Das 40-jährige Bestehen des Schiller-Instituts feiern
Hier können Sie sich die Konferenz im englischen Original ansehen. Die deutsche Simultanübersetzung wird in Kürze unten veröffentlicht.
Vorläufiges Konferenzprogramm des Schiller-Instituts
Samstag, 7. Dezember
Panel 1 (15:00–18:30 Uhr): „Die strategische Krise: Neuer und letzter Weltkrieg oder ein neues Paradigma der einen Menschheit?“
Moderator: Dennis Speed (USA), Schiller-Institut: Begrüßung und Einführung
Hauptrednerin: Helga Zepp-LaRouche (Deutschland), Gründerin des Schiller-Instituts: „Die Menschheit muß an erster Stelle stehen!„
Helga Zepp-LaRouche ist Gründerin und Vorsitzende des Schiller-Instituts und Co-Initiatorin der Internationalen Friedenskoalition.
Wir kommen hier zu dieser internationalen Internetkonferenz zusammen, um einen dringenden Aufruf an die Welt zu senden – nicht nur, daß wir Wochen, Tage oder Stunden von der möglicherweise größten Katastrophe in der Geschichte der Menschheit entfernt sein könnten, nämlich ihrer potentiellen Vernichtung in einem thermonuklearen Krieg, sondern auch, um nachdrücklich darauf hinzuweisen, daß es eine Lösung gibt, einen Ausweg aus dieser Gefahr, wenn sich Menschen guten Willens auf der ganzen Welt zusammenschließen, um ihre Umsetzung durchzusetzen. Es ist mir eine große Ehre, alle hochrangigen Diskussionsteilnehmer, die den globalen Süden sowie westliche Nationen vertreten, zum 40. Jahrestag der Gründung des Schiller-Instituts begrüßen zu dürfen!
Aber die nächsten Wochen bis zum 20. Januar sind die gefährlichsten überhaupt, bei weitem gefährlicher als die Kubakrise, denn die Atomwaffenarsenale der NATO und Rußlands, vielleicht auch anderer, sind auf „launch on warning“ (Start auf Warnung) gesetzt. Das bedeutet, daß die Vorwarnzeit je nach System zwischen 5 und 30 Minuten beträgt – mit einer atemberaubenden Eskalation Schritt für Schritt bis zum potentiellen Armageddon. Und im Gegensatz zur Kubakrise gibt es keine Kommunikationswege zwischen den beiden Seiten.
Während Präsident Biden der Ukraine bis vor kurzem die Nutzung der ATACMs-Raketen für Angriffe tief in das Gebiet Rußlands hinein verweigerte, ausdrücklich wegen der Befürchtung, daß dies eine direkte militärische Konfrontation zwischen den USA und anderen NATO-Staaten und Rußland bedeuten würde, erteilte er weniger als zwei Wochen nach dem Wahlsieg von Donald Trump am 17. November doch diese Erlaubnis, die dann prompt am 19. November von der Ukraine für Angriffe auf die russischen Regionen Kursk, in die die Ukraine am 3. August einmarschiert war, und Brjansk genutzt wurde.
Dabei wurde die Tatsache völlig ignoriert, daß Putin Ende September die russische Nukleardoktrin aktualisiert hatte. In dieser Doktrin heißt es in Punkt 11: „Eine Aggression gegen Rußland und/oder seine Verbündeten durch einen Nicht-Nuklearstaat mit Beteiligung oder Unterstützung eines Nuklearstaates wird nun als gemeinsamer Angriff betrachtet.“
Damit befinden sich die USA und die NATO faktisch im Kriegszustand mit Rußland. Das hinderte Admiral Thomas Buchanan vom US STRATCOM nicht daran, am 20. November in Washington bei einer Veranstaltung mit dem Titel „Report Launch: Project Atom 2024“ des Center for Strategic and International Studies (CSIS), zu erklären, daß die USA zu einem nuklearen Schlagabtausch bereit wären, wenn die globale Führungsrolle der USA auf dem Spiel stünde.
Am nächsten Tag, am 21. November, feuerte Rußland eine neue Hyperschall-Mittelstreckenrakete, die Oreschnik, auf die Waffenfabrik Juschmasch in der ukrainischen Stadt Dnipro ab. Präsident Putin sagte auf einer Konferenz der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) in Astana Folgendes zu diesem Angriff:
„Dutzende Sprengköpfe, selbstgesteuerte Einheiten, greifen das Ziel mit einer Geschwindigkeit von Mach 10 (zehnfache Schallgeschwindigkeit) an. Das sind etwa drei Kilometer pro Sekunde. Die Temperatur der Angriffselemente erreicht 4000 Grad. Wenn ich mich recht erinnere, beträgt die Temperatur auf der Oberfläche der Sonne 5500 bis 6000 Grad. Daher wird alles, was sich im Epizentrum der Explosion befindet, in Bruchstücke, in Elementarteilchen, zerlegt, alles verwandelt sich im Wesentlichen in Staub. Die Rakete ist in der Lage, selbst stark befestigte Strukturen und solche, die sich in beträchtlicher Tiefe befinden, zu zerstören.“
Mit anderen Worten beschrieb Putin die Auswirkungen des gleichzeitigen Einsatzes mehrerer Oreschnik-Raketen als so stark in Bezug auf ihre Zerstörungskraft wie eine Atomwaffe.
Sofort beeilten sich verschiedene westliche „Experten“, die Zerstörungskraft dieser neuen Waffe herunterzuspielen, indem sie sie als „vernachlässigbar“ und nichts Besonderes bezeichneten. Damit wird jedoch der Punkt verfehlt, auf den russische Militärexperten hinweisen, die darauf bestehen, daß das Ergebnis mit einer Atomwaffe vergleichbar ist, wenn die Oreschnik in einem konzentrierten massiven Angriff eingesetzt wird, bei dem mehrere Oreschnik-Raketen gleichzeitig zum Einsatz kommen.
Aber es handelt sich um eine nicht-nukleare Waffe, die mit fast Mach 11 eingesetzt werden kann und daher nicht von NATO-Streitkräften abgefangen werden kann. Sie trifft ihr Ziel mit kinetischer Energie mit einer so hohen Geschwindigkeit, daß diese in Wärmeenergie umgewandelt wird, die eine expandierende Masse von überhitzten Dämpfen mit einer Energiedichte ähnlich wie TNT erzeugt. Sie erzeugt Krater wie ein Meteorit mit hoher Geschwindigkeit. Die Hyperschalleigenschaften dieser neuen Waffe bedeuten, daß ihre Konstrukteure die Physik hydrodynamischer Stoßwellen genutzt haben.
Es ist typisch für die übliche Realitätsverleugnung bestimmter Kräfte im Westen – „Putin blufft“, „es gibt keine roten Linien“ usw. usw. –, die entscheidenden Eigenschaften der Oreschnik auszublenden – nämlich, daß sie nicht als Massenvernichtungswaffe eingestuft werden kann; daß sie eine außergewöhnliche Präzision aufweist; und daß sie in Kombination mit anderen neu entwickelten Waffen, die Rußland noch nicht eingesetzt, aber angedeutet hat, eine Leistung erzielen kann, die der einer Atomwaffe nahekommt, aber im Gegensatz zu diesen keinen nuklearen Fallout erzeugt.
LaRouches SDI
Aber die Oreschnik-Überraschung deutet über ihre unmittelbare Anwendung hinaus auf ein weiteres faszinierendes Potential hin. Als die Welt bereits einmal mit der nuklearen Auslöschung bedroht war, während der Mittelstreckenraketenkrise Anfang der 1980er Jahre, als die Pershing II und SS20 ebenfalls eine nur Vorwarnzeit von 4-8 Minuten hatten, entwickelte Lyndon LaRouche den Vorschlag, der als SDI bekannt wurde, nachdem Präsident Reagan ihn in einer Fernsehansprache am 23. März 1983 als offizielle strategische Politik der USA verkündet hatte. Im Wesentlichen ging es um die Idee, daß beide Supermächte, die USA und die Sowjetunion, gemeinsam neue Technologien auf der Grundlage neuer physikalischer Prinzipien entwickeln würden, um Atomwaffen technologisch obsolet zu machen.
LaRouches Vorschlag beinhaltete das Konzept, diese neuen Technologien als Wissenschaftsmotor für die zivilen Volkswirtschaften beider Seiten zu nutzen und einen gemeinsamen gigantischen Technologietransfer in den Entwicklungssektor zu betreiben, um die Unterentwicklung zu überwinden. Es handelte sich um einen umfassenden Plan zur Überwindung der Blockbildung zugunsten einer Zusammenarbeit im gegenseitigen Interesse.
Dieser Vorschlag wurde damals von Moskau mit dem Argument abgelehnt, er bringe dem Westen mehr Vorteile als der Sowjetunion.
Aber die Idee, Atomwaffen technologisch obsolet zu machen, war offensichtlich ein Element des Ansatzes, als Putin am 1. März 2018 in seiner jährlichen Staatsansprache eine Vielzahl neuer Waffensysteme ankündigte. Dabei präsentierte er Videos und Animationen von mit nuklearem Antrieb, Hyperschall-Marschflugkörpern und einem neuen Interkontinentalraketensystem, der RS-28 Sarmat-Rakete, die im Westen wegen ihrer enormen Zerstörungskraft „Satan“ genannt wird. Sie soll über zehn unabhängig voneinander zielbare Wiedereintrittsraketen und bis zu 15 nukleare Sprengköpfe verfügen.
Es gibt das Konzept von Rüstungskontrollverträgen als Versuch, einen nuklearen Holocaust zu verhindern. Aber wie wir in den letzten 23 Jahren gesehen haben, funktioniert das nur, wenn beide Seiten dem Abkommen ehrlich zustimmen. Praktisch jeder einzelne Abrüstungsvertrag zwischen den Großmächten wurde aufgekündigt. LaRouches Konzept, das von Reagan bis zum Ende seiner Präsidentschaft unterstützt wurde, bestand darin, Atomwaffen technologisch obsolet zu machen.
Die Entwicklung der Oreschnik ist im Wesentlichen ein Schritt in diese Richtung, auch wenn die derzeitige Geschwindigkeit von fast Mach 11 noch nicht ausreicht, um die Wirkung einer Atomwaffe zu erreichen. Dies ist jedoch höchstwahrscheinlich noch nicht das Ende der Forschung, die das Prinzip der Stoßwellen in Hyperschallraketen anwendet. Wenn diese Raketen mit einer höheren Geschwindigkeit die Wirkung von Atomwaffen übertreffen, höchstwahrscheinlich in Kombination mit anderen Technologien, könnten diese Atomwaffen obsolet werden.
Das Vorbild des Westfälischen Friedens
Als die Kriegsparteien im Europa des 17. Jahrhunderts nach 150 Jahren Religionskrieg und der Zerstörung von einem Drittel der Bevölkerung, Dörfern, Tieren usw. erkannten, daß niemand mehr am Leben sein würde, um den Sieg zu genießen, wenn sie weiterkämpfen würden, setzten sie sich in Münster und Osnabrück an den Verhandlungstisch und einigten sich nach vier Jahren auf den Westfälischen Frieden. Ist es angesichts der unmittelbaren Gefahr eines globalen Atomkriegs, der alles Leben auf dem Planeten auslöschen würde, nicht dringend notwendig, sich auf eine neue globale Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur zu einigen, die auf der Anerkennung des Westfälischen Friedens beruht, daß jede Friedensordnung die Interessen des anderen, aller anderen berücksichtigen muß? Und wäre es nicht äußerst dringend, daß diese Verhandlungen die gemeinsame Zusammenarbeit von Militärwissenschaftlern aus Rußland, China und den USA einschließen, um gemeinsam an der Erforschung neuer physikalischer Prinzipien zu arbeiten, die Atomwaffen überflüssig machen könnten?
Der alternative Standpunkt wurde von STRATCOM-Admiral Thomas Buchanan auf einer Sitzung des CSIS am 20. November mit dem Titel „Project Atom 2024“ vertreten, der argumentierte, es sei für die USA in Ordnung, Atomwaffen einzusetzen, um die strategische Hegemonie der USA aufrechtzuerhalten. Sein einziger Vorbehalt war, daß die USA darauf achten sollten, genügend Atomwaffen übrig zu behalten, um die Hegemonie der USA danach aufrechtzuerhalten.
Leider ist diese gestörte Denkweise eines Dr. Seltsam, die Illusion, daß ein Atomkrieg geführt und sogar gewonnen werden kann, ein tödliches Virus, das in jüngster Zeit die Gehirne vieler Menschen in atlantischen Kreisen infiziert hat.
Die Lösung des gordischen Knotens
Kurt Campbell, stellvertretender Außenminister, sagte kürzlich vor dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten des Repräsentantenhauses: „Ehrlich gesagt verblaßt der Kalte Krieg im Vergleich zu den vielfältigen Herausforderungen, die China darstellt“, und betonte, dies sei die größte Herausforderung in der Geschichte der USA. „Es ist nicht nur eine militärische Herausforderung, sondern eine Herausforderung in allen Bereichen. Sie betrifft den globalen Süden. Sie betrifft die Technologie. Wir müssen uns in allen Bereichen verbessern.“
Dieses erstaunliche Eingeständnis, daß es der wissenschaftliche und technologische Aufstieg Chinas und damit der Aufstieg des globalen Südens ist, der als beispiellose Bedrohung in der Geschichte der USA gilt, verdient eine genauere Betrachtung. Tatsächlich deutet es auf die Lösung des gordischen Knotens hin.
Als der Kalte Krieg aufgrund des wirtschaftlichen Scheiterns der sowjetischen Wirtschaftsform endete, gab es für eine gewisse Zeit keine strategische Bedrohung, wie bedeutende Zeitzeugen wie der US-Botschafter Jack Matlock und andere versichert haben. Es wäre absolut möglich gewesen, eine globale Friedensordnung auf der Grundlage von LaRouches Vorschlägen für das Produktive Dreieck Paris-Berlin-Wien von 1989 und die Eurasische Landbrücke von 1991 als wirtschaftliche Grundlage zu schaffen.
Diese Vorschläge wurden jedoch von den Neokonservativen in Washington und London auf der Grundlage dessen, was später als Wolfowitz-Doktrin bezeichnet wurde, und des damit verbundenen Bruchs der Versprechen an Gorbatschow, die NATO nicht einen Zoll nach Osten zu verschieben und keine ausländischen Truppen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zu stationieren, abgelehnt. Die erste NATO-Erweiterung 1999 umfaßte Polen, die Tschechische Republik und Ungarn, gefolgt von fünf weiteren Erweiterungen über 1000 km weiter nach Osten, sowie Farbrevolutionen, Regimewechseln, Interventionskriegen und einseitigen Sanktionen, die alle darauf abzielten, die Aussage von Fukuyama zu beweisen, die Geschichte sei mit dem Kalten Krieg zu Ende, was bedeute, daß die ganze Welt schließlich das westlich-liberale Demokratiemodell übernehmen werde.
Damit einher ging eine Vertiefung des Paradigmenwechsels, vor dem LaRouche in seiner historischen Prophezeiung von 1971 gewarnt hatte, als er Nixons Einführung flexibler Wechselkurse als Systemübernahme bezeichnete. Die transatlantische Welt gab immer mehr die soliden Prinzipien der Realwirtschaft auf, zugunsten von Outsourcing auf billige Arbeitsmärkte, Just-in-Time-Produktionsweisen, Börsengängen und Gewinnmaximierung durch hochriskante Spekulationen auf den Derivatemärkten.
Gleichzeitig führte die Ansicht, Rußland sei auf eine „Regionalmacht“ reduziert worden, wie Obama es gefordert hatte, zu der Fehleinschätzung, es sei nun nicht mehr notwendig, bei Technologien im Zusammenhang mit höheren Energiestromdichten führend zu bleiben, zugunsten einer stark ideologisierten Bevorzugung „grüner“ alternativer Energiequellen mit einer sehr niedrigen Energiestromdichte.
Chinas technologische Revolution
China hingegen, das bereits begonnen hatte, die wissenschaftsfeindliche Ausrichtung der Kulturrevolution mit Deng Xiaopings Politik der Reform und Öffnung umzukehren, machte mit der Wirtschaftstheorie von Präsident Xi Jinping weitere qualitative Fortschritte. Nachdem China 850 Millionen (!) seiner eigenen Bevölkerung aus der Armut befreit hatte, begann es, das chinesische Entwicklungsmodell auch den Ländern des globalen Südens zugänglich zu machen, als es 2013 in Kasachstan die Politik der Neuen Seidenstraße einleitete.
In den elf Jahren, die seitdem vergangen sind, hat sich das größte Infrastrukturentwicklungsprojekt der Geschichte entfaltet, an dem mittlerweile 150 Länder teilnehmen, die darin eine Win-Win-Situation für sich selbst sehen, um ihre eigene Armut und Unterentwicklung zu überwinden.
In China wurde der Fokus auf eine schnelle Entwicklung mehr und mehr durch den Fokus auf eine qualitativ hochwertige Entwicklung ersetzt, die auf den Aufbau von Eigenständigkeit und Stärke in Wissenschaft und Technologie abzielt.
Laut dem Critical Technology Tracker des Australian Strategic Policy Institute ist China nun in 37 von 44 Technologien führend, die das ASPI beobachtet, darunter in den entscheidenden Bereichen Verteidigung, Raumfahrt, Robotik, Energie, Umwelt, Biotechnologie, künstliche Intelligenz, fortschrittliche Materialien und Schlüsselbereiche der Quantentechnologie. Es zeigt auch, daß bei einigen Technologien alle zehn weltweit führenden Forschungseinrichtungen in China ansässig sind und zusammen neunmal mehr hochkarätige Forschungsarbeiten hervorbringen als das zweitplatzierte Land.
Diese Schwerpunktsetzung wurde seit etwa Mitte 2023 von Xi Jinping beschleunigt, als er das Konzept der „Produktivkräfte neuer Qualität“ vorstellte, die „von neuen Theorien der Produktivkräfte geleitet“ werden sollten. Er fordert, daß „revolutionäre technologische Durchbrüche“ die Entstehung neuer Produktivkräfte von hoher Qualität beschleunigen sollten, die neue Industrien, neue Geschäftsmodelle und neue Wachstumstreiber hervorbringen, was alles zu einer „Explosion origineller und disruptiver Innovationen in Wissenschaft und Technologie“ führen wird.
Xi Jinping nennt es nicht so, aber wenn man sich das Ergebnis der „Explosion disruptiver Technologien“ ansieht, ist es sehr offensichtlich, daß er im Wesentlichen zu derselben Wirtschaftstheorie gelangt ist wie mein verstorbener Ehemann Lyndon LaRouche. LaRouches gesamte Methode basierte auf dem Verständnis, daß die Gesetze des physischen Universums anti-entropischer Natur sind und daß jeder qualitative Fortschritt bei der Entdeckung neuer universeller physikalischer Prinzipien notwendigerweise disruptiver Natur sein würde, was zu einer nichtlinearen Zunahme der Freiheitsgrade in den Auswirkungen der neuen Entdeckung führen würde.
Der Maßstab, ob eine solche neue Entdeckung für das langfristige Überleben der Menschheit nützlich wäre, war seine Vorstellung, daß sie zu einer höheren relativen potentiellen Bevölkerungsdichte führen müsse.
In seinem 1982 veröffentlichten Aufsatz „Was ist eine wirtschaftliche Stoßwelle“ schrieb er:
„Von diesem Standpunkt aus verachten wir die Behauptung, menschliches Wissen sei durch die Perfektionierung einer bestehenden technologischen Methode wiederholter, unveränderlicher Praxis gekennzeichnet. In dem Maße, in dem wir dieselbe Technologie lediglich rigoroser wiederholen, stirbt die Menschheit. Eine Null-Wachstumspolitik mit zunftähnlicher Praxis ist die Praxis einer Gesellschaft, der es an moralischer Überlebensfähigkeit mangelt. Wir müssen Vorstellungen über Wissen verachten, die sich auf die Messung wiederholbarer Handlungen beziehen.“
LaRouches gesamte wissenschaftliche Wirtschaftsmethode basierte auf der Tatsache, daß er die lineare, auf Euklid basierende Informationstheorie und Systemanalyse von John von Neumann und Norbert Wiener ablehnte und statt dessen die Riemannsche Geometrie, die in der Arbeit des großen Bernhard Riemann von 1859 „Über die Ausbreitung ebener Wellen endlicher Amplitude“ und anderen Schriften Riemanns vorgestellt wurde, auf die Analyse wirtschaftlicher Prozesse anwendete. Er betonte nachdrücklich, daß wir nicht in einem Universum leben, wie es von Theoretikern in der Tradition von Isaac Newton beschrieben wird, sondern in einem Universum, das nach hydrodynamischen Prinzipien organisiert ist.
Es ist eine Ironie der Geschichte, wenn man so will, daß in den beiden existentiellen Bereichen der Militärwissenschaft und der Wirtschaft jene Nationen, die die von LaRouche hervorgehobenen Prinzipien anwenden, sich als überlegen erweisen, während diejenigen, die an den Axiomen der euklidischen, aristotelischen und Newtonschen Anschauung festhalten, scheitern. Wäre es nicht an der Zeit, die erkenntnistheoretischen Gründe dafür zu untersuchen?
Wir stehen an einer Wegscheide
Wir stehen an einer Wegscheide für die Existenz der Menschheit. In der Ukraine geht es entweder um sofortige Friedensverhandlungen oder um die Eskalation zu einem nuklearen Flächenbrand. In Gaza wird die Menschheit vor einem Weltgericht beurteilt, und das Urteil ist verheerend. Wir lassen zu, daß ein Völkermord vor den Augen der Welt weitergeht! Der gesamte südwestliche Teil Asiens steht kurz davor, in Flammen aufzugehen. Südkorea, Georgien, Rumänien – sie alle sind Schauplatz des Kampfes der Weltmächte.
Wir stehen vor der moralischen Bewährungsprobe der Menschheit, um zu überleben. Entweder setzen wir ein neues Paradigma auf die Tagesordnung, das das Konzept der einen Menschheit in den Vordergrund stellt und nationale Interessen nur im Einklang mit den Interessen dieser einen Menschheit zuläßt, oder wir schaffen es als Gattung nicht.
Wir sollten die barbarischen Vorstellungen von Carl Schmitt ablehnen, der behauptete, das Wesen der Politik sei die Einteilung in Freunde und Feinde, und der törichterweise die politische Souveränität als die Macht ansah, „über die Ausnahme zu entscheiden“, wenn der Ausnahmezustand ausgerufen wird. Wir sollten die Vorstellung ablehnen, daß die Beziehungen zwischen den Nationen ein Nullsummenspiel sind, bei dem einer gewinnt und der andere verliert. Wir sind Menschen und keine wilden Tiere!
Der Ausweg aus dieser existentiellen Krise ist eigentlich ganz einfach: Wir müssen die Nationen des kollektiven Westens davon überzeugen, ihre eurozentrische Arroganz aufzugeben und statt dessen mit den Nationen des globalen Südens, die mit 85 % der Weltbevölkerung die globale Mehrheit darstellen, zusammenzuarbeiten, um eine gerechte neue Weltwirtschaftsordnung aufzubauen, die auf den fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz und der UN-Charta basiert.
Um dies zu erreichen, müssen wir endlich alle oligarchischen Axiome in unserem Denken aufgeben und sie durch die Philosophie der Coincidentia oppositorum, des Zusammentreffens der Gegensätze von Nikolaus von Kues, ersetzen, die es uns ermöglicht, die Menschheit als das Höhere, das eine höhere Macht als die Vielen darstellt, zu betrachten.
Wir müssen uns vom Geist von Beethovens 9. Symphonie leiten lassen, in der er die Ode an die Freude von Friedrich Schiller vertonte. „Alle Menschen werden Brüder“, denn das bedeutet es, Mensch zu sein.
Dmitri Trenin (Russland), Professor, Akademischer Leiter des Instituts für Weltmilitärwirtschaft und -strategie an der Hochschule für Wirtschaft (Moskau): „Die Abschreckung, die den Kalten Krieg ,kalt‘ hielt, funktioniert nicht mehr“
Dmitrij Trenin ist Akademischer Leiter des Instituts für Weltmilitärwirtschaft und -strategie an der Hochschule für Wirtschaft (Moskau).
Vielen Dank für die Einladung. Ich fühle mich sehr geehrt, zur Konferenz des Schiller-Instituts eingeladen zu sein. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, dem Institut und den dort tätigen Menschen zu ihrem 40-jährigen Jubiläum zu gratulieren.
Dr. Helga Zepp-LaRouche hat in ihrer brillanten Analyse der heutigen Lage eine sehr umfassende und detaillierte Analyse der aktuellen Entwicklungen in der Welt und der Gefahren, denen die Menschheit ausgesetzt ist, vorgelegt. Ich stimme ihrer Analyse voll und ganz zu und unterstütze ihren Aufruf, die drohende nukleare Katastrophe abzuwenden. In meinen eigenen Ausführungen werde ich versuchen, einige Elemente des allgemeineren Kontextes der Weltkrise zu liefern, wie ich sie von meinem Standort in Moskau aus sehe.
Wir müssen verstehen, an welchem Punkt wir uns befinden. Die vom Westen betriebene Globalisierung ist vorbei; das Weltsystem ist global geworden, aber es tendiert nicht mehr zur Vereinheitlichung nach westlichem Vorbild, statt dessen ist der Regionalismus auf dem Vormarsch. Wir befinden uns in einer Epoche des Übergangs, und Übergänge sind normalerweise von starken Turbulenzen, Krisen und Kriegen geprägt.
Wir befinden uns jedoch nicht im „Kalten Krieg II“, wie einige behaupten. Das ist eine falsche Bezeichnung. Die Analogie ist falsch, weil die Welt heute ganz anders ist als in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Es gibt mehr und vor allem neue Gefahren. Die Abschreckung im Stil des Kalten Krieges, die den Kalten Krieg kalt hielt, funktioniert nicht mehr, um größere Machtkonflikte, die zu einem direkten Zusammenstoß führen, zu verhindern. Die heilsame Angst vor Atomwaffen hat sich größtenteils verflüchtigt. Das Kräfteverhältnis, eine weitere Säule der strategischen Stabilität, hat sich verschoben und ist unausgewogen geworden.
Unkontrollierte und uneingeschränkte Macht, die für sich selbst keine Grenzen anerkennt, hat zur ersten globalen Hegemonie eines einzelnen Landes geführt. Innerhalb einer Generation hat diese Hegemonie – wie es kommen muß – begonnen, zu bröckeln und zu zerfallen. Versuche, sie jetzt zu retten, sind so gefährlich wie vergeblich.
Wir erleben es gerade in der Ukraine: Die verzweifelten Bemühungen der derzeitigen US-Regierung, einer gleichrangigen nuklearen Supermacht eine strategische Niederlage zuzufügen, sind ein typisches Beispiel. Da das Weiße Haus unter Biden das Ziel nicht erreichen kann, erhöht es in diesem Konflikt immer weiter den Einsatz, damit die Hegemonie der USA nicht als unvollständig und keineswegs unbesiegbar entlarvt wird.
Die Ukraine ist weder ein Einzelfall noch einzigartig, wie Dr. Zepp-LaRouche bereits erwähnt hat. Eine Konfrontation zwischen den USA und China, angeblich wegen Taiwan und/oder des Südchinesischen Meeres, droht immer mehr an Bedeutung zu gewinnen. Im Nahen Osten gibt es begründete Befürchtungen, daß die Biden-Regierung den gegenwärtigen Moment als Gelegenheit nutzen könnte, um zu versuchen, die nukleare Infrastruktur des Iran zu zerstören. Es gibt also mindestens drei große Konfliktherde, alle unter Beteiligung von Atommächten, die zu einem Weltkrieg führen können.
Ich mache mir wenig Illusionen darüber, daß sich dieser Trend vollständig und kurzfristig umkehren läßt. Veränderungen der Weltordnung sind von Natur aus chaotisch und in der Regel blutig. Es gibt jedoch Möglichkeiten, die Auswirkungen der aktuellen Weltkrise auf die Menschheit zu mildern. Das wichtigste wäre, daß die Vereinigten Staaten die Gefahren einer imperialen Überdehnung erkennen und anstelle der Sicherheitshegemonie des US-geführten globalen Systems die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten als oberste Priorität setzen.
Es ist sehr interessant und aufschlußreich, daß die derzeitige russische Führung trotz der lauten Rufe im Land, alle Ressourcen für den Krieg in der Ukraine zu mobilisieren, der als Verteidigung gegen die geopolitische Aggression der USA/NATO angesehen wird, der souveränen wirtschaftlichen, sozialen, technologischen und intellektuellen Entwicklung Vorrang einräumt und den Krieg als wichtigen Motor für dieses Ziel nutzt. Die russische Führung erinnert sich noch gut an die Lehren aus ihrer sowjetischen Vergangenheit, als sie so viel Geld für ihr weitverzweigtes Imperium und dessen militärischen, ideologischen und sicherheitspolitischen Apparat ausgab, daß sie die wachsenden innenpolitischen Probleme vernachlässigte und die riesigen, aber begrenzten Ressourcen fehlleitete. Das ist eine Lektion, die sich andere heute zu Herzen nehmen sollten.
Lassen Sie mich abschließend noch einmal dem Institut für die Einladung zu diesem Vortrag danken. Vielen Dank.
S.E. Donald Ramotar (Guyana), ehemaliger Präsident von Guyana: „Das Bewußtsein für die Atomkriegsgefahr hinkt weit hinter der tatsächlichen Gefahr her“
Donald Ramotar war Präsident von Guyana (2011-2015).
Genossen, unser Treffen findet in einer sehr komplexen Phase des Weltgeschehens statt. Es ist zweifellos eine der gefährlichsten Zeiten für die gesamte Menschheit. Während wir sprechen, werden in vielen Teilen der Welt Tausende in Kriegen getötet.
Es ist herzzerreißend, das offene Massaker am palästinensischen Volk in Gaza und im Westjordanland mitanzusehen. Es wird wahllos ein Völkermord begangen, bei dem Palästinenser getötet werden. Dies geschieht ungestraft. Die Opfer sind Kinder und Frauen im gebärfähigen Alter, etwa 70% der Getöteten fallen in diese Kategorie. Hunger ist zu einer Kriegswaffe geworden, und zivile Einrichtungen wie Schulen, Krankenhäuser, Wohnhäuser und alle anderen sozialen Infrastrukturen werden systematisch zerstört.
Ich fühle mich heute besonders geehrt, das Podium mit Naledi Pandor, der ehemaligen Außenministerin Südafrikas, zu teilen, die die Anklage ihres Landes gegen das rassistische Apartheid-Regime Israels vor dem Internationalen Gerichtshof leitete. Die Bemühungen von Genossin Pandor und die ihres Landes haben dazu beigetragen, die Seele unserer Menschlichkeit zu retten, und sie haben die Hoffnung auf eine bessere Zukunft geweckt.
Aber nicht nur die Palästinenser kämpfen um ihr Überleben. Das russische Volk und der russische Staat wurden in einen Kampf um seine Sicherheit und sein Recht auf ein Leben in Sicherheit und Frieden gezwungen. Seit 2014 versuchen die USA und ihre NATO-Verbündeten, sich über Rußland herzumachen, Rußland zu beherrschen und seinen sozioökonomischen Fortschritt zu verhindern. Seit Anfang der 1990er Jahre war es ihr Ziel, Rußland schwach und machtlos zu machen.
Dieser Kampf hat zu einer äußerst beängstigenden Situation geführt. Dies liegt daran, daß an dem militärischen Konflikt zwischen Rußland und der Ukraine mindestens vier Länder beteiligt sind, die im Besitz von Atomwaffen sind, deren Einsatz das Leben auf der Erde sehr wohl beenden kann.
Leider sind sich die meisten Menschen auf der Welt dieser großen Gefahr nicht wirklich bewußt. Tatsächlich hinkt das Bewußtsein für eine solche Katastrophe weit hinter der tatsächlichen Gefahr her.
Das liegt daran, daß die imperialistischen Mächte aus früheren Kriegen, an denen sie beteiligt waren, ihre Lehren gezogen haben, insbesondere aus dem Vietnamkrieg. Heute haben sie es geschafft, die Medien und damit die Verbreitung von Informationen zu kontrollieren. Nachrichten werden entweder vor den Menschen der Welt verborgen oder verdreht und verzerrt, um ein falsches Bewußtsein zu schaffen. In den großen Nachrichtenredaktionen werden Bilder von „Bösen und Guten“ hergestellt. Daher werden überall Menschen mit den Ansichten der Banker und der Hersteller von Massenvernichtungswaffen infiziert. Diese Leute machen mit Kriegen gigantische Gewinne.
Diese Kontrolle der Medien ist für die imperiale Vorherrschaft über unsere Welt von entscheidender Bedeutung.
Wie und warum sind wir an diesen Punkt gekommen?
Man könnte fragen: Wie und warum sind wir an diesen Punkt gekommen? Ich möchte hiermit versuchen, eine Antwort zu geben.
Wir leben in einer Zeit des Übergangs von einer unipolaren zu einer multipolaren Welt. Die Zeit, in der die USA die einzige militärische, wirtschaftliche und politische Supermacht waren, ist vorbei. Andere Länder, insbesondere Länder des Südens, beginnen sich zu rühren und sich aufzurichten.
Darüber hinaus hat Rußland, das Teil der mächtigen Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken war und sich Ende der 1980er und 1990er Jahre in großen Schwierigkeiten befand, einen Großteil seiner Probleme überwunden. Auch wenn sich sein sozioökonomisches System geändert hat, hat es einige der besten Prinzipien der UdSSR übernommen. Ich spreche hier von internationaler Solidarität und Freundschaft mit unterdrückten Völkern im globalen Süden.
Dies ist einer der Gründe, warum die USA versuchen, sein Wachstum zu verhindern, und warum so viel in diesem Teil unserer Welt darauf ausgerichtet ist, Rußland maximale Probleme zu bereiten. Dies ist einer der Gründe für die Ausweitung der NATO an ihre Grenzen.
Der andere Grund hat mit der ausbeuterischen Natur imperialistischer Mächte zu tun. Wie bereits erwähnt, erzielen sie durch Kriege enorme Gewinne. Die Aktienkurse der Waffenhersteller sind auf einem Allzeithoch. Das ist kein Geheimnis. Sie haben das rassistische israelische Regime und die Marionettenregierung in der Ukraine mit so vielen Waffen beliefert, daß der militärisch-industrielle Komplex Schwierigkeiten hat, die Lieferungen aufrechtzuerhalten. Dies führt zu sagenhaften Supergewinnen für die Händler des Todes.
Der andere Grund ist, die Ressourcen im Süden und in Osteuropa in die Finger zu bekommen. Der ultrarechte US-Senator Lindsey Graham hat sich zu diesem Thema klar geäußert. Im Fall der Ukraine erwähnte er die Bodenschätze des Landes, zu denen auch seltene Erden gehören, die für die Elektronikindustrie und natürlich für das Militär von großer Bedeutung sind und in der Ukraine in großen Mengen vorkommen.
Ein weiterer Köder in der Ukraine ist der fruchtbare Ackerboden, der die Ukraine zu einem wichtigen Land in der Lebensmittelindustrie macht. Wie Sie wissen, handelt es sich hierbei um eine überaus strategische Branche. Wie bekannt, hat der multinationale Konzern „Black Rock“ große Landstriche in der Ukraine aufgekauft.
Die USA und andere imperialistische Staaten wollen weiterhin wertvolle natürliche Ressourcen abbauen und billige Arbeitskräfte ausbeuten, um ihre Gewinne zu maximieren. Für sie ist es wichtig, den globalen Süden in unterentwickeltem Zustand zu halten, in neokolonialen Beziehungen.
Neue Art von Beziehungen
Diese imperialistische Denkweise erklärt einen Großteil der Haltung der USA gegenüber der Volksrepublik China.
Die Feindseligkeit gegenüber China nahm nach 2008 besonders stark zu, als die VR China eine wichtige Rolle dabei spielte, der internationalen Wirtschaft aus einer der schlimmsten Krisen der jüngeren Zeit herauszuhelfen. Chinas Ansehen in der Welt ist stetig gewachsen. An diesem Punkt scheinen die USA die Entscheidung getroffen zu haben, Chinas Entwicklung zu bremsen.
Im globalen Süden haben Chinas Beziehungen dazu geführt, daß es hoch angesehen ist, Vertrauen genießt und ein bevorzugter Partner für Geschäfte ist. Dies liegt daran, daß Chinas Politik gegenüber dem globalen Süden auf gegenseitigem Respekt, Solidarität und Freundschaft beruht.
Es ist erwähnenswert, daß China, als es selbst wohlhabend wurde, begann, den ärmsten Ländern im Süden zu helfen, jenen Ländern, die als bankrott und aus wirtschaftlicher Sicht als risikoreich galten. Viele dieser Länder mußten die demütigende Erfahrung machen, die Bedingungen des IWF und der Weltbank akzeptieren zu müssen, die ihren Status als Rohstoffquellen und billige Arbeitskräfte für den Norden reduzierten und festigten.
An dieser Stelle ist es wichtig zu erwähnen, daß der globale Süden immer noch ein Nettoexporteur von Kapital in den globalen Norden ist. Die Politik der Weltbank und des IWF besteht darin, sie in dauerhafter Armut zu halten, damit sie leicht ausgebeutet werden können. Die Schätzungen des Nettokapitaltransfers von den Entwicklungsländern in den Westen variieren, belaufen sich aber seit den 1960er Jahren auf mindestens zehn Billionen Dollar pro Jahrzehnt.
Chinas Zusammenarbeit mit dem globalen Süden ist das genaue Gegenteil. Sie basiert auf gegenseitigem Nutzen oder, wie die Chinesen es nennen, auf einer „Win-Win“-Beziehung.
Wichtige Infrastrukturen wie Straßen, Schienen, Brücken, See- und Flughäfen entstehen nun im Süden. Das Fehlen einer solchen lebenswichtigen Infrastruktur war einer der Gründe für die anhaltende Armut in den ehemaligen Kolonien.
Darüber hinaus trägt die VR China auch zum Aufbau von Humankapital bei. Neben der Erhöhung der Stipendien für Studierende in ärmeren Ländern unterstützt China den Aufbau sozialer Infrastrukturen wie Krankenhäuser, Schulen, Universitäten und Kulturhäuser in vielen Entwicklungsländern.
Diese Projekte ermöglichen es den Entwicklungsländern des Südens zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit in den 1950er und 1960er Jahren, eine gewisse wirtschaftliche Souveränität zu genießen. Die meisten Projekte, mit deren Bau China beauftragt wird, sind sehr transformativ. Dies ist mehr als alles andere die Ursache für die Feindseligkeit der USA gegenüber China.
Tatsächlich wird hier ein Gegensatz von Philosophie und Ideologie deutlich.
Einerseits will der Imperialismus auf Kosten des globalen Südens weiter expandieren und wachsen. Ich möchte an dieser Stelle anmerken, daß die starke imperialistische Macht nicht nur den schwächeren Süden ausbeutet, sondern auch ihre Juniorpartner. Wie sonst können wir erklären, was in Europa passiert, wo die Industrie immer weiter in die Vereinigten Staaten abwandert. Es herrscht eine Ellbogenmentalität.
Die Beziehungen Chinas basieren auf seinen eigenen traditionellen Prinzipien und seiner marxistischen Herangehensweise an die Welt. So steht beispielsweise das chinesische Sprichwort „Die steigende Flut hebt alle Boote an“ im Einklang mit dem marxistischen Prinzip der „internationalen Solidarität“.
Chinas Herangehensweise besteht darin, zu einer gerechteren und wohlhabenderen Welt beizutragen. Der Win-Win-Ansatz untermauert die neu entstandene Allianz BRICS. Sie gewinnt zunehmend an Attraktivität, da sie eine humanere Welt verspricht.
Gleichzeitig hat sie, wie ich bereits angemerkt habe, die Schattenseiten des imperialistischen Systems ans Licht gebracht, das in vielen Teilen der Welt zu Kriegen und Zerstörung geführt hat.
Die große Sorge heute ist, daß der Imperialismus zwar als System überholt ist, was sich an seinen Bemühungen zeigt, wissenschaftliche Entdeckungen zu unterdrücken, z. B. beim Streit um die Chip-Technologie, aber dennoch sehr stark und rücksichtslos ist, wie sich in Gaza und der Ukraine zeigt.
Wie können wir die Kriege stoppen?
Ich möchte daher vorschlagen, daß wir als progressive Kräfte in der Welt zunächst einmal überlegen, wie wir Kriege stoppen können.
Ich glaube, der erste Schritt besteht darin, eine starke Bewegung zur Abschaffung von Atomwaffen aufzubauen. Diese Waffen bedrohen die gesamte Menschheit. Ein Großteil dieser Waffen befindet sich in den Händen einer imperialen Führung, die im Laufe der Jahre viel an Qualität verloren hat und im Grunde zur Handlangerin der feindlichsten Kräfte der Welt geworden ist.
Gleichzeitig müssen wir unsere Anstrengungen verdoppeln, um das wirtschaftliche Wohlergehen aller Völker zu verbessern. In diesem Zusammenhang sollten wir den Westen dazu aufrufen, sich mit den BRICS-Staaten zusammenzuschließen, um gemeinsam der Armut und Ungleichheit in allen Teilen der Welt ein Ende zu setzen. Wenn der Westen sich einigen Initiativen wie der Neuen Seidenstraße anschließt, könnten wir das Ende der Armut noch zu unseren Lebzeiten erleben. Wir brauchen mehr Zusammenarbeit und weniger Konfrontationen.
Abschließend möchte ich sagen, daß wir, obwohl wir im Schatten schrecklicher Kriege leben, immer noch Hoffnung schöpfen können, daß ein neuer Tag möglich ist. Die enormen Fortschritte in allen Lebensbereichen, die China und andere BRICS-Staaten vorweisen, geben uns die Inspiration, unseren Kampf fortzusetzen. Wir müssen daran glauben, daß die Kriegstreiber aufgehalten werden können. Vielleicht sind das, was wir gerade erleben, nicht nur Tod und Zerstörung, sondern möglicherweise die Geburtswehen eines neuen Systems internationaler Beziehungen, das auf den Grundsätzen von Solidarität und Freundschaft beruht.
S.E. Ján Čarnogurský (Slowakei), ehemaliger Premierminister der Slowakei: Ein neuer und letzter Krieg – oder ein neues Paradigma der vereinten Menschheit?
Von Ján Čarnogurský,
ehemaliger Ministerpräsident der Slowakei (1991–1992)
Als der (erste) Kalte Krieg 1990 endete, traten der Osten und der Westen, genauer gesagt Rußland und die Vereinigten Staaten, mit gegensätzlichen Vorstellungen in ein neues Zeitalter ein.
Die vorherrschende Meinung unter der russischen Intelligenz war, daß nur der Kommunismus Rußland und den Westen trennte, und wenn der Kommunismus in Rußland fiele, würden sich beide Subzivilisationen in die Arme fallen und in Freundschaft und Zusammenarbeit leben.
Im Westen, insbesondere in den Vereinigten Staaten, herrschte eine andere Meinung vor. Sie betrachteten sich als Sieger des Kalten Krieges, als Weltmacht, die Globalisierung hatte begonnen und die NATO-Osterweiterung hatte begonnen. Im November 1990 unterzeichneten die ehemaligen Gegner des Warschauer Pakts und der NATO die Charta von Paris, in der sie Freundschaft und Zusammenarbeit versprachen, aber die ersten östlichen Staaten wurden bald in die NATO aufgenommen, obwohl die USA und Deutschland Gorbatschow 1990 versprochen hatten, daß die NATO nicht nach Osten expandieren würde.
Die Bombardierung Jugoslawiens ohne Zustimmung des UN-Sicherheitsrats im März 1999 führte zur Wahl von Wladimir Putin zum Präsidenten Rußlands, der sich nicht für eine sanfte Politik gegenüber dem Westen einsetzt. In den Vereinigten Staaten unterzeichnete Präsident George Bush sen. die Direktive Nr. 10, die besagt, daß die Vereinigten Staaten eine Politik verfolgen würden, die sicherstellt, daß in Zukunft kein Gegner entsteht, der der Macht der Vereinigten Staaten ebenbürtig ist. Das letzte freundliche Signal aus Rußland war Wladimir Putins Zustimmung im Oktober 2001, daß die Vereinigten Staaten für den Krieg, der gerade begann, um Osama bin Laden habhaft zu werden, Truppen und Waffen durch russisches Gebiet nach Afghanistan transportieren könnten.
Dann folgte Wladimir Putins Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2007, in der er erklärte, daß Rußland ähnliche Sicherheitsmaßnahmen gegen den Westen ergreifen werde, wie der Westen gegen Rußland. Der Westen schuf die politischen und militärischen Voraussetzungen für die Abspaltung des Kosovo von Serbien, obwohl die Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrats zum Ende des Krieges in Jugoslawien dies nicht zuließ.
Die Vereinigten Staaten gaben 2014 fünf Milliarden Dollar für einen Regimewechsel in der Ukraine aus. Rußland schuf im selben Jahr die politischen und machtpolitischen Voraussetzungen für die Abspaltung der Krim von der Ukraine und die Verteidigung eines Teils der Republiken Donezk und Luhansk gegen die Ukraine. Die Ukraine unterbrach die Trinkwasserzufuhr zur Halbinsel, und die USA begannen mit dem Bau ihrer Militärbasis in Otschakowo am Schwarzen Meer. Diese Entwicklungen führten zu Rußlands aktueller Militäroperation gegen die Ukraine.
Zu Beginn der Operation erklärte der EU-Kommissar für Außenbeziehungen, Joseph Borrell, das Ergebnis der Operation werde auf dem Schlachtfeld entschieden. Jetzt, da die russische Armee die ukrainische Armee zurückdrängt, die vom gesamten NATO-Block bewaffnet und unterstützt wird, werden im Westen Stimmen laut, daß der Krieg zumindest am Verhandlungstisch gestoppt werden sollte. Die Bedingungen solcher Verhandlungen, die in westlichen Medien erwähnt werden, sind jedoch völlig unrealistisch. Die Verhandlungen über Frieden oder zumindest einen Waffenstillstand in der Ukraine stoßen auf mehrere Hindernisse, die ich benennen möchte.
Rußland hegt tiefes Mißtrauen gegenüber dem Westen, insbesondere gegenüber den Vereinigten Staaten und Großbritannien, weil diese Rußland mehr als einmal betrogen haben. Sie versprachen Gorbatschow, daß die NATO sich nicht nach Osten ausdehnen würde, doch sie hat sich ausgedehnt. Deutschland, Polen und Frankreich garantierten die Minsker Abkommen von 2015, aber Angela Merkel gab offen zu, daß die Minsker Abkommen nur dazu dienten, der Ukraine Zeit zu verschaffen, sich zu bewaffnen.
Ebenso garantierten sie im Februar 2014 die Einhaltung des Abkommens zwischen den Demonstranten in Kiew und der Regierung Janukowitsch. Als die Demonstranten das Abkommen buchstäblich wenige Stunden, nachdem Janukowitsch es eingehalten hatte, brachen, besaßen die westlichen Garanten nicht einmal den moralischen Anstand, zumindest zuzugeben, daß die Demonstranten das Abkommen verletzt hatten. Ich persönlich war am meisten enttäuscht, daß selbst der derzeitige deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der auch einer der Bürgen war, nicht den Mut hatte, zuzugeben, daß das Abkommen verletzt worden war.
Im März 2022 paraphierten Rußland und die Ukraine in Istanbul ein Abkommen zur Beendigung des Krieges. Der britische Premierminister Boris Johnson flog sofort nach Kiew und übte Druck auf Präsident Selenskyj aus, das Abkommen aufzukündigen. Der schwache Selenskyj tat dies und machte es von Anfang an unmöglich, den Krieg zu beenden. Vor kurzem gab Boris Johnson in London öffentlich zu, daß der Krieg gegen die Ukraine ein Stellvertreterkrieg des Westens gegen Rußland ist.
Seitdem sind etwa eine halbe Million ukrainische Soldaten gestorben. Ich möchte nicht, daß Nationen im Osten für die egoistischen Interessen der Angelsachsen sterben.
Bis in das heutige Jahr reden die westlichen Medien ihren Lesern ein, die Ukraine werde den Krieg gegen Rußland gewinnen, weil der gesamte Westen sie unterstützt. Es stellte sich heraus, daß dies reine Propaganda war, schließlich war von Anfang an klar, daß die Ukraine keine Chance gegen ein dreimal so großes Rußland hatte. Wenn die NATO beschlösse, eigene Soldaten in die Ukraine zu schicken, würde die Slowakei ihre Soldaten nicht schicken. Die Mehrheit der Slowaken betrachtet Rußland nicht als ihren Feind, wie Meinungsumfragen amerikanischer Agenturen belegen.
Ich halte die Behauptung, Rußland würde im Falle einer Niederlage der Ukraine weiter nach Westen vordringen, für Propaganda. Rußland hat nicht die Kraft, weiter nach Westen vorzurücken. Außerdem hat es auch historische Erfahrungen. Während des Kalten Krieges reichte die Sowjetunion bis nach Mitteleuropa, aber es kam zu Aufständen in Ostdeutschland, Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei. Am Ende beschloß Gorbatschow, Mitteleuropa aufzugeben. Rußland müßte Mitteleuropa nicht mit Gewalt kontrollieren. Es muß nur sicherstellen, daß es dort keine Militärstützpunkte gegen Rußland gibt. Die mitteleuropäischen Staaten würden auch nicht als Schlachtfeld zwischen dem Westen und Rußland dienen wollen.
Die Vereinigten Staaten scheinen die Situation um Rußland am Ende der Amtszeit von Joe Biden absichtlich eskaliert zu haben. Aber Biden ist mental nicht mehr in der Lage, selbst auf der Grundlage der Analysen seiner Mitarbeiter über so ernste Fragen zu entscheiden, die auf dem Spiel stehen und die einen großen Weltkrieg auslösen könnten. Die derzeitige US-Politik scheint zu bestätigen, daß die Vereinigten Staaten nicht von einem gewählten Präsidenten regiert werden, sondern von einer Art Schattenregierung.
Die Vereinigten Staaten unterstützten 2014 den Sturz des ordnungsgemäß gewählten Präsidenten in der Ukraine, jetzt unterstützen sie Präsidentin Salome Surabischwili in Georgien, die nicht zugunsten eines ordnungsgemäß gewählten Präsidenten zurücktreten will. Es gibt zu viele Hinweise darauf, daß die Vereinigten Staaten an der Zerstörung der Nord-Stream-Gaspipeline in der Ostsee beteiligt waren. Die Vereinigten Staaten, unterstützt von Großbritannien und der gesamten NATO, sind derzeit der größte Zerstörer der demokratischen Ordnung in der Welt.
Die russischen Medien sind seit langem der Meinung, daß die westlichen Eliten intellektuell und moralisch verkommen sind. Es ist schwierig, mit solchen Eliten ernsthafte Verhandlungen zu führen und sich vor allem darauf zu verlassen, daß sie die getroffenen Vereinbarungen einhalten. Wie kann man Respekt vor westlichen Politikern haben, die intellektuell nicht in der Lage waren, die strategische Lage auf dem ukrainischen Schlachtfeld richtig einzuschätzen? Die nicht den politischen Mut haben, die Ergebnisse der Untersuchung der Explosionen auf der Nord-Stream-Gaspipeline zu veröffentlichen? Die Gesetze verabschieden, die die Redefreiheit in Ländern der Europäischen Union einschränken? Die sich nicht trauen, den Anweisungen der Schattenregierung zu trotzen?
Im Vergleich dazu fällt mir ein, daß Henry Kissinger als US-Außenminister unter Präsident Richard Nixon dem sowjetischen Gesandten einen bevorzugten Parkplatz im Außenministerium sicherte, weil Parkplätze schon damals ein Problem waren.
Wenn die Bewohner Mitteleuropas die Nachrichten über den Krieg in der Ukraine hören, fragen sie sich, warum der Westen, insbesondere die Vereinigten Staaten, bereit sind, so viel in den Krieg auf ukrainischer Seite zu investieren. 1938 waren Frankreich und Großbritannien überhaupt nicht bereit, sich an der Seite der Tschechoslowakei gegen Hitler zu stellen, und zwangen die Tschechoslowakei, Hitlers Bedingungen zu akzeptieren, obwohl wir Bündnisverträge mit Frankreich und Großbritannien hatten. Im September 1939 genauso gegenüber Polen: Man war nur bereit, einen „Sitzkrieg“ gegen Deutschland zu beginnen.
Eine Erklärung wurde vom US-Senator Lindsey Graham gegeben. Er berechnete, wieviel Reichtum der Westen aus den Bodenschätzen der Ukraine gewinnen könnte. Die zweite Erklärung ist geopolitischer Natur. Der Westen muß zuerst Rußland besiegen, um dann China angreifen zu können. Aber sowohl Rußland als auch China wissen das.
Noch eine Randbemerkung. Die gesamte militärische und finanzielle Hilfe des Westens für die Ukraine wird in Form von Darlehen gewährt. Die Ukraine wäre nicht in hundert Jahren in der Lage, die Darlehen zurückzuzahlen. Wenn die Ukraine jedoch den Krieg verliert und dann ein Nachfolgestaat in einer anderen Rechtsform fortbestehen würde, wären alle Darlehen an die derzeitige Ukraine nur noch ein Stück Papier.
Alle genannten Probleme würden sich vereinfachen, wenn der Westen den Krieg in der Ukraine verlieren würde.
Prof. Zhang Weiwei (China), Professor für Internationale Beziehungen, Fudan Universität, China: Drei Strukturen und ein Schlüsselfaktor
Zhang Weiwei ist Professor für Internationale Beziehungen an der Fudan Universität in China.
Vielen Dank, Frau Helga Zepp-LaRouche, für Ihre freundliche Einladung, auf dieser wichtigen Konferenz zum 40-jährigen Jubiläum des Schiller-Instituts zu sprechen. Sie haben in den letzten Jahrzehnten so viel für die Förderung des Friedens durch Entwicklung und den Dialog zwischen den Zivilisationen getan.
Tatsächlich ist die Welt mit vielen Krisen und Herausforderungen konfrontiert. Nichts beschreibt die allgemeine Stimmung heute besser als der Bericht der Münchner Sicherheitskonferenz für das Jahr 2024 mit dem Titel „Lose-Lose“, der darauf hindeutet, daß der Optimismus nach dem Kalten Krieg in Bezug auf Sicherheit und Entwicklung verflogen ist und ein Großteil der Welt mit einer Situation konfrontiert ist, in der alle verlieren. Gibt es eine Möglichkeit, eine Win-Win-Situation für alle zu erreichen, statt einer Lose-Lose-Situation für alle? Ich möchte mit dieser kurzen Präsentation einen Vergleich zwischen Europas „Lose-Lose-Wegen“ und aus meiner Sicht Asiens „Win-Win-Wegen“ ziehen, um hoffentlich etwas Licht in dieses äußerst wichtige Thema zu bringen, mit dem die Menschheit heute konfrontiert ist.
Was Europa betrifft, so hat die Ukraine-Krise so viel menschliches Leid und Zerstörung sowie tiefe Ängste in ganz Europa verursacht; von Inflation bis hin zu Migration, von Energiekrisen bis hin zu wirtschaftlichen Rezessionen und mehr. Und vor allem der Verlust des Friedens für Europa; selbst die Aussicht auf einen Atomkrieg ist für viele Menschen in Europa heute eine realistische und beunruhigende Sorge.
Im Gegensatz dazu, was Asien betrifft – insbesondere den von mir so genannten China-ASEAN-Raum mit 2 Milliarden Menschen, was der dreifachen Bevölkerung Europas entspricht: Dieser Raum genießt seit fast fünf Jahrzehnten Frieden, Entwicklung und Wohlstand. Eine bemerkenswerte Win-Win-Situation in der heutigen Weltgeschichte.
Angesichts der Lose-Lose-Szenarien, mit denen ein Großteil Europas heute konfrontiert ist, kann man zumindest aus chinesischer Sicht nur eine einfache, ehrliche Frage stellen: Ob China und der China-ASEAN-Raum richtig gehandelt haben und, wenn man dies auf Europa überträgt, wo es möglicherweise falsch gelaufen ist, und daraus einige Lehren für die Welt als Ganzes zu ziehen?
Meiner Meinung nach ist dieser China-ASEAN-Raum, ihr Win-Win-Ergebnis, auf das zurückzuführen, was ich 3 + 1 nenne, oder drei Strukturen plus einen Schlüsselfaktor. Nämlich eine Entwicklungsstruktur, eine politische Sicherheitsstruktur und eine kulturelle zivilisatorische Struktur; und einen Faktor, den China-Faktor.
Drei Strukturen
Lassen Sie mich mit der Entwicklungsstruktur beginnen. Anders als in Europa, dessen Wirtschaftsstruktur stark politisiert ist, hat die Entwicklung an sich im China-ASEAN-Raum oberste Priorität, da sie als unabdingbare Voraussetzung für Stabilität, Sicherheit und Entwicklung angesehen wird. Zu dieser Entwicklungsstruktur gehören die gut institutionalisierte China-ASEAN-Freihandelszone und RCEP (Regional Comprehensive Economic Partnership), die weltweit größte Freihandelszone im Rahmen der von China geführten Belt and Road Initiative (BRI) und vieles mehr. Dieser Raum ist mittlerweile zu einem Epizentrum des Weltwirtschaftswachstums geworden. China allein trägt seit fast einem Jahrzehnt mehr als 30% zum Weltwirtschaftswachstum bei. Europa ist das erste Land der Welt, das mit viel Getöse einen Green Deal verkündet hat; doch wie viele Menschen erinnern sich noch daran, daß China seinen Green Deal im Gegensatz dazu innerhalb eines Jahrzehnts durch seine eigene bodenständige Entwicklungsmethode abgeschlossen hat. Und ASEAN ist sein wichtigster externer Nutznießer. Bill Clinton könnte also Recht haben, wenn er sagt: „Es geht um die Wirtschaft, Dummkopf!“
Zweitens die politische Sicherheitsstruktur. ASEAN hat das berühmte ASEAN-Zentralitätsprinzip etabliert, das eine bündnisfreie Haltung beibehält, sich nicht auf eine Seite schlägt, die regionale Integration aktiv fördert und eine Reihe von Dialogmechanismen für Großmächte wie 10+1, 10+3, 10+8 und mehr schafft. Ebenso unterstützt China, das selbst äußerst unabhängig ist, nachdrücklich das Prinzip der zentralen Bedeutung der ASEAN. China war das erste Land, das dem Vertrag über Freundschaft und Zusammenarbeit in Südostasien beitrat, um eine strategische Partnerschaft zu begründen, und das das Protokoll des Vertrags über die kernwaffenfreie Zone Südostasiens unterzeichnete.
Drittens die kulturelle Zivilisationsstruktur. China und ASEAN sind beide der Schönheit verpflichtet; die China-ASEAN-Gemeinschaft des gemeinsamen Schicksals mit Schwerpunkt auf kulturellem und zivilisatorischem Austausch über das, was als ASEAN- oder asiatische Weisheit bezeichnet wird, einschließlich strategischer Geduld, Verhandlungslösungen für territoriale und andere Streitigkeiten, das Gesetz der informellen Diplomatie, zwei Schritte vorwärts, einen zurück, unter Einhaltung der fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz – gegenseitiger Respekt für territoriale Integrität und Souveränität und Nichtangriff, Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten des jeweils anderen, Gleichheit und gegenseitiger Nutzen und friedliche Koexistenz. Diese Region – Asien plus ASEAN, China plus ASEAN – lehnt die sogenannte liberale Hegemonie oder die Expansion der NATO nach Asien in jeglicher Form kategorisch ab.
Dank der drei Strukturen hat sich Südostasien, das oft als Balkan Asiens bezeichnet wird, mit all seiner Vielfalt in Bezug auf Rasse, Ethnizität, Ideologie und politische Systeme und mit dem sogenannten Fluch der Geographie, zu einem Segen der Geographie entwickelt. Dieser positive Trend weitet sich nun auch auf Zentralasien aus, und auch hier wird der sogenannte Fluch der Geographie dank der BRI in einen Segen der Geographie verwandelt, da diese Binnenregion nun an das Festland angebunden ist und zu einer unverzichtbaren Brücke zwischen Asien und Europa wird.
Infolgedessen verwandelt sich das geopolitische Dilemma, das in diesem Raum seit Jahrhunderten besteht, nun in eine Art neue Geo-Zivilisation. Anstatt sich gegenseitig auszuspielen, teilen die Menschen hier mehr von der chinesischen BRI-Philosophie, d. h. gemeinsam diskutieren, gemeinsam aufbauen und gemeinsam profitieren.
In diesem Zusammenhang kann man die drei globalen Initiativen des chinesischen Staatschefs Xi Jinping für Entwicklung, Sicherheit und Zivilisation besser verstehen, die auf den erfolgreichen Erfahrungen Chinas, der ASEAN und anderer basieren und viele andere Länder und Völker inspirieren werden.
Der Schlüsselfaktor: China
Was den einen Schlüsselfaktor betrifft, den wir in Anlehnung an die NATO als „entscheidenden Ermöglicher“ bezeichnen, so ist dies nicht im Sinne der NATO zu verstehen, die China beschuldigt, der entscheidende Ermöglicher der Ukraine-Krise zu sein, was lächerlich und unsinnig ist. Sondern im Sinne von China als entscheidendem Ermöglicher einer Win-Win-Situation für den China-ASEAN-Raum und darüber hinaus.
Hier möchte ich einen kurzen Vergleich zwischen China und den Vereinigten Staaten anstellen und ihre unterschiedlichen Denk- und Verhaltensweisen als Großmächte aufzeigen.
Erstens behandeln die USA andere Länder entweder als Freund oder als Feind, während China, das schon viel länger ein zivilisierter Staat ist, andere als Freund oder potentiellen Freund betrachtet.
Zweitens hat China nicht die messianische Tradition, andere zu bekehren, oder eine militaristische Tradition der Eroberung, wie die Vereinigten Staaten oder die früheren europäischen Mächte. Das Fehlen von Religionskriegen in der langen Geschichte Chinas war eine Inspirationsquelle für viele europäische Aufklärer wie Voltaire, Leibniz und Spinoza.
Es erinnerte mich an meine Debatte mit Professor Fukuyama, dem Autor der These vom Ende der Geschichte. Die Debatte fand im Arabischen Frühling 2011 auf Haiti statt. Er sagte voraus, daß China seine eigene Version des Arabischen Frühlings erleben würde. Ich sagte: „Keine Chance; und der Arabische Frühling wird bald zum Arabischen Winter werden.“ Tatsächlich wurde er bald zum Arabischen Winter, und wenn Europa das Konzept chinesischer Gelehrter wie mich beherzigt hätte, hätte Europa vielleicht diese tragische Flüchtlingskrise, die Krise der menschlichen Migration, vermeiden können.
Drittens hat China von allen Großmächten die höchste Schwelle für den Einsatz von Gewalt. Dies ist eine große Tradition aus der Antike Chinas, aus der Zeit von Sun vor 2500 Jahren. Als China 1964 seinen ersten Nuklearsprengsatz testete, erklärte China, daß es niemals als erstes Land Atomwaffen einsetzen werde; ebensowenig würde es Atomwaffen gegen Nicht-Atomwaffenstaaten einsetzen. Wenn alle Nuklearmächte China nacheifern, besteht keine Gefahr eines Atomkriegs auf der Welt.
Ein zivilisierter Staat ist jedoch in erster Linie ein moderner Staat mit starken Verteidigungsfähigkeiten. China hat sehr klare rote Linien, die kein anderes Land überschreiten darf. Während des Kalten Krieges gab es keine heißen Kriege zwischen den Vereinigten Staaten und der UdSSR. Leider gab es jedoch zwei heiße Kriege zwischen China und den Vereinigten Staaten – den Koreakrieg in den 1950er Jahren und den Vietnamkrieg in den 1960er und 1970er Jahren. Vor nicht allzu langer Zeit hat China seine Interkontinentalrakete getestet, um diesen schießwütigen Kriegstreibern eine deutliche Warnung zu senden.
Ich selbst habe vor langer Zeit ein Konzept namens „Mutually Assured Prosperity“ (gegenseitig zugesicherte Prosperität, MAP) für die chinesisch-amerikanischen Beziehungen entwickelt, um das veraltete Konzept des Kalten Krieges der „Mutually Assured Destruction“ (gegenseitig zugesicherte Zerstörung, MAD) zu ersetzen. Jetzt haben wir alle Voraussetzungen dafür.
Viertens hat China eine globale Vision für die Welt, die sich stark von der der Vereinigten Staaten unterscheidet. China steht für „vereinen und gedeihen“ und nicht für „teilen und zerstören“. China steht für eine menschliche Gemeinschaft und lehnt die amerikanische Philosophie „Entweder am Tisch oder auf der Speisekarte“ kategorisch ab.
Das Schiller-Institut hat viele großartige Projekte wie den Oasen-Plan für den Nahen Osten ins Leben gerufen, um unter anderem viele Krisen wie die der illegalen Flüchtlinge zu überwinden. Technologisch gesehen beherrscht China heute eine ganze Reihe grüner Technologien, um Wüsten für die Erzeugung erneuerbarer Energien zum Nutzen der Menschheit zu nutzen.
Aber es ist notwendig, daß die betroffenen Regionen genügend politischen Willen entwickeln, um einen sinnvollen Frieden und eine sinnvolle Entwicklung zu erreichen. Oder noch besser, um Mechanismen zu entwickeln, die den drei Entwicklungsstrukturen ähneln, die ich gerade für China-ASEAN für Entwicklung, politische Sicherheit und kulturelle zivilisatorische Dialoge beschrieben habe. Und für diesen einen entscheidenden Faktor, nämlich die Vision und Unterstützung durch eine oder zwei Großmächte, ist es von entscheidender Bedeutung, daß diese Art von Projekten erfolgreich ist.
Ich weiß, daß dies alles andere als einfach ist, aber ich bin zuversichtlich, daß diese großartige Vision, die für die Menschheit besser ist, eines Tages Wirklichkeit wird. Mit diesem optimistischen Gedanken beende ich meine heutige Rede. Nochmals vielen Dank für Ihre Geduld. Vielen Dank.
Botschafter Chas W. Freeman, Jr. (USA), ehemaliger stellvertretender US-Verteidigungsminister für internationale Sicherheitsangelegenheiten, 1993–1994: „Es gibt keine von der Diplomatie unterstützte Vision für den Frieden“
Chas W. Freeman war stellvertretender US-Verteidigungsminister für internationale Sicherheitsangelegenheiten (1993–1994).
Ich stehe als Amerikaner vor Ihnen. Mir ist sehr bewußt, daß das jüngste Verhalten meines Landes es seine moralische Autorität gekostet und einen Großteil der Welt gegen es aufgebracht hat. Einige amerikanische Reisende geben sich bereits als Kanadier aus, um der Schmach zu entgehen. Zu Hause in Amerika sucht die Mehrheit Trost und Sicherheit in der Verleugnung oder im vorsichtigen Schweigen. Wir leben in einer Welt, in der es wichtiger zu sein scheint, wer etwas sagt, als was gesagt wird. Aber jede Aussage, die nicht mit der offiziellen Darstellung übereinstimmt, wird sofort als „Desinformation“ gebrandmarkt – ihr wird keine Beachtung geschenkt und sie wird aus den öffentlichen Aufzeichnungen gelöscht.
Unter diesen Umständen gibt es eindeutig Anlaß zu Selbsttäuschung und politischer Feigheit – was man als „Vogel-Strauß-Politik“ bezeichnen könnte. Aber die Realität ist unveränderlich da draußen, ob wir sie anerkennen oder nicht. Nichts zu sagen und nichts zu tun, kann und wird die Risiken der gegenwärtigen globalen Krisen nicht mindern. Aber die Initiative zu ergreifen, ist unerläßlich, wenn wir und unsere Gattung in Frieden überleben und gedeihen wollen.
Die menschliche Gattung hat sich noch nie einer so großen Gefahr ausgesetzt wie jetzt. Wenn der Klimawandel unseren Planeten nicht unbewohnbar macht, könnten mehrere drohende Atomkriege genau das erreichen.
In der bipolaren Weltordnung des Kalten Krieges erinnerte die Kubakrise alle an die Risiken, die ein nuklearer Schlagabtausch für die menschliche Existenz mit sich bringen würde. Danach beschlossen die Staats- und Regierungschefs in Moskau und Washington, einen Krieg zu vermeiden, der auf nuklearer Ebene eskalieren könnte. In den letzten Phasen des Kalten Krieges schlossen kooperative Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und China jeden Gedanken an einen nuklearen Schlagabtausch zwischen den beiden aus. Indien und Pakistan – ein weiteres nukleares Zweigespann – zeigten, daß Atommächte gegeneinander kämpfen können, ohne unbedingt auf nuklearer Ebene zu eskalieren. Aber die Welt hat sich verändert und die „nukleare Allergie“, die zur Vorsicht veranlaßte, ist nicht mehr das, was sie einmal war.
Die humane Weltordnung, die die Sieger des Zweiten Weltkriegs anstrebten, ist nicht mehr aktuell. Schwerwiegende Verstöße gegen das Völkerrecht – Invasionen, Völkermorde, Gebietserweiterungen, grobe Menschenrechtsverletzungen – finden nun ungestraft statt. In der einseitig festgelegten „regelbasierten Ordnung“, die das Völkerrecht und den Respekt ablösen, tun die Starken wieder, was sie können, während die Schwachen leiden. Die Aussage, daß ein Atomkrieg nicht zu gewinnen ist und niemals geführt werden darf, wurde beiseite geschoben, da alle neun Atommächte neue Sprengköpfe und Trägersysteme einführen und ihre gegenseitigen Drohungen eskalieren.
Die Gefahr eines Atomkriegs zwischen der Russischen Föderation und dem gesamten Westen ist aufgrund von Unachtsamkeit zu einer drohenden Möglichkeit geworden. China und die Vereinigten Staaten bereiten sich jeweils auf einen Krieg um Taiwan vor, von dem beide Länder wissen, daß er nuklear werden könnte. Nordkorea verspricht, auf einen versuchten Regimewechsel mit einem Atomangriff auf die Vereinigten Staaten zu reagieren. Israel strebt einen Krieg an, um den Iran als Gegenmaßnahme zu seiner völkermörderischen Politik und territorialen Expansion zu eliminieren, und schließt den Einsatz seines nuklearen Arsenals nicht aus, um dies zu erreichen.
Das Fehlen wirksamer Kommunikationsmittel zwischen den Atommächten erhöht das Risiko. Wichtige Rüstungskontrollabkommen sind ausgelaufen oder wurden aufgegeben. Niemand versucht, sie zu ersetzen. Es gibt derzeit keine funktionierenden Mechanismen zur Eskalationskontrolle zwischen atomar bewaffneten Kriegsparteien. Ein diplomatischer Dialog zwischen den großen Atommächten findet nur selten oder gar nicht statt.
In seinen vier Jahren als Außenminister hat Antony Blinken Moskau kein einziges Mal besucht. Der russische Außenminister Lawrow wurde zuletzt vor fünf Jahren in Washington empfangen. Anstatt einander zuzuhören, tauschen Washington und Peking unnütze kämpferische Standpunkte aus. Israel und der Iran haben Washington, Moskau und Peking bei der gegenseitigen Dämonisierung und Ächtung übertroffen. Da es keine von der Diplomatie unterstützte Vision für den Frieden gibt, schreitet die weitere Eskalation in der Ukraine, in Westasien, in der Taiwanstraße und in Korea unvermindert voran.
Die Ukraine hat sich tapfer gegen eine Invasion durch Rußland gewehrt, aber jetzt den Krieg eindeutig verloren. Sie ist militärisch erschöpft. Der Krieg hat ihre Infrastruktur verwüstet und ihre Wirtschaft ruiniert. Rußland nimmt immer mehr von ihrem Territorium ein. Die Ukraine ist entvölkert. Der Westen besteht weiterhin darauf, daß sie Rußland bis zum letzten Ukrainer bekämpft. Aber die verbliebenen Ukrainer brauchen Frieden, keinen Krieg.
Um den Krieg ohne weitere Verluste zu beenden, muß die Ukraine zu den „unannehmbaren“ russischen Bedingungen zurückkehren, denen sie vor zweieinhalb Jahren in Istanbul zugestimmt hat. Weder der Westen noch die Ukraine haben realistische Alternativen vorgeschlagen. Statt dessen haben beide Rußland Ziele unterstellt, die es nie vertreten hat und die es auch nicht erreichen kann – nämlich die Eroberung der gesamten Ukraine als ersten Schritt zur Eroberung ganz Europas. Dies ist Propaganda, die die europäische Unterstützung für die „Schwächung und Isolierung Rußlands“ stärken soll – eine Panikmache, die auf unbegründeten Vermutungen beruht, die durch die Paranoia des Kalten Krieges angeheizt wurden.
Die Bedingungen Moskaus für Frieden in der Ukraine und in Europa sind kein Geheimnis. Sie wurden in der Forderung nach Verhandlungen vom Dezember 2021 klar dargelegt. Die russische Position war keine Überraschung. Moskau hatte sie erstmals 1994 geäußert. Aber die Weigerung des Westens, angesichts eines klaren Ultimatums zu verhandeln, überraschte Moskau. Dies löste zwei Monate später die sogenannte „besondere Militäroperation“ in der Ukraine aus.
Die erklärten Ziele Rußlands in der Ukraine sind:
- „Entnazifizierung“ und „Entmilitarisierung“ – ein Ende der Verfolgung von Russen und anderen Minderheiten in der Ukraine und ein Ende der Sicherheitsbedrohungen für Rußland, die von der Ukraine ausgehen.
- Die Wiederherstellung des neutralen, blockfreien Status, in dem die Ukraine entstanden ist.
- Verhandlungen mit den USA und anderen Ländern über die Schaffung einer europäischen Sicherheitsarchitektur, die die Interessen sowohl Rußlands als auch des Westens berücksichtigt.
Die ersten beiden Ziele entsprechen den Bestimmungen des österreichischen Staatsvertrags von 1955. Dieser beendete die Besetzung dieses Teils des ehemaligen Dritten Reiches durch britische, französische, sowjetische und US-amerikanische Streitkräfte. Er schuf einen unabhängigen, neutralen österreichischen Staat, in dem die sprachlichen und kulturellen Rechte von Minderheiten international garantiert wurden. Es wurde eine solide Grundlage für die heutige prosperierende österreichische Demokratie geschaffen. Es wurde ein Präzedenzfall geschaffen, auf dem eine neutrale, unabhängige und demokratische Ukraine aufgebaut werden könnte.
Eine solche Ukraine wäre sowohl ein Puffer als auch eine Brücke zwischen Rußland und dem Rest Europas. Der EU-Beitrittsprozeß könnte viele der aktuellen Mißstände der Ukraine heilen – darunter auch die notorische Korruption. Bemerkenswert ist, daß Rußland nie Einwände gegen die Idee eines Beitritts der Ukraine zur Europäischen Union erhoben hat.
Die Partnerschaft für den Frieden, der Rußland im Juni 1994 beitrat, hat das Potential, ein kooperatives Sicherheitssystem für Europa zu werden, das von der NATO unterstützt wird. Die europäische Geschichte vor dem Kalten Krieg zeigt, daß Europa ohne die Beteiligung Rußlands an der Verwaltung von Frieden und Sicherheit nicht stabil sein kann.
Angesichts der Ablehnung der Minsker Abkommen durch Kiew und des Blutes, das Rußland vergossen hat, um die russischsprachige Bevölkerung in den offiziell annektierten Gebieten zu schützen, erwartet Moskau, diese Gebiete zu behalten. Es besteht kaum Zweifel daran, daß dies dem Willen der Einwohner entspricht. Rußland muß jedoch die Bedenken des Westens hinsichtlich seiner strategischen Absichten zerstreuen. Dies ist eine Voraussetzung für die Erreichung eines stabilen Friedens in Europa. Rußland sollte, so widerwillig es auch sein mag, in Erwägung ziehen, international überwachte Referenden in den von ihm besetzten Teilen der Ukraine zuzulassen.
In der Ukraine wie auch im Koreakonflikt werden die Verhandlungen wahrscheinlich erst nach einem Ende der Kämpfe stattfinden. Ein Waffenstillstand nach koreanischem Vorbild würde die Spannungen und Feindseligkeiten aufrechterhalten, anstatt einen ukrainischen Frieden zu schaffen, auf dem ein umfassenderer europäischer Frieden aufbauen kann. Ukrainer und Russen müssen Grenzen festlegen, die ihnen in Zukunft ein friedliches Zusammenleben ermöglichen.
Wie im Westfälischen Frieden werden die Verhandlungen komplex sein, Zeit in Anspruch nehmen und Gespräche in verschiedenen Foren mit unterschiedlichen Teilnehmern beinhalten. Doch so schwierig sie auch sein mögen, Verhandlungslösungen für die Ukraine und ein neues europäisches Sicherheitssystem sind überfällig und dringend erforderlich.
Ich hätte noch mehr zu sagen, aber meine Zeit ist um.
Vielen Dank.
Scott Ritter (U.S.), ehemaliger UN-Waffeninspektor im Irak: „Die Atomwaffen liegen jetzt auf dem Tisch“
Scott Ritter war Offizier der US-Marines und Waffeninspekteur der Vereinten Nationen.
Hallo, mein Name ist Scott Ritter. Helga Zepp-LaRouche hat mich um ein Video-Statement gebeten, weil ich nicht direkt an dieser sehr wichtigen Konferenz über internationale Sicherheit teilnehmen kann.
Mein Thema heute ist ein möglicher Atomkonflikt zwischen Rußland und den Vereinigten Staaten. Ich sage schon seit einiger Zeit, daß ich das nicht nur für möglich halte, sondern angesichts der Verschlechterung der Beziehungen zwischen den USA und Rußland, insbesondere im Zusammenhang mit der Ukraine, zunehmend für wahrscheinlich halte.
Ich glaube auch, die Lage rechtfertigt es, von einer existentiellen Bedrohung für das Überleben nicht nur der Vereinigten Staaten und Rußlands, sondern der ganzen Welt zu sprechen, im Gegensatz zu öffentlichen Spekulationen oder Äußerungen amerikanischer Offizieller – insbesondere Konteradmiral Thomas Buchanan, Planungsdirektor des Strategischen Kommandos, das für die Atomwaffenarsenale der USA und die Vorbereitung ihres Einsatzes im Kriegsfall verantwortlich ist –, daß es einen begrenzten Atomkrieg geben könnte, daß man die Zerstörung und die geopolitischen und anderen Folgen eines Atomkriegs irgendwie begrenzen kann. Ich bin überzeugt, daß ein Atomkrieg das Ende der Menschheit, wie wir sie heute kennen, zur Folge hätte und im Endeffekt die Existenz moderner Nationalstaaten wie der Vereinigten Staaten und Rußlands unmöglich machen würde. Daher kann man mit Fug und Recht behaupten, daß die Lage, in der wir heute sind, vielleicht die gefährlichste ist, die die Welt im Atomzeitalter erlebt hat.
Nun mögen einige sagen: „Moment mal! Wir sind doch nicht in der Kubakrise.“ Dazu möchte ich auf ein paar Dinge hinweisen. Erstens war die Kubakrise eine sehr gefährliche Situation, die Geschichte beurteilt sie mit Recht so. Aber die Größe der Atomwaffenarsenale der USA und der damaligen Sowjetunion verblaßt im Vergleich zu den Arsenalen heute. Die Zerstörungskraft ist heute viel größer; mehr als je zuvor läßt sich diese Zerstörungskraft mit großer Präzision auf Ziele in der ganzen Welt richten.
Kommunikationskanäle fehlen
Außerdem gab es damals direkte Kommunikation zwischen den USA und der Sowjetunion. Präsident John F. Kennedy konnte direkt und indirekt mit Nikita Chruschtschow kommunizieren, dem Ersten Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion. Außerdem trafen sich sowjetische Botschafter mit der amerikanischen Führung und US-Botschafter mit der sowjetischen Führung. Es gab einen wichtigen, funktionsfähigen Hintergrundkanal, der viel zur Erleichterung der Kommunikation betrug. Durch diese Kommunikation fand man eine Kompromißlösung, die die Atomkriegsgefahr beendete.
Heute gibt es keine sinnvolle Kommunikation zwischen der Regierung Biden und der Regierung von Präsident Wladimir Putin in Rußland. Nicht etwa, weil Rußland keine Kommunikation wünscht. US-Außenminister Antony Blinken hat das Außenministerium angewiesen, keine Kommunikation mit seinen russischen Kollegen zu führen. Das Verteidigungsministerium erteilte ähnliche Anweisungen für seine Verteidigungsattachés und Militärexperten.
Es gibt eine Handvoll Ausnahmen: Kanäle zur Konfliktvermeidung in Syrien und gelegentliche direkte Gespräche zwischen hochrangigen amerikanischen Militärs mit ihren russischen Kollegen. Aber nichts davon reicht auch nur im Entferntesten an das Niveau der Koordination während der Kubakrise heran.
Ohne eine solche Verbindung, ohne Kommunikation, ohne Möglichkeit einer Kompromißlösung – was bedeutet das für die Wahrscheinlichkeit von Mißverständnissen, Fehlern und Fehleinschätzungen? Für das eine ist sie geringer – eine Lösung – und für das andere exponentiell größer – nämlich für einen Fehler, eine Fehlkalkulation. Bei einem Irrtum im Zusammenhang mit einem Atomkrieg geht es um das Ende der Welt.
Wir haben heute eine Situation, in der das erklärte strategische Ziel, Rußland eine strategische Niederlage zuzufügen, das offizielle politische Ziel der Vereinigten Staaten gegenüber Rußland bleibt, insbesondere was die Ukraine betrifft. „Strategische Niederlage“ – Worte haben eine Bedeutung: Das bedeutet den Zusammenbruch der russischen Regierung, den Zusammenbruch der russischen Wirtschaft, den Zusammenbruch der russischen Gesellschaft. Es bedeutet die Zerstückelung Rußlands. Es bedeutet, daß Rußland nicht mehr als einheitlicher Staat existiert, wie er sich derzeit in Form der Russischen Föderation manifestiert.
Würden die Russen den Spieß umdrehen und sagen, sie streben die strategische Niederlage der Vereinigten Staaten an, und wir würden feststellen, daß diese Begriffe in Bezug auf die Vereinigten Staaten verwendet werden, dann würden die amerikanische Öffentlichkeit und Politik nicht nur dagegen protestieren, sondern wir würden es als eine existentielle Bedrohung betrachten und entsprechend reagieren, zu Recht. Genauso sagt Rußland, daß das nicht akzeptabel ist.
Hinzu kommt, daß die USA in direkte Kampfhandlungen gegen Rußland verwickelt sind. Wir tun das indirekt, mit der Ukraine als Stellvertreter, aber das ATACMS-Artillerieraketensystem ist eine Waffe, die von der Ukraine nicht eingesetzt werden kann ohne a) die Erlaubnis der USA und b) eine umfassende Interaktion zwischen US-Militärexperten und dem Waffensystem, bevor es von der Ukraine eingesetzt wird, um Ziele auf russischem Boden zu beschießen – insbesondere Ziele, die durch die Grenzen zwischen Rußland und der Ukraine vor 2014 definiert sind.
Rußland sieht darin einen direkten Angriff, buchstäblich eine Kriegserklärung. Nun hat Außenminister Sergej Lawrow diese Rhetorik im Interview mit Tucker Carlson abgemildert. Er sagte, daß die Russen es nicht als direkten Krieg zwischen Rußland und den USA betrachten, sondern eher als Stellvertreterkonflikt. Zuvor jedoch hatten der russische Präsident und andere davon gesprochen, daß die USA eine direkte Partei im Konflikt zwischen Rußland und der Ukraine geworden sind.
Nimmt man das zusammen mit der Politik der „strategischen Niederlage“ Rußlands und den Äußerungen von Konteradmiral Thomas Buchanan, dem Planungsdirektor des Strategischen Kommandos, der vor kurzem in einer Rede vor dem Internationalen Institut für Strategische Studien in Washington zum Ausdruck brachte, die Regierung Biden bereite einen Atomkonflikt mit Rußland vor, in dem die USA die Oberhand behalten, den Krieg gewinnen würden – dann kann man verstehen, daß die Russen so reagieren müssen, daß ihre strategische Abschreckung ins Spiel kommt. Das bedeutet, daß ihre Atomwaffen jetzt auf dem Tisch liegen.
In der Tat hat Rußland vor kurzem seine Nukleardoktrin geändert, um die Schwelle für den Atomwaffeneinsatz zu senken. Eine der Bedingungen für grünes Licht für den Einsatz russischer Atomwaffen ist ein Szenario, wo eine Atommacht einer nicht-nuklearen Macht die Möglichkeit verschafft, Rußland konventionell so zu treffen, daß es sein Überleben bedroht. Viele sind überzeugt, daß die derzeitige US-Politik, die es der Ukraine erlaubt, ATACMS-Raketen gegen Rußland einzusetzen, in diese Kategorie fällt. Der Kreml ist jedenfalls dieser Meinung, Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hat sich in dem Sinn geäußert.
Wir sind also in einer sehr gefährlichen Lage, in der das Verhalten der USA in der Ukraine gegenüber Rußland die Wahrscheinlichkeit eines nuklearen Konflikts erhöht hat.
Die gute Nachricht ist, daß wir wissen, was das Problem ist und wie es zu lösen ist. Das Problem ist natürlich der Einsatz von ATACMS-Raketen durch die Ukraine gegen Rußland. Wenn wir das vom Tisch nehmen, beseitigen wir die eskalierenden Aspekte des Engagements in der Ukraine, die Rußlands Atomwaffen hineinziehen könnten. Wir hätten den Konflikt deeskaliert. Statt dessen haben wir durch den weiteren Einsatz von ATACMS Bedingungen geschaffen, wo eskalierende Faktoren im Spiel sind.
So hat Rußland die Entscheidung getroffen, die Mittelstreckenrakete Oreschnik einzusetzen, das erste Mal in der Weltgeschichte, daß ein solches strategisches Waffensystem im Kampf eingesetzt wurde. Glücklicherweise war es keine nukleare Nutzlast, aber unter dem Strich wurde eine weitere Schwelle überschritten, nachdem Rußland angedeutet hatte, daß sie überschritten würde, wenn es auf weitere Angriffe der Ukraine mit von den USA bereitgestellten und bedienten ATACMS reagieren müßte.
„Hilf mir, dir zu helfen.“
Während wir hier sprechen, laufen im US-Kongreß, im Repräsentantenhaus, mehrere Initiativen, um Druck auf die Regierung Biden auszuüben, diese Entscheidung rückgängig zu machen. Ich begrüße diese Schritte, aber da wir schon im Dezember sind, nur noch zwei Wochen der Legislaturperiode verbleiben und Anfang Januar ein neuer Kongreß zusammentritt, ist es unwahrscheinlich, daß mehr erreicht wird als eine Sensibilisierung für diese Lage.
Aber das ist an und für sich schon sehr wertvoll. Denn nicht die Rücknahme der ATACMS-Entscheidung durch die Regierung Biden wird die Situation retten, das werden Maßnahmen der neuen Trump-Regierung tun. Wenn die Atomkriegsgefahr und die vorhandene realistische Lösung für das Problem – nämlich die Rücknahme der Erlaubnis, daß die Ukraine ATACMS gegen russisches Territorium einsetzt – ins Rampenlicht rücken, dann kann man hoffen, daß die Trump-Administration entsprechende Erklärungen abgibt, daß diese Politik nicht fortgesetzt wird. Dann haben wir eine Situation, in der wir hoffen können, daß die Vertreter der Russischen Föderation zuhören und verstehen, daß etwas in dem Rahmen oder besser in der Absicht geschieht, die der berühmten Szene in „Jerry Maguire“ entspricht, wo Tom Cruise und Cuban Gooding über Zusammenarbeit sprechen und Cruise sagt: „Hilf mir, dir zu helfen.“
Das ist im Grunde der Punkt, an dem wir heute sind. Indem wir uns dafür einsetzen, die ATACMS-Entscheidung rückgängig zu machen, sagen wir den Russen, daß sie „uns helfen sollen, ihnen zu helfen“, indem sie von der Schwelle zu Atomwaffen abrücken und so dem Frieden eine Chance geben, indem sie der neuen Trump-Regierung ein Handeln ermöglichen, das diese hochgefährliche Politik der Biden-Regierung, das grüne Licht für den Einsatz von ATACMS gegen die Russen, rückgängig macht. Vielen Dank, daß Sie mir Gelegenheit zur Teilnahme geben, und viel Erfolg bei Ihrer Konferenz.
Oberst (a.D.) Larry Wilkerson, (USA) ehemaliger Stabschef des US-Außenministers: „Unser Bluff ist aufgeflogen“
Larry Wilkerson war Stabschef von US-Außenminister Colin Powell.
Es ist schön, bei Ihnen zu sein, und besonders schön, drei Menschen gehört zu haben, von denen ich zwei als gute Freunde betrachte und eine dritte, Professor Zhang Weiwei, mich sehr an meine Gespräche vor 22 Jahren mit dem Herren erinnert hat, der jetzt der bevollmächtigte Außenminister Chinas ist, Wang Yi.
Chas [Freeman] hielt uns eine eloquente Abhandlung in wunderbar diplomatischen Worten – manchmal etwas harsch, aber auch das müssen Diplomaten tun – über die Perfidie des Imperiums; über die Verbrechen der Lakaien des, wie ich kürzlich in einem anderen Podcast sagte, „schlechtesten Außenministers seit Thomas Jefferson“. Und da die Person, der ich das sagte, ein wenig über unsere Geschichte wußte, sagte sie: „Also alle!“ Absolut, es sind alle. Tony Blinken ist ein verabscheuungswürdiger, verwerflicher Vertreter eines bereits untergehenden, verabscheuungswürdigen und in vielen seiner Handlungen verwerflichen Imperiums. Und der Rest der Biden-Regierung steht ihm in nichts nach.
Ich habe mir auch angehört, was der chinesische Redner, Professor Zhang Weiwei, gesagt hat, und ich stimme ihm größtenteils zu. Ich stimme ihm zu in einem sehr „geopolitischen“ Sinn – wenn man ein noch allumfassenderes Wort dafür erfinden könnte, würde ich es verwenden. „Historischer Sinn“ ist nicht allumfassend. Aber was wir gerade erleben, ist eine weitere kolossale Verschiebung des Fokus, des Zentrums der Wirtschaftsmacht und der Finanzgeschäfte – nennen Sie es das Zentrum des menschlichen Lebens auf dieser Erde – zurück dorthin, wo es vor 2-3000 Jahren oder auch vor 1500 Jahren war: Zentralasien mit einem Lebensborn in China, der diese Lebendigkeit, diesen Handel, diese Geschäfte usw. speist.
Und auf der anderen Seite [im Westen] sehen wir – ohne daß sie es wissen, weil sie historisch zu ungebildet sind, um es zu verstehen – ihre intuitive Wahrnehmung dieser kolossalen Machtverschiebung in all ihren Dimensionen, quasi zurück in den Osten und weg vom Westen: Sie kämpfen mit Händen und Füßen dagegen an!
Ich bin zutiefst besorgt über einen solchen katastrophalen, globalen Kampf, denn nichts weniger ist es. Wir [die USA] sind, wie ich bereits an vielen anderen Orten und bei vielen anderen Gelegenheiten gesagt habe, das einzige Imperium in der Geschichte der Menschheit – ganz gleich, ob man 50.000 Jahre, 5000 Jahre oder 3000 Jahre nimmt, das ist unerheblich –, das die technischen Mittel erfunden hat, um uns buchstäblich über Nacht zu vernichten. Und das Land, das uns heute am ehesten an diese Schwelle der Zerstörung bringen kann, ist Amerika.
Es kämpft gegen diesen, wenn man so sagen will, unvermeidlichen Trend des menschlichen Lebens an. Lebhaftigkeit, Handel, all diese Adjektive und Substantive, die Macht beschreiben, verlagern sich zurück in den Osten. Das ist unvermeidlich, es ist unaufhaltsam, es passiert und wird weitergehen. Die Gürtel- und Straßen-Initiative ist eine Ader, die quasi in diesem pochenden Herzen liegt. Wir sprechen in dieser Hinsicht – ich liebe diesen Begriff – von der China-ASEAN-Gemeinschaft, wahrscheinlich 35% der Welt. Und wir sprechen von einem unglaublichen, kombinierten BIP, insgesamt wahrscheinlich über 100 Billionen Dollar.
Das ist eine gewaltige Kraft, gegen die wir ankämpfen. Und wir sollten nicht dagegen ankämpfen!
Aber warum kämpfen wir [die USA] dagegen? Wie gesagt, es gefällt uns überhaupt nicht, und wir haben keine Leute, die genug über die Menschheitsgeschichte wissen, nicht einmal über die jüngste Geschichte ihres eigenen Landes und das dafür entwickelte Verfassungsgefüge, um etwas anderes zu tun, als dagegen anzukämpfen, und das auf jede erdenkliche Weise. Wir bringen gerade einen Präsidenten wieder ins Amt, der der Inbegriff eines Menschen ist, der keine Ahnung hat, und der offenbar ein ganzes Kabinett voller Menschen zusammenstellt, die diese kolossale Machtverschiebung auf der Welt genauso ablehnen, wie es die derzeitige Regierung tut, wenn nicht noch mehr.
Was bedeutet das, nach meiner Erfahrung, der ich 31 Jahre in der US-Armee war? Es bedeutet, daß wir uns mit allen verfügbaren Mitteln dagegen sträuben werden.
Lassen Sie mich dazu nur ein oder zwei Szenarien skizzieren. Es könnte in der Ukraine beginnen oder, wie viele bereits mehrfach erwähnt haben, im Südchinesischen Meer. Was würden wir an diesen beiden Orten tun, wenn unser Bluff auffliegt? Denn es ist wirklich ein Bluff, und die NATO macht bei diesem Bluff mit, weil sie derzeit in jeder Hinsicht unser Pudel ist, mit Ausnahme von Ungarn, der Slowakei und einigen anderen, die wenigstens ein bißchen nachdenken, wie Deutschland und Frankreich. Schauen Sie sich deren politische Situation im Moment an: Ich habe das vor sechs Monaten vorhergesagt. Ich sagte, sie würden zerbröseln, und sie zerbröseln, und die sind, neben der Türkei, die zentralen Mächte in der NATO. An alledem ist unser Wunsch schuld, unsere Macht in der Welt zu erhalten, nein, sie sogar noch auszuweiten!
Was passiert, wenn eines dieser Szenarien danach aussieht, daß es vorbei ist mit dem Bluff, und wir beschließen dann, daß wir „tun müssen, was wir tun müssen“? Das wird wahrscheinlich im Südchinesischen Meer sein, wenn wir Taiwan konventionell verteidigen, oder wenn wir in Europa mit unserer Beteiligung am Ukraine-Konflikt noch weiter gehen, als wir es bereits tun. Unser Bluff fliegt auf.
Ich glaube nicht, daß Putin oder Xi dazu neigen, Atomwaffen einzusetzen. Aber wenn wir [die USA] in einen konventionellen Konflikt geraten – und das bereitet mir große Sorgen –, dann sind wir derzeit konventionell sehr schwach aufgestellt. Mit dem ersten Golfkrieg 1990-91 hatten wir unseren Höhepunkt erreicht. Wir waren auf dem Höhepunkt in technologischer Hinsicht, in Bezug auf Munitionsvorräte, in Bezug auf Wartung, in Bezug auf Ausrüstung und in Bezug auf Personal. Wir waren auf dem Höhepunkt in allen Bereichen.
Das ist viele Jahre her. Seitdem geht es bergab, und unser Militär könnte den Iran heute konventionell nicht besiegen, geschweige denn das kampferprobte Rußland oder gar Rußland und China zusammen.
Nehmen wir nur das Szenario im Südchinesischen Meer. Nehmen wir an, wir würden uns aus irgendeinem Grund dafür entscheiden, etwa weil China gewaltsam in Taiwan einmarschiert oder so etwas. – Ich glaube nicht einmal, daß das unter bestimmten Umständen notwendig wäre, um Taiwan zu überzeugen, daß es jetzt ein Teil Chinas ist, vielleicht würde ein Telefonanruf ausreichen. – Wir protestieren dagegen und es kommt tatsächlich zu einem Krieg im Südchinesischen Meer. Dann würde sich das entwickeln, was meine Marinesoldaten den „Kampf zwischen dem Hai und dem Wal“ nannten, oder zwischen dem Hai und dem Elefanten. Sie hatten da verschiedene Analogien, Hai und Elefant war meiner Meinung nach die treffendste. Und damit meinten sie, daß wir den Krieg so führen würden, daß wir die Luftwaffe und die Marine des jeweils anderen um 35-40% schwächen würden. Das bedeutet ein paar hunderttausend Opfer auf beiden Seiten. Die Amerikaner haben in ihrem Leben noch nie solche Verluste erlebt.
Was würde dann passieren? Wenn die Flotte und die Luftwaffe aufgerieben wären und niemand im US-Militär an eine Landung in China denken könnte, um in den Bauch des Elefanten zu gelangen? Dort stünden zwei, vier, sechs Millionen Soldaten auf Abruf bereit. Und China würde nicht auf See kommen wollen, um gegen den Hai zu kämpfen. Also würden wir den Einsatz von Atomwaffen in Betracht ziehen.
Jede Kriegssimulation, an der ich jemals teilgenommen habe, hat sich so entwickelt, wenn der Ausgangspunkt das Südchinesische Meer oder Taiwan oder die Philippinen oder irgendein anderer Ort war, an dem China beteiligt war. Wir wären die ersten, die Atomwaffen einsetzen würden. Meiner Meinung nach würden wir das auch unter rein konventionellen Bedingungen tun, etwa im Iran, weil wir sonst verlieren würden. Wir würden schreckliche Verluste erleiden; Verluste, wie sie das amerikanische Volk noch nie gesehen hat. Es würde im wesentlichen bedeuten, daß wir auf Atomwaffen zurückgreifen.
Und wie Scott [Ritter] bereits angedeutet hat und wie ich heute Nachmittag im Nationalen Presseclub noch einmal sagen werde – und ich bin sicher, daß Scott und die anderen Sprecher es dort ebenfalls tun werden: Das wäre das Ende der Menschheit. Vielen Dank.
Botschafter Hossein Mousavian (Iran), ehemaliger Botschafter des Iran in Deutschland: Atomfragen im Iran und die zweite Trump-Administration
Von Hossein Mousavian,
ehemaliger Botschafter des Iran in der Bundesrepublik Deutschland
Während des Präsidentschaftswahlkampfs sagte Präsident Trump: „Ich würde mir wünschen, daß der Iran sehr erfolgreich ist. Das Einzige ist, daß sie keine Atomwaffen haben dürfen. Ich möchte mich nicht in einen Regierungswechsel im Land einmischen.“ Andere Streitigkeiten mit dem Iran, wie z. B. regionale Fragen, erwähnte er während seines Wahlkampfs nicht.
Unter Präsident Trump könnten wir jedoch mit einem der folgenden vier Szenarien konfrontiert werden:
Szenario A: Wenn sein einziges Anliegen ein neues Atomabkommen ist, das dem Iran den Zugang zu Atomwaffen verwehrt, könnte eine Einigung möglich werden, und zwar auf der Grundlage von zwei Prinzipien:
- Der Iran akzeptiert maximale Verifizierungs- und Inspektionsmechanismen sowie die Aufrechterhaltung eines offenen und transparenten Atomprogramms, um sicherzustellen, daß keine Atomwaffen entwickelt werden.
- Im Gegenzug werden die USA die nuklearbezogenen Sanktionen gegen den Iran aufheben.
Szenario B: Für Israel und andere Gegner des JCPOA in den USA und der Region ging es um die „Verfallsklauseln“. Sie argumentierten, daß die Verfallsklauseln nach einer bestimmten Zeit auslaufen würden, sodaß der Iran die Entwicklung von Atomwaffen ungehindert fortsetzen könnte.
Wenn die Verfallsklauseln im JCPOA in dauerhafte umgewandelt würden, käme dies einer eklatanten Diskriminierung im Hinblick auf den (nuklearen) Nicht-Verbreitungs-Vertrag (NVV, bzw. NPT) gleich. Für einen bestimmten Zeitraum könnte der Iran freiwillig einige Maßnahmen ergreifen, die sogar über den NVV hinausgehen, um Vertrauen aufzubauen, aber er wird nicht akzeptieren, daß er im Vergleich zu anderen NVV-Mitgliedern einer permanenten eklatanten Diskriminierung ausgesetzt ist.
Um dieses Problem anzugehen, könnten die Kernprinzipien des JCPOA regionalisiert werden, indem wichtige Verfallsklauseln, wie die Urananreicherung unter 5% und das Verbot der Wiederaufbereitung, dauerhaft gemacht werden.
Da auch Saudi-Arabien mit den USA über einen vollständigen Brennstoffkreislauf und eine Anreicherung verhandelt, würde eine Regionalisierung der JCPOA-Prinzipien Folgendes sicherstellen:
- maximale Verifizierung der gesamten Nuklearprogramme der Region.
- Darüber hinaus würden Beschränkungen wie eine Anreicherung unter 5% oder „keine Wiederaufbereitung“ als Garantie gegen die Entwicklung von Atomwaffen in der gesamten Region dienen.
Szenario C: Kürzlich hörte ich von einem bekannten ehemaligen republikanischen Beamten, der mit der Atomfrage des Iran vertraut ist, daß Trump und Netanjahu meinen, der Iran solle seine Anreicherungsaktivitäten ganz einstellen. Wenn ein solches Szenario vorgeschlagen wird, wäre dies im Wesentlichen eine Rückkehr zum Ausgangspunkt, und keine Verhandlung würde zu Ergebnissen führen.
Für dieses Szenario gibt es jedoch eine Lösung: die Idee eines multilateralen Anreicherungskonsortiums, ähnlich wie das europäische URENCO, aber innerhalb des Nahen Ostens oder der Region am Persischen Golf.
Als ich 2005 Mitglied des iranischen Verhandlungsteams für das Atomprogramm war, habe ich diese Idee in einem Interview mit der russischen Nachrichtenagentur Itar-TASS vorgeschlagen und wurde daraufhin von hochrangigen iranischen Behörden kritisiert.
Nach dem JCPOA-Abkommen veröffentlichten Nuklearwissenschaftler der Princeton University einen Artikel, in dem sie diese Initiative zur Rettung des JCPOA vorschlugen, und auch in meinem Buch „Ein Naher Osten ohne Massenvernichtungswaffen“ habe ich diese Idee vorgestellt.
Szenario D: Trump könnte nicht nur die Atomfrage, sondern auch die regionalen Probleme zur Sprache bringen. Massad Boulos, Trumps Nahost-Berater, sagte einer französischen Zeitung, Trump habe drei Probleme mit dem Iran: Atomwaffen, Raketen und die Achse des Widerstands in der Region. In diesem Fall bräuchten die beiden Länder einen umfassenden und integrativen Dialog, bei dem es äußerst schwierig und komplex würde, eine Einigung zu erzielen.
Der Nahe Osten ist aufgrund jahrzehntelanger Kriege in den Sumpf von Armut und Instabilität versunken und steht kurz vor dem Zusammenbruch. Um die Region zu retten, sind große Initiativen erforderlich, wie die Beendigung der Kriege, die Ausrottung des Terrorismus, der Nahe Osten frei von Massenvernichtungswaffen, Nichtangriffspakte zwischen den Ländern und konstruktive Entwicklungsinitiativen wie der „Oasenplan“ des Schiller-Instituts.
Diskussion
Panel 2 (19:00-22:00 Uhr): „Die großen Projekte zur Überwindung der Migrantenkrise; Die neuen, hochwertigen Produktivkräfte; Eine neue gerechte Weltwirtschaftsordnung“
Moderator: Stephan Ossenkopp (Deutschland), Schiller-Institut: Begrüßung und Einführung
Grundsatzrede: Dennis Small (USA), Leiter des Ibero-Amerika-Referats, Schiller-Institut
„Wenn China es kann, warum nicht auch wir?“
Von Dennis Small
Dennis Small ist Iberoamerika-Redakteur des Magazins Executive Intelligence Review (EIR).
Guten Tag, mein Name ist Dennis Small, und mein heutiges Thema lautet: „Haben Sie in letzter Zeit von guten Investitionen gehört?“ Haben Sie sich jemals gefragt, was Sie mit einer Billion Dollar kaufen könnten? Das ist ein interessantes Gedankenexperiment, eine interessante Übung. Lassen Sie uns das kurz durchgehen.
Mit einer Billion Dollar könnte man zum Beispiel den gesamten Straßenwert des internationalen Drogenhandels auf der Welt kaufen, der ungefähr soviel wert ist. Das würde die Wall Street sehr glücklich machen; und auch die Londoner City, denn sie sind es, die den Drogenhandel von oben steuern.
Oder man könnte mit einer Billion Dollar auch alles kaufen, was aus dem Verteidigungshaushalt der Vereinigten Staaten in einem Jahr gekauft wird. Man könnte Raytheon und Lockheed Martin bezahlen, die wiederum ihre Großaktionäre State Street, BlackRock usw. auszahlen würden.
Oder man könnte mit einer Billion Dollar die jährlichen Zinsen für den US-Bundeshaushalt bezahlen, der sich derzeit auf 36 Billionen Dollar beläuft, Tendenz steigend. Auch das würde die Wall Street und die City glücklich machen. Sie würden das als eine gute Investition bezeichnen, weil sie zu den größten Inhabern dieser Finanzinstrumente gehören.
Auf der anderen Seite könnte man eine Billion Dollar in den Bau von 46.000 Kilometern Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnkorridore investieren, wie es China in den letzten 15 Jahren getan hat. In China kostet das etwa 17-21 Millionen Dollar pro Kilometer. In Europa liegen die Kosten dafür etwa 50% höher, und es ist klar, daß es in China bei solchen Bauprojekten Größenvorteile gibt. Die Kosten in den Vereinigten Staaten sind unbekannt, aus dem einfachen Grund, daß es dort keine Hochgeschwindigkeitsbahn gibt.
Die Frage ist also: Sind das gute Investitionen? Was ist eine gute Investition: in den Schienenverkehr oder in den Drogenhandel? Das hängt tatsächlich davon ab, was man unter „gut“ versteht. Lyndon LaRouche hat sich als der weltweit führende Wirtschaftswissenschaftler 50 Jahre lang mit dieser Frage beschäftigt. Und damit möchte ich beginnen. In seiner 1984 erschienenen Schrift The Science of the Human Mind („Die Wissenschaft des menschlichen Geistes“) sagte LaRouche folgendes:
„Ein Mensch, der dazu beiträgt, die Gesellschaft gut zu machen, ist tausendmal mehr wert als einer, der durchs Leben geht und nur einzelne gute Taten ausstreut. Denn eine schlechte Gesellschaft wird das Gute, das ihre einzelnen Mitglieder beitragen, zunichtemachen… Wer die Gesellschaft gut macht, bewahrt also die Güter, die von Tausenden und Millionen von Individuen beigetragen werden.“
Mit anderen Worten: Gutes tun ist auch wissenschaftlich gesehen die beste wirtschaftliche Investition.
Die Welt befindet sich heute in einer systemischen Zusammenbruchskrise, die an vielen verschiedenen Fronten die Gefahr eines Atomkrieges mit sich bringt. Sie hat auch die physische Wirtschaft und das Finanzsystem der Welt an den Punkt der Implosion gebracht und bedroht auf diese Weise auch Menschenleben.
Das hat unter anderem dazu geführt, daß eine Flüchtlingskrise in Europa und den Vereinigten Staaten entstanden ist, deren Ursachen in den wirtschaftlichen Verhältnissen und den Kriegen liegen, die dieses sterbende System verursacht. Es war die Verwüstung der Länder des Globalen Südens, die die erzwungene Migration von Millionen Menschen nach Europa und in die USA ausgelöst hat.
Die Lösung für alle diese Krisen liegt auf der Hand: Sie besteht in einer Zusammenarbeit der Vereinigten Staaten und Europas mit China im besonderen und mit den BRICS im allgemeinen, sowie mit der Gürtel- und Straßen-Initiative (BRI), der sich bisher 151 Länder angeschlossen haben, um dem Süden beim Aufbau seiner Volkswirtschaften zu helfen und eine kooperative Grundlage dafür zu schaffen, anstatt sich gegen diese Länder zu stellen oder ihnen den Krieg zu erklären. Wenn wir das tun, wird das zu einem massiven Aufschwung der amerikanischen und europäischen Exporte von Investitionsgütern in diese Gebiete führen, was wiederum für die Reaktivierung unserer eigenen Wirtschaft von zentraler Bedeutung sein wird.

Abb. 1: In den letzten 25 Jahren ist die Zahl der Armen auf der Welt von 3,1 Milliarden auf 1,1 Milliarden gefallen, die Hälfte dieses Rückgangs ist China und seinen Erfolgen zu verdanken.
Abb. 2: Illegale Grenzübertritte nach Europa: Herkunftsländer der Migranten [unten]

Beginnen wir also mit der Frage der Armut und der erzwungenen Migration, betrachten wir einige Einzelheiten. Schauen Sie auf Abbildung 1, die Subsahara-Afrika und China vergleicht, und Sie werden feststellen: Im Jahr 2000 lebten weltweit 3,164 Milliarden Menschen in Armut. Ich möchte klarstellen, daß ich damit nicht die extreme Armut meine, die von der UNO mit einem Einkommen unter 2,15 Dollar pro Tag definiert ist. Es geht um den allgemeinen UN-Parameter von 3,65 Dollar pro Tag, den sie als Armutsgrenze für Länder mit mittlerem und niedrigerem Einkommen ansehen. Damals gab es also über 3 Milliarden Arme auf der Welt, davon 497 Millionen in Afrika und 926 Millionen in China.
Heute, eine Generation später im Jahr 2024, ist die Zahl der Armen in Afrika auf 718 Millionen Menschen angewachsen, 58% der Gesamtbevölkerung. Im gleichen Zeitraum hat China die Zahl der Armen von 926 Millionen auf Null reduziert. Die Gesamtarmut in der Welt ist von 3,1 Milliarden auf 1,1 Milliarden gesunken, wobei etwa die Hälfte dieses Rückgangs auf China und seine Erfolge zurückzuführen ist.
Wenn wir nun die Flüchtlingssituation betrachten, fällt bei den Armutszahlen als erstes auf, daß es kein Wunder ist, wenn keine Flüchtlingswelle aus China nach Europa oder in die USA kommt. Wenn wir uns eine Karte der illegalen Grenzübertritte nach Europa im Jahr 2022 ansehen – die offizielle Karte von Frontex (Abbildung 2) –, können wir sehen: Die drei Länder, aus denen es die meisten illegalen Grenzübertritte gab, sind Syrien – wegen des Krieges –, Afghanistan – ebenfalls Krieg – und Guinea-Bissau – erdrückende Armut. Wenn man sich also mit der Frage der Migration befassen will, muß man sich mit den zugrundeliegenden Problemen befassen.
Im Falle Amerikas ist das Problem recht ähnlich gelagert, denn in Mexiko und Mittelamerika ist die Fähigkeit der Wirtschaft, die Bevölkerung zu versorgen – d.h. die potentielle relative Bevölkerungsdichte dieser Länder –, faktisch niedriger als die bestehende Bevölkerung. Es überrascht nicht, wenn infolge dieses wirtschaftlichen Zusammenbruchs Millionen von Migranten auswandern, um am Leben zu bleiben und ihren Familien Geld schicken zu können, die sie ebenfalls am Leben erhalten. Die Proportionen sind erschütternd. Im Falle Mexikos leben fast 9% der Bevölkerung als Einwanderer der ersten Generation in den Vereinigten Staaten. In einem Land wie El Salvador liegt der Anteil eher bei 23%.
Abb. 3: Mexiko: Nahrungsmittelproduktion pro Kopf, Vergleich 1981 und 2022
Wenn Sie wissen wollen, warum das so ist, werfen Sie einfach einen Blick auf Abbildung 3 zur Nahrungsmittelproduktion pro Kopf in Mexiko. Ich habe hier, unter Verwendung des Jahres 1981 als Index, die physischen Einheiten pro Kopf genommen, Kilogramm oder Tonnen pro Kopf. Der Rest der physischen Wirtschaft in Mexiko zeigt eine ähnliche Tendenz, und das erklärt meiner Meinung nach genau, was die Hauptursache für die Migrationskrise ist, und weist in die Richtung der Lösungen.
Was können wir nun gegen diese Verhältnisse tun? Wenn wir mit den BRICS und mit China und der Neuen Seidenstraße zusammenarbeiten, dann können wir mit ihnen im Süden investieren, um die Armut und die Arbeitslosigkeit auf der Welt drastisch zu senken. Laut einer detaillierten Studie, die wir 2020 durchgeführt haben, lag die reale Arbeitslosigkeit 2019 weltweit bei 46%! Dabei handelt es sich größtenteils um die sogenannte „informelle Wirtschaft“, wo die Menschen nichts Nützliches produzieren, sondern ihren Lebensunterhalt irgendwie durch Drogenproduktion, Prostitution, Betteln usw. bestreiten.
Allein um diesen Teil der Bevölkerung produktiv zu beschäftigen, bräuchte man heute also 1,7 Milliarden Arbeitsplätze. Und wenn wir bedenken, wie stark die Bevölkerung von heute bis zum Jahr 2050 wachsen wird – eine weitere Generation, also 25 Jahre in die Zukunft –, dann wird die Bevölkerung von heute etwa 8,1 Milliarden auf knapp 10 Milliarden ansteigen. Übrigens wird 50% dieses Bevölkerungswachstums in Afrika stattfinden. Das bedeutet also, daß die Gesamtzahl der Arbeitsplätze, die von jetzt bis 2050 geschaffen werden müssen, sich auf etwa 2,5 Milliarden neue Arbeitsplätze beläuft.
Können wir die Weltwirtschaft wirklich dermaßen umkrempeln? Läßt sich das in einer Generation schaffen? Nun, wenn China es kann, warum nicht auch wir? Dies gilt umso mehr, wenn wir das wirtschaftliche Potential der unterschiedlichen, aber komplementären physischen Volkswirtschaften Chinas und Rußlands sowie der Länder des Ostens und des Westens, einschließlich der USA und Europas, kombinieren.
Schauen wir uns einige Beispiele an. Am 14. November wurde in Peru der Hafen von Chancay als gemeinsame Investition von Peru und China eingeweiht. Es handelt sich um einen Tiefseehafen, der etwa 3,4 Milliarden Dollar gekostet hat. Er ist voll automatisiert und kann die größten Containerschiffe der Welt mit 24.000 Einheiten abfertigen. Das sind eine Menge Container. Nicht jeder Hafen kann das bewältigen, tatsächlich können es nur sehr wenige.
Wenn man von Chancay nach Shanghai auf der anderen Seite der Welt exportiert, konnte man bisher keine Schiffe direkt fahren lassen, weil in Chancay keine Schiffe dafür groß genug waren. Jetzt kann man es. Vorher mußte man z.B. den Umweg über Long Beach in Kalifornien machen. Die ungefähre Fahrzeit betrug unter den alten Bedingungen 35 Tage. Mit dem neuen Hafen von Chancay werden es nur noch 23 Tage sein. Das ist eine Einsparung von 30% bei der Effizienz und Produktivität, was angesichts des Umfangs der Weltschiffahrt enorm ist.
Baut man eine Hochgeschwindigkeitsstrecke durch ganz Südamerika, Mittelamerika und Mexiko und mit einer Verbindung zu den Vereinigten Staaten (die selbst viel mehr Schienenverbindungen benötigen) und weiter durch den Beringstraßen-Tunnel mit einer Verbindung zur Eurasischen Landbrücke (die bereits existiert und aufgebaut wird), beträgt die tatsächliche Reisezeit mit der Hochgeschwindigkeitsbahn, die in diesem Gebiet gebaut werden könnte, etwa drei Tage oder weniger. Drei Tage statt 23 – das ist eine enorme Produktivitätssteigerung.
Außerdem kann man um Landkorridore herum etwas aufbauen, anders als bei Meereskorridoren. Man kann einen ganzen Industriekorridor bauen, 100 Kilometer auf jeder Seite dieser Bahnstrecken; das ist auf dem Meer heutzutage nicht so einfach möglich.
Wenn man es dann in Südamerika noch so macht wie die Chinesen in ihrem Land und eine Eisenbahnlinie baut, die den Pazifikhafen Chancay mit dem Atlantikhafen Santos in Brasilien verbindet – das ist eine Strecke von etwa 5000 km –, dann läßt sich der gesamte Kontinent für industrielle Entwicklung und Austausch und Beteiligung an der BRI erschließen.
Die Gesamtkosten hierfür belaufen sich grob geschätzt auf etwas über 500 Milliarden US-Dollar, da wir von insgesamt etwa 25.000 Kilometern Schienenstrecke sprechen; also etwa eine halbe Billion Dollar. Das ist eine gute Investition. Warum sollte China das einzige Land sein, das von solchen Projekten profitiert? Warum sollten nicht auch Amerikaner und Europäer an der Planung und dem Bau dieser Projekte sowie am Export von Investitionsgütern, Werkzeugmaschinen usw. beteiligt sein, um ihre Durchführung sicherzustellen?
Das gleiche gilt für die Großprojekte in Afrika, von denen ich nur ein oder zwei nennen möchte.
In Afrika haben heute nach Angaben internationaler Behörden etwa 580 Millionen Menschen keinen Stromanschluß. Die installierte Leistung beträgt nur 246 Gigawatt. Um Afrika auf den europäischen Pro-Kopf-Standard zu bringen, ist eine Steigerung dieser installierten Leistung um das Zehnfache erforderlich.
Was können wir also tun? Zum einen ist das der Bau von Gaskraftwerken und Kohlekraftwerken, eine sehr gute Idee, und natürlich Kernenergie, die für den gesamten Kontinent von entscheidender Bedeutung ist, um auf höhere technologische Plattformen zu springen.
Zum anderen ist Wasserkraft eine sehr gute Idee. Der Grand-Inga-Staudamm ist ein Projekt in der Demokratischen Republik Kongo, etwa 150 Kilometer flußaufwärts von der Stelle, wo der Kongo in den Atlantik mündet. Dieser Damm wird letztlich ein Wasserkraftpotential von mindestens 40 Gigawatt haben, vielleicht sogar bis zu 70, und das wird ihn zum größten Kraftwerk der Welt machen. Allein durch dieses Projekt wird sich die installierte Kapazität Afrikas um etwa 25% erhöhen.
Die Leiterin der Neuen Entwicklungsbank (NDB) der BRICS, Dilma Rousseff, sagte letztes Jahr über den Grand-Inga-Damm: „Er hat die dreifache Kapazität des Itaipu-Damms in Brasilien und die doppelte Kapazität des Drei-Schluchten-Damms in China. Der Grand-Inga-Damm kann als Energiequelle für einen ganzen Kontinent dienen.“
In geographischer Nähe befindet sich das berühmte und wirklich großartige Transaqua-Projekt für den Bau von Staudämmen an den rechten Nebenflüssen des Kongo und dazu etwa 2400 Kilometer Wasserstraßen, die dazu beitragen würden, den Tschadsee wieder aufzufüllen, der derzeit austrocknet, und das gesamte Gebiet neu zu gestalten, um eine günstige Umgebung für die Entwicklung für etwa 50 Millionen Menschen zu schaffen.
All dies – Iberoamerika, Afrika, Asien, aber auch die Vereinigten Staaten und Europa – schafft einen boomenden Markt für Investitionsgüter und Technologieexporte aus den Vereinigten Staaten und Europa, der neue Aufträge in Billionenhöhe umfaßt. Das würde in den USA etwa 50 Millionen neue Arbeitsplätze in der Fertigung schaffen, die dringend benötigt werden, weil es in unserem Land einen Zusammenbruch der Industriearbeitsplätze gab. Die Vereinigten Staaten können den Mangel an industriellen Kapazitäten, den sie derzeit haben, selbst überwinden, indem sie für den Export produzieren und ihre eigene industrielle Basis wieder aufbauen. Wir schätzen, daß die Exporte von Maschinen und Anlagen aus den USA im Jahr 2022 insgesamt nur 240 Milliarden Dollar betrugen. Das ließe sich innerhalb von vier oder fünf Jahren auf etwa eine Billion pro Jahr vervierfachen, und später noch mehr.
Die Lösung des Migrantenproblems durch die wirtschaftliche Entwicklung der Länder, in denen die Bevölkerung jetzt gezwungen ist, zum Überleben nach Europa und in die Vereinigten Staaten zu gehen, ist gleichzeitig die Grundlage für die Lösung des Problems des wirtschaftlichen Zusammenbruchs bei uns im Westen.
An diesem Punkt der Diskussion fragen die Leute oft: „Gut, aber wo soll das Geld für all das herkommen?“
Im Grunde genommen ist es ganz einfach, denn man braucht kein Geld. Was man braucht, ist Kredit; und das sind zwei sehr verschiedene Dinge. Souveräne Regierungen schaffen Kredit, dem sie Wert verleihen, indem sie Investitionen mit diesem Kredit in Aktivitäten lenken, die die Produktivkräfte der Arbeit erhöhen, indem sie Gutes tun. Nicht in Kriege investieren, nicht in den Schuldendienst der 2 Billiarden Dollar-Spekulationsblase investieren und nicht in den Drogenhandel; sondern in gute Dinge, wie wir sie gerade beschrieben haben.
Im Laufe eines halben Jahrhunderts schrieb Lyndon LaRouche viele Studien darüber, wie ein solches neues System funktionieren könnte, und betonte dabei vor allem, wie man zwischen guten und schlechten Investitionen unterscheiden kann. In seiner Schrift „Warenkorb statt Währungskorb: Handel unabhängig vom Wechselkurs“ vom Juli 2000 faßte er dies wie folgt zusammen:
„Einen Güter-Warenkorb, wie ich ihn hier umrissen habe, muß man also als gemeinsame Verpflichtung verstehen, Gutes zu tun. Es geht demnach bei der Wirtschaft nicht darum, welchen Preis man einer Ware im einzelnen gibt, sondern um den guten Willen, der sich in der Methode ausdrückt, sich auf einen vernünftig geschätzten fairen Preis zu einigen. Mit dieser Grundlage wird ein vernünftiger Preis für eine Einheit des Güter-Warenkorbes auch in der Praxis der richtige Preis sein.“
Das Konzept des Guten erinnert Sie vielleicht an das Zitat von LaRouche, das ich ganz am Anfang gelesen habe, in dem er erklärte: „Wer die Gesellschaft gut macht, bewahrt so das Gute, das Tausende und Millionen von Menschen beigetragen haben.“ Gottfried Leibniz, den LaRouche als Begründer der wissenschaftlichen physischen Ökonomie bezeichnete, schrieb 1694:
„Sie können so viel für ihr Glück tun, als hätten sie tausend Hände und tausend Leben; ja, als würden sie tausendmal so lange leben wie jetzt. Denn so viel ist unser Leben wert, wenn wir es als wahres Leben betrachten, wenn wir in ihm Gutes tun. Wer jetzt in kurzer Zeit viel Gutes tut, ist dem gleich, der tausendmal länger lebt; dies geschieht bei denen, die Tausende und Abertausende von Händen mitarbeiten lassen können, durch die in wenigen Jahren mehr Gutes zu ihrer höchsten Ehre und Freude geschehen kann, als es sonst viele hundert Jahre bringen könnten.“
Gibt es eine bessere Definition von Produktivität als diese?
Dies bringt mich zu meiner Schlußfolgerung, die auch der Ausgangspunkt für den Aufruf des Schiller-Instituts zu einer breiten Diskussion über die Prinzipien war, die dem vorgeschlagenen Neuen Paradigma zugrunde liegen sollen. Das war Helga Zepp-LaRouches Diskussionspapier vom 22. November 2022, Zehn Prinzipien für eine neue internationale Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur; einschließlich ihres höchst umstrittenen zehnten Prinzips:
„Zehntens: Die Grundannahme des neuen Paradigmas ist, daß der Mensch grundsätzlich gut ist und fähig, die Kreativität seines Geistes und die Schönheit seiner Seele unendlich zu vervollkommnen, und daß er die am weitesten entwickelte geologische Kraft im Universum ist, was beweist, daß die Gesetzmäßigkeit des Geistes und die des physischen Universums in Übereinstimmung und Kohäsion stehen und daß alles Böse das Ergebnis eines Mangels an Entwicklung ist und daher überwunden werden kann.“
Vielen Dank.
Dr. Alexander K. Bobrov (Russland), außerordentlicher Professor am Fachbereich für Diplomatie, MGIMO-Universität, Moskau
Die Krise der Diplomatie
Von Dr. Alexander Bobrow
Dr. Alexander K. Bobrow ist außerordentlicher Professor am Fachbereich für Diplomatie, MGIMO-Universität, Moskau.
Zunächst einmal möchte ich mich dafür bedanken, daß Sie mir das Wort erteilen, um vor einem so angesehenen Publikum zu sprechen, und vor all jenen, die wirklich über die Zukunft der Menschheit und die Zukunft der internationalen Beziehungen nachdenken. Mein Name ist Dr. Alexander Kyrillowich Bobrow. Ich bin außerordentlicher Professor am Lehrstuhl für Diplomatie am Moskauer Staatlichen Institut für Internationale Beziehungen (MGIMO), und wie Sie sich vorstellen können, beschäftige ich mich mit Diplomatie. Diplomatie ist meiner Meinung nach ein Instrument der Staatskunst, das darauf abzielt, verschiedene politische Konflikte mit friedlichen Mitteln zu lösen. Und was wir jetzt sehen, ist im allgemeinen die Krise der Diplomatie. Und das ist etwas, das ich für sehr wichtig halte, und es ist die Wurzel allen Übels, das es jetzt in den zeitgenössischen internationalen Beziehungen gibt.
Im Grunde wird sich meine Rede also mit der Krise der Diplomatie befassen, mit den charakteristischen Merkmalen dieser Krise und was dagegen zu tun ist.
Zunächst möchte ich sagen, daß die Krise der Diplomatie nicht in der ganzen Welt zu beobachten ist. Sie ist nur zu erkennen, wenn wir uns auf das konzentrieren, was derzeit in den bilateralen Beziehungen zwischen dem Westen und Rußland im Allgemeinen und den Beziehungen zwischen den USA und Rußland im besonderen vor sich geht. Wir sehen, daß es keinerlei Verhandlungen zwischen den Staats- und Regierungschefs dieser Länder gibt, zwischen Präsident Wladimir Putin und seinen amerikanischen oder europäischen Amtskollegen. Wir sehen, daß es absolut keinen Dialog zwischen den Außenministern gibt, zwischen dem US-Außenministerium und dem russischen Außenministerium; dasselbe könnte für den Dialog zwischen unserem Außenministerium und denen der europäischen Länder gelten und ich glaube, dies ist ein vernichtendes Beispiel dafür, wie Diplomatie im allgemeinen nicht funktionieren sollte.
Wir sehen auch die Wellen verschiedener Ausweisungen russischer Diplomaten aus verschiedenen westlichen Ländern, die jede Form des offiziellen Dialogs zwischen unseren Ländern verhindern, und wie Sie verstehen, geht dies mit verschiedenen Wellen von Sanktionen einher, die gegen Rußland, gegen unsere Wirtschaft verhängt werden. Das schafft eine Situation, in der wir in einem Teufelskreis von Feindseligkeiten und einem Teufelskreis von politischen Aktivitäten stecken, die uns daran hindern, einen Konsens zu finden.
Wie Sie wissen, zielen viele westliche Strategien auf eine Politik des „Wie du mir, so ich dir“ ab, was bedeutet, daß auf jede einzelne Maßnahme, die beispielsweise von Rußland ergriffen wird, Vergeltungsmaßnahmen folgen sollten. Dies führt uns in eine diplomatische Sackgasse, in der es keine Diplomatie mehr gibt oder diese in unseren bilateralen Beziehungen nicht mehr funktioniert.
Ich glaube, daß der einzige Weg, um aus diesem Teufelskreis herauszukommen, darin besteht, miteinander zu kommunizieren. Diplomatie bedeutet, miteinander zu reden, einander zuzuhören und einander zu verstehen. Und ich muß sagen, daß die offizielle Position der russischen Regierung auch sehr offen war, sie war offen für jede Form des Dialogs, auch wenn wir anderer Meinung sind. Das bedeutet nicht unbedingt, daß wir in allen Fragen, die die Welt, unsere bilateralen Beziehungen oder beispielsweise Eurasien betreffen, einer Meinung sein müssen, aber es bedeutet, daß wir in der Lage sein müssen, Botschaften zu vermitteln, zu verstehen, welche Auswirkungen die ergriffenen Maßnahmen tatsächlich haben, und natürlich, was wir tun können, um unsere Zivilisationen, unsere Länder zusammenzubringen.
In meiner Rede möchte ich kurz auf einige zentrale Themen eingehen, die mit der großen Strategie Rußlands zu tun haben, denn das ist etwas von großer Bedeutung und von großem Interesse für mich als Spezialist, der tatsächlich ausführlich auf Englisch und Russisch über die große Strategie Rußlands, über die Außenpolitik meines Landes und über Diplomatie im allgemeinen schreibt.
Ich glaube, daß der einzige Weg darin besteht, die Grundsätze des Völkerrechts und internationale Abkommen zu diskutieren, durch die man tatsächlich mehrere Bedingungen schaffen kann, damit ein Land eine Politik verfolgen kann, die mehr oder weniger mit den nationalen Interessen des Landes übereinstimmt. Und nur durch Diplomatie können solche Verhandlungen besiegelt werden.
Gleichzeitig glaube ich, daß die aktuellen Entwicklungen in den Beziehungen zwischen den USA und Rußland auch sehr schlimme Folgen haben können, insbesondere wenn man bedenkt, daß die USA und Rußland 90% aller Atomwaffen besitzen und wir Gefahr laufen, einen umfassenden Atomkrieg zu führen, wenn nichts unternommen wird.
Zunächst einmal sollte man, so würde ich sagen, einen neuen Weg finden, um den verschiedenen Meinungen in Bezug auf die Rüstungskontrolle neues Leben einzuhauchen: Früher hatten wir so viele verschiedene Abkommen, die darauf abzielten, Atomwaffen zu reduzieren und jede Form des direkten Einsatzes dieser Atomwaffen zu verhindern. Und auch das wurde ignoriert und dann vollständig – es wurde vom Westen ignoriert, insbesondere als die US-Regierung beschloß, sich aus mehreren Verträgen zurückzuziehen, die während des Kalten Krieges zwischen den USA und der UdSSR oder zwischen den USA und Rußland in den 1990er Jahren und zu Beginn des 21. Jahrhunderts unterzeichnet wurden.
Ich glaube, daß alles, was derzeit in der Ukraine vor sich geht, auch ein vernichtendes Beispiel dafür ist, wie die europäische Struktur und das europäische Sicherheitssystem nicht funktionieren sollten, insbesondere wenn wir uns die Krise der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, ansehen, die auf diesem Kontinent keine Sicherheit und Zusammenarbeit mehr bietet. Damit meine ich, daß die NATO und die USA alle anderen multilateralen Institutionen gekapert haben, wobei die Europäische Union nur eine wirtschaftliche Dimension der von der NATO geführten europäischen Allianz ist.
Das ist etwas, das nicht nur Rußland betrübt, sondern auch verschiedene neutrale Länder, die gezwungen sind, der NATO beizutreten und Teil dieses antirussischen Systems zu werden. Und wenn ich das sage, denke ich vor allem an Schweden und Finnland, die früher neutral waren, sogar zu Zeiten des Kalten Krieges, und jetzt Teil all der Vorbereitungen sind, die gegen Rußland getroffen werden, um einen möglichen Konflikt zu provozieren, etwas, das Diplomaten zu verhindern versuchen.
Ich glaube, daß diese diplomatische Krise zwischen den USA und Rußland nicht nur Auswirkungen auf Europa oder Eurasien im allgemeinen hat, sondern auch auf andere Teile der Welt. Was wir beispielsweise jetzt im Nahen Osten sehen, insbesondere in diesem Tauziehen zwischen Israel und dem Iran, hat auch damit zu tun, daß die Beziehungen zwischen Moskau und Washington so schlecht sind. Denn unsere beiden Länder hätten mehrere Voraussetzungen für eine diplomatische Lösung dieses Konflikts schaffen können, um Israel davon abzuhalten, Palästinenser direkt anzugreifen und eine Militäroperation gegen den Libanon zu starten.
Wenn ich über die strategische Situation spreche, denke ich in erster Linie an die Asien-Pazifik-Region, insbesondere an die Eindämmung Chinas und Nordkoreas und all diese politischen Maßnahmen, mit denen die USA diese indopazifische Region schaffen wollen, was bedeutet, daß die USA Australien, Japan, Südkorea und Indien unterstützen, um die chinesische Wirtschaft zu schwächen. Das ist sicherlich keine günstige Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben in dieser Region. Und indem wir in dieser Region Trennlinien schaffen, fördern wir nur die potentiellen Konflikte, die in diesen Ländern und in dieser Region bestehen.
Ich bin daher der Meinung, daß diese diplomatische Krise direkte Auswirkungen auf die ganze Welt haben wird. Es geht nicht nur um Washington und Moskau oder Washington und die europäischen Länder. Es geht um unser globales Dorf. Es geht darum, wie wir im 21. Jahrhundert in der Welt leben werden.
Und ich glaube und hoffe sehr, daß die Diplomatie siegen wird. Um zu siegen, müssen wir unsere gemeinsamen Interessen verstehen. Wir müssen unsere respektierten Strategien verstehen. Um das zu verstehen, müssen wir uns in die Lage der anderen Person versetzen und versuchen, jeden einzelnen Konflikt und jeden einzelnen Punkt auf der Tagesordnung zu verstehen, nicht nur durch unsere eigene Brille, sondern auch durch das Prisma unserer Gesprächspartner. Und ich sehe deutlich, daß Rußland versucht, die Motivation der westlichen Länder, der Ukraine und anderer Länder, die sehr aggressiv gegenüber Rußland sind, zu verstehen, aber wir sehen das nicht als Reaktion.
Deshalb hoffe ich wirklich, daß diese Konferenz dazu beitragen wird, ein kollektives Verständnis für die verschiedenen Probleme in der Welt zu schaffen, und daß wir gemeinsam zumindest den Politikern helfen können, aus allem, was vor sich geht, die richtigen Schlüsse zu ziehen und einmal mehr aus diesem Teufelskreis von aggressiven Reaktionen nach dem Motto „Wie du mir, so ich dir“ auszubrechen.
Vielen Dank, daß Sie mir das Wort erteilt haben. Und ich beantworte gerne weitere Fragen, falls Sie noch welche haben. Vielen Dank.
S.E. Prof. Dr. Manuel Hassassian (Palästina), palästinensischer Botschafter in Dänemark
Chandra Muzaffar (Malaysia), Gründer und Präsident der Internationalen Bewegung für eine gerechte Welt (JUST)
Die Hoffnung liegt bei den Menschen
Von Chandra Muzaffar
Chandra Muzaffar ist Gründer und Präsident der Internationalen Bewegung für eine gerechte Welt (JUST) mit Sitz in Malaysia.
Können Sie sich einen Völkermord vorstellen – im Fernsehen übertragen, überall auf der Welt? Wir sind alle Zeugen davon. Und doch sind wir nicht in der Lage, etwas zu tun, um ihn zu stoppen.
Und es ist so offensichtlich, was die Ursache dieses Völkermords ist. Es ist im Grunde nicht nur Israel, wohlgemerkt, sondern die Vereinigten Staaten wollen ihre beherrschende Stellung in dieser Region der Welt, in Westasien sichern. Die Vereinigten Staaten wollen keinen unabhängigen, souveränen palästinensischen Staat. Sie haben diese Idee nie unterstützt, oder? Das haben sie nicht. Israel auch nicht. Einige andere westliche Länder haben sich zu dieser Idee bekannt, aber im Grunde geht es um Kontrolle und Dominanz.
Die Frage ist, ob wir das ändern können. Das Bewußtsein dafür wächst. Ja, die Menschen sind sich dessen bewußt, aber ich bin mir nicht sicher, ob wir es in naher Zukunft ändern werden. Zu diesem wachsenden Bewußtsein hat in gewisser Weise auch Gaza beigetragen. Wie hat es dazu beigetragen? Aufgrund dessen, was in Gaza passiert ist, kennen die Menschen zum ersten Mal das wahre Gesicht Israels, insbesondere viele Menschen im Westen. Für uns ist das nichts Neues. Aber viele Menschen im Westen wissen jetzt, wie Israel wirklich ist und wofür es steht.
Und darüber hinaus kennen viele Menschen die Verbindung zu den USA und wissen, wofür die USA stehen. Sie werden sich der US-Hegemonie und ihrer Funktionsweise sehr bewußt. Die Herausforderung besteht jedoch darin, das zu ändern. Das wird noch lange dauern. Bewußtsein ist hilfreich, und dann, nachdem sich das Bewußtsein entwickelt hat, wäre die nächste Stufe die Fähigkeit, sich zu organisieren, zu mobilisieren und institutionelle Veränderungen herbeizuführen.
Aber die Hoffnung liegt bei den Menschen. Ich habe das Gefühl, daß die einfachen Menschen letztendlich die Hoffnung verkörpern. Und wenn ich sage „einfache Menschen“, dann meine ich nicht nur die Menschen im Globalen Süden. Es sind auch die Menschen im Globalen Norden.
Deshalb finde ich es gut, worum sich das Schiller-Institut, die LaRouche-Bewegung, im Norden bemüht, in den westlichen Ländern: Es versucht, die Menschen zu sensibilisieren und versucht, mit Ländern in anderen Teilen der Welt zusammenzuarbeiten. Das ist wichtig. Ich glaube nicht, daß wir von hier aus in der Lage wären, im Norden einen Bewußtseinswandel herbeizuführen oder die Menschen zu mobilisieren oder zu aktivieren. Mit „wir“ meine ich Menschen wie uns aus dem Globalen Süden. Wir werden dazu nicht in der Lage sein. Aber wir können im Süden das tun, was wir tun sollten. Im Norden hingegen muß diese Aufgabe von Gruppen im Norden übernommen werden, und letztendlich müssen dann diese Gruppen im Norden und im Süden zusammenarbeiten, um den Wandel herbeizuführen.
Genau das versucht JUST. Darauf gehe ich im zweiten Teil meines Vortrags ein, in dem es um die Weltlage geht. Es ist eine Herausforderung, auch nur zu versuchen, eine Rolle zu spielen. Wir sind nur eine kleine, winzige Stimme inmitten dieser Herausforderung, aber diese Stimme wird noch gehört werden, wenn einige von uns nicht mehr da sind. Ich hoffe, daß diese Stimme weiter gehört wird, denn die Herausforderung ist sehr groß.
Ich denke, der sehr vorsichtige und durchdachte Ansatz der BRICS-Staaten – der fünf Gründungsmitglieder und der anderen, jetzt vier weiteren BRICS-Mitglieder, und 13 weitere, die vielleicht im nächsten Jahr dazukommen – ist ein guter Ansatz. BRICS sollte sich nicht zu schnell erweitern. Sie sollten vorsichtig sein. Sie sollten sehr bedachte Schritte unternehmen, einen nach dem anderen, und langsam sicherstellen, daß die Gruppe wirklich global ist, was bedeutet, daß sie am Ende nicht nur aus Ländern des Südens bestehen sollte. Es muß den Westen mit einbeziehen. Man kann zwar die Strategie verstehen, daß es zunächst der Globale Süden ist, aber es muß den Westen mit einbeziehen.
Ich sage das aus einem sehr guten Grund. Wenn man sich ansieht, was in Bezug auf Gaza passiert ist, dann befinden wir uns in Gaza an einem sehr wichtigen Wendepunkt. Die meisten Massendemonstrationen, die für die Menschen in Gaza stattfanden, wurden im Westen, im Globalen Norden abgehalten. Das gibt Ihnen eine Vorstellung davon, wie die Situation ist. Es gibt ein gewisses Verständnis unter den Menschen im Globalen Norden. Es gibt eine Bereitschaft zu handeln, sich zu zeigen, und ich denke, das ist ein sehr gutes Zeichen.
Ich hoffe also, daß dies in den kommenden Monaten und Jahren zu einer Bündelung der Bemühungen, zu einer Kombination von Unternehmungen führen wird. Aber wir müssen verstehen, daß dies eine langfristige Herausforderung ist. Es ist nichts, was innerhalb der nächsten ein oder zwei Jahre erreicht werden kann. Es wird Zeit brauchen. Wir sollten alle darauf hinarbeiten, und am Ende könnte es eine Art globale Bewegung der Menschheit, der gesamten Menschheitsfamilie sein, für eine Welt mit mehr Gerechtigkeit, mehr Gleichheit, mehr Freiheit und mehr Integrität.
Das wäre das Ziel – all die Dinge, über die die Menschen oft gesprochen haben, die wir aber nie wirklich erreicht haben. Manchmal klingt es sehr heuchlerisch, wenn Menschen über einige dieser Werte und Grundsätze sprechen, während sie sie in Wirklichkeit ständig verletzen. Aber jetzt müssen wir dafür sorgen, daß BRICS anders wird: daß sie Dinge tun, die dem Leben der Menschen einen echten Sinn geben, daß langsam und stetig echte Veränderungen erfolgen, und das ist wichtig. Das wäre meine Antwort bis dahin.
Michael Limburg (Deutschland), Diplom-Ingenieur, Vizepräsident des EIKE (Europäisches Institut für Klima und Energie)
Die Klimaideologie ist tot
Von Michael Limburg
Michael Limburg ist Diplom-Ingenieur und Vizepräsident des Europäischen Instituts für Klima und Energie (EIKE). Im Rahmen der zweiten Sitzung der Konferenz „Im Geiste Schillers und Beethovens: Alle Menschen werden Brüder!“ zum 40jährigen Bestehen des Schiller-Instituts hielt er am 7. Dezember 2024 den folgenden Vortrag.
„Die globale Erwärmung ist der größte und erfolgreichste pseudowissenschaftliche Betrug,
den ich in meinem langen Leben als Physiker gesehen habe.“
– Harold Lewis: Austrittsschreiben an die American Physical Society
Ich wurde für dieses Gespräch gebeten, meinen Eindruck darzulegen, wie heute – also im Jahre 26 nach Gründung des IPCC – die Welt auf diese Klimareligion schaut, und ja, es ist eine Klimareligion, die „die Wissenschaft“ als Hohen Priester nutzt.
Um es kurz zu machen, diese Klimareligion, man kann im weiteren Sinn auch von einer Ideologie sprechen, eine Klimaideologie, diese Klimaideologie, diese Klimareligion ist tot.
Noch nicht ganz mausetot, aber doch schon sehr dicht dran. Leider, und dieses leider muß ich einfügen, haben weder die EU noch Deutschland das begriffen. Und die Vereinten Nationen, die sich davon einen deutlichen Machtzuwachs versprechen, leider auch nicht.
Woran mache ich das eine fest und auch das andere?
Nun, bevor ich darauf eingehe, möchte ich etwas zu meiner Person sagen. Ich bin ausgebildeter Ingenieur, mit den Themen Elektrotechnik im ganzen und Nachrichtentechnik im besonderen, und dazu versehen mit einem Zusatzstudium in Meß- und Regelungstechnik. Zur Ausbildung gehörte auch ein naturwissenschaftliches Studium von Physik und gewisse Teile der Chemie.
Ich fühlte mich also gut gerüstet, die Idee von der schlimmen Klimawirksamkeit des Kohlendioxids in der Atmosphäre zu verstehen, aber auch die damit verbundenen Prozesse richtig einzuordnen. Und das betreibe ich seit nunmehr 24 Jahren.
Vom Klima hatte ich anfangs keine Ahnung. Ich nahm es wie es kommt, nämlich als eine statistische Zusammenfassung von lokalen Wetterdaten über mindestens 30 Jahre, wie es ja auch die World Meteorological Organization definiert, und war eigentlich ganz froh, in einer Ecke zu wohnen, die sich durch mildes Kontinentalklima auszeichnet.
Zu Anfang hatte ich keine Probleme damit anzunehmen, daß CO2 diese schlimme Wirkung hat, obwohl ich mich schon von Anfang an an die Chemie erinnerte, die mir einbläute, daß CO2 in der Atmosphäre zu den Spurengasen gehört, die insgesamt – also alle miteinander – weniger als 1 Vol.% ausmachen.
Und CO2 – überdies unsichtbar, de facto ungiftig, bis ca. 8000 ppm oder 0,8% als Grenzwert – war um das Jahr 1990 herum ca. mit 380 ppm oder nur 0,038% in der Luft enthalten. Oder anders ausgedrückt: Von 10.000 Molekülen Luft sind nur 4 Moleküle CO2, und nur 1 davon – nämlich die Erhöhung von 3 auf 4, sei in den letzten 150 Jahren dazugekommen. So das IPCC. 1 von 10.000, dazu ungiftig, es verbindet sich schlecht mit anderen Stoffen – also nicht wie Gift –, und dazu unsichtbar.
Das war also die Ausgangslage, und sehr schnell sah ich ein, daß das mit dem CO2 nicht stimmte. Und da ich genügend Zeit hatte, versuchte ich, der Sache tiefer auf den Grund zu gehen, denn vielleicht hatte ich ja irgend etwas übersehen.
Nun, je tiefer ich bohrte, desto mehr wurde mir klar: Da war nichts. Wirklich nichts!
Darstellung der Energieprozesse, die die energetische Energiebilanz der Atmosphäre der Erde bestimmen.
Um das zu darzustellen, habe ich hier ein Bild von Willi Soon, einem Astrophysiker und in Harvard lange beschäftigt, und ein „Klimarealist“ der ersten Stunde, das darstellt, welche groben Energieprozesse die energetische Energiebilanz der Atmosphäre der Erde bestimmen. Um Ihnen das Zählen zu ersparen: Es sind 18 Prozesse. Und von diesen 18 Prozessen sind 17 mit dem Wasserdampf verbunden und nur einer, ein einziger – nämlich die Atmospheric composition, die Zusammensetzung der Atmosphäre hat – auf eine entfernte Weise – irgend etwas mit dem CO2 zu tun. Einer von 18 und dazu auch noch sehr entfernt.
Und trotzdem begann langsam – beginnend mit Callendar in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts, der sich auf den schon lange widerlegten Svante Arrhenius beruft, diese Idee – insbesondere in der westlichen Welt – Fuß zu fassen. Und sicher hat bei dieser Entwicklung der Club of Rome mitgewirkt, von dem die Aussage von Alexander King in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts überliefert ist:
„Auf der Suche nach einem neuen Feind um uns zu einen, kam uns die Idee, daß Luftverschmutzung, die Bedrohung der globalen Erwärmung, Wasserknappheit, Hungersnöte und ähnliches das Richtige wäre.“
– Die erste globale Revolution, Club of Rome
Und wenn ich schon beim Zitieren bin, darf ich noch Sir John Houghton zitieren, den ersten Vorsitzenden des IPCC, der seinen Mitstreitern einbläute: „Wenn wir keine Desaster ankündigen, wird uns auch keiner zuhören.”
Und so war es.
Doch wenn Sie gestatten, zitiere ich jetzt zu Svante Arrhenius den Bernd Fleischmann – ebenso Ingenieur und bekennender Klimarealist wie ich:
„Arrhenius wandte dann seine falsche Theorie auf das ,Treibhaus Erde‘ an. Statt Fensterglas nahm er die ,Treibhausgase‘ Wasserdampf (H2O) und Kohlendioxid (CO2), welche die sichtbaren Sonnenstrahlen auf die Erde durchlassen, die von der Erde abgestrahlten Infrarotstrahlen aber teilweise absorbieren. Er bezog sich in seinen Arbeiten von 1896 und 1901 auf John Tyndall, der die Absorption der Wärmestrahlung der Erde durch das CO2 in der Atmosphäre gemessen hat. Manche bezweifeln das jedoch und sagen, er hat mit seinem Meßaufbau nur die Absorption durch Wasserdampf messen können. Dessen Ergebnisse, behauptete Arrhenius ,stimmen sehr gut mit meinen Versuchen überein‘, verschwieg dabei aber, daß er die Ergebnisse von Tyndall durch 3,6 dividiert hatte. So etwas nennt man Betrug!“
„Abgesehen davon hat Arrhenius mit seinem Meßaufbau die Absorption durch CO2 gar nicht messen können. Er hat statt dessen die Absorption durch Wasserdampf gemessen.“ Und trotzdem begann diese Idee, das CO2 – insbesondere das von allen Verbrennungsprozessen freigesetzte CO2, also das menschgemachte CO2 – für alles Übel auf der Welt verantwortlich zu machen. Es entstand ein richtiger Hype, eine Religion, eine Ideologie. Und zwar deshalb, weil auch die Linke, nachdem sie merkte, daß der Kommunismus nicht mehr so richtig zog – 100 Millionen Menschen waren damit umgekommen, merkt das Schwarzbuch des Kommunismus an –, sich eine neue Opfergruppe ausdenken wollte. Nämlich all die, welche unter dem reichen „Westen“ zu „leiden“ hatten.
Nicht umsonst war die erste Konferenz, auf der diese Klimaideologie verkündet wurde, die Rio-Konferenz von 1992. Bei dieser Konferenz wurde das Konzept der nachhaltigen Entwicklung (sustainable development) beschlossen, aus dieser ging dann die Agenda 21 hervor. Wenig danach bekannte Frau Brundtland, die Dame war Schirmherrin dieser Konferenz, freimütig im Interview eines kanadischem Reporters, Zitat: „Das Programm der Sozialistischen Internationale ist die Basis der Riokonferenz.“
Und im Jahre 1995 fand in Berlin die erste der IPCC-Konferenzen statt. Und von wem finanziert und ausgerichtet? Nun, Sie wissen es: Es war Frau Merkel. Schon damals mehr mit der Rettung der Welt beschäftigt, als mit dem Voranbringen ihrer Heimat: Deutschland.
Und dann nahm es richtig Fahrt auf. Der industrialisierte Westen mußte – getrieben von den Grün-Linken aller Art und dankbar aufgenommen von den Entwicklungsländern – Buße tun. In noch nie dagewesener Art und Weise.
Billionen von Dollar oder Euro wechselten den Besitzer. Während die Menschen im Westen in den ersten Jahren diesem treibetn noch wohlwollend zustimmten, schließlich war Umweltschutz angesagt – „niemand, der klar im Kopfe ist, würde in den Teich pinkeln, aus dem er sein Trinkwasser holt“, um ein bekanntes Bonmot des ehemaligen tschechischen Staatspräsidenten zu wiederholen. Und die Klimaideologen verbanden auf raffinierte Weise den „Klimaschutz“ mit dem Umweltschutz, so ging es nach Paris mit seiner „Übereinkunft“ erst so richtig los. Allein Deutschland wird der „Klimaschutz“ für die Klimaneutralität, so beziffert es McKinsey, 6 Billionen Euro kosten,1 andere wie Prof. Thess, kommen allein und nur für die sog. Energiewende auf 10 Billionen Euro.2
10 Billionen sind so viel, daß man – weil das Jahr 31.140.000 Sekunden hat –, wenn man pro Sekunde 1.000 Euro sparte oder verdiente, dann müßte man dies 321 Jahre lang tun. Dann hat man 10 Billionen Euro!
Und in den anderen Ländern des Westens ist es nicht anders. Die Menschen merken, mit diesen grün-linken Ideologen geht es ihnen ans „Eingemachte“. Erst werden sie ihr Geld los, dann ihren Job, dann Ihre Rente, und zum Schluß sind sie verarmt.
Doch leider ist es nicht die Wissenschaft, die den Sieg davonträgt, sondern die Erkenntnis, daß Klimaschutz im wahrsten Sinne des Wortes arm macht. Oder um es mit Bertolt Brecht zu formulieren: „Erst kommt das Fressen, dann die Moral.“
Und es ist schlimm, sehr schlimm, daß es erst soweit kommen mußte.
Schauen wir uns die Klimakonferenz in Dubai an. Dorthin kamen fast 100.000 Besucher, und alle hatten nur ein Ziel – von diesem Riesenkuchen, der dort vielleicht verteilt wurde, möglichst viel abzukriegen. Doch sie wurden enttäuscht, der Ölstaat Dubai zelebrierte zwar einige Messen für „Erneuerbare Energien“ und versprach den Anwesenden:
„Langfristig wollen alle Vertragsstaaten auf Kohle, Öl und Gas verzichten. Auch wenn die Umsetzung dieses Ziels noch aussteht, ist es ein Fortschritt – und eine der wichtigsten Entscheidungen der Klimakonferenz… Aber langjährige Fragen zur Finanzierung bleiben offen, einschließlich einer fehlenden Definition von Klimafinanzierung und der Anpassung von globalen Finanzströmen an das Pariser Klimaziel (Artikel 2.1c)“, wie German Watch traurig einen Mißerfolg in einen Erfolg umzuwandeln versuchte. Und dann, noch mißmutiger, in Baku ein Jahr später – und da kamen nur noch 40.000 Besucher –, wie es der ZDF-Umweltreporter Andreas Stamm darstellt:
„Der Kampf gegen den Klimawandel hat in Baku nicht gewonnen. Alles schaut nun auf die nächste COP in Brasilien im kommenden Jahr. Der Prozeß geht weiter, genauso wie die Klimakrise. Kommt Zeit, kommt Rat, heißt es. Es fehlt eben immer mehr die Zeit.“
Und das auch deswegen, weil der aserbaidschanische Staatschef Öl und Gas als „Geschenk Gottes“ bezeichnet, und der Spiegel wußte zu berichten:
„Ilham Alijew wirft Medien und Klimaschützern Verleumdung vor: ,Uns anzuklagen, daß wir Öl haben, ist so, als wenn man uns anklagt, daß Baku mehr als 250 Sonnentage im Jahr hat.’“
Ja, so ist es. Und nur der hartgesottene Kommunist, UN-Generalsekretär António Guterres, meinte: „Zusagen müssen schnell zu Bargeld werden.“
Nun, da kann er lange warten, denn den Sozialisten geht so langsam das Geld anderer Leute aus, wie Maggie Thatcher es so treffend formuliert hatte. Das Scheitern der COP29 sollte nicht überraschend sein? So sagte es James Hansen:3
„Das Pariser Abkommen ist wirklich ein Betrug, ein Fake. Es ist einfach Blödsinn, wenn sie sagen: ,Wir haben ein 2°C-Erwärmungsziel4 und versuchen dann, alle fünf Jahre etwas besser zu werden.‘ Das sind nur wertlose Worte. Es gibt keine Taten, nur Versprechungen. Solange fossile Brennstoffe die billigsten Brennstoffe zu sein scheinen, werden sie weiter verbrannt werden.“
Und nicht nur beim BRICS-Gipfel in Kasan, aber dort auch, wurde formuliert:
„… daß ihre heimischen Energiebedürfnisse und ihr wirtschaftliches Wohlergehen Vorrang vor internationalen Klimavereinbarungen wie dem Pariser Abkommen und ,Netto-Null-Initiativen‘ haben werden“.
Alle diese weltweiten Konferenzen zeigen daher den Niedergang dieser Religion. Ob die USA sich aus der Pariser Übereinkunft zurückziehen und wieder der eigenen Energieversorgung insbesondere mittels fossiler Energie den Vorrang geben, „drill baby, drill“, und sich neue 200 Kernkraftwerke bis 2050 bauen wollen,3 oder ob Argentinien seine Delegierten aus Baku zurückzieht. Der Niedergang ist unaufhaltsam.
Nur leider in einer Region nicht, der EU mit ihrem Vorzeigeland Deutschland. „Deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen zu tun“, wußte schon Richard Wagner. Denn obwohl die aktuelle Regierung hierzulande deswegen und letztendlich auseinanderflog, weil das Bundesverfassungsgericht die Zweckentfremdung des Klimafonds in Höhe von 60 Mrd. Euro – alles geliehenes Geld, versteht sich – untersagte, und deswegen ohne Aufgeben der Schuldenbremse der Haushalt 2025 nicht zu stemmen ist, ist letztendlich die Klimareligion, die Klimaideologie, dafür verantwortlich. Sie macht Energie schweineteuer, und mit ihren Krakenarmen umfaßt sie die gesamte Volkswirtschaft und legt sie lahm.
Und wenn selbst der klimaüberzeugte Hans-Werner Sinn feststellte:
„…Das Kernproblem ist der Extremismus in der Klimapolitik. Denken Sie nur mal an das Energie-Effizienz-Gesetz vom letzten Jahr, das diesen komischen euphemistischen Namen trägt. In Wahrheit ist es ein Deindustrialisierungs-Gesetz, denn von 2008 bis 2045 muß der (primäre) Energieverbrauch insgesamt in Deutschland um 45 Prozent schrumpfen – selbst dann, wenn er bis dahin vollkommen grün geworden sein sollte.“
Auch wenn er schon lange vor „dieser“ Klimapolitik gewarnt hat, doch „internationale“ Klimapolitik findet er nachgerade sehr toll, so spricht das Bände.
Aber vielleicht gewinnt die Wissenschaft jetzt?
Weil die Kosten für die, die sie tragen müssen, zu groß werden.
Weil insbesondere der Westen und darin die EU und Deutschland immer noch weiter diesen Unsinn vorantreibetn, allerdings mit nachlassender Intensität, wie USA, Argentinien und einige andere Staaten zeigen.
Die EU mit ihrem Green Deal inklusive Verbrennerverbot und v.a.m. werden zuletzt umkippen, und auch erst dann, wenn Deutschland nicht mehr zahlt, nicht mehr zahlen kann.
Wer Klimaschutz sagt, will betrügen!
Anmerkungen
1. McKinsey-Studie: 6 Billionen Euro kostet Deutschlands Klimaneutralität,
Internetseite des Verbands der Immobilienverwalter, 16.09.2021.
2. Bspw. auf dem Kongreß am 15.6.24 in Halle.
3. James Hansen, father of climate change awareness, calls Paris talks ‚a fraud‘, The Guardian, 12.12.2015.
4. Coalition of business leaders challenges 2C climate change target, The Guardian, 6.12.2015.
5. Amerika ruft ein neues Kernenergie-Zeitalter aus – Deutschland steht allein da, Welt, 20.11.2024.
Prof. Glenn Diesen (Norwegen), Professor und Autor
Die Krise der Diplomatie
Von Dr. Alexander Bobrow
Dr. Alexander K. Bobrow ist außerordentlicher Professor am Fachbereich für Diplomatie, MGIMO-Universität, Moskau.
Zunächst einmal möchte ich mich dafür bedanken, daß Sie mir das Wort erteilen, um vor einem so angesehenen Publikum zu sprechen, und vor all jenen, die wirklich über die Zukunft der Menschheit und die Zukunft der internationalen Beziehungen nachdenken. Mein Name ist Dr. Alexander Kyrillowich Bobrow. Ich bin außerordentlicher Professor am Lehrstuhl für Diplomatie am Moskauer Staatlichen Institut für Internationale Beziehungen (MGIMO), und wie Sie sich vorstellen können, beschäftige ich mich mit Diplomatie. Diplomatie ist meiner Meinung nach ein Instrument der Staatskunst, das darauf abzielt, verschiedene politische Konflikte mit friedlichen Mitteln zu lösen. Und was wir jetzt sehen, ist im allgemeinen die Krise der Diplomatie. Und das ist etwas, das ich für sehr wichtig halte, und es ist die Wurzel allen Übels, das es jetzt in den zeitgenössischen internationalen Beziehungen gibt.
Im Grunde wird sich meine Rede also mit der Krise der Diplomatie befassen, mit den charakteristischen Merkmalen dieser Krise und was dagegen zu tun ist.
Zunächst möchte ich sagen, daß die Krise der Diplomatie nicht in der ganzen Welt zu beobachten ist. Sie ist nur zu erkennen, wenn wir uns auf das konzentrieren, was derzeit in den bilateralen Beziehungen zwischen dem Westen und Rußland im Allgemeinen und den Beziehungen zwischen den USA und Rußland im besonderen vor sich geht. Wir sehen, daß es keinerlei Verhandlungen zwischen den Staats- und Regierungschefs dieser Länder gibt, zwischen Präsident Wladimir Putin und seinen amerikanischen oder europäischen Amtskollegen. Wir sehen, daß es absolut keinen Dialog zwischen den Außenministern gibt, zwischen dem US-Außenministerium und dem russischen Außenministerium; dasselbe könnte für den Dialog zwischen unserem Außenministerium und denen der europäischen Länder gelten und ich glaube, dies ist ein vernichtendes Beispiel dafür, wie Diplomatie im allgemeinen nicht funktionieren sollte.
Wir sehen auch die Wellen verschiedener Ausweisungen russischer Diplomaten aus verschiedenen westlichen Ländern, die jede Form des offiziellen Dialogs zwischen unseren Ländern verhindern, und wie Sie verstehen, geht dies mit verschiedenen Wellen von Sanktionen einher, die gegen Rußland, gegen unsere Wirtschaft verhängt werden. Das schafft eine Situation, in der wir in einem Teufelskreis von Feindseligkeiten und einem Teufelskreis von politischen Aktivitäten stecken, die uns daran hindern, einen Konsens zu finden.
Wie Sie wissen, zielen viele westliche Strategien auf eine Politik des „Wie du mir, so ich dir“ ab, was bedeutet, daß auf jede einzelne Maßnahme, die beispielsweise von Rußland ergriffen wird, Vergeltungsmaßnahmen folgen sollten. Dies führt uns in eine diplomatische Sackgasse, in der es keine Diplomatie mehr gibt oder diese in unseren bilateralen Beziehungen nicht mehr funktioniert.
Ich glaube, daß der einzige Weg, um aus diesem Teufelskreis herauszukommen, darin besteht, miteinander zu kommunizieren. Diplomatie bedeutet, miteinander zu reden, einander zuzuhören und einander zu verstehen. Und ich muß sagen, daß die offizielle Position der russischen Regierung auch sehr offen war, sie war offen für jede Form des Dialogs, auch wenn wir anderer Meinung sind. Das bedeutet nicht unbedingt, daß wir in allen Fragen, die die Welt, unsere bilateralen Beziehungen oder beispielsweise Eurasien betreffen, einer Meinung sein müssen, aber es bedeutet, daß wir in der Lage sein müssen, Botschaften zu vermitteln, zu verstehen, welche Auswirkungen die ergriffenen Maßnahmen tatsächlich haben, und natürlich, was wir tun können, um unsere Zivilisationen, unsere Länder zusammenzubringen.
In meiner Rede möchte ich kurz auf einige zentrale Themen eingehen, die mit der großen Strategie Rußlands zu tun haben, denn das ist etwas von großer Bedeutung und von großem Interesse für mich als Spezialist, der tatsächlich ausführlich auf Englisch und Russisch über die große Strategie Rußlands, über die Außenpolitik meines Landes und über Diplomatie im allgemeinen schreibt.
Ich glaube, daß der einzige Weg darin besteht, die Grundsätze des Völkerrechts und internationale Abkommen zu diskutieren, durch die man tatsächlich mehrere Bedingungen schaffen kann, damit ein Land eine Politik verfolgen kann, die mehr oder weniger mit den nationalen Interessen des Landes übereinstimmt. Und nur durch Diplomatie können solche Verhandlungen besiegelt werden.
Gleichzeitig glaube ich, daß die aktuellen Entwicklungen in den Beziehungen zwischen den USA und Rußland auch sehr schlimme Folgen haben können, insbesondere wenn man bedenkt, daß die USA und Rußland 90% aller Atomwaffen besitzen und wir Gefahr laufen, einen umfassenden Atomkrieg zu führen, wenn nichts unternommen wird.
Zunächst einmal sollte man, so würde ich sagen, einen neuen Weg finden, um den verschiedenen Meinungen in Bezug auf die Rüstungskontrolle neues Leben einzuhauchen: Früher hatten wir so viele verschiedene Abkommen, die darauf abzielten, Atomwaffen zu reduzieren und jede Form des direkten Einsatzes dieser Atomwaffen zu verhindern. Und auch das wurde ignoriert und dann vollständig – es wurde vom Westen ignoriert, insbesondere als die US-Regierung beschloß, sich aus mehreren Verträgen zurückzuziehen, die während des Kalten Krieges zwischen den USA und der UdSSR oder zwischen den USA und Rußland in den 1990er Jahren und zu Beginn des 21. Jahrhunderts unterzeichnet wurden.
Ich glaube, daß alles, was derzeit in der Ukraine vor sich geht, auch ein vernichtendes Beispiel dafür ist, wie die europäische Struktur und das europäische Sicherheitssystem nicht funktionieren sollten, insbesondere wenn wir uns die Krise der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, ansehen, die auf diesem Kontinent keine Sicherheit und Zusammenarbeit mehr bietet. Damit meine ich, daß die NATO und die USA alle anderen multilateralen Institutionen gekapert haben, wobei die Europäische Union nur eine wirtschaftliche Dimension der von der NATO geführten europäischen Allianz ist.
Das ist etwas, das nicht nur Rußland betrübt, sondern auch verschiedene neutrale Länder, die gezwungen sind, der NATO beizutreten und Teil dieses antirussischen Systems zu werden. Und wenn ich das sage, denke ich vor allem an Schweden und Finnland, die früher neutral waren, sogar zu Zeiten des Kalten Krieges, und jetzt Teil all der Vorbereitungen sind, die gegen Rußland getroffen werden, um einen möglichen Konflikt zu provozieren, etwas, das Diplomaten zu verhindern versuchen.
Ich glaube, daß diese diplomatische Krise zwischen den USA und Rußland nicht nur Auswirkungen auf Europa oder Eurasien im allgemeinen hat, sondern auch auf andere Teile der Welt. Was wir beispielsweise jetzt im Nahen Osten sehen, insbesondere in diesem Tauziehen zwischen Israel und dem Iran, hat auch damit zu tun, daß die Beziehungen zwischen Moskau und Washington so schlecht sind. Denn unsere beiden Länder hätten mehrere Voraussetzungen für eine diplomatische Lösung dieses Konflikts schaffen können, um Israel davon abzuhalten, Palästinenser direkt anzugreifen und eine Militäroperation gegen den Libanon zu starten.
Wenn ich über die strategische Situation spreche, denke ich in erster Linie an die Asien-Pazifik-Region, insbesondere an die Eindämmung Chinas und Nordkoreas und all diese politischen Maßnahmen, mit denen die USA diese indopazifische Region schaffen wollen, was bedeutet, daß die USA Australien, Japan, Südkorea und Indien unterstützen, um die chinesische Wirtschaft zu schwächen. Das ist sicherlich keine günstige Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben in dieser Region. Und indem wir in dieser Region Trennlinien schaffen, fördern wir nur die potentiellen Konflikte, die in diesen Ländern und in dieser Region bestehen.
Ich bin daher der Meinung, daß diese diplomatische Krise direkte Auswirkungen auf die ganze Welt haben wird. Es geht nicht nur um Washington und Moskau oder Washington und die europäischen Länder. Es geht um unser globales Dorf. Es geht darum, wie wir im 21. Jahrhundert in der Welt leben werden.
Und ich glaube und hoffe sehr, daß die Diplomatie siegen wird. Um zu siegen, müssen wir unsere gemeinsamen Interessen verstehen. Wir müssen unsere respektierten Strategien verstehen. Um das zu verstehen, müssen wir uns in die Lage der anderen Person versetzen und versuchen, jeden einzelnen Konflikt und jeden einzelnen Punkt auf der Tagesordnung zu verstehen, nicht nur durch unsere eigene Brille, sondern auch durch das Prisma unserer Gesprächspartner. Und ich sehe deutlich, daß Rußland versucht, die Motivation der westlichen Länder, der Ukraine und anderer Länder, die sehr aggressiv gegenüber Rußland sind, zu verstehen, aber wir sehen das nicht als Reaktion.
Deshalb hoffe ich wirklich, daß diese Konferenz dazu beitragen wird, ein kollektives Verständnis für die verschiedenen Probleme in der Welt zu schaffen, und daß wir gemeinsam zumindest den Politikern helfen können, aus allem, was vor sich geht, die richtigen Schlüsse zu ziehen und einmal mehr aus diesem Teufelskreis von aggressiven Reaktionen nach dem Motto „Wie du mir, so ich dir“ auszubrechen.
Vielen Dank, daß Sie mir das Wort erteilt haben. Und ich beantworte gerne weitere Fragen, falls Sie noch welche haben. Vielen Dank.
Dr. Bedabrata Pain (Indien), Filmregisseur; ehemaliger leitender NASA-Forscher „Deja vu, Where Past Meets the Future“; Joe Maxwell (USA), Mitbegründer von Farm Action, ehemaliger Vizegouverneur von Missouri; Mike Callicrate (USA), Eigentümer von Ranch Foods Direct & Callicrate Cattle Co; Robert Baker (USA) Schiller-Institut Landwirtschaftskommission
Verteidigt die Ernährungssouveränität!
Zum Abschluß der zweiten Sitzung der Konferenz „Im Geiste Schillers und Beethovens: Alle Menschen werden Brüder!“ zum 40jährigen Bestehen des Schiller-Instituts am 7. Dezember 2024 sprachen Experten und Aktivisten über Fragen der Landwirtschaft und Welternährung: Dr. Bedabrata Pain, Filmregisseur und hochrangiger NASA-Forscher aus Indien, und die US-Amerikaner Joe Maxwell, Mitgründer von Farm Action und ehemaliger Vizegouverneur von Missouri, Mike Callicrate, Besitzer von Ranch Foods Direct und Callicrate Cattle Co., sowie Robert Baker von der Landwirtekommission im Schiller-Institut.
Dr. Bedrabrata Pain, Filmemacher
Zunächst möchte ich dem Schiller-Institut und Helga LaRouche danken.
Zu dem Film Déjà vu, Where the Past Meets the Future („Déjà vu – Wo Vergangenheit und Zukunft zusammentreffen“): Es handelt sich um eine Dokumentation über die Marktreformen in der Landwirtschaft in den USA und wie sie sich auf Kleinbauern ausgewirkt haben. Der Hintergrund waren die großen Proteste, die indische Bauern gegen ähnliche Reformen in Indien gestartet hatten. Ich bin sicher, daß Sie den Film irgendwann einmal sehen werden, und ich freue mich sehr, daß zwei der Personen, die wir interviewt haben, nach mir hier sprechen werden.
Ich werde Ihnen also kurz erzählen, worum es in dem Dokumentarfilm geht: Es geht um Marktreformen in der Landwirtschaft und darum, wie als Folge davon Konzerne die Landwirtschaft übernommen und Kleinbauern dezimiert haben, ohne daß die Verbraucher davon profitiert haben.
Tatsächlich sind die Probleme viel größer als die Landwirtschaft selbst. Es geht darum, wie Unternehmensmonopole, Oligarchien und Kartelle unser Leben in allen Bereichen übernommen haben. Das wichtigste ist, daß es heute kein einziges Problem auf der Welt gibt, das zum Wohle der Menschen gelöst werden kann, ohne die Unternehmensmonopole in ihre Schranken zu weisen und ihre Macht zu beschneiden.
Das ist das Wichtigste, worüber ich sprechen möchte, und ich bin sicher, daß wir noch Gelegenheit haben werden, mehr darüber zu sprechen. Vielen Dank.
Joe Maxwell, Mitbegründer von Farm Action und ehemaliger Vizegouverneur von Missouri
Vielen Dank für die Einladung, heute hier zu sein. Der Weg zum Frieden führt über die Ernährungssouveränität. Die Globalisierungspolitik der Vereinigten Staaten hat dazu geführt, daß die USA bei der Ernährung ihrer Bevölkerung von anderen Ländern abhängig sind. Die Vereinigten Staaten stehen in diesem Jahr vor einem Rekorddefizit im Agrarhandel von etwa 45 Milliarden US-Dollar. Die Wahrheit ist, daß die globalistische Politik der USA die mächtige Agrarmacht der USA in eine Lage gebracht hat, in der sie nicht einmal seine Bevölkerung ernähren kann.
Die Welt sollte danach streben, einen Ort, eine Gemeinschaft zu schaffen, in der die Landwirte und Produzenten eines Landes ihre Nachbarn über lokale und regionale Lebensmittelsysteme ernähren dürfen und dabei unterstützt werden. Die Regierungen auf der ganzen Welt sollten bereitstehen, um bei Dürren oder anderen Naturkatastrophen, die die Fähigkeit zur Ernährung der eigenen Bevölkerung beeinträchtigen, zu helfen. Wenn ein Land von einem anderen Land abhängig ist, um sich und seine Bevölkerung zu ernähren, hat es seine Souveränität verloren; seine Bevölkerung ist der harten Hand der Globalisten ausgeliefert und das Land selbst dem Hungertod, wenn es sich der Globalisierung nicht unterwirft.
Wir dürfen nicht zulassen, daß Lebensmittel jemals als Waffe eingesetzt werden. Wir dürfen niemals zulassen, daß Lebensmittel unter in die Hände und unter die Kontrolle einiger weniger globaler Unternehmen und der mit ihnen verbündeten Regierungen kommen.
Diese Konferenz bringt Redner aus einigen der mächtigsten Länder der Welt zusammen. Länder, die weltweit in die Infrastruktur investieren, in Südamerika, Afrika und anderen Orten. Sie bauen Eisenbahnen, Häfen, Straßen und verschiedene Infrastruktur in diesen Ländern. Das sollte begrüßt werden.
Die meisten von ihnen verkaufen diesen Ländern jedoch die Botschaft, daß sie da sind, um zu „helfen“. Unserer Meinung nach sind ihre Motive aber nicht rein. Sie investieren nur in die Infrastruktur, die ihre Unternehmen, staatlichen Betriebe und wohlhabendsten Bürger benötigen, um diesen Ländern, denen sie angeblich helfen wollen, den Reichtum zu entziehen.
Es ist, wie wir auf dem Land in Amerika sagen, wie ein Wolf im Schafspelz. Landwirte auf der ganzen Welt sollten fordern, daß sie ihre Nachbarn unterstützen dürfen, indem sie sie ernähren. Ihre Regierungen sollten in die Verarbeitungs- und Vertriebssysteme investieren, die die lokale und regionale Wirtschaft unterstützen. Wenn man in einer Gemeinschaft wirklich wachsen will, sollte man mit der Landwirtschaft und der Ernährung dieser Gemeinschaft beginnen. Dieser Ansatz wird Wohlstand in der Gemeinschaft und im Lande schaffen.
Als Landwirt arbeite ich in den Vereinigten Staaten mit unserer Organisation Farm Action und dem Farm Action Fund zusammen, um zu fordern, daß die USA mir und uns als amerikanischen Landwirten erlauben, unsere Nachbarn zu ernähren. Und wir fordern und verlangen, daß sie anderen Ländern die Infrastruktur zur Verfügung stellen, damit die Landwirte in diesen Ländern ihre Nachbarn ernähren können. Wir möchten, daß unsere US-Regierung die Wünsche der Menschen in anderen Teilen der Welt respektiert.
Ein Beispiel für etwas, das uns in unserem Land schockiert hat: Mexiko wollte ein Verbot von gentechnisch verändertem Mais verhängen, aber unsere Regierung forderte, daß Mexiko dieses Recht nicht haben sollte. Unsere Regierung in den Vereinigten Staaten sollte niemals darüber urteilen, was für ein anderes Land und seine Bevölkerung am besten ist. Wir sollten diese Entscheidungen unterstützen und Möglichkeiten für friedliche Verhandlungs- und Handelswege schaffen.
Wir von Farm Action sind der Meinung, daß es keinen Weltfrieden geben kann, solange wir nicht alle zusammenarbeiten, um Gemeinschaften weltweit in die Lage zu versetzen, sich selbst zu ernähren. Ich möchte Ihnen allen dafür danken, daß Sie sich für unser Anliegen einsetzen, Menschen auf der ganzen Welt zu unterstützen. Vielen Dank.
Michael Callicrate, Besitzer von Ranch Foods Direct und Callicrate Cattle Co.
Hallo, hier ist Mike Callicrate; ich lebe in Colorado Springs in Colorado. Ich möchte dem Schiller-Institut und Helga [Zepp-LaRouche] für die Gelegenheit danken, heute hier zu sprechen.
Was mich tatsächlich am meisten beunruhigt, ist die Konzentration von Macht und Reichtum in den Händen einiger weniger. Präsident James Madison (1809-17) sagte:
„Konzentrierter Reichtum wird unsere Nation zerstören, wenn sich die Gesetze nicht ändern. Der Tag wird kommen, an dem unsere Republik zur Unmöglichkeit wird, weil der Reichtum in den Händen einiger weniger konzentriert sein wird. Wenn dieser Tag kommt, müssen wir uns auf die Weisheit der besten Elemente des Landes verlassen, um die Gesetze der Nation neu anzupassen.“
Seit dieses Zitat von Präsident Madison ausgesprochen wurde, ging es mit uns auf und ab. Wir haben die Ära der Räuberbarone erlebt, in der Monopolmacht und -kontrolle herrschten. Nun sind wir wieder vollständig unter der Monopolmacht und -kontrolle globaler Unternehmen und Globalisten im allgemeinen, die wirklich Menschen gegen Menschen ausspielen.
Wenn wir darüber sprechen wollen, daß „alle Menschen Brüder werden“, dann können wir das vielleicht mit dem Essen tun. Ich arbeite am Aufbau lokaler, regionaler Lebensmittelketten. So kann ich sicher sein, daß wir immer etwas zu essen haben werden.
Aber im Moment sieht es so aus, daß wir nie in der Lage sein werden, friedlich miteinander zu leben, wenn wir nicht unser Nahrungsmittelsystem ändern und die großen Konzerne wie Cargill unter Kontrolle bringen, die immer auf der Suche nach den hungrigsten Menschen sind, die am billigsten arbeiten, und die Ressourcen des Planeten ausbeuten. Wenn wir Menschen gegeneinander ausspielen und dadurch Kriege verursachen, dann werden wir nie in der Lage sein, friedlich miteinander zu leben.
Deshalb konzentriere ich mich auf Lebensmittel. Ich möchte lokale und regionale Lebensmittelketten aufbauen und ich komme auf das zurück, was der heilige Paulus sagte: „Der Landmann, der mühsam arbeitet, muß der erste sein, der die Früchte genießt.“ Das steht in Stein gemeißelt über dem Hauptportikus des US-Landwirtschaftsministeriums (USDA) in Washington. Doch diejenigen, die in diesem Gebäude für das Ministerium arbeiten, wissen nicht, daß das dort steht, und ehrlich gesagt, glauben sie nicht daran.
Ich weiß also nicht, was uns diese neue Regierung bringen wird. Als diese Regierung mit Trump an der Spitze das letzte Mal an der Macht war, wurde alles nur noch schlimmer. Aber wir werden sehen, was mit dieser nächsten Regierung passiert.
Vielen Dank, daß ich heute hier reden durfte.
Bob Baker, Landwirtschaftssprecher des Schiller-Instituts
Hallo und danke an alle. Als erstes möchte ich Sie bitten, daß Sie auf diesen Bildschirm schauen und die Adresse von EIR News notieren: LaRouchePub.com. Dort finden Sie im Archiv unter den Stichwörtern „Landwirtschaft“ und „Amerikanisches System“ Hunderte von Artikeln über die Geschichte des Kampfes um die Wirtschaftspolitik. Damit verstehen Sie den Unterschied zwischen der Herrschaft kolonialer Monopole und der Herrschaft souveräner Bürger. Das ist sehr wichtig. Es ist Ihre beste Quellensammlung.
Heute gibt es in der Ernährung und Landwirtschaft der Welt zwei Mängel, die dringendes Handeln für ein neues Wirtschaftssystem erfordern:
Erstens: Die weltweite Gesamtproduktion an Nahrungsmitteln reicht nicht aus! Viele wohlmeinende Menschen behaupten, es gäbe genug für alle, wenn man es besser verteilt. Das stimmt nicht.
Nehmen Sie Getreide als Maßstab: Weizen, Mais, Reis, Sorghum. Wir sollten davon über sechs Milliarden Tonnen pro Jahr haben. Wir haben kaum die Hälfte!
Und schauen Sie genauer hin: Die Länder, die immer mehr Getreide anbauen, sind Indien, Rußland, China und ein paar andere. Das ist gut!
Zu Afrika: Wir müssen die Getreideproduktion in Afrika und anderswo dringend steigern. Die Getreidegürtel des Westens stecken in einer Wirtschaftskrise und kommen nicht vom Fleck.
Zweitens: Wir müssen weg von den langen Export-Import-Wegen, die das System der Globalisierung geschaffen hat. Das kommt von Monopolen wie Cargill, JBS, Bunge, ADM, Danone, Walmart, Aldi, Carrefour und vielen anderen. Sie wollen damit Geld verdienen, nicht Menschen mit Lebensmitteln versorgen.
Heute sind die USA ein Nettoimporteur von Lebensmitteln. Sie leben von Kartell-Lieferungen von Lebensmitteln aus Guatemala, Honduras, Mexiko, Peru und anderen Ländern.
In den Farmen in den USA geht es jetzt zu wie in Europa, es gibt Massenentlassungen in den Agrar-Zulieferbetrieben. John Deere schließt Fabriken, Cargill entlässt 8000 Arbeiter und Lebensmittelverarbeiter wie Tyson bauen Tausende von Arbeitsplätzen ab. In den nächsten 20 Jahren werden 70% der Landwirte in den USA in den Ruhestand gehen. Junge Landwirte werden nicht zurückkommen.
Auf diesem Podium haben wir von den Projekten und Ansätzen gehört, die eine Wende herbeiführen sollen. Die damit verbundenen Prinzipien sind aus der Geschichte des Amerikanischen Systems bekannt. Denken Sie nur an Präsident Abraham Lincolns Transkontinentale Eisenbahn im Jahr 1862.
Laßt uns jetzt die südamerikanische transkontinentale Eisenbahn bauen, sie ist längst überfällig.
Laßt uns die Produktion überall steigern!
Schauen wir uns drei Punkte an, die Prinzipien für das neue Wirtschaftssystem sind, in Bezug auf die Landwirtschaft:
1. Wir brauchen unabhängige Familienbetriebe. Warum? Um kreative Fähigkeiten, Stolz und Kultur im Zusammenhang mit der Produktion von Nahrungsmitteln für die Menschen zu entwickeln. Wir müssen sicherstellen, daß das Einkommen der Bauernfamilien ausreicht und die Preise stabil und verläßlich sind.
2. Wir brauchen die Infrastruktur zur Unterstützung der Lebensmittelproduktion: Wasser, Strom, Transport.
3. Wir müssen die Souveränität des Landes wahren. Es ist die Aufgabe der Regierung, Monopole und den Finanzkomplex zu stoppen, der die Landwirtschaft, die Lebensmittelversorgung, die Medizin und alles andere beherrscht.
Seit dem Herbst sind die Landwirte in Europa wieder auf der Straße und protestieren. Am 19. November waren sie in London. Letzte Woche demonstrierten die französischen Bauern. Sie fordern das Recht, Lebensmittel zu produzieren. Wir haben die indischen Bauern massenhaft auf den Straßen gesehen. Wir haben die Berichte der amerikanischen Landwirte gehört.
Laßt uns die moralische Verpflichtung übernehmen, alle Menschen auf der Erde mit ausreichend Nahrung zu versorgen!
Und nehmen wir diese Konferenz als Ausgangspunkt, auf jede notwendige Art und Weise zusammenzuarbeiten, um ein neues System zu schaffen.
Diskussion
Sonntag, 8. Dezember
Panel 3 (15:00–18:00 Uhr): „Die wissenschaftlichen Triebkräfte der physischen Wirtschaft heute“
Moderator: Jason Ross (USA), Wissenschaftsberater des Schiller-Instituts: Begrüßung und Einführung
Hauptredner: Jacques Cheminade (Frankreich), ehemaliger Präsidentschaftskandidat, Präsident von Solidarité et Progrès: Wissenschaft als Motor für das neue Paradigma der physischen Ökonomie
Wissenschaft als Motor für das neue Paradigma der physischen Ökonomie
Von Jacques Cheminade
Jacques Cheminade war Kandidat für das Amt des französischen Staatspräsidenten und ist Vorsitzender der Partei Solidarité et Progrès, Er eröffnete den 3. Abschnitt der Konferenz zum 40jährigen Bestehen des Schiller-Instituts am 8. Dezember 2024 mit dem folgenden Vortrag.
Unsere Mission ist es, die Menschheit von ihrem Weg in die thermonukleare Auslöschung abzubringen. Das bedeutet Frieden – nicht als Abkommen zwischen zwei Kriegsperioden oder lediglich zur Beendigung des Krieges, sondern daß wir unseren Kampf auf wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt stützen, um allen Nationen und der gesamten Menschheit das Überleben zu ermöglichen.
Das Engagement für wissenschaftlichen Fortschritt steht im Mittelpunkt der physischen Voraussetzungen für das Überleben der Menschheit als Ganzes, um in uns allen die Gewißheit zu schaffen, daß zukünftige Generationen besser sein werden als unsere. Wir müssen dieses Prinzip in unseren subjektiven Handlungen teilen, um die notwendige Hoffnung und das Vertrauen in die Kräfte der schöpferischen Vernunft zu fördern. Eine solche Hoffnung ist, entgegen den bösartigen Erzählungen der oligarchischen Kriegstreiber, die einzige Waffe, um unsere Mitmenschen zu inspirieren, sich überall für die Sache des Friedens zusammenzuschließen und verängstigte Flüchtlinge in selbstbewußte Millionen von Demonstranten zu verwandeln.
Die folgenden Redner werden die Konsequenz eines Nicht-Eingreifens – unsere gegenseitige nukleare Vernichtung – und statt dessen die Freude an der Schaffung eines neuen Entwicklungsparadigmas aufzeigen, wenn sich die Nationen des Westens mit den BRICS-Staaten zusammenschließen, um die rasche Industrialisierung unseres gesamten Planeten sicherzustellen und Milliarden qualifizierter Arbeitsplätze zu schaffen, die für die Bewältigung einer solchen Aufgabe erforderlich sind. Unter den zehn Prinzipien, die Helga Zepp-LaRouche zur Diskussion über eine neue internationale Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur vorstellte, definiert das letzte unsere Herausforderung:
„Die Grundannahme des neuen Paradigmas ist, daß der Mensch grundsätzlich gut ist und fähig, die Kreativität seines Geistes und die Schönheit seiner Seele unendlich zu vervollkommnen, und daß er die am weitesten entwickelte geologische Kraft im Universum ist, was beweist, daß die Gesetzmäßigkeit des Geistes und die des physischen Universums in Übereinstimmung und Kohäsion stehen und daß alles Böse das Ergebnis eines Mangels an Entwicklung ist und daher überwunden werden kann”
Das gemeinsame Potential der Menschheit
Dies ist die eigentliche Quelle der Wissenschaft, die entscheidende Tatsache, auf die sich das christliche Prinzip des „göttlichen Funken der Vernunft“ bezieht, der in jedem von uns als souveräne, individuelle, kreative Person innewohnt. Lyndon LaRouche verweist in seinem Artikel „Geschichte als Wissenschaft“ vom 8. Februar 1993 auf „Gottfried Leibniz‘ erstaunliche Entdeckung der charakteristischen Punkte der Affinität zwischen dem Christentum und der Konfuzius-Tradition innerhalb der Sprachkultur Chinas“. Hier geht es darum, was wir gemeinsam haben und was wir in unseren westlichen Ländern in die „Gemeinschaft für eine gemeinsame Zukunft der Menschheit“ einbringen können und sollten.
Was wir gemeinsam haben, ist das, was Helga Zepp-LaRouche betont: das angeborene Potential des Guten in allen Menschen, das im Westen durch das platonische Christentum gegen den bösartigen Gnostizismus und Nominalismus, die beide auf Sinneswahrnehmungen reduziert sind, und in China durch die ursprüngliche konfuzianische Tradition gegen den fehlgeleiteten Taoismus und Legalismus zum Ausdruck kommt.
In beiden Fällen steht dies im völligen Gegensatz zu dem, was der Jurist des Dritten Reiches, Carl Schmitt, als die Notwendigkeit bezeichnet, einen existentiellen Feind zu haben, um das eigene Identitätsgefühl zu behaupten. Dieser böse Glaube, man habe für immer einen existentiellen Feind, bis man ihn vernichtet, führt „logischerweise“ zum Krieg.
Die chinesische Kultur mit ihrem Win-Win-Konzept und die westliche Kultur, wie sie im Westfälischen Frieden und in den Evangelien zum Ausdruck kommt, teilen eine ähnliche, ontologisch optimistische Auffassung. Sie ist nicht nur die Grundlage für die Vorstellung eines dauerhaften Friedens, sondern drückt auch die unvermeidliche Wechselbeziehung zwischen moralischer Motivation und wissenschaftlicher Praxis aus.
Einige mögen antworten: Aber es ist die Wissenschaft, die die Chinesen dazu gebracht hat, das Pulver für Kanonen zu erfinden, und den Westen dazu, zwei Atombomben zu entwickeln und auf die Zivilbevölkerung abzuwerfen.
Nun, was den Westen betrifft, so ist es die Perversion der Wissenschaft. Warum? Weil, wenn nichts für das Gute getan wird, das Böse entsteht und die Ergebnisse der Wissenschaft kontrolliert, um Macht über andere zu erlangen! Ein Eintreten für die Entwicklung der noch nicht entwickelten Länder, wie es Roosevelt oder De Gaulle konzipiert haben, hätte die Versuchung verhindert, 1945 aus geopolitischen Gründen Atombomben zu werfen, um Japan zu demütigen und das „kommunistische Rußland“ zu bedrohen.
Geopolitik basiert auf einer Politik, die darauf abzielt, den existentiellen Feind zu beherrschen und loszuwerden, und nicht darauf, eine höhere Ebene der Beziehungen, des Friedens und der Zusammenarbeit zu erreichen. Deshalb muß man sich im Namen des Friedens für immer von der Geopolitik abwenden.
Rückbesinnung auf die Goldene Renaissance
Für uns im Westen bedeutet dies, daß wir uns auf unsere historische Bestimmung besinnen müssen, wie sie in der Goldenen Renaissance zum Ausdruck kam. Wir können uns dem neuen Paradigma nicht mit leeren Händen oder, schlimmer noch, mit leeren Köpfen anschließen. Wir sollten das wiedererlangen, was wir seit den beiden Barbarenkriegen in Europa und der Kolonisierung von Gebieten und Köpfen verloren haben: die Methode Platons, die sokratische Hypothesenbildung, die der Renaissance das gab, was ihr fehlte, nämlich die christliche Vorstellung vom imago viva dei.
Es würde natürlich viel mehr als fünfzehn Minuten dauern, um zu erklären, was das ist, und ich empfehle Ihnen, Lyndon LaRouches „Geschichte als Wissenschaft“ zu lesen. Aber zumindest ein Vorgeschmack darauf ist notwendig, um unseren Marsch in Richtung Frieden jetzt erfolgreich zu gestalten.
Die Methode Platons basiert auf Hypothesen, im Gegensatz zu der von Isaac Newton praktizierten „hypothesis non fingo“ („Hypothesen erdenke ich nicht”). Wir wissen nicht aufgrund von Sinnesgewißheit, wir wissen, weil wir Hypothesen aufstellen – eine Änderung der Axiome – die durch entscheidende Experimente bestätigt werden. Die wissenschaftliche Methode ist eine Methode aufeinanderfolgender Änderungen, die in einer höheren Hypothese verkörpert ist, der historischen Perspektive der internen Geschichte wissenschaftlicher Entdeckungen. Statt dessen wurde die Wissenschaft durch Syllogismus, bloße Schlußfolgerungen, ersetzt und ihre Praxis durch die Verwaltung unterworfener Menschen und Objekte.
Was das Imago Dei und das damit verbundene Capax Dei hervorbringen, ist, daß die Souveränität des einzelnen Menschen, des Mikrokosmos, die Instanz ist, durch die die gesamte Menschheit befähigt wird, den Makrokosmos zu verändern, und eine solche Veränderung im Makrokosmos wird nur durch eine Veränderung zum Besseren aller Elemente des Mikrokosmos möglich.
Es ist das zweite Prinzip von Helga Zepp-LaRouche: „Absolute Priorität muß die Überwindung der Armut in jedem Land der Erde haben, was leicht möglich ist, wenn die vorhandenen Technologien zum Nutzen des Gemeinwohls eingesetzt werden.”
Es ist diese makrokosmische Verantwortlichkeit jedes Mikrokosmos, als Absicht, für jede Nation und jeden Menschen, die das Gute definiert, die Politik, von der das weitere Überleben der Zivilisation absolut abhängt. Die Übernahme dieser Richtung für die gesamte Menschheit – den Makrokosmos zu verändern, capax dei – ist die Antwort des christlichen Platonismus auf die existentielle Herausforderung unserer Zeit, die bewußte Gestaltung der vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Geschichte der Menschheit. Capax dei ist die individuelle, souveräne Person, die Fähigkeit, am Schöpfungswerk teilzuhaben – durch Handlungen, die Produkte kreativer Vernunft sind, motiviert durch Agape, Liebe zum Schöpfer und zur Menschheit, wobei die „Gesetzmäßigkeit des Geistes und die des physischen Universums in Übereinstimmung und Kohäsion stehen“.
Diese einzigartige Fähigkeit eines einzelnen Menschen, den Makrokosmos zu verändern, kann weder die Weisheit des Konfuzius noch das wissenschaftliche Genie Platons und des nicht-platonischen Christen voll und ganz erreichen. Es ist die „Capax dei“, ein universeller Prozeß der fortwährenden Schöpfung im Geist eines souveränen Individuums, eine axiomatische revolutionäre Veränderung als universeller Prozeß der fortwährenden Schöpfung, die das Geschenk der goldenen christlichen Platoniker-Renaissance ist, ausgedrückt in Menschen, die sich der höchsten Stufe ihrer schöpferischen Kräfte verschrieben haben, wie Nikolaus von Kues, Gottfried Leibniz, Albert Einstein und Lyndon LaRouche.
Dies ist natürlich kein Wettbewerb, sondern eine Angelegenheit der Inspiration, der freudigen Inspiration. Der christliche Platonismus ist ein entscheidender Schritt für die gesamte Menschheit, kein Alleinwert des europäischen Denkens. Er ist wertvoll, wenn er geteilt wird, und er hat das Potential, mit allen Menschen geteilt zu werden.
Ein Beispiel: Afrikas Weltraumindustrie
Lassen Sie mich ein Beispiel für eine solche Fähigkeit nennen. Die afrikanischen Länder brauchen faire Entwicklungsbedingungen, die Achtung ihrer Souveränität, Wassermanagement, Krankenhäuser und Schulen. Aber sie müssen auch in die fortschrittlichsten Technologien einbezogen werden, in ein dynamisches Projekt des Wandels, wie es China erfolgreich getan hat. Wie Cheikh Anta Diop und Lyndon LaRouche beide feststellten, müssen afrikanische Länder nicht als arme Länder betrachtet werden, denen man helfen muß, sondern im Geiste von Bandung mit den Mitteln ausgestattet werden, um Entwicklungsstufen zu überspringen.
Bedenken Sie, daß die afrikanische Raumfahrtindustrie mehr als 22 Milliarden Dollar umfaßt, daß 17 afrikanische Nationen in 58 Satellitenprojekte investiert haben und 9 davon in Afrika konzipiert, hergestellt und montiert wurden. Dies ist von entscheidender Bedeutung für die Landwirtschaft, das Gesundheitswesen, die Bildung und natürlich die Schaffung von Arbeitsplätzen in den Bereichen Ingenieurwesen, Mechanik und Forschung.
Jedes Land braucht einen Wissenschaftsmotor in Schlüsselsektoren. So ist beispielsweise die Kernenergie potentiell der Schlüssel zur sicheren Elektrifizierung des Kontinents, aber auch zur Schaffung von Kernzentren für die industrielle Entwicklung und zur Datierung des archäologischen Materials aus der sehr frühen menschlichen Besiedlung des Kontinents.
Im Januar 2023 hat die Afrikanische Union in Ägypten die Afrikanische Weltraumorganisation ins Leben gerufen. Frankreich und Südafrika haben zusammen mit der senegalesischen Gesellschaft für Weltraumstudien und der türkischen Weltraumorganisation eine Absichtserklärung zur Entwicklung der Weltrauminfrastruktur in beiden Ländern unterzeichnet.
Solche Investitionen für den Frieden, wie sie in der Studie des Schiller-Instituts mit dem Titel Entwicklung bedeutet: Milliarden neue Arbeitsplätze, keine Flüchtlinge, kein Krieg vorgeschlagen werden, sind Entwicklungsplattformen, die die Grundlage für eine Steigerung des Arbeitskräftepotentials schaffen. Die Zusammenarbeit zwischen westlichen Ländern und der globalen Mehrheit ist, gemäß dem Ansatz, der in diesem Panel definiert wird, die beste Investition für den Frieden. Sie ist weltweit die einzige Alternative zum Atomkrieg.
Auf diesem Bild (Abbildung) können Sie die Freude am Lernen dieser jungen Mädchen im Zentrum für kooperative Studien in der Demokratischen Republik Kongo sehen. Lassen Sie uns von ihrem Lächeln inspirieren und aufhören, ihr Land auszuplündern, und statt dessen Staudämme bauen – das Inga-Staudammprojekt – und nukleare Kleinstkraftwerke, um Zentren der wirtschaftlichen Entwicklung zu fördern, die ihnen zur Verfügung stehen, wenn sie erwachsen werden. Das Aufstreben Afrikas ist ihre Zukunft, aber auch unsere, für einen anhaltenden Prozeß des Weltfriedens.
Wir müssen aufhören, in Kategorien von Machtverhältnissen zu denken, und statt dessen auf eine integrative Zusammenarbeit setzen, um unseren zukünftigen Generationen eine bessere Welt zu bieten. Wir sind es ihnen allen schuldig, ihnen eine bessere Welt zu bieten, und nicht Stellvertreterkriege, die immer kurz davor stehen, in unserer menschlichen Vernichtung zu enden.
Wir sind in einer Falle mit nuklearen Zähnen gefangen. Es ist an der Zeit, aus unserem Schlafwandeln aufzuwachen und uns alle wieder auf den Weg der Wissenschaft der Menschheitsgeschichte zu bringen.
I.E. Naledi Pandor (Südafrika), ehemalige Ministerin für Internationale Beziehungen und Zusammenarbeit, Südafrika; „Wie sollte der Süden reagieren?“
Wie sollte der Süden reagieren?
Von Dr. Naledi Pandor
Dr. Naledi Pandor ist ehemalige Ministerin für Internationale Beziehungen und Zusammenarbeit der Republik Südafrika. In der Konferenz zum 40jährigen Bestehen des Schiller-Instituts am 8. Dezember sagte sie folgendes.
Die Welt erlebt heute ein tiefgreifendes und beunruhigendes Maß an toxischer Politik, die von aggressiven Eigeninteressen und der Vernachlässigung des Wertes globaler Zusammenarbeit geprägt ist. Multilaterale Organisationen wie die Vereinten Nationen haben es versäumt, entschlossen zu reagieren, und ihr mächtigstes Organ, der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, wird durch die Konkurrenz der Großmächte und den ungleichen Gebrauch des Vetorechts in Geiselhaft gehalten.
Viele Kommentatoren beschreiben die letzten fünf Jahre als ein verlorenes, toxisches geopolitisches Umfeld, das die internationalen Beziehungen auf eine harte Probe stellt und die seit langem bestehenden Bindungen, die dazu beigetragen haben, einen Weltkrieg für mehr als fünf Jahrzehnte zu vermeiden, ausfransen läßt.
Einige Analysten betrachten diesen Zeitraum auch als Wendepunkt. Eine Zeit, die Raum für ein neues Kollektiv fortschrittlicher Ideen bietet, die darauf abzielen, Menschen und nicht Interessen an die erste Stelle zu setzen.
Es besteht die Hoffnung, daß der Süden sich stärker einbringen wird. Der Begriff „Süden“ ist umstritten, da es in der Welt keine kohärente, zusammenhängende Gruppierung von Nationen mit einer gemeinsamen Hegemonie gibt, wie sie bei den Nationen des Nordens besteht. Es gibt jedoch vielversprechende Anzeichen für die Entstehung neuer Formationen und politischer Perspektiven.
So hat sich beispielsweise Südafrika durch seine Anrufung des Internationalen Gerichtshofs im Bemühen um ein Ende des andauernden Krieges gegen die Palästinenser in den besetzten Gebieten positiv für das Völkerrecht und das UN-System eingesetzt. Südafrika hat die Menschenrechte und die Sorge um diejenigen, die Leid erfahren, in den Vordergrund seiner außenpolitischen Maßnahmen gestellt. Dies erinnert an den ehemaligen Präsidenten Nelson Mandela, der bei mehreren Friedensinitiativen auf dem afrikanischen Kontinent eine Schlüsselrolle spielte.
Eine zweite positive Entwicklung ist die Weiterentwicklung des BRICS-Forums zu einem erweiterten Gremium, das einen integrativeren Ansatz in der globalen Politik und internationalen Partnerschaften anstrebt. BRICS hat sich als positives Forum erwiesen, da es versucht, neue Ideen zu Schlüsselthemen wie Innovation, Handel, internationale Finanzierung und Entwicklung des Südens zu diskutieren. Die Gründung der BRICS New Development Bank und ihr früher Erfolg geben weitere Hoffnung für die Schaffung neuer Institutionen und neuer Praktiken.
Die Reform der Vereinten Nationen und die Demokratisierung des Sicherheitsrats sind weitere positive Möglichkeiten, die Welt neu zu gestalten. Die Vollversammlung hat sich im vergangenen September dazu verpflichtet, den Reformprozeß voranzutreiben und den Sicherheitsrat effektiver, effizienter und demokratischer zu gestalten.
Schließlich besteht die Aufgabe der nächsten fünf Jahrzehnte sicherlich darin, praktikable Strategien für den grundlegenden Wandel Afrikas zu entwickeln. Afrika muß sich den schwierigen Herausforderungen von Ungleichheit, Armut und Arbeitslosigkeit stellen. Afrika hat eine große ungeduldige Jugend, die darauf brennt, ein wohlhabendes, demokratisches und starkes Afrika zu erreichen. Die Weltgemeinschaft sollte eng mit der Afrikanischen Union zusammenarbeiten, um die Umsetzung der Afrika-Agenda 2063 voranzutreiben. Dies ist der Plan für die Entwicklung Afrikas, und wir im Süden müssen Unterstützung und Kapazitäten für seine Umsetzung bereitstellen.
Der Süden muß die Quelle des Fortschritts, des Friedens und der Sicherheit sein. Die Länder des Südens müssen die Demokratie, die Menschenrechte und das Völkerrecht als Schlüsselgaranten zur Beendigung der Giftigkeit des Machtwettbewerbs annehmen, der die menschlichen Beziehungen untergraben hat.
Vielen Dank.
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Wir brauchen reife, rationale Staatsführungen
Im Anschluß an Dr. Pandors Ausführungen folgte eine kurze Diskussionsrunde zwischen Dr. Pandor, Helga Zepp-LaRouche und Jacques Cheminade.
Helga Zepp-LaRouche: Ihre Exzellenz Frau Dr. Pandor, ich möchte meine tiefste Freude darüber zum Ausdruck bringen, daß Sie uns die Ehre erweisen, an unserer Konferenz teilzunehmen, denn wir haben ihre Arbeit verfolgt und festgestellt, daß die südafrikanische Regierung die moralische Führung für die Welt übernommen hat, die der Westen gegenwärtig offenbar aufgegeben hat.
Sie haben in Ihren Ausführungen die Antwort auf meine Frage eigentlich schon gegeben, aber ich möchte sie doch noch einmal wiederholen. Gestern haben wir die strategische Situation erörtert, die mehrere Redner wie Scott Ritter, ich selbst und andere als die „gefährlichste Periode der Geschichte“ bezeichnet haben – sogar noch gefährlicher als die Kubakrise, weil wir anscheinend wie ein Zug ohne Haltesignal auf eine nukleare Katastrophe zurasen.
Das wurde noch unterstrichen durch eine Bemerkung von US-Konteradmiral Thomas Buchanan auf der CSIS-Sitzung am 20. November. Er erklärte, es sei legitim, Atomwaffen einzusetzen, um die Hegemonie der USA aufrechtzuerhalten. Allerdings sollten sie eine gewisse Menge davon zurückbehalten, um zukünftige Gegner abwehren zu können. Das impliziert die lächerliche Vorstellung, man könnte einen regionalen oder begrenzten Atomkrieg gewinnen und danach weitermachen, was natürlich nicht der Fall ist. Denn wie Ted Postol und andere überzeugend belegt haben, ist die Wahrscheinlichkeit, daß ein Atomkrieg alles Leben auf dem Planeten auslöscht, sehr hoch, wenn nicht sogar sicher.
Die Frage ist also, was können wir tun, um von diesem unglaublich gefährlichen Weg wegzukommen? Ich habe sehr lange darüber nachgedacht, und wenn man sich die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und China, der NATO und Rußland ansieht, erscheint es fast hoffnungslos. Der US-Außenstaatssekretär Kurt Campbell erklärte kürzlich, China stelle die größte Bedrohung in der Geschichte der Vereinigten Staaten dar. In Deutschland spricht beispielsweise Verteidigungsminister Pistorius davon, Deutschland „kriegstüchtig“ zu machen. Europa befindet sich in einem Prozeß der Militarisierung.
Ich denke, die einzige Hoffnung, eine Katastrophe zu vermeiden, die das Ende der menschlichen Spezies bedeuten würde, besteht darin, die westlichen Nationen davon zu überzeugen, die Konfrontation mit dem Globalen Süden zu beenden. Der Globale Süden macht laut Statistiken aus Cambridge bereits 85% der menschlichen Bevölkerung aus, bei weitem die Mehrheit der Welt. Die Frage ist, was wir tun können, um die Europäer und möglichst sogar die Vereinigten Staaten davon zu überzeugen, mit den BRICS-Staaten zusammenzuarbeiten – zum Beispiel bei der Entwicklung Afrikas, bei der Entwicklung Lateinamerikas und Asiens, um sie zu industrialisieren und der südlichen Hemisphäre zu helfen, die Überreste des Kolonialismus endlich zu überwinden. Das wäre auch im Interesse des Westens, weil es der einzige humane Weg wäre, die Migrationskrise zu lösen.
Daher wollte ich Sie fragen, ob wir nicht in einen Dialog treten können, um das auf die Tagesordnung zu setzen? Um von der Konfrontation zur Zusammenarbeit zu gelangen, und zwar auf eine so strategische Weise, daß dieses Problem wirklich gelöst wird? Das wäre meine Frage an Sie.
Dr. Pandor: Vielen Dank; das ist eine sehr komplexe Frage. Meine erste Antwort wäre, daß wir reife, rationale Führungspersönlichkeiten brauchen – Wissenschaftler, wie Herr Cheminade sie erwähnt hat. Wer nicht über dieses Maß an Logik und rationalem Denken verfügt, greift auf die Unlogik zurück, die er nach Belieben durchsetzen kann. Und ich denke, das ist ein ganz falscher Ansatz. Er schließt große Teile der Welt davon aus, an der positiven Weiterentwicklung der Welt in eine Zukunft teilzunehmen, in der wir alle wohlhabend sind, in der wir alle das Gefühl haben, daß die Welt uns ernst nimmt und unsere Bedürfnisse und Fähigkeiten tatsächlich anerkennt.
Was wir also brauchen, sind reife Führungspersönlichkeiten, die eine sehr komplexe Diskussion darüber führen können, wie die mächtigsten Volkswirtschaften – die Vereinigten Staaten von Amerika, China und in gewissem Maße auch Europa – in einer positiven Beziehung zueinander stehen. Und ich bin sicher, daß sie mit einer angemessenen Diskussion und der Offenheit, zu einem positiven Ergebnis zu gelangen, in der Lage wären, die aktuellen Spannungen untereinander zu lösen.
Ich denke, die Idee, sich auf einen Krieg vorzubereiten, ist ein sehr schlechtes Beispiel für Führungsqualitäten. Statt dessen sollten wir uns darauf vorbereiten, unsere angeborenen Fähigkeiten zu nutzen, um die Welt voranzubringen. Wir sind an einem Punkt, wo viele Länder über sehr besorgniserregende tödliche Waffen verfügen.
Ich komme aus Südafrika, einem Land, das sich bereit erklärt hat, die Atomwaffen, die in der Zeit der Apartheid entwickelt wurden, zu verschrotten. Eine der ersten Entscheidungen der neuen Regierung unter der Führung von Nelson Mandela war, daß wir den Besitz von Atomwaffen ablehnen. Daß wir zwar über nuklearwissenschaftliche Fähigkeiten verfügen, diese aber friedlichen Zwecken dienen und nicht dazu verwendet werden sollten, Südafrika gegen ein Land in Afrika oder einem anderen Teil der Welt zu bewaffnen.
Ich glaube also, daß wir neue Denkansätze brauchen. Wir brauchen eine Zivilgesellschaft und insbesondere intellektuelle Organisationen, die sichtbarer und lauter alternative Perspektiven dazu präsentieren, wie wir die Welt sehen sollten, und die ausgehend von der Forschung klare Beispiele dafür aufzeigen, was wir erwarten können, wenn wir den Weg einer negativen Konfrontation zwischen den Mächtigsten der Welt einschlagen. Das würde uns allen schaden.
Wenn die Großmächte es schaffen, eine Annäherung zu erreichen, wird das eine verstärkte Entwicklung ermöglichen, ganz besonders in den ärmsten Ländern des Südens. Es wird die Welt auf einen ganz neuen Kurs bringen und eine Chance für echte Veränderungen und Unabhängigkeit bieten, wie wir sie seit dem Beginn der Beendigung des Imperialismus und Kolonialismus auf dem afrikanischen Kontinent nicht mehr hatten.
Das Umfeld ist zwar vergiftet, es bietet aber auch eine neue Chance, sich auf eine ganz andere Art und Weise durch internationale Beziehungen für den Aufbau neuer Partnerschaften zwischen allen verschiedenen Regionen der Welt zu engagieren. Aber es sind die Mächtigsten, die die Entscheidung treffen müssen, etwas Positives zu tun. Andernfalls werden sie eine Reaktion auslösen, die zur Zerstörung der Welt und zu einer zunehmenden Instabilität der Welt führen wird, so wie wir es heute von Woche zu Woche in verschiedenen Teilen der Welt erleben.
Die Rolle der Diaspora des Globalen Südens
Jacques Cheminade: Exzellenz, ich möchte Ihnen eine Frage stellen, die sowohl das betrifft, wofür wir kämpfen, als auch das, was Helga und Sie gesagt haben. Glauben Sie nicht, daß die Mobilisierung der Diaspora des Globalen Südens in den Ländern Europas und in den Vereinigten Staaten eine sehr gute Möglichkeit sein kann, unsere eigenen Nationen mit Hilfe dieser Menschen zu informieren, die, wie wir sie in den Straßen von Paris und in anderen Ländern antreffen, in politischer Hinsicht fortgeschrittener sind und besser wissen, was in der Welt geschieht – weiter fortgeschritten sind als unsere eigenen Leute? Meinen Sie nicht, daß wir mit der Mobilisierung durch die Diaspora gemeinsam etwas organisieren können?
Dr. Pandor: Ich halte das auf jeden Fall für eine Möglichkeit. (Kurze Videounterbrechung) Um durch das Schiller-Institut Entspannung zu erreichen, müssen wir als Menschheit die Idee annehmen, daß wir enger zusammenarbeiten sollten. Dazu muß man auch die Vielfalt akzeptieren, und das ist etwas, was das demokratische Südafrika getan hat.
Die Anerkennung von Einheit und Vielfalt ist ein zentraler Bestandteil der Verfassung Südafrikas. Denn wir haben erkannt, daß Rassismus, Vorurteile und Haß gegenüber anderen aufgrund von Orientierung, Kultur oder Religion für eine Gesellschaft im Kern negativ sind. Um eine Nation aufzubauen, die zusammenarbeiten kann, mußten wir den Gedanken der Einheit in der Vielfalt annehmen.
Ich denke, wir sollten enger mit der Diaspora zusammenarbeiten, damit sich diejenigen, die in unseren Ländern fremd sind, willkommen fühlen, und ihr Fachwissen und Verständnis über die Welt, aus der sie kommen, nutzen. Aber auch, damit sie zur Entwicklung in ihren Ländern beitragen, zum Beispiel durch die Entwicklung von Modellen etwa für Südafrika. Denn viele unserer ausgebildeten medizinischen Fachkräfte arbeiten in Kanada, Australien und Großbritannien. Es gibt keine vertragliche Möglichkeit, daß sie einen Teil ihrer Zeit in unserem Land – Südafrika oder einem anderen Teil Afrikas – arbeiten könnten. Die Länder des Nordens haben Afrika damit wesentlicher Fähigkeiten beraubt. Man hat sich nicht für die Entwicklung einer integrativeren Regelung eingesetzt, die einen Austausch dieser Fähigkeiten gewährleisten würde.
Wir brauchen daher wirklich ein neues Ethos, einen neuen Ansatz für die Entwicklung, einen neuen Ansatz für die internationalen Beziehungen, einen neuen Ansatz für die Interaktion und Zusammenarbeit zwischen uns als Weltbürgern. Wir müssen auch den Gedanken annehmen, daß wir alle aufeinander angewiesen sind. Wo auch immer ich herkomme, welcher Rasse ich auch angehöre, welches Geschlecht ich auch habe, wenn wir zusammenarbeiten, kann es zum Wohle aller sein. Isolation oder Ausgrenzung helfen uns nicht, eine bessere Welt zu schaffen.
Zepp-LaRouche: Ich denke, Dr. Pandor, Sie haben uns viel Stoff zum Nachdenken und Weiterverfolgen gegeben. Ich freue mich darauf, diese Art der Zusammenarbeit zu stärken. Ich würde nur die Rolle des Globalen Südens noch ein wenig mehr betonen. Denn in Bandung, bei der ersten Konferenz von Afrika und Asien, bei der sich Chou Enlai, Nehru und Sukarno auf die Fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz einigten, stellten sie auch fest, daß der Süden im Falle eines Atomkriegs genauso betroffen wäre wie der Norden. Es mag ein paar Wochen später sein, aber irgendwann würden auch sie sterben.
Ich denke, diese Tatsache gibt dem Globalen Süden in diesem Moment die moralische Integrität und das Recht, sich stärker zu Wort zu melden. Denn ich denke, ihre Stimme ist viel vernünftiger als das, was wir im Westen in der letzten Zeit erlebt haben, der meiner Meinung nach eine gewaltige kulturelle Krise durchmacht.
Daher möchte ich Sie und andere Persönlichkeiten aus dem Globalen Süden ermutigen, sich noch stärker für die Lösung dieser Situation einzusetzen. Das ist meine Meinung.
Dr. Pandor: Vielen Dank, Helga. Was ich abschließend noch sagen möchte: Ich möchte alle Menschen im Norden daran erinnern, daß sie einen unglaublichen Beitrag dazu geleistet haben, daß wir in Südafrika unsere Freiheit erlangt haben. Denn sie alle waren sich einig, Teil der internationalen Solidaritätskampagne gegen die Apartheid zu sein. Es war der internationale Druck, der zusammen mit unserem eigenen nationalen Kampf entscheidend für unsere Freiheit war.
Ich denke, wir müssen die internationale Solidarität für alle Menschen wiederbeleben, die heute unter Leid und Unterdrückung leiden. Die Welt hat im Fall der Apartheid gezeigt, daß wir zusammenarbeiten können; daß die Vereinten Nationen zusammengeführt werden können, daß sie einen Ausschuß gegen die Apartheid einrichten können, der dafür sorgt, daß der Name Nelson Mandela am Leben erhalten wird; daß die Apartheid zum Verbrechen gegen die Menschlichkeit erklärt wird.
Ich denke, wir sollten der Welt jetzt sagen: „Wenn wir gemeinsam an positiven Zielen arbeiten, können wir viel erreichen und sogar Übel besiegen wie die Apartheid.“
Theodore Postol (USA), emeritierter Professor für Wissenschaft, Technologie und nationale Sicherheit am Massachusetts Institute of Technology
Michele Geraci (Italien), ehemaliger Staatssekretär im Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung: „Entwicklungskorridore senken die Netto-Transportkosten auf Null“
„Entwicklungskorridore senken die Netto-Transportkosten auf Null“
Von Michele Geraci
Michele Geraci ist ehemaliger Staatssekretär im italienischen Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung. In der Konferenz zum 40jährigen Bestehen des Schiller-Instituts am 8. Dezember sagte er folgendes.
Guten Abend allerseits. Ein ganz kurzer Kommentar aus Shanghai, wo ich mich gerade aufhalte. Wenn die Welt immer komplexer und intensiver wird, müssen wir um so mehr Lösungen finden. Ich möchte nur zwei wichtige Punkte erwähnen.
Im Bereich der internationalen Beziehungen sieht es immer so aus, daß der Westen einen „Nullsummenansatz“ verfolgt, was bedeutet: Wenn Sie gewinnen, muß ich verlieren, und mein Gewinn bedeutet Ihren Verlust.
Der Globale Süden – nennen wir ihn Belt and Road, die BRICS – tendiert dagegen eher zu einem „Win-Win-Ansatz“, was bedeutet: Ihr Wohlstand, Ihre Stabilität und Ihre wirtschaftliche Entwicklung kommen auch meinem Wohlstand, meiner Stabilität und meiner wirtschaftlichen Entwicklung zugute.
Ich verwende eine Metapher, um diese beiden Ansätze zu vergleichen. Das Nullsummenspiel, die von den USA bzw. dem Westen angeführte Philosophie, ist ein bißchen wie ein Tennismatch. Das kann natürlich nur 6:4 oder 4:6 ausgehen: Wenn ich gewinne, verlierst du, wenn du verlierst, gewinne ich.
Die Win-Win-Situation dagegen ist ein bißchen wie Tango tanzen. Dabei müssen beide Partner gute Tänzer sein und im Ensemble dann sehr gut sein, damit sie sehr gut miteinander tanzen können. Und wenn einer der beiden Partner fällt, fällt auch der andere. Wir möchten, daß beide zusammen gut sind und sich gegenseitig helfen, gute Darbietungen zu bringen.
Also, der westliche Ansatz ist das Nullsummenspiel, das Tennisspiel, der vom Globalen Süden ist Win-Win, Tangotanzen. Ich bevorzuge Tangotanzen – den Ansatz, mehr Menschen zu helfen, anstelle von Wettbewerb, er basiert mehr auf Zusammenarbeit als auf Konkurrenz.
Der zweite Punkt, den ich mit Erlaubnis des Schiller-Instituts und von Helga ansprechen möchte: Ich möchte die Vision zitieren, die Lyndon LaRouche vor vielen Jahren über die Vorteile der Neuen Seidenstraße der BRI, dargelegt hat. Warum ist das so eine gute Sache? Es ist aus folgendem Grund eine gute Sache – ich paraphrasiere seine Worte: Die Seerouten sind natürlich wichtig, weil man Container und Güter von einem Hafen zum anderen transportiert, aber sie schaffen offensichtlich auf dem Meer keine wirtschaftliche Entwicklung. Sie schaffen wirtschaftliche Entwicklung im Hafen, am Anfang und am Ende der Route, aber nicht in der Mitte. Das Wasser ist und bleibt Wasser.
Das andere Element von „Gürtel und Straße“, die Landroute, ist dagegen diejenige, die China über Kasachstan, Zentralasien, in den Nahen Osten und dann nach Afrika, Osteuropa und Südostasien entwickeln will und entwickelt. Und vergessen wir auch nicht den Nord-Süd-Korridor. Diese Route schafft an den Orten, die sie berührt, wirtschaftliche Vorteile. Eine Eisenbahnlinie, eine Autobahn bringt Entwicklung in diese Regionen, vielleicht durch die Wertsteigerung des Bodens oder durch die Ansiedlung von Produktionsstätten in der Nähe der Strecken.
Ein gutes Beispiel ist der kürzlich eröffnete Hafen von Chancay in Peru, der natürlich Produktionsbetriebe anlocken wird, die sich dort ansiedeln wollen.
Und in Lyndon LaRouches Vision wird das Wirtschaftswachstum, das allein durch die Existenz dieser neuen Routen entsteht, so groß, daß die Transportkosten dann netto null betragen würden, weil die Kosten für eine Investition durch die wirtschaftliche Entwicklung ausgeglichen werden, die diese Investitionen mit sich bringen – mindestens für einen kostenlosen Warentransport über diese Routen.
Nun verstehen Sie, daß diese visionäre Sicht die Art und Weise, wie Länder miteinander Geschäfte machen, völlig verändert. Sie verändert die Art und Weise, wie Länder miteinander Handel treiben, von Grund auf. Wem kommt es zugute? Den Unternehmen, sie gewinnen beide, wenn sie untereinander kaufen und verkaufen.
Das sind also die beiden Punkte, die ich Ihnen mit auf den Weg geben möchte. Wir leben in schwierigen Zeiten. Veranstaltungen wie diese sind sehr wichtig, um die öffentliche Debatte anzuregen, sowohl bei uns, den direkt in die Themen involvierten Personen, als auch in der breiten Öffentlichkeit, die für die Herausforderungen der Welt, den Aufstieg der multipolaren Welt und den Globalen Süden sensibilisiert werden muß.
Vielen Dank, danke sehr, und beste Grüße aus Shanghai.
Sergey Pulinets (Russland), Forschungsleiter, Weltraumforschungsinstitut, Russische Akademie der Wissenschaften, Moskau
Jürgen Schöttle (Deutschland), Diplom-Ingenieur, Kraftwerksbau
Brian Harvey (Irland), Raumfahrthistoriker
Diskussion
Panel 4 (19:00–22:00 Uhr): „Die Schönheit der Kulturen der Welt: Ein Dialog zwischen den Zivilisationen“
Moderator: Harley Schlanger (USA), Schiller-Institut: Begrüßung und Einführung
Hauptrednerin: Diane Sare (USA), ehemalige Kandidatin für den US-Senat aus New York, Präsidentin der LaRouche-Organisation
Warum ist Kultur wichtig?
Von Diane Sare
Diane Sare ist Präsidentin der LaRouche-Organisation in den USA und kandidierte mehrfach im Bundestaat New York für den US-Senat. In der Konferenz zum 40jährigen Bestehen des Schiller-Instituts am 8. Dezember sagte sie folgendes.
Der japanische Angriff auf Pearl Harbor war ein Wendepunkt. Der Atombombenabwurf der Amerikaner auf Hiroshima und Nagasaki war ein weiterer. Beide Ereignisse waren schockierend und furchtbar. Beide Ereignisse waren keine isolierten „Ereignisse“, sondern das Ergebnis einer Dynamik von Entscheidungen, Entscheidungen, die von zugrundeliegenden Annahmen über den Menschen und die Natur geprägt und von dem Wunsch beeinflußt waren, ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen.
Es ist unbestreitbar, daß diese Handlungen die Welt unmittelbar und irreversibel verändert haben. Sie konnten nicht rückgängig gemacht werden. Aber der weitere Verlauf der Ereignisse kann noch verändert werden, und ich glaube, das ist das Thema dieses Panels.
Warum ist Kultur wichtig? Weil sie das Wasser ist, in dem wir schwimmen, der unsichtbare Äther, den wir atmen, und weil viel zu viele Menschen einfach „mit dem Strom schwimmen“, ohne die Annahmen über Mensch und Natur zu berücksichtigen, die unser Handeln und unsere Entscheidungen prägen und von denen die meisten unbewußt sind. Deshalb warnte George Washington in seiner Abschiedsrede, daß in einer Republik wie der, für deren Gründung er gekämpft hatte – den Vereinigten Staaten von Amerika –, in der die Bürger die Freiheit haben, ihr Schicksal selbst zu bestimmen, Fragen der Religion und der Bildung von entscheidender Bedeutung sind.
Die Herrscher des Römischen Reiches und die anglo-holländischen Oligarchen waren sich dessen ebenfalls sehr wohl bewußt und führten eine Art „Kulturkrieg“, in dem sie versuchten, das Bild des Menschen zu entwürdigen – den Menschen als ein Tier darzustellen, das mit Gewalt, Zwang und Gewaltandrohungen regiert werden kann, wie es die verzweifelten Eigentümer des bankrotten transatlantischen Systems zu tun versuchen. Wie Thrasymachos sind sie davon überzeugt, daß Macht Recht schafft, und daß physische Kraft, die Massenleid oder Terror verursacht, Macht bedeutet. Sie verstehen nichts vom Universum und verlieren immer.
Wie alle wahren Künstler verstehen, liegt es in der Natur des Menschen, frei zu sein – nicht willkürlich wie ein verwöhntes Kind, sondern in einer kultivierten Demut, die stets anerkennt, daß wir nicht alles wissen. Aber wenn wir versuchen, die Prinzipien der Schöpfung zu verstehen und uns an sie zu halten – denn unser Universum ist ein Universum des Wachstums, nicht des Verfalls –, wenn wir danach streben, unser Verständnis auf diese Weise zu vervollkommnen und uns in Harmonie mit den universellen Prinzipien zu verhalten, mit immer größerem Verständnis, dann werden wir gedeihen, und das Universum selbst wird durch unsere Existenz reicher und besser werden.
Hören wir dazu Lyndon LaRouche:
„… Und deshalb brauchen wir Grundregeln für die Nationalstaaten. Wir brauchen Nationalstaaten, weil Nationalstaaten das Konzept der Kultur beinhalten. Sie haben die Kraft der Kreativität, die es bei Affen nicht gibt, die es aber bei Menschen geben sollte – sogar bei einigen Politikern.
Die Kraft der Kreativität ist einzigartig für die Menschheit. Alle Prozesse auf diesem Planeten und darüber hinaus sind kreativ. Selbst die unbelebte Natur ist schöpferisch. Schauen Sie sich an, was da passiert ist: Unsere Sonne; die Sonne sitzt da draußen, ganz allein. Sie dreht sich schnell um sich selbst und weiß nicht, wohin sie gehen soll. In diesem Teil unserer Galaxie gibt es diese kleine Sonne. Und die Sonne hat einige Dingen abgetrennt. Sie hat etwas erschaffen; sie hat da draußen einfach etwas abgespalten und hat angefangen, das Periodensystem zu erschaffen; das komplette Periodensystem, das ständig wächst und sich weiterentwickelt durch Isotope, von denen einige durch Lebensprozesse erzeugt werden. Und so entstand aus der Sonne plötzlich ein ganzes Sonnensystem. All diese Entwicklungen haben stattgefunden.
Die Sonne selbst ist also kreativ; das Universum ist von Natur aus kreativ. Auch das Tierleben ist kreativ. Aber keines von ihnen kann denken; keines von ihnen hat die Fähigkeit zur bewußten Transformation des Universums. Nur Menschen haben die Geisteskraft, bewußt neue Organisationsformen im Universum zu erschaffen.
Deswegen brauchen wir mehr kreative Menschen. Wir müssen uns von diesem unkreativen Unsinn trennen, der in der Nachkriegszeit eingeführt wurde. Die Bevölkerung muß entwickelt werden; und man muß sich darüber bewußt sein, daß Sprachkulturen eine sehr komplexe Angelegenheit sind – dabei geht es nicht nur die Sprache, sondern um noch eine ganze Reihe Dinge mehr. In einer Sprachkultur geht es um eine gewisse tiefliegende Fähigkeit namens Ironie, die in jeder Sprachkultur vorhanden ist. Dies kommt im allgemeinen in der Musik und in der Poesie – der Kunst dieser Kultur insgesamt – zum Ausdruck. Wenn man also diesen Aspekt berührt, der tief in der nationalen Kultur verankert ist, kommt man dem näher, wo die kreativen Kräfte des Einzelnen liegen.
Das Ziel in einem Nationalstaat muß also auf der Idee der nationalstaatlichen Kultur basieren. Man muß das kreative Potential eines Volkes durch seine Kultur ins Spiel bringen. Deshalb will man erreichen, daß sich die Menschen mit Blick auf eine erfüllte, bereicherte Kultur darstellen können.
Deshalb brauchen wir einen Konsens der Menschheit – keinen Konsens von Schweinereien, sondern den Konsens verschiedener Kulturen, denn Kreativität liegt in der Kultur. Deshalb wollen wir einen Zusammenschluß von Völkern, von jeweils souveränen Völkern, die ihr kulturelles Potential mobilisieren und so wirklich menschlich werden.
Ein solcher Konsens souveräner Kulturen muß dazu dienen, endlich das zu erreichen, was Franklin Roosevelt beabsichtigte, als er die Idee der Vereinten Nationen aufbrachte: alle Elemente der Unterdrückung von diesem Planeten zu beseitigen und ein System von entwickelten souveränen Nationalstaaten zu schaffen, die das gesamte Territorium des Planeten übernehmen und keinen Raum für Imperien oder ähnliche Phänomene lassen. Das zu erreichen, sollte unser Ziel sein. Es gibt einige Nationen, die zusammen die Macht haben – ausreichend Macht –, um die Sklaverei in anderen Nationen zu überwinden. Und unsere Aufgabe ist es, die Sklaven zu befreien.
Europa besteht aus einer Vielzahl von Sklaven; Südamerika besteht größtenteils aus Sklaven. Wir müssen sie befreien, und die Nationen, die die Fähigkeit, die Macht und die Entschlossenheit dazu haben, müssen sich im Namen der gesamten Menschheit zusammenschließen, denn wir wollen etwas anderes erschaffen. Wir wollen zum Mars fliegen! Noch nicht diese Woche, aber wir müssen dorthin. Ich werde nicht dabei sein. Ich werde im Geiste dort sein, und man weiß nie, wozu ich als Geist fähig bin. Ich werde mein Bestes geben.
Die Menschheit hat also eine Bestimmung.“
Was ist die Bestimmung der Menschheit?
Mars? Wie können wir über den Mars sprechen? Sie mögen sagen: „Ich mache mir Sorgen, daß ich nicht morgen zu Asche verbrannt werde!“ Und Sie haben Recht, sich darüber zu sorgen. Einige Leute sind wirklich verrückt – wie Tony Blinken, der ein Rockmusiker ist, was nicht unwichtig ist. Was geht in jemandem vor, der herumstolziert und meint: „Ich bin der Hoochie Coochie Man“? Er ist einfach dumm und pervers. Ist das eine Frage der Kultur, oder ist es ein Mangel an Kultur?
Aber wir dürfen nicht nur an unser momentanes Überleben oder an unser eigenes kurzes Leben denken – so viele Menschen sterben! Wir müssen daran denken, daß sie nicht umsonst gestorben sind – daß es eine Frage unserer persönlichen Verantwortung ist, daß das sieben Tage alte Baby, das in Gaza unter den Trümmern begraben wurde, nicht umsonst gestorben ist. Auch der 57-jährige Ukrainer, der gekidnappt und an die Front eines aussichtslosen Krieges gegen Rußland gezwungen wurde, wo er vier Stunden überlebte, ist nicht umsonst gestorben. Jeder dieser Menschen, wie die amerikanischen Soldaten, die an jenem Tag im Jahr 1941 starben, und die japanischen Großmütter, die im August 1945 starben, hatten einen souveränen Geist, unabhängige Gedanken und waren auf eine Weise notwendig, die sie vielleicht nicht verstanden haben. Ihr Leben war Teil der Menschheit, und es ist an uns, die Menschheit zu einer besseren Gattung zu entwickeln, in der jedes geborene Kind darauf vertrauen kann, daß es etwas zur Unsterblichkeit der menschlichen Spezies beitragen darf.
Was ist mit der Reise zum Mars verbunden? Wie kommen wir dorthin? Was werden wir atmen? Was werden wir essen? Wie werden unsere Städte aussehen? Wäre es nicht einfacher, wenn wir eine Basis auf dem Mond hätten, wo die Schwerkraft nur 1/6 der Erdschwerkraft beträgt, von der aus wir starten könnten?
Wir brauchen eine Basis auf dem Mond! Rußland und China planen bereits, eine zu bauen! Sie planen sogar, ein Kernkraftwerk auf dem Mond zu bauen, das den Strom liefert.
Was machen wir in den USA? Wir geben Unsummen aus und beauftragen Wissenschaftler damit, herauszufinden, ob ein Mann schwanger werden kann! Wir mißbrauchen Kinder! Wir haben Idioten wie Senator Lindsey Graham, der darüber redet, wie billig und einfach es ist, Ukrainer zu benutzen, um Russen zu töten – und das sei gut für unsere Wirtschaft, sagt er.
Jetzt töten Amerikaner Russen in Rußland mit Langstreckenraketen, und Russen töten Amerikaner, die diese Raketen als „Militärspezialisten“ in der Ukraine einsetzen. Findet Lindsey Graham das immer noch gut?
Wir haben in der westlichen Welt – Sie wissen schon, die regelbasierten demokratischen Nationen – eine Kultur der Gewalt. Wir nennen es Kultur, aber ich würde es Anti-Kultur nennen. Es ist ein erzwungener, gut finanzierter und propagandistischer Versuch, uns zu Sklaven und Barbaren zu machen und unseren eigenen Untergang herbeizuführen.
Denken Sie darüber nach. Ist es nicht natürlich, ein Kind zu lieben? Warum lieben wir Kinder? Warum freuen wir uns, wenn wir sehen, wie ein Kind eine Entdeckung macht? Weil ein Kind das Potential der Vollkommenheit verkörpert. Es ist geradezu ein Wunder, die Entwicklung des Geistes eines Kindes zu beobachten! Und wenn wir ein Kind sehen, das wunderschön singt oder mit natürlichem Ausdruck Klavier spielt, sind wir zu Tränen gerührt.
Wieviel Aufwand wurde betrieben, um eine sogenannte „Kultur“ oder „Gegenkultur“ zu schaffen, die nicht nur den vorsätzlichen Mord und das Verhungern von Kindern toleriert, sondern sich sogar daran erfreut, ein Kind leiden zu lassen? Diese Gesellschaft ist bereits untergegangen. Wenn man Kinder zerstört, zerstört man die Zukunft.
Aber das alles ist auch so abscheulich unnatürlich, daß es einen Aufstand entfacht. Wir sehen es an den Unis, wir sehen es auf der Straße. Wir sehen, wie buchstäblich Milliarden von Menschen auf dem Planeten dieses Paradigma ablehnen und zusammenarbeiten, um ein neues Paradigma zu schaffen, das die angeborene Würde jedes Menschen und die Souveränität jedes Menschen und jeder Nation als Beschützer dieses Prinzips anerkennt.
Aber es reicht nicht aus, sich nur aufzulehnen, wie wir aus der Französischen Revolution hätten lernen sollen. Wir brauchen ein gemeinsames Ziel, das mit der Selbstvervollkommnung und der fortlaufenden Schöpfung unseres Universums im Einklang steht, was sogar das kürzlich gestartete Webb-Teleskop bestätigt. Wir leben inmitten eines wachsenden, sich ausdehnenden und sich selbst entwickelnden Universums, und wenn wir versuchen, seine Geheimnisse zu entschlüsseln, werden wir wachsen und gedeihen. Wenn wir versuchen, uns der unglaublich gewaltigen harmonischen Entwicklung unseres Universums entgegenzustellen, indem wir willkürliche Regeln aufstellen und unnatürliche sogenannte kulturelle Normen auferlegen, die den angeborenen freien Geist des Menschen verletzen, werden wir unser Verderben finden.
Die vor uns liegenden Herausforderungen sind so groß, daß wir die Arroganz ablegen müssen, daß unsere Art, Dinge zu tun, die einzige ist. Wir müssen die Demut aufbringen, anzuerkennen, daß eine Person, die aus einer völlig anderen Perspektive kommt, etwas mitbringen kann, das wir vorher nicht in Betracht gezogen haben und das das Paradoxon, mit dem wir konfrontiert sind, löst und uns auf eine neue Ebene des Verständnisses hebt.
Wir sollten nicht wie die sechs blinden Männer sein, die nur mit ihrem Tastsinn versuchen, die verschiedenen Teile eines Elefanten zu verstehen. Es kann sein, daß der Mann, der den Elefanten überhaupt nicht berührt, sondern statt dessen seine Nase benutzt, das Rätsel lösen kann.
Also, laßt uns herausfinden, wie wir zum Mars gelangen.
Helga Zepp-LaRouche (Deutschland), Gründerin, Schiller-Institut
Starten wir die schönste Renaissance in der Geschichte der Menschheit!
Von Helga Zepp-LaRouche
Im vierten Abschnitt der Internetkonferenz zum 40jährigen Bestehen des Schiller-Instituts hielt die Vorsitzende des Instituts, Helga Zepp-LaRouche, am 8. Dezember 2024 den folgenden Vortrag. (Übersetzung aus dem Englischen, Zwischentitel hinzugefügt.)
Danke, daß Sie an den Jahrestag des Schiller-Instituts erinnern. Denn wenn man auf die vier Jahrzehnte unserer Arbeit zurückblickt – und ich möchte die Menschen einladen, unser Internetarchiv1 zu besuchen und sich die Ursprünge selbst anzusehen –, ist es durchaus bemerkenswert, daß wir in der Tat ziemlich prophetisch waren, als wir die Themen definierten, die heute relevant sein würden. Denn wir sagten, daß wir die damalige Außenpolitik – die im wesentlichen aus unfreundlichen Beziehungen, Subversion, Staatsstreichen und verschiedenen anderen negativen Formen bestand – unbedingt durch Staatskunst ersetzen müssen, d.h., das Beste im anderen Staat fördern, in der Hoffnung, daß dies umgekehrt auch die Einstellung zu uns wird. Es war ganz klar, daß die Welt dringend eine gerechtere neue Weltwirtschaftsordnung brauchte, die aber nur funktionieren würde, wenn sie mit einer Renaissance der besten Traditionen aller Kulturen einhergeht.
Das war eine sehr ehrgeizige Idee. Aber ich denke, wenn man sich anschaut, wie die Entwicklung in der Zeit seither verlaufen ist, dann ist diese Idee, daß man eine Renaissance der besten Traditionen braucht, zu einer sehr vorherrschenden geworden. Ich habe 2018 in Beijing an einem Dialog der asiatischen Zivilisationen teilgenommen. Ich war einer der wenigen Nicht-Asiaten dort und muß sagen, es war eine absolut erstaunliche Erfahrung, Menschen aus China, Indien, Korea, Thailand, Afghanistan und anderen Ländern zu sehen, die alle über die großen Traditionen ihrer Zivilisationen sprachen, die zum Teil bis zu 5000 Jahre zurückreichen. Und sie betonten stolz, was in dieser jahrtausendealten Tradition am fortschrittlichsten war, und sie beziehen sich heute darauf, um die Identität der Bevölkerung in dieser Tradition zu verankern und darauf aufbauend eine sehr positive Vorstellung von der Zukunft zu entwickeln. Das bezog sich auf die alte vedische Periode in Indien oder die baktrische Periode im heutigen Afghanistan, die persischen Traditionen und so weiter.
Warum sind Europa und die Vereinigten Staaten nicht Teil dieser Diskussion? Ich denke, [der russische Außenminister] Lawrow hat es vor einigen Jahren in seiner jährlichen Neujahrsansprache auf den Punkt gebracht, als er sagte, das Problem sei, daß der Westen sich von seinen traditionellen Werten entfernt habe – jenen Werten, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden, von Großeltern zu Eltern – und wir ein „postchristliches Wertesystem“ angenommen hätten.2 Das sei das Hauptproblem, warum etwa die Kommunikation zwischen den asiatischen Ländern und Europa und den Vereinigten Staaten praktisch zusammengebrochen sei.
Warum sind sich die Menschen im Westen heute der Gefahr eines Atomkriegs so wenig bewußt? Wir haben von Scott Ritter, Ted Postol und anderen gehört, daß die Wahrscheinlichkeit, daß es völlig schiefgehen kann, extrem hoch ist. Anfang der 1980er Jahre, als wir die Krise um die Mittelstreckenraketen hatten, gingen Hunderttausende Menschen auf die Straße, weil sie Angst vor einem Dritten Weltkrieg hatten. Und jetzt, wo wir so nahe daran sind wie nie zuvor in der Geschichte, auch nicht während der Kubakrise, machen sich nur sehr wenige Menschen überhaupt Sorgen. Die meisten genießen ihr Vergnügen, ihren Urlaub, ihre verschiedenen Hobbys, aber sie machen sich keine Gedanken darüber, was mit der gesamten Zivilisation passieren könnte.
Hat das etwas mit dem Video zu tun, das Diane [Sare] gezeigt hat?3 Ich würde sagen: „Absolut, ja!“ Denn was ist passiert, wenn Lawrow sagt, wir hätten uns von unseren Traditionen abgewandt und seien zu „postchristlichen Werten“ übergegangen? Was war denn die beste Tradition in den Vereinigten Staaten? Es war die Amerikanische Revolution, der erste Unabhängigkeitskrieg gegen das Britische Empire, ein antikolonialer Krieg. Und heute geben die Briten die Richtung vor. Sie versuchen im Grunde, eine unipolare Welt, die es gar nicht mehr gibt, aufrechtzuerhalten – ausgehend von der anglo-amerikanischen „Sonderbeziehung“, bei der das amerikanische Establishment akzeptiert hat, eine Einheit mit dem britischen Establishment zu bilden, und das soll das Modell sein, das die Hegemonie auf der Welt hat.
Der Angriff der Romantiker auf die Klassik
Deutschland hatte einmal eine sehr fortschrittliche Zivilisation und Kultur, die deutsche Klassik, das umfaßt etwa in der Musik alles von Bach und Händel über Mozart, Beethoven, Schubert, Schumann, Brahms bis hin zu einigen Werken von Hugo Wolf. Aber was ist daraus geworden? Deutschland hat einen völlig anderen Weg eingeschlagen. Es gibt nur noch wenige Menschen, die sich für klassische Musik interessieren; relativ gesehen, im Vergleich zur großen Bevölkerungszahl, ist es eine winzige Minderheit.
Das begann schon vor fast 200 Jahren mit dem Angriff der Romantiker auf die Klassik. Und ich kann das nur betonen: Die Romantiker wollten herunter von der Höhe des klassischen Prinzips, das in der Literatur einen Höhepunkt in der Zusammenarbeit von Goethe und Schiller erreicht hatte, die die Idee des Guten, Wahren und Schönen wiederbelebt hatten. Sie griffen das an mit der romantischen Idee, die klassische Form sei nicht gut, sie wollten nicht das Schöne, sondern das „Interessante“. Und weil das Interessante von heute morgen schon wieder langweilig ist, muß es noch „interessanter“ werden, und damit sinkt natürlich der Geschmack, die Kultur degeneriert immer weiter, bis hin zum heutigen Niveau, wo „alles erlaubt ist“.
Heinrich Heine hat ein sehr wichtiges Buch geschrieben, das Sie lesen sollten, wenn Sie Ihre Einsicht in diesen den Geist vertiefen, Die romantische Schule. Er schloß sich Goethes Ansicht an – nicht direkt in diesem Buch, aber in Bezug auf die Meinung –, daß die Romantiker verrückt waren, weil sie jeglichen Bezug zur Realität verloren hatten. Und wenn man sich die Romane von jemandem wie E.T.A. Hoffmann ansieht, der buchstäblich in die Irrenanstalt Charenton in Frankreich ging, um Fälle für seine Romane zu studieren, dann sieht man, was als literarisches Produkt herauskam. Das hat den Weg für einen schrittweisen kulturellen Verfall geebnet.
Ich sage also nicht, daß das erst in der jüngeren Vergangenheit begann. Man muß wirklich weit zurückgehen, und Heines Definition dieses Wahnsinns, die er sehr witzig und polemisch schreibt, ist äußerst nützlich.
Die Umerziehung
Aber was hat das mit der heutigen Zeit zu tun? In der deutschen Geschichte ist es trotz der Schrecken der zwölfjährigen nationalsozialistischen Herrschaft nicht gelungen, die Tradition der klassischen Musik und der klassischen Dichtung vollständig auszurotten, obwohl die Nazis beispielsweise vor Schillers Wilhelm Tell Angst bekamen, weil sie dachten, es könne als Leitfaden dienen, um Hitler loszuwerden. Es war also nicht so einfach. Aber als der Krieg 1945 endete und ganz Deutschland ein schreckliches Trümmerfeld war, viele Städte nicht mehr existierten, gab es diesen unglaublichen Moment, in dem die Menschen in sich gingen und sagten: „Was können wir tun, damit so etwas nie wieder passiert?“ Und es gab eine kurze Zeit, in der die Debatte über das Naturrecht wiederbelebt wurde. [Heinrich] Schlusnus gab Konzerte in ausgebombten Fabriken, und es gab eine kurze Zeit, in der es möglich gewesen wäre, Deutschland wieder an seine klassische Tradition anzuschließen.
Doch dann kamen die Besatzungsmächte, vor allem die Amerikaner, aber auch die Briten, und beschlossen, das wichtigste sei, die Deutschen von ihrer Kultur abzuschneiden, um sie unter Kontrolle zu halten, und sie Schritt für Schritt zu zwingen, das kulturelle Paradigma der Anglosphäre zu übernehmen.
Das bedeutete, im Bildungswesen Humboldt abzuschaffen und durch Dewey zu ersetzen, das Naturrecht durch das amerikanische Präzedenzrechtssystem zu ersetzen, und in der Kultur bedeutete es, die Klassik zu einer Musik von vielen zu machen. Es sollten keine Konzerte mehr ohne moderne Musik, Zwölftonmusik oder atonale Musik stattfinden.
Zu diesem Zweck wurde der Kongreß für kulturelle Freiheit (CCF) ins Leben gerufen, der in der Nachkriegszeit ein gigantischer Versuch der kulturellen Manipulation war. Sie hatten die Kontrolle über alle Konzerte, alle Aufführungen, und selbst hervorragende Musiker, die sonst damit gar nichts zu tun hatten, waren Teil davon, weil es einfach keine andere Möglichkeit gab, aufzutreten. Auf dem Höhepunkt dieser globalen Operation, die auch in Afrika und Asien aktiv war, steuerte der CCF 120 Kulturmagazine, und das wurde nur ein wenig unterbrochen, als 1967 der Skandal aufflog, daß er von der CIA finanziert wurde und der gesamte Kongreß für kulturelle Freiheit eine CIA-Operation war – was offensichtlich viel damit zu tun hatte, daß Truman nach dem Tod von Franklin Roosevelt dessen Nachfolge antrat.
Ich kann nur empfehlen, in die Bibliotheken zu gehen und sich die Dokumente anzusehen. Sie werden absolut schockiert sein, auch darüber, daß all das heute kein großes Diskussionsthema ist. Denn viel moderne Kunst ist das Ergebnis dieser Operation, und offensichtlich ist ein Großteil dieser Kunst extrem häßlich. Dagegen hatte Schiller darauf bestanden, daß Kunst schön sein muß, sonst dürfe sie nicht Kunst heißen.
Das war also die erste Welle, der CCF. Dann kam die nächste Welle, im Grunde ausgehend von der OECD, in den 1960er Jahren. Die OECD unter der Leitung von Dr. Alexander King, der später auch eine üble Rolle beim Club of Rome und der These von den Grenzen des Wachstums spielte, die bereits auf unserer Konferenz erwähnt wurde, begann eine Bildungsreform mit dem ausdrücklichen Ziel, Humboldt loszuwerden.
Humboldts Idee war, daß das Ziel der Bildung die Schönheit des Charakters sein müsse, und daß bestimmte Fächer besser geeignet seien als andere, einen solchen schönen Charakter zu entwickeln: die Beherrschung der Hochsprache, wie sie in den besten poetischen Traditionen zum Ausdruck kommt, die Weltgeschichte, die Naturwissenschaften und so weiter.
So sagten sie: „Laßt uns den gesamten Ballast von 2500 Jahren Wissen seit Platon über Bord werfen, all das sollte verschwinden“, und das taten sie auch. Sie strichen das alles aus dem Lehrplan.
Lyndon LaRouche, der die Deutschen gut kannte, hat mehrmals gesagt, diejenigen, die vor der Bildungsreform zur Schule gingen, und diejenigen, die danach zur Schule gingen, seien wie zwei verschiedene Gattungen. Und ich denke, da war etwas dran.
Die Gegenkultur
LaRouche war meines Wissens auch der einzige, der in den 1960er Jahren mit absoluter Präzision den üblen Einfluß der Gegenkultur mit „Sex, Rock und Drogen“, Hippies und Flower Power als das potentiell Zersetzendste erkannt hat, was das kognitive Potential jeder Gesellschaft, die sich einer solchen Gegenkultur hingab, zerstören würde. Schauen Sie sich noch einmal das Video mit [Tony] Blinken [als Rockmusiker] an und urteilen Sie selbst, ob LaRouche Recht hatte. Viele dachten damals: „Die Hippies sind irgendwie lustig, San Francisco, das ist doch alles schön.“ Aber was es mit dem Geist macht, sehen wir heute an der Jugendkultur, an den Selbstmordraten, der Drogenabhängigkeit, dem allgemeinen Kollaps der kognitiven Fähigkeiten im Vergleich etwa zu vielen Schülern in Asien.
Warum war das so absolut verheerend? Weil die klassische Kultur mit der Idee von Schönheit, der Erhebung des Geistes, der Selbstverbesserung und dem permanenten lebenslangen Lernen verbunden war, wenn man an Schiller zurückdenkt, der zusammen mit Beethoven den höchsten Punkt der deutschen Kultur überhaupt darstellte.
Ich habe Lyn [LaRouche] einmal gefragt: „Wer war deiner Meinung nach der größte Deutsche, der je gelebt hat?“ Zu meiner freudigen Überraschung antwortete er: „Friedrich Schiller.“ Ich fragte nach: „Meinst du wirklich…?“ Er antwortete: „Ja, absolut.“ Und das paßt sehr gut zu dem Grund, warum ich mich entschieden habe, das Schiller-Institut so zu nennen, weil Schiller uns mit seinen Ästhetischen Briefen und seinen anderen ästhetischen Schriften eine Methode liefert, wie man Menschen verbessern und den Charakter veredeln kann.
Schiller war sehr enttäuscht vom Zusammenbruch der Französischen Revolution, von der er anfangs gehofft hatte, sie würde eine Wiederholung der Amerikanischen Revolution auf europäischem Boden sein. Aber als dann der Jakobiner-Terror die Oberhand gewann, war er bestürzt und entsetzt, und er schrieb diese Ästhetischen Briefe, ausgehend von der Idee, daß „ein großer Moment“, die Französische Revolution, „ein kleines Geschlecht“ gefunden hatte – daß zwar die objektive Gelegenheit für Veränderung gegeben war, aber die subjektive moralische Möglichkeit in den Menschen fehlte, diese Chance zu nutzen.
Also machte er sich daran, eine Methode zu entwickeln, damit die Menschen beim nächsten Mal, wenn sich eine große Chance in der Geschichte bietet, besser gerüstet sind. Und er schrieb die Ästhetischen Briefe, die Sie meiner Meinung nach über die Weihnachtszeit lesen sollten, denn diese Literatur gibt Ihnen wirklich eine Antwort darauf, was man in der heutigen Situation tun kann.
In diesen Briefen sagte Schiller: Woher soll die Verbesserung kommen, wenn die Regierungen, die Staaten degeneriert sind und die Massen barbarisch sind? Woher soll sie kommen? Und er gab die für einige überraschende Antwort: Sie kommt durch die große klassische Kunst. Denn wenn der einfache Mensch, der Bäcker, der Friseur, der Ingenieur, einfach der normale Durchschnittsmensch, der nicht jeden Tag über die großen Fragen der Menschheit nachdenkt, mit einer großen Komposition, einem großen Drama, großer Poesie oder einem anderen großen Kunstwerk konfrontiert wird, erhebt dies den Menschen, weil es den Verstand, aber gleichzeitig auch die Emotionen anspricht. So erzieht es die Emotionen schließlich auf der Ebene der Vernunft und ist daher geeignet, Menschen auf eine höhere Ebene ihrer Fähigkeiten zu bringen. Und Schiller sagte, jeder Mensch trägt potentiell einen idealen Menschen in sich, und es ist die große Aufgabe des Daseins, dieses Potential mit diesem idealen Menschen in Einklang zu bringen.
Die Antwort lautet also, daß jeder die Chance hat, eine schöne Seele zu werden. Eine schöne Seele ist laut Schiller ein Mensch, der seine Emotionen auf die Ebene der Vernunft gebracht hat, so daß er diesen Emotionen blind folgen kann, ohne jemals irregeführt zu werden. Es ist ein Mensch, der seine Pflicht voll Leidenschaft erfüllt und für den Vernunft und Liebe im Grunde dasselbe sind. Und der einzige Mensch, der diese Bedingung ganz erfüllt, ist das Genie. Laut Schiller hat also jeder Mensch das Potential, ein Genie zu werden, wenn man sich nur genug anstrengt.
Wenn man diese Idee kaputtmacht und statt dessen die Idee hat, „alles ist erlaubt“, bedeutet das, daß es keine Maßstäbe mehr gibt. Die Dekonstruktion aller Moralvorstellungen ist inzwischen so weit, daß die Chance, in den Boulevardzeitungen zu erscheinen und als eine Art „Influencer“ gefeiert zu werden, um so größer ist, je verrückter eine Idee ist. Und deshalb befinden wir uns heute im Westen wirklich in einer sehr tiefen kulturellen Krise.
Als der Kalte Krieg endete, erklärte Francis Fukuyama anmaßend oder besser gesagt voller Hybris, das sei das „Ende der Geschichte“, d.h. die westlichen Demokratien würden das westliche demokratische Modell in alle Länder der Welt exportieren und die ganze Welt würde dies akzeptieren. Das wäre das „Ende der Geschichte“. Nun, wie wir in den mehr als 30 Jahren seither gesehen haben, ist das nicht so gut gelaufen. Und wenn man versucht, den gegenwärtigen Zustand unserer Kultur – mit „Wokismus“, mit der LBGTQ-Kultur mit 99 verschiedenen Geschlechtern – nach Afrika, Ungarn, Rußland oder China zu exportieren, sagen diese Länder: „Nein, danke. Wir haben unsere eigenen Traditionen, die viel besser dem entsprechen, worin wir unsere Identität sehen.“ Sie lehnen diese Auferlegung dieser fremden Kulturen ab.
Das kognitive Potential des Westens ist gesunken
Wir im Westen haben also ein sehr ernstes kulturelles Problem. Ich denke, das kognitive Potential all unserer Gesellschaften ist stark gesunken. Deutschland war früher ein Land, das auf der ganzen Welt bewundert wurde. Wenn man als Deutscher nach Lateinamerika, Afrika oder Indien reiste, sagten die Menschen immer: „O, Sie kommen aus Deutschland! Das ist das Land der Erfinder, der Dichter und Denker! Was ist mit Beethoven? Was ist mit Goethe?“ Und jetzt sagen sie: „O, Sie kommen aus Deutschland! Sie Ärmster! Ihre Wirtschaft bricht zusammen, Sie haben einen Kanzler, der sich nicht einmal gegen die Sabotage von Nord Stream 2 wehrt, Sie haben explodierende Energiepreise. Warum tun Sie nichts dagegen?“
Nun, ich denke, das hat alles damit zu tun, daß das kognitive Potential bei uns abgenommen hat und die Menschen so entmündigt, daß sie nicht einmal mehr die tödliche Gefahr eines möglichen Atomkriegs erkennen. Und das hat alles mit unserem kulturellen Geschmack zu tun, oder besser gesagt, dem Geschmack für schreckliches Zeug, das die Leute „Kultur“ nennen, wenn man sich die Verderbtheit einiger Popmusik, das Menschenbild oder speziell das Frauenbild ansieht. Deshalb haben die Chinesen Hip-Hop verboten, weil sie sagen, Hip-Hop hat ein mieses Frauenbild, deshalb wollen wir unsere Kinder und Jugendlichen dem nicht aussetzen.
Der Vorwurf, einige dieser anderen Kulturen wären „Diktaturen“ und „autokratisch“ und so weiter, das ist einfach Unsinn! Es ist vielmehr so, daß etwa die chinesische Kultur eine 5000 Jahre alte Geschichte hat. Und die letzten 2500 Jahre davon wurden stark von Konfuzius beeinflußt, der die Idee des „lebenslangen Lernens“ hatte. Da die chinesische Tradition auch das Gemeinwohl vor das Individuum stellt, besagt sie, wenn der Staat voranschreitet, dann schreiten auch alle Individuen voran. Dagegen ist es in Europa und den Vereinigten Staaten eher umgekehrt, dort steht das Individuum im Vordergrund, und man meint, wenn es allen Individuen gut gehe, dann gehe es auch dem Staat gut – was zu diesem übertriebenen Individualismus führt, den wir heute sehen. Aber aus der Sicht der Chinesen ist es ganz normal, daß sie versuchen, durch den Staat Einflüsse fernzuhalten, von denen sie wissen, daß sie schlecht für die Kultur des Volkes sind. Das hat nichts mit der Kommunistischen Partei zu tun, sondern mit 2500 Jahren Konfuzianismus.
Ich könnte noch viel mehr sagen, aber ich denke, wir im Westen müssen uns ehrlich den Rest der Welt ansehen und erkennen, daß wir vom rechten Weg abgekommen sind! Dieser übertriebene Individualismus, diese Vorstellung, alles sei erlaubt, es gebe keine Grenzen für die Perversion dessen, was man tun kann, hat verheerende Auswirkungen auf unsere Kultur und unseren Geist.
Es wäre so einfach, das wiederzuentdecken, was an der europäischen Kultur, deren Verlängerung die Vereinigten Staaten sind, so großartig war. Man muß zurückgehen zur italienischen Renaissance, zur École Polytechnique, zur andalusischen Renaissance, zur deutschen Klassik, und wir müssen diese wunderbaren Ideen wiederbeleben und sie wieder zur Grundlage dafür machen, Neues zu schaffen. Und wenn wir dann einen Dialog der besten Tradition der europäischen Kultur mit den besten Traditionen all dieser anderen Länder und Orientierungen führen, können wir eine neue Renaissance erreichen.
Ich denke, wenn wir unsere Arbeit richtig machen, kann das sogar die wichtigste und schönste Renaissance in der Geschichte der Menschheit werden, die es je gab! Denn der Mensch ist vernunftbegabt, und wir sollten diese Aufgabe voller Energie angehen!
Anmerkungen
1. What’s New at Schiller Institute?
3. Über Außenminister Blinken, Antony Blinken plays guitar in Kyiv bar: „Free world is with you”, Video, The Telegraph.
William Ferguson (USA), Schiller-Institut
Poesie statt „Information“
Von Bill Ferguson
Bill Ferguson ist ein Aktivist des Schiller-Instituts in Boston in den USA. In der Konferenz zum 40jährigen Bestehen des Schiller-Instituts am 8. Dezember sagte er folgendes.
Friedrich Schiller, der Dichter der Freiheit, beginnt seinen Essay Über das Erhabene mit den Worten:
„,Kein Mensch muß müssen‘… Der Wille ist der Geschlechtscharakter des Menschen, und die Vernunft selbst ist nur die ewige Regel desselben. Vernünftig handelt die ganze Natur; sein Prärogativ ist bloß, daß er mit Bewußtsein und Willen vernünftig handelt. Alle andern Dinge müssen; der Mensch ist das Wesen, welches will.“
Die Freiheit des Menschen wird verletzt, wenn er dem äußeren Zwang eines Sklavenhalters oder Tyrannen ausgesetzt ist. Aber ist der Mensch frei, wenn seine inneren Impulse im Widerspruch zur Vernunft stehen?
Schiller hielt an dem Ideal einer „schönen Seele“ fest, „einer, in der Vernunft und Gefühl, Pflicht und Leidenschaft verschmelzen, einer, der seine Pflicht mit Freude erfüllt.“ Wie er in seinen Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen feststellt, „… ist es die Schönheit, durch die man zur Freiheit gelangt“, oder wie er es in Die Künstler poetisch ausdrückt:
Nur durch das Morgentor der Schönheit
Dringt man in das Land des Wissens ein
So wie die rationalen Kräfte des Schülers geschult werden müssen, zeigt Schiller, daß es die freudige Pflicht des Künstlers ist, die Emotionen des Publikums zu schulen, damit sie sich am Schönen, Harmonischen und Wahren erfreuen, damit sie das Theater als bessere Menschen verlassen und sich schließlich nur noch am Schönen, Harmonischen und Wahren erfreuen. Es ist die Pflicht des Künstlers, sie spielerisch auf dem Weg zu schönen Seelen zu begleiten.
So werden die Bürger zur Fähigkeit der Selbstregierung erhoben, der einzigen Regierungsform, die der Würde des Menschen würdig ist. Aber ästhetische Bildung und Selbstregierung erfordern, wie die Poesie, eine gemeinsame Sprache für den Austausch und die Entwicklung eines Volkes, daher die Notwendigkeit der nationalen Souveränität. Wie Jeanne d’Arc in Schillers Die Jungfrau von Orleans über den englischen Eindringling sagt:
Der fremde König, der von außen kommt,
Dem keines Ahnherrn heilige Gebeine
In diesem Lande ruhn, kann er es lieben?
Der nicht jung war mit unsern Jünglingen,
Dem unsre Worte nicht zum Herzen tönen,
Kann er ein Vater sein zu seinen Söhnen?
Schillers Werke zeigen die Liebe und den Kampf der gesamten Menschheit für die Freiheit: die Verteidigung der nationalen Souveränität in Frankreich, angeführt von der göttlich inspirierten Johanna, der Aufstand der Vereinigten Niederlande gegen die spanische Herrschaft in Don Carlos, und Wilhelm Tell, sein Drama über den Aufstand der Schweizer gegen die habsburgische Tyrannei, in dem der Rütlischwur als deutsche Übersetzung der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika betrachtet werden kann:
„Nein, eine Grenze hat Tyrannenmacht,
wenn der Gedrückte nirgends Recht kann finden,
wenn unerträglich wird die Last – greift er
hinauf getrosten Mutes in den Himmel,
und holt herunter seine ew’gen Rechte,
die droben hangen unveräußerlich
und unzerbrechlich wie die Sterne selbst -“
1984 veröffentlichte das Schiller-Institut die „Erklärung der unveräußerlichen Menschenrechte“, eine von Helga Zepp-LaRouche umgeschriebene Neufassung der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, die deren Prinzipien auf die gesamte Menschheit anwendet. Was ist das Recht auf „Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit“ anderes als das Recht, den eigenen Geist und das eigene Herz bis zum vollen Potential zu entwickeln, das Recht, an dem teilzunehmen, was Schiller als „das vollkommenste aller Kunstwerke, die Errichtung einer wahren politischen Freiheit“ bezeichnete? Das Recht, eine schöne Seele zu werden?
Während wir nun hoffnungsvoll auf eine Zukunft jenseits dieses aktuellen Punctum saliens hinarbeiten, in der wir, wie Schillers Stauffacher warnt, dreitausendfach miterleben, daß
„der Krieg auch nicht das zarte Kindlein in der Wiege schont“
und bald droht, keinen von uns zu verschonen, wenden wir uns wieder unserem verehrten Lyndon LaRouche zu. In Keplers Entdeckung: Mathematik ist keine Wissenschaft bezieht sich LaRouche auf seine Behauptung von 1978, daß „die Poesie beginnen muß, die Mathematik in der Physik zu ersetzen“. Das zweite Kapitel, „Poesie als Wissenschaft“, schließt mit einem Unterabschnitt, „Verteidigung der schönen Seelen“. Der Unterabschnitt beginnt:
„Es gibt zwei Werke der klassischen englischen Dichtung, die mich seit meiner Jugend am stärksten beeinflußt haben: Ode an eine griechische Urne von [John] Keats und Verteidigung der Poesie von [Percy] Shelley. Ersteres, weil es die Qualität eines vollkommen ironischen, klassischen Gedichts erreicht; letzteres, insbesondere der abschließende lange Absatz, der in den Spiegel meiner Seele blickt.
In jeder gültigen Wissenschaft und jeder wahrhaft klassischen künstlerischen Komposition und ihrer Aufführung ist es die Qualität der Botschaft, die das Produkt menschlicher Kreativität von der Betonung des einfachen wörtlichen Hinweises durch das tierische Geschöpf unterscheidet, was man als klassische Ironie bezeichnet …“
Am Ende des Artikels zitiert LaRouche zunächst Percy Shelley:
„Die Menschen, denen diese Kraft innewohnt, mögen oftmals in vielen Zügen ihres Wesens wenig augenfällige Übereinstimmung mit jenem Geist des Guten zeigen, dessen Werkzeug sie sind. Aber selbst während sie ihn verneinen und ihm abschwören, sind sie doch gezwungen, der Macht zu dienen, die auf dem Thron ihrer eigenen Seele sitzt. Es ist unmöglich, die Werke der berühmtesten Autoren der Gegenwart zu lesen, ohne von jenem elektrischen Funken ergriffen zu werden, der in ihren Worten glüht. Sie messen den Umfang und loten die Tiefe der menschlichen Natur mit einem alles umfassenden, alles durchdringenden Geist und sind selbst vielleicht am aufrichtigsten erstaunt über seine Offenbarungen; denn es handelt sich weniger um ihren eigenen als vielmehr um den Geist der Zeit. Dichter sind Priester einer unbegriffenen Inspiration; Spiegel riesenhafter Schatten, die die Zukunft auf die Gegenwart wirft; Worte, die sagen, was sie selbst nicht verstehen; Trompeten, die zum Kampfe blasen und nicht empfinden, was sie eingeben; sie sind die Kraft, die selbst nicht bewegt wird, aber andere bewegt. Dichter sind die nicht anerkannten Gesetzgeber der Welt…”
Hier kommt LaRouche zu dem Schluß:
„Manchmal denke ich an die Zeit, als Goethe mit Schiller zusammenarbeitete; aber dann denke ich auch an eine andere Seite.
Hier spüren wir in der Poesie das dynamische Prinzip all jener Entdeckungen, die den Einzelnen befähigen, Ideen von Prinzipien zu entwickeln, die Gesellschaften und auch die Planeten bewegen. Die Wissenschaft bewegt Planeten. Klassisches künstlerisches Genie bewegt die Individuen, die die Gesellschaft bewegen, die die Planeten bewegen, dann die Sterne und dann vielleicht auch die Galaxien.“
Zu Ehren des revolutionären und stets optimistischen Lyndon LaRouche wollen wir unsere Gesellschaften und unseren Planeten in Hoffnung bewegen.
Hoffnung
Es reden und träumen die Menschen viel
Von bessern künftigen Tagen,
Nach einem glücklichen, goldenen Ziel
Sieht man sie rennen und jagen;
Die Welt wird alt und wird wieder jung,
Doch der Mensch hofft immer Verbesserung.
Die Hoffnung führt ihn ins Leben ein,
Sie umflattert den fröhlichen Knaben,
Den Jüngling begeistert ihr Zauberschein
Sie wird mit dem Greis nicht begraben;
Denn beschließt er im Grabe den müden Lauf,
Noch am Grabe pflanzt er die Hoffnung auf.
Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn,
Erzeugt im Gehirne des Toren,
Im Herzen kündet es laut sich an,
Zu was Besserm sind wir geboren,
Und was die innere Stimme spricht,
Das täuscht die hoffende Seele nicht.
Paul Gallagher (USA), Schiller-Institut
John Sigerson (USA), Musikdirektor, Schiller-Institut
Liliana Gorini (Italien), Vorsitzende von Movisol, und Sebastiano Brusco (Italien), Pianist
Nader Majd (Iran/USA), Musiker, Zentrum für persische Kultur, Vienna, USA
Musik und Poesie überwinden die Uneinigkeit
Von Nader Majd
Nader Majd ist Präsident und Direktor der Persian Classical Music Co. in Vienna im US-Bundesstaat Virginia. In der Konferenz zum 40jährigen Bestehen des Schiller-Instituts am 8. Dezember sagte er folgendes.
Guten Tag, liebe Freunde. Mein Name ist Nader Majd, und ich bin Präsident und Direktor der Persian Classical Music Co. in Vienna, Virginia.
Ich werde heute über die Bedeutung der Kultur für den Frieden sprechen. Beides hängt in vieler Hinsicht miteinander zusammen. Das wichtigste ist, daß die Menschen auf der Welt die Kultur, die Traditionen, die Normen und andere Aspekte der Kultur in den verschiedenen Ländern verstehen – dann werden sie sich nicht bekämpfen. Sie werden miteinander reden, vor allem durch Musik, Poesie, Malerei und alle anderen Mittel, die der Menschheit zur Verfügung stehen, und sie für den Frieden nutzen.
Ich möchte über eine Erfahrung sprechen, die ich Anfang der 1980er Jahre gemacht habe, um Ihnen die Bedeutung der Kultur für das Zusammenwachsen der Gemeinschaft zu verdeutlichen. Anfang der 80er Jahre nahm mich ein befreundeter Journalist zu verschiedenen politischen Organisationen mit – natürlich iranischen. Und ich stellte fest, daß diese Menschen sich in jeder Hinsicht völlig uneinig waren.
Eines Tages rief ich ihn an und lud ihn in die Weltbank ein – ich war damals Ökonom bei der Weltbank –, um über die Gründung einer Kulturgesellschaft zu sprechen. Ich sagte ihm: Ich mache Musik und du Poesie. Das ist etwas, bei dem wir uns nicht uneinig sind. Auf diese Weise können wir die iranischen Gemeinschaften zusammenbringen.
Ob Sie es glauben oder nicht, es hat funktioniert! Seit 1982, als wir die Iranische Kulturgesellschaft in Washington gründeten, hält sie wöchentlich jeden Montag Sitzungen ab. Das tun wir jetzt seit 40 Jahren. Wir luden Menschen aus allen Schichten ein, mit unterschiedlicher politischer Ausrichtung. Und sie konnten sich im selben Raum zusammensetzen und miteinander reden. Das hat gezeigt, wie wichtig die Kultur ist – eine Dimension, die sehr fruchtbar wird, wenn man sie zu anderen, etwa politischen Diskussionen hinzufügt.
Heute möchte ich ein Gedicht von Hafis rezitieren, einem der bedeutendsten iranischen Dichter aus dem 7. Jahrhundert. Dann werde ich versuchen, dieses Gedicht für Sie ungefähr zu übersetzen, um zu zeigen, wie wichtig Hafis im 7. Jahrhundert die Überwindung von Streitigkeiten unter den Menschen war. Lassen Sie es mich zuerst auf Persisch vortragen, für den Rhythmus und die Reime. Wenn man Gedichte übersetzt, geht dieser musikalische Aspekt verloren. (Liest auf Persisch.)
Man spürt die Schönheit dieses Gedichts, wenn man die Reime und den Rhythmus hört. (Liest ein wenig auf Persisch.) Dieser Reim wird immer wieder wiederholt, was ihn noch schöner macht. Aber nun möchte ich Ihnen eine ungefähre Übersetzung des Gedichts geben, damit Sie die Botschaft verstehen. Hafis sagt:
„Letzte Nacht sah ich die Engel an die Tür des Weinhauses klopfen.
Damals mischten sie Wasser und Erde und schufen den Menschen mit Wein.“
In unserer islamischen Religion steht im Koran, daß Gott Berge, Meere usw. erschuf und sie aufforderte, sich vor ihm zu verbeugen. Aber sie konnten sich nicht verbeugen, weil sie ja Meere und Berge waren. Darauf beschloß er, Engel zu erschaffen, und bat die Engel, sich zu verbeugen; aber die Engel konnten es auch nicht, weil sie ja Geister waren. Da schuf Gott den Menschen, indem er Erde und Wasser zu Schlamm mischte und eine Statue schuf, der er dann Leben einhauchte. So erschuf er den Menschen.
Aber Hafis sagt, Gott hat kein Wasser benutzt, sondern Wein. Ich kann es erklären: Das Bild vom Wein bedeutet in unserer Kultur, die Erhabenheit der Welt durch Intuition zu betrachten, nicht durch Denken, Verstand und Rationalität. Intuition ist wichtig. Wenn man Wein trinkt, öffnet er einem die Tür, um die Welt auf ästhetische Weise zu betrachten.
Nachdem sie den Menschen erschaffen hatten, setzten sie sich hin, und wir tranken zusammen. Damals lag die ganze Last, die Welt wieder vollkommen zu machen, auf den Schultern des Menschen. Denn am Anfang war die Welt vollkommen, aber mit der Ursünde oder wie man es nennen möchte, wurde das Universum unvollkommen. Der Kosmos wurde unvollkommen. Der Religion zufolge kommt man in den Himmel, wenn man Gutes tut, und dann ist Gott da und du bist da. Aber den Sufis zufolge kommt Gott zu dir, wenn du in dieser Welt auf Gott zugehst, so daß eine Einheit des Seins entsteht. Das basiert auf dem iranischen Irfan und dem Sufismus.
Hier heißt es also: Die Last liegt auf meiner Schulter, auf „Adams Schulter“. Und er spricht vom „Kampf zwischen den 72 Nationen“ – er meint natürlich die 72 Zweige des Islam. Er sagt, sie kämpften, zwischen ihnen herrscht Krieg, weil sie die Wahrheit nicht sehen konnten und anfingen, alle möglichen Geschichten zu erzählen, ohne die Wahrheit. Wer die Wahrheit kennt, der kämpft nicht gegeneinander. Dann sagt er: „Zwischen mir und Gott herrschte Frieden, und alle Sufis begannen zu tanzen und tranken Wein“ als Bekräftigung dieses Friedens zwischen mir und Gott.
Später verwendet er als Bild das Feuer und sagt: Das Feuer ist nicht dazu da, daß die Kerze lacht, sondern die Flamme verbrennt die Motte oder den Schmetterling. Das soll die Liebe und Leidenschaft zwischen der Motte und dem Feuer zeigen – das ist in unserer zoroastrischen Tradition sehr wichtig. Das Feuer ist sehr wichtig, es ist die Quelle der Reinigung von allen Sünden usw.
Am Ende sagt er: Niemand auf der Welt hat die Rationalität in der Existenz des Universums besser enthüllt als Hafis. Hafis sagt es am besten. Und damals war eine Zeit, in der sie sich beruhigten. Das wird hier als Metapher verwendet: Er zähmte die Buchstaben, die Worte. Das ist eine Metapher dafür, daß zu der Zeit, als sie anfingen miteinander zu reden und das Wort zu erklären, Hafis es am besten erklären konnte.
Soweit die Übersetzung dieses Gedichts, ich hoffe, es hat Ihnen gefallen. Ich beantworte gerne Ihre Fragen, wenn Sie welche haben. Ich danke Ihnen für Ihre Geduld.
Diskussion
Die gemeldete Entscheidung der Regierung des scheidenden Präsidenten Biden, der Ukraine die Nutzung amerikanischer ballistischer ATACMS-Raketen für Angriffe auf russisches Territorium zu gestatten, beginnend mit dem Ziel der Region Kursk, bringt die Welt in unmittelbare Gefahr, möglicherweise nur noch wenige Tage von einer strategischen, unaufhaltsamen Eskalation entfernt zu sein. Da diese Raketen, wie die deutschen Taurus- und die britischen Storm-Shadow-Raketen, technisch nicht von den Ukrainern bedient werden können, sondern von Spezialisten aus NATO-Ländern unterstützt werden müssen, bedeutet dies, dass wir uns in dem Moment, in dem sie eingesetzt werden, in einem vollständigen Krieg der NATO gegen Russland befinden.
Als Reaktion auf genau solche Eskalationen, einschließlich des Einsatzes immer leistungsfähigerer Waffen durch die Nationen des kollektiven Westens in der Ukraine, kündigte der russische Präsident Putin im September 2024 an, dass er Änderungen an der „Nukleardoktrin“ Moskaus vorschlagen werde, um den möglichen Einsatz von Atomwaffen als Reaktion auf einen Angriff, der eine kritische Bedrohung für die Souveränität Russlands darstellt, einzubeziehen, einschließlich Angriffe eines nicht-nuklearen Staates, wenn dieser von einem nuklearen Staat unterstützt wird. Putin erklärte diese Änderung auf folgende, sehr präzise Weise:
„… Die aktualisierte Version des Dokuments [Grundprinzipien] soll eine Aggression gegen Russland durch einen beliebigen nichtnuklearen Staat, an der jedoch ein beliebiger Nuklearstaat beteiligt ist oder die von einem solchen unterstützt wird, als gemeinsamen Angriff gegen die Russische Föderation betrachten… Wir werden eine solche Möglichkeit in Betracht ziehen, sobald wir zuverlässige Informationen über einen massiven Einsatz von Luft- und Weltraumangriffswaffen und deren Überschreiten unserer Staatsgrenze erhalten.“
Er fügte hinzu:
„Ich meine strategische und taktische Flugzeuge, Marschflugkörper, unbemannte Luftfahrzeuge, Hyperschallflugzeuge und andere Flugzeuge. Wir behalten uns das Recht vor, im Falle einer Aggression Atomwaffen einzusetzen … auch dann, wenn der Feind mit konventionellen Waffen eine kritische Bedrohung für unsere Souveränität darstellt.“
Die weithin berichtete Ankündigung der ATACMS-Entscheidung der Biden-Regierung überschreitet eindeutig diese rote Linie. Dennoch ignorieren westliche Politiker und sogenannte Militärexperten die russische Warnung weiterhin und reden ständig davon, dass „Russland blufft“, „Russland militärisch besiegt“ werden könne usw. In einer Art Wahnvorstellung ignorieren sie die Tatsache, dass Russland derzeit die stärkste Atommacht ist und daher nicht auf dem Schlachtfeld besiegt werden kann. Was stattdessen sehr wohl kurzfristig passieren kann, ist, dass alles Leben auf dem Planeten in einem globalen thermonuklearen Krieg vernichtet werden könnte.
Gleichzeitig eskaliert die Krise in Südwestasien. Die Militäraktion Israels in Gaza, die vom Internationalen Gerichtshof (IGH) und vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) als andauernder Völkermord bezeichnet wurde, hat zu einer Hungerkatastrophe geführt, die das Leben von 400.000 Palästinensern bedroht. Die internationale Gemeinschaft hat im Wesentlichen tatenlos zugesehen. Der Libanon erlebt nun ein ähnliches Schicksal. Wenn dieser Krieg auf den Iran übergreifen und dessen Nuklearanlagen ins Visier nehmen würde, würde dieser Krieg schnell größere Mächte mit hineinziehen. Wir stünden dann auch hier an der Schwelle zu einem globalen Atomkrieg.
Die zuvor vorherrschende unipolare Welt ist zerfallen, und der Versuch, die Entstehung einer multipolaren Welt zu verhindern, ist zwecklos. Das ist der Hauptgrund für die strategische Krise.
Im Oktober dieses Jahres fand in Kasan, Russland, das jährliche Gipfeltreffen der BRICS-Staaten statt, an dem die neun BRICS-Mitgliedstaaten und 13 neue Partnerstaaten (sowie weitere Gäste) teilnahmen, die 4,7 Milliarden Menschen oder 57 Prozent der Weltbevölkerung repräsentieren. Diese Länder sind entschlossen, 500 Jahre Kolonialismus zu überwinden und eine neue gerechte Weltwirtschaftsordnung, neue Entwicklungsplattformen sowie ein neues Kreditsystem und einen neuen Handelsmechanismus zu etablieren, um nicht länger Rohstoff exportierende Länder zu sein, die gesamte Wertschöpfungskette in ihren eigenen Ländern zu entwickeln und Armut und Unterentwicklung für immer zu überwinden.
Warum freuen sich die Mächte im Westen nicht über diese fantastische Perspektive? Weil der Westen eine tiefgreifende kulturelle Krise durchlebt, der Westen ist vom Weg abgekommen; und weil das westliche Finanzsystem unter einer tödlichen Spekulationsblase von 2 Billiarden Dollar leidet, die einen globalen Völkermord fordert.
Wenn wir das Übel der Geopolitik nicht überwinden, das im 20. Jahrhundert zu zwei Weltkriegen geführt hat, besteht die Gefahr, dass sich die Welt in zwei getrennte Blöcke teilt: eine globale NATO auf der einen Seite und eine globale BRICS-Plus-Mehrheit auf der anderen Seite. In diesem Fall werden wir nicht nur mit wirtschaftlichem Chaos konfrontiert sein, sondern auch mit der unmittelbaren Gefahr eines globalen nuklearen Flächenbrands.
Die offensichtliche und einfache Möglichkeit, die Gefahr eines Krieges und einer Konfrontation zu überwinden, besteht darin, die Länder des kollektiven Westens – die europäischen Nationen und sogar die USA – davon zu überzeugen, die Konfrontation zu beenden und eine Form der Zusammenarbeit mit dieser wachsenden globalen Mehrheit zu finden. Wenn der Westen mit den BRICS-Staaten zusammenarbeiten und dem globalen Süden bei der Industrialisierung helfen würde, könnten wir nicht nur den geopolitischen Wettbewerb stoppen, sondern auch die Flüchtlingskrise auf die einzig mögliche menschliche Weise überwinden: indem wir Bedingungen schaffen, unter denen die Menschen, die jetzt Flüchtlinge sind, die Perspektive haben, sich am Aufbau ihrer eigenen Heimatländer zu beteiligen.
Anstatt Millionen von Menschen dazu zu verdammen, sich auf einen Todesmarsch durch die Sahara zu begeben, um dann in Massengräbern im Mittelmeer zu ertrinken oder in Flüchtlingslagern zu landen, die Papst Franziskus als Konzentrationslager bezeichnet hat, oder viele Länder zu durchqueren und dabei Hunger, Drogenbanden und Terrorismus ausgesetzt zu sein, um dann an der mexikanisch-amerikanischen Grenze zurückgeschoben zu werden, müssen wir ihnen helfen, ihre Nationen zu industrialisieren.
Wir fordern die Vereinten Nationen oder die BRICS auf, einen funktionierenden Dialog zwischen den BRICS und den Ländern des Westens zu initiieren (da die G20 diese dringende Herausforderung vernachlässigt) und ihre Absicht zu erklären, kurzfristig 1,5 bis 2 Milliarden neue produktive Arbeitsplätze in den Ländern des globalen Südens zu schaffen und bis 2050 insgesamt 3 Milliarden neue produktive Arbeitsplätze zu schaffen. Eine solche Ankündigung, gefolgt von konkreten Schritten zur Sicherstellung der vollständigen Elektrifizierung aller Länder Afrikas, Asiens und Lateinamerikas sowie dem sofortigen Beginn der Umsetzung bahnbrechender Infrastruktur- und anderer Entwicklungsprojekte, wäre eine starke Botschaft, um ein Zeitalter der Hoffnung einzuläuten.
Der Bau des größten Tiefwasserhafens in Lateinamerika, des Hafens von Chancay in Peru, mit der Aussicht auf den Bau einer bi-ozeanischen Eisenbahn, die den Atlantik und den Pazifik verbindet, ist ein solches Projekt, ebenso der Bau des Grand Inga Dam und das Transaqua-Projekt, die zur Bewässerung und Industrialisierung mehrerer Länder im Herzen Afrikas beitragen werden.
Um die Gefahr eines Krieges endgültig zu überwinden, müssen wir eine neue internationale Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur schaffen, die die Interessen jedes einzelnen Landes auf dem Planeten berücksichtigt. Dies sollte in der Tradition des Westfälischen Friedens geschehen, der 150 Jahre Religionskriege in Europa beendete, weil die Kriegsparteien erkannten, dass es niemanden mehr geben würde, der am Leben bliebe, wenn die Kämpfe fortgesetzt würden. Wieviel mehr gilt das im Zeitalter der thermonuklearen Waffen!
Um der Menschheit eine solche neue Architektur vorzustellen, plant das Schiller-Institut, am 7. und 8. Dezember eine internationale Online-Konferenz mit führenden Vertretern und Experten des kollektiven Westens und des globalen Südens einzuberufen, um die Prinzipien zu erörtern, auf denen eine solche neue Architektur basieren muss. Wir werden auch ein Beispiel für den Dialog der Kulturen und Zivilisationen geben, mit wunderschönen Beispielen großer Kunst aus verschiedenen Nationen, um den Weg zu einer Zivilisation aufzuzeigen, die nicht auf Hass, sondern auf Liebe basiert.