zurückgedrängt hätte. Auf der Jahreskonferenz der Medizinischen Vereinigung Delhis am 7. März erklärte Modis Gesundheitsminister Dr. Harsh Vardhan triumphierend: „Wir sind im Finale der Covid-19-Pandemie in Indien.“
Am 4. April wurde die zweite Welle des Virus Copvid-19 offensichtlich, als die täglichen Neuinfektionen die Spitzenbelastung vom September 2020 übertrafen. Außer dem Verbot des Exports von Impfstoffen gegen Ende März ergriff die Modi-Administration keine neuen Maßnahmen, um die Impfstoffproduktion oder die Produktions- und Lieferketten von Sauerstoff anzukurbeln. Ausländische Impfstoffentwickler, die eine Zulassung beantragten, wurden angewiesen, Überbrückungstestläufe durchzuführen, die einige Monate dauern würden, bevor eine Notfallzulassung erteilt werden könnte. Mitte April brach dann der Damm.
Am 15. April wurde deutlich, dass die fragile Gesundheitsinfrastruktur Indiens unter dem zweiten Angriff von Covid-19 zusammengebrochen war. Der Mangel an medizinischem Sauerstoff verursachte Todesfälle in Krankenhäusern in ganz Indien und die Impfraten fielen von etwa 3,5 Millionen Impfungen pro Tag auf unter 2,5 Millionen, was auf die sich abzeichnende Impfstoffknappheit hinwies.
Ausgehend von einer Million aktiver Fälle pro Woche während des letzten Höhepunkts liegt Indien inzwischen bereits bei 3,2 Millionen aktiver Fälle, während der Höhepunkt sich noch irgendwo in der Zukunft befindet. Die zweite Covid-19-Welle hat Indien wie einen Tsunami getroffen und die Modi-Regierung wirkt völlig gelähmt, was die Bevölkerung dieser tödlichen Welle ungeschützt gegenüberstellt.