Top Left Link Buttons
  • Englisch
  • Deutsch
  • Französisch
  • Russisch
  • Vereinfachtes Chinesisch
  • Spanisch

„Ausweitung der Neuen Seidenstraße nach Südwestasien und Afrika: Vision einer wirtschaftlichen Renaissance“

Hussein Askary, Schiller-Institut, Südwestasien-Koordinator, Stockholm


Daisuke Kotegawa: Japans Haltung zur eurasischen Kooperation

Erstens über mich: Ich war 35 Jahre lang im Finanzministerium der japanischen Regierung tätig, und ich war – glücklicherweise oder unglücklicherweise – verantwortlich für die Beilegung der Finanzkrise in Japan Ende der 90er Jahre…


Musikalische Einleitung : Panel 1


Helga Zepp-LaRouche: Eröffnungsrede

Helga Zepp-LaRouche

Gründerin des Schiller Institutes


 

Die folgende Rede hielt Helga Zepp-LaRouche, die Präsidentin des Schiller-Instituts und Bundesvorsitzende der BüSo, zur Eröffnung der internationalen Konferenz des Schiller-Instituts am 13. und 14. Juni 2015 in Paris. Der Text wurde aus dem englischen Original übersetzt.

Ich möchte meiner eigentlichen Rede einen kurzen Bericht voranstellen über das, was Herr LaRouche gestern gesagt hat – denn wir hatten gestern einige extrem wichtige Entwicklungen. Präsident Obama ging zum Kongreß und versuchte, die Mitglieder der Demokratischen Partei im Kongreß zu bedrohen, und sagte ihnen, sie müßten unbedingt für die TPA [die Ermächtigung zum Aushandeln von Freihandelsabkommen] stimmen, wie sie jetzt genannt wird – und daß es in dieser Frage nicht um das Freihandelsabkommen ginge, sondern um seine Person.

Und es wurde berichtet, daß die Kongreßabgeordneten nach dieser 40minütigen Sitzung völlig wütend waren, und dann stimmten sie mit überwältigender Mehrheit gegen diesen TPA-Entwurf, was wirklich eine schwere Niederlage für ihn war – eine von vielen Niederlagen, die Obama in jüngster Zeit einstecken mußte. Und Herr LaRouche kommentierte, dies sei nicht bloß Ausdruck eines kurzfristigen Widerstands in letzter Minute, sondern eines Prozesses der Rebellion, der in jüngster Zeit auf beiden Seiten des Atlantiks in Gang gekommen sei. Und darin spiegle sich die Erkenntnis wichtiger Fraktionen wider, daß uns akut ein thermonuklearer Krieg droht.

Dies bedeute, daß man in nächster Zeit damit rechnen müsse, daß sich die Neigung der Regierung Obama, Konfrontationen voranzutreiben, sogar noch verstärken wird. Aber man müsse die eigentliche Ursache anpacken, nämlich daß die Wall Street reif für die Schlachtbank ist, daß das ganze transatlantische Finanzsystem hoffnungslos bankrott ist. Die einzige Hoffnung liege darin, daß ein Block von Nationen existiert, die numerisch gesehen viel stärker seien.

Aber man müsse auch verhindern, daß die Welt ins Chaos abgleitet. Und deshalb brauche man ein Programm, das dieses Problem unmittelbar anpackt, denn wir stehen vor dem Platzen der griechischen Schulden, das sofort Konsequenzen auch für Spanien und Italien haben wird, und auch wenn Deutschland in einer relativ stärkeren Position ist, stehen wir damit vor dem Zusammenbruch des gesamten transatlantischen Finanzsystems.

Deshalb muß man Maßnahmen der Art ergreifen, wie sie Franklin D. Roosevelt in der Zeit von 1932-39 ergriff, das ist es, worauf wir uns konzentrieren müssen. Und ich denke, das ist etwas, womit wir uns in unseren Erörterungen bei dieser Konferenz befassen müssen.

Denn dies ist keine akademische Konferenz, sondern ein Versuch, zu intervenieren, in einem Augenblick, in dem sehr klar ist, daß beispielsweise die Institutionen der G-7, die gerade ihr Gipfeltreffen hatten, völlig darin versagen, etwas gegen diese existentiellen Gefahren für die Zivilisation zu tun.

Ich werde auf die optimistischen Lösungen zurückkommen, aber lassen Sie mich Ihnen sagen: Die Menschheit war noch nie in einer so gefährlichen Lage.

Aber ich will zunächst meine Überzeugung zum Ausdruck bringen, daß ich absolut davon überzeugt bin, daß es möglich ist, die Zivilisation zu retten, und die wunderbaren Optionen und Alternativen, die hier der Gegenstand unserer Diskussionen sein werden, zu realisieren. Wenn wir unsere Arbeit richtig erledigen – und das wird offensichtlich nicht nur von uns abhängen, aber meiner Meinung wird unsere Intervention nach den Ausschlag geben, ob der Menschheit die Selbstvernichtung oder eine neue Ära der Zivilisation bevorsteht -, dann kann die Welt schon sehr bald eine ganz andere sein.

Ich denke, es ist wichtig, von der Vision auszugehen, wohin wir gelangen wollen. Denn es kann ganz andere Beziehungen zwischen den Nationen geben, wo nicht geopolitische Konfrontationen im Mittelpunkt stehen, nicht die vermeintlichen engen, nationalen Interessen im Widerspruch zu den nationalen Interessen anderer Länder, sondern wo wir uns auf die gemeinsamen Ziele der Menschheit einigen. Wir können eine neue Weltwirtschaftsordnung haben, die allen Nationen dieses Planeten Gerechtigkeit verschafft, zusammen mit einer klassischen Renaissance der Kultur, die meiner Meinung nach genauso dringend ist, wenn man sich die derzeitige Degeneration der westlichen Kultur anschaut.

Aber das kann nur realisiert werden, wenn es uns gelingt, die Aufgabe zu erfüllen, die wir uns schon vor einiger Zeit vorgenommen haben, nämlich, die europäischen Nationen und die Vereinigten Staaten in eine Zusammenarbeit mit den BRICS-Nationen und Präsident Xi Jingpings „Win-win-Politik“ [eine Politik, bei der alle Seiten gewinnen] zu führen.

 

Nun, dies (Abbildung 1) ist das Programm: ein Bauplan für die kommenden 50 Jahre – wenn man sich das Tempo der Entwicklung in China betrachtet, vielleicht sogar nur 20 Jahre, aber es könnte auch für die kommenden 100 Jahre sein.

Dies ist wirklich der Schlüssel. Dieses Programm für den Bau einer Weltlandbrücke, die alle Nationen auf dem Planeten in einer gemeinsamen Entwicklungsstrategie vereint, ist tatsächlich der Weg, wie man alle Probleme überwinden kann: die Kriegsgefahr, weil es wirklich eine Friedensstrategie für das 21. Jahrhundert ist, die Unterentwicklung und den Hunger von Milliarden Menschen, weil es für Entwicklung und Produktion für alle sorgen würde. Es würde helfen, den Drogenhandel zu beseitigen, und es würde vor allem Hoffnung auf die Zukunft geben und damit die Dekadenz des Geistes überwinden.

Capture du 2015-06-16 035017

Abb. 1: Die im Auftrag von Helga Zepp-LaRouche erstellte 370seitige Studie „Die Neue Seidenstraße wird zur Weltlandbrücke“. (EIR)

 

Aber diese Wende muß sehr, sehr plötzlich kommen, denn sie ist sehr dringend.

Wenn man sich das Ergebnis des jüngsten G-7-Gipfels betrachtet, dann ist die Lage leider die, daß Bundeskanzlerin Merkel auf Druck von Obama, Cameron und Kanada Präsident Putin zum zweiten Mal ausgeschlossen hat, und dadurch bot Merkel das Forum für Obamas äußerst provokante Angriffe [auf Putin] am Ende des Gipfels.

Nun, angesichts der Tatsache, daß die G-7 nur 10% der Weltbevölkerung ausmachen, finde ich es ziemlich anmaßend, daß sie beschlossen haben, bis zum Jahr 2100 eine sogenannte Dekarbonisierung der Weltwirtschaft durchzuführen. Wer ermächtigt 10% der Weltbevölkerung, für die kommenden 90 Jahre das Programm für die Menschheit zu beschließen?

Falls sich die Geschichte überhaupt an sie erinnern wird, wird Frau Merkel wahrscheinlich mit ihrem berüchtigten Ausstieg aus der Kernenergie und dem kompletten Umstieg auf erneuerbare Energiequellen in die Geschichte eingehen. Die Dekarbonisierung würde bedeuten, daß wir nur noch Sonnenenergie und Wind haben, keine fossilen Energieträger mehr, und da sie auch gegen die Kernkraft ist, würde das praktisch bedeuten, was Herr Schellnhuber fordert, der den WBGU in Deutschland leitet, ein Beratergremium [der Bundesregierung], der aber auch ein „CBE“ ist, ein Commander of the British Empire: Er hat ein Programm für die Transformation der Weltwirtschaft entworfen, das die Weltwirtschaft dekarbonisieren würde. Und wenn man erkennt, daß es einen direkten Zusammenhang gibt zwischen der Energieflußdichte im Produktionsprozeß und der Zahl der Menschen, die mit dieser Energieflußdichte versorgt werden können, dann muß man zu dem Schluß gelangen, daß die Zahl der Menschen, die damit erhalten werden können, bei etwa einer Milliarde Menschen liegt.

 

Dann war da das sehr ominöse Treffen zwischen Präsident Obama und Sir David Attenborough. Auf diesem Foto (Abbildung 2) sehen wir Sir David Attenborough, einen wichtigen Berater der britischen Krone in Umwelt- und Energiefragen. Er wurde von Obama kurz vor dem G-7-Gipfel eingeflogen, und es wurde zwar nicht publik gemacht, was sie besprochen haben, aber wir wissen, was Attenborough in der Vergangenheit gesagt hat – nämlich, daß die Menschheit eine Pestilenz sei, daß sie massiv, mindestens um die Hälfte reduziert werden sollte. Man kann von daher annehmen, daß das, was von Obamas Seite in den Gipfel hineingetragen wurde, die britischen Ratschläge waren, wie man die Weltbevölkerung reduzieren kann.

Capture du 2015-06-16 035019

Abb. 2: Sir David Attenborough (EPA)

Nun, zum Glück gibt es drei wichtige deutsche Persönlichkeiten, die kurz vor dem G-7-Gipfel forderten, daß Präsident Putin eingeladen werden sollte. Das waren – sehr wichtig – der derzeitige Außenminister Frank-Walter Steinmeier und die früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder und Helmut Schmidt. Und Helmut Schmidt sagte, nicht nur Rußland sollte eingeladen werden, sondern auch China und Indien. Und Schmidt, der 95 Jahre alt ist – es scheint, daß es die Eigenart alter Leute ist, daß sie mehr Mut haben, die Wahrheit zu sagen, als viele Jüngere -, hat schon oft vor einem Dritten Weltkrieg gewarnt.

Man kann also sicher sein, daß diese Leute – und in diesem Sinne befindet sich Steinmeier wirklich auf einer ganz anderen Linie als Merkel – die Warnungen kennen, die in jüngster Zeit von Militärexperten kamen. Denn wir sind heute in einer Lage, die gefährlicher ist als auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges. Und der Höhepunkt des Kalten Krieges war die Kubakrise.

Nun, während der Kubakrise gab es, trotz extrem feindseliger Beziehungen, eine Kommunikation zwischen Präsident Kennedy und Chruschtschow, und es gelang ihnen, den Konflikt in letzter Minute zu entschärfen. Aber das ist zwischen Präsident Obama und Präsident Putin nicht der Fall. Viele Militärexperten haben darauf hingewiesen, daß die größte Gefahr oder eine der größten Gefahren insbesondere darin liegt, daß es keine Kommunikation zwischen den Vereinigten Staaten und Rußland gibt.

Wie kamen wir in diese Krise?

Sie wurde seit langem vorbereitet, das begann faktisch 1997 mit der Entscheidung der Neokonservativen, die Pläne des PNAC, des Projekts für ein neues Amerikanisches Jahrhundert zu verfolgen. Das war die Idee, insbesondere nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zwischen 1989 und 1991, daß es kein Land geben sollte, das nicht Teil des Imperiums ist, das von den Anglo-Amerikanern auf der Grundlage der Sonderbeziehung zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten geleitet wird. Und es wird ausdrücklich das Ziel genannt, eine globale Vorherrschaft der USA aufrechtzuerhalten und das Aufkommen einer Macht oder einer Gruppe von Nationen, die die Macht der Vereinigten Staaten in Frage stellt, zu verhindern. Und das ist die geltende Vorstellung, das wurde nur in der Ära Clinton kurz und teilweise unterbrochen, aber es wurde von Bush senior, den beiden Regierungen Bush junior und nun seit sechseinhalb Jahren von Obama umgesetzt.

Diese Politik bedeutete, daß man gleich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion mit den systematischen Regimewechseln begann, durch eine ganze Reihe von Maßnahmen – Farben-Revolutionen, bezahlte NGOs mit dem Ziel, demokratisch gewählte Regierungen zu stürzen, durch Sanktionen. Wir sehen das im Falle Rußlands, wo es das einzige Ziel der Sanktionen ist, einen solchen Aufruhr in Rußland herbeizuführen, daß man ein Maidan-Phänomen in Moskau organisieren und Putin loswerden kann.

Das schloß ein, daß die NATO und die EU bis an die Grenzen Rußlands vorrückten, obwohl nach Aussage von John Matlock, der US-Botschafters in Moskau während des Zusammenbruchs der Sowjetunion war, versprochen worden war, daß es dazu niemals kommen würde. Diese Zusagen wurden nicht eingehalten, und das bedeutet, daß Truppen und Militärgerät bis an die russischen Grenzen vorverlegt wurden.

Und nun gibt es seit ein paar Tagen extrem fadenscheinige Vorwürfe, Rußland habe den INF-Vertrag verletzt. Das könnte mit einem angeblichen Teststart einer seegestützten Lenkrakete von einer landgestützten Startanlage zusammenhängen, was, falls so etwas oder etwas ähnliches tatsächlich geschehen sein sollte, ein extrem geringfügige technische Frage wäre. Aber wie ich schon sagte, nicht einmal das ist bewiesen. Die russische Seite hat sehr klar darauf bestanden, daß es keine Beweise dafür gibt, und der stellvertretende Verteidigungsminister Antonow sagte, die USA würden diese Behauptungen gegen Rußland aufbauschen, um ihre eigenen militärischen Pläne zu rechtfertigen, nämlich, die amerikanischen Kurz- und Mittelstreckenraketen wieder nach Europa und in andere Regionen zu verlegen.

Als Obama ins Amt kam, hatte er versprochen, die Kernwaffen zu reduzieren und letztendlich abzuschaffen. Aber jetzt Kernwaffen wieder nach Großbritannien zu verlegen, was dieses in Person von Cameron bereits akzeptiert hat, und an andere Orte, ist wirklich ein Schritt in Richtung Nuklearkrieg. Und einige Leute glauben, das solle ein Nuklearkrieg in Europa sein, aber es liegt in der Logik des Nuklearkrieges, daß er nicht nur Europa treffen würde. Es wäre ein allgemeiner, globaler thermonuklearer Krieg, den niemand überleben würde.

General Iwaschow, der jetzt die Akademie für Geopolitik leitet, nannte es eine umgekehrte Kubakrise. Und es ist die Umsetzung der Cheney-Wolfowitz-Doktrin einer unipolaren Welt.

Nun hat die Regierung Obama erstmals zugegeben, daß sie über die Option nachdenkt, aus dem INF-Vertrag auszusteigen und Counterforce-IRBM (Mittelstreckenraketen) nach Europa zu verlegen, oder sogar „ausgleichende“ Kapazitäten mit der Möglichkeit eines präventiven Nuklearangriffs gegen Ziele in Rußland.

Auch die Transformation der Militärdoktrin in letzter Zeit – der „Prompt Global Strike“, die amerikanischen Raketenabwehrsysteme – sind faktisch Erstschlagsdoktrinen. Und wenn Sie sich an das erinnern, was Präsident Putin sagte, als er um Weihnachten die Anpassung der russischen Militärdoktrin verkündete: Da sagte er, es könnte der Punkt erreicht werden, an dem sich Rußland gezwungen sieht, Kernwaffen einzusetzen, um diese Gefahr abzuwenden. Das sollte Ihnen zeigen, warum wir wirklich in tödlicher Gefahr schweben und unbedingt handeln müssen.

Auf der Internetseite der NATO sind derzeit 71 Manöver und Ereignisse zwischen April und November aufgezählt, alle dicht an der russischen Grenze, im Baltikum, in der Ostsee und im Schwarzen Meer, und Poroschenko hat soeben angekündigt, daß er jegliche militärische Zusammenarbeit mit Rußland beendet, was die Versorgung der russischen Truppen in Transnistrien in Moldawien blockiert. Damit könnten sich die Ereignisse von Georgien 2008 wiederholen, aber es könnte auch als Vorwand für Aktionen gegen Rußland dienen.

Rußland intensiviert seine strategischen Beziehungen zu China und Indien, und Rußland und China üben in einem Manöver namens Joint Sea 2015 im Fernen Osten gemeinsam mit Luft- und Seelandungstruppen.

Angesichts der Tatsache, daß der Vorwand für alle diese Eskalationen gegen Rußland die Lage in der Ukraine ist – angeblich die Frage der Krim -, sollte unbedingt darauf hingewiesen werden, was diese Ereignisse ausgelöst hat, nämlich einerseits der faschistische Putsch [in Kiew] vom 18.-22. Februar 2014 und vorher die Versuche, die Ukraine durch das Assoziationsabkommen in die EU zu ziehen. Und Helmut Schmidt sagt, was ich vollkommen unterstütze, daß die eigentliche Ukraine-Krise schon viel früher begann, mit dem Maastricht-Vertrag, denn damit begann eigentlich diese Idee der Osterweiterung der EU.

Das Geschehen beim G-7-Treffen kann man nur als ein selbstmörderisches Delirium von Seiten Deutschlands, Frankreichs, Italiens und anderer Nationen bezeichnen. Die einzige Chance ist es, die Opposition von Steinmeier, Schmidt und Schröder zu eskalieren. Merkel sollte meiner Meinung nach abgelöst werden, weil sie gegen ihren Amtseid verstößt – Schaden vom deutschen Volk abzuhalten -, und wegen ihres skandalösen Verhaltens in der NSA-BND-Affäre, die die Rechte der gesamten deutschen Bevölkerung verletzt – und nicht nur der deutschen Bevölkerung, da ja, wie Sie wissen, in Zusammenarbeit von BND und NSA auch Frankreich, Belgien, Österreich und sogar die deutsche Industrie ausgespäht wurden. Und sie weiß offensichtlich nicht, daß die deutsche Wirtschaft ohne die Kooperation mit Rußland und den BRICS nicht funktionieren kann.

Nun, Rußland ist Teil von Europa, und die Sanktionen, die eingeführt wurden, um Rußland zu schaden, sind wirklich extrem dumm. Denn sie schaden nicht nur Rußland, das natürlich auch darunter leidet, sondern beispielsweise sind die deutschen Maschinenbauexporte nach Rußland im ersten Quartal dieses Jahres um 28% zurückgegangen, und die deutsche Industrie ist extrem wütend darüber, daß im selben Zeitraum die US-Exporte nach Rußland um 17% gewachsen sind.

Es gibt in Europa derzeit nicht bloß eine Stagnation der Wirtschaft, sondern momentan gibt es nichts, um Europa vor dem Auseinanderbrechen zu schützen – insbesondere angesichts der drohenden Explosion der Lage in Griechenland, die sich offensichtlich zuspitzt. Merkel sollte also entweder zum Rücktritt gezwungen oder an die Leine genommen werden, durch Kräfte in Deutschland aus Industrie, Militär und einem größeren Teil der SPD, für die diese drei Persönlichkeiten stehen.

Aber wir sollten uns auch darüber im klaren sein, daß es, solange die Vereinigten Staaten dieser geopolitischen Idee folgen, die schon viel weiter zurückreicht, vielleicht schon hundert Jahre, darum geht, eine Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Rußland zu verhindern. Und ich denke, und das ist nicht bloß die Aufgabe Deutschlands, sondern ganz Europas, wir müssen sicherzustellen, daß die Sanktionen sofort beendet werden. Und das ist sehr einfach. Alles was wir sagen müssen, ist: nehmt den Handel mit Rußland wieder auf, und das wäre der erste Schritt zurück zur Normalität.

Aber die Erklärungen zur Dekarbonisierung und zum Wirtschaftskrieg gegen Rußland sind nicht die einzigen schrecklichen Übel, die beim G-7-Gipfel vereinbart wurden. Sie beschlossen eine harte Linie gegenüber Griechenland, eine Austeritätspolitik ausschließlich zugunsten der „Too-big-to-Fail“-Banken [Großbanken, die „zu groß zum scheitern“ sind] – und man sollte dabei erwähnen, daß 97% der sogenannten Rettungspakete tatsächlich an die Banken flossen. Und was Griechenland aufgezwungen wird, ist eine Art von Schuldenkerker oder Schuldenkorsett in der Tradition von Versailles und Brüning.

Jean Ziegler, ein prominenter schweizerischer Aktivist und UN-Vertreter, sagte, daß die modernen Sklavenhalter heute in den oberen Etagen der Banken und multinationalen Konzerne sitzen. Und er bezeichnete das gegenwärtige System der Globalisierung als „kannibalistisch“, was vollkommen richtig ist.

Die üblichen Eurozentristen werden sagen: „Ach, der Herr Ziegler ist zu radikal.“ Aber wenn man darüber nachdenkt – ist es nicht wahr? Was ist der Unterschied zwischen den Schiffen der Sklavenhalter und der Plantagenbesitzer der Konföderierten Staaten von Amerika, wo Tausende von Menschen ertranken oder an Hunger und Durst starben, und der Flüchtlingskrise im Mittelmeer, wo fast jede Woche Tausende von Menschen ihr Leben und das ihrer Kinder riskieren und eine 50prozentige Chance haben, daß sie nicht durchkommen, wenn sie vor dem Krieg im Nahen Osten, dem Hunger und den Epidemien in Afrika und dem Terrorismus fliehen?

Die EU-Politik gegenüber den Flüchtlingen spiegelt meiner Meinung nach den völligen moralischen Bankrott der Institutionen wider. Denn sie dienen nur dem Interesse der Großbanken und des Weltwährungsfonds, die von Interessen gesteuert werden, die praktisch den gesamten Entwicklungssektor in eine riesige Plantage verwandelt haben. Denken Sie an den Landraub, die Spekulationen mit der Wasserknappheit, bei denen Wasserprojekte blockiert werden, zu dem Zweck, die Wasserpreise hochzuhalten und mit in Flaschen abgefülltem Wasser zu spekulieren und die Nahrungsmittelkette zu beherrschen. Jean Ziegler hat gesagt, jedes Kind, das verhungert, wird ermordet. Und ich stimme dem zu, denn es wäre so leicht, das zu ändern. Man bräuchte nicht mehr als ein halbes Jahr, um das zu beenden.

Vor einigen Tagen sah ich im Flugzeug den Film „12 Jahre lang Sklave“, ein bemerkenswerter Film. Ich ermutige normalerweise nicht dazu, Filme anzuschauen, aber dieser ist sehr empfehlenswert, weil er die Mentalität der Sklavenhalter erfaßt, die noch heute in den probritischen Strömungen in den USA sehr lebendig ist.

Hinter dieser unipolaren Weltanschauung steht in Wirklichkeit die Mentalität der Sklavenhalter und der Sklaventreiber in moderner Form. Sicher, die Vorstandschefs der Großbanken und die EU-Bürokraten haben wahrscheinlich nicht diese perverse Lust, die in diesem Film dargestellt ist, wo der Sadismus und die absolut widerliche Mentalität an die Grenzen dessen gehen, wozu Menschen überhaupt fähig sind. Aber trotzdem sind sie die Vordenker und Schreibtischtäter: Sie spekulieren mit CO2-Zertifikaten, und die Konsequenzen ihrer Politik könnten ihnen nicht gleichgültiger sein. Solange sie ihre Profite machen, ist es ihnen ganz egal, was in der Folge mit den Menschen geschieht.

Nun nochmals zu Attenborough, der sagte, wir Menschen seien eine Pestilenz der Erde und wir müßten die Explosion der Zahl der Menschen eindämmen. Er ist verbunden mit dem sogenannten Optimum Population Trust/Population Matters, der fordert, die Zahl der Menschen bis zum Ende des Jahrhunderts auf die Hälfte zu reduzieren – das wären 3,5 Milliarden. Er denkt also wahrscheinlich gerade darüber nach, wer von den anderen Personen beseitigt werden sollte. Man muß das ganz persönlich nehmen!

Friedrich Schiller hat in seiner wunderschönen Schrift Die Gesetzgebung des Lykurgus und Solon Sparta als das oligarchische Modell dargestellt, und er sagt darin, daß im oligarchischen Modell Heloten beseitigt werden können. Man darf sie töten, wenn es zu viele von ihnen gibt.

Bertrand Russell schreibt in seinem Buch The Impact of Science on Society (1952, dt.: „Wissenschaft wandelt das Leben“):

„Demgegenüber läßt sich einwenden, daß schlechte Zeiten keine Dauer-, sondern Ausnahmezustände sind und man ihnen auch mit außergewöhnlichen Mitteln zu begegnen hat. Während der Flitterwochen der Industrialisierung war dies Verfahren mehr oder weniger richtig; wenn sich aber die Bevölkerungszunahme nicht mehr erheblich verlangsamen läßt, dann verliert dieser Einwand an Bedeutung. Gegenwärtig vermehrt sich die Weltbevölkerung täglich um 58.000 Menschen. Die Kriege haben bis heute keinen wesentlichen Einfluß darauf gehabt, denn die Zunahme hielt während beider Weltkriege unvermindert an… Der Krieg hat sich bisher, wie bemerkt, als enttäuschender Versager erwiesen, aber vielleicht ist der bakteriologische Krieg wirkungsvoller. Würde man in jeder Generation einmal den Schwarzen Tod über die Welt schicken, dann dürften die Überlebenden fröhlich weiterzeugen, ohne die Welt allzu eng zu machen… Es würden sich zwar etwas unangenehme Zustände entwickeln, aber was macht das schon? Die in Wahrheit hochherzigen Leute sind gegen das Glück immun, vor allem, wenn es das Glück anderer ist.“

In seiner Schrift Prospects of Industrial Civilization (1923, dt.: „Die Kultur des Industrialismus und ihre Zukunft“) schreibt Russell:

„Die weiße Bevölkerung der Welt wird schon bald aufhören, zu wachsen. Bei den asiatischen Rassen wird es lange und bei den Negern noch länger dauern, bis ihre Geburtenziffer genügend sinkt, damit die Bevölkerungszahl auch ohne die Hilfe von Seuchen und Krieg sich gleich bleibt… Bis das geschieht, können die Wohltaten, die der Sozialismus erreichen will, nur teilweise realisiert werden, und die weniger fruchtbaren Rassen müssen sich gegen die fruchtbareren mit Methoden verteidigen, die zwar abscheulich, aber notwendig sind.“

Mit dieser Geisteshaltung erscheint ein „netter kleiner Krieg“, wie es die Briten früher nannten, als das gerade richtige Mittel, sogar ein Nuklearkrieg: vielleicht „abscheulich, aber notwendig“.

Die Alternative

Aber zum Glück gibt es eine Alternative. Denn seit etwa zwei Jahren, als Präsident Xi Jinping die Neue Seidenstraße und die Maritime Seidenstraße ankündigte, und vor allem seit dem Fortaleza-Gipfel im Juli 2014 gibt es ein völlig anderes Wirtschaftssystem. Die BRICS haben untereinander eine enorme Zahl von Abkommen geschlossen – die Bereiche der Zusammenarbeit umfassen Infrastruktur, Wissenschaft und Technologie, Kernenergie, die Erschließung des Weltraums – im Umfang von mehreren Billionen Euros, Dollars usw.

Aus der Sicht der europäischen Gewohnheiten der letzten Jahre haben diese Länder das mit unglaublicher Geschwindigkeit getan, und andere Organisationen haben sich um die BRICS gesammelt. Ganz Lateinamerika, der größte Teil der ASEAN, Teile Afrikas und sogar Europas. Mit chinesischer Hilfe wird ein zweiter Panamakanal in Nikaragua gebaut. Die Chinesen planen den Bau einer transkontinentalen Eisenbahn von Brasilien nach Peru, das wurde beim jüngsten Besuch von Premierminister Li Keqiang in Lateinamerika vereinbart. Und sie bauen auch vier Tunnel zwischen Chile und Argentinien, alles mit direkten chinesischen Investitionen.

Aber darüber hinaus haben sie auch ein völlig neues, paralleles Finanzsystem geschaffen: die Neue Entwicklungsbank mit einem Startkapital von 100 Mrd.$; das Notfall-Reserve-Arrangement, das ist ein Pool, um die teilnehmenden Länder gegen Spekulationen zu verteidigen; die Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB), bei der sich, ganz im Gegensatz zu den Wünschen der Regierung Obama, 58 Nationen drängelten, um Gründungsmitglieder zu werden, darunter Frankreich, Deutschland, Italien, Skandinavien. Die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit hat eine neue Bank, ebenso die südasiatische Organisation SAARC. Es gibt den Neuen Seidenstraßen Entwicklungsfonds und einen Fonds für die Maritime Seidenstraße. Und sie alle haben den ausdrücklichen Zweck, das Vakuum zu füllen, das der Weltwährungsfonds und die Weltbank hinterlassen haben, die nur 60 Mrd.$ pro Jahr für Infrastruktur-Investitionen ausgeben, und deshalb gehen diese Banken jetzt daran, in gewaltige Infrastruktur-Aufbauprogramme überall im Entwicklungssektor zu investieren.

Der Hauptimpuls hierfür kam offensichtlich vom chinesischen Präsidenten Xi Jinping, aber es gibt auch eine äußerst enge Zusammenarbeit zwischen Rußland und China. Die Neue Seidenstraße und die Strategie „Ein Gürtel, eine Straße“ wurden in jüngster Zeit ganz mit der von Rußland geführten Eurasischen Union abgestimmt.

Es gibt auch eine enge strategische Zusammenarbeit zwischen Rußland und Indien, und bei Präsident Putins jüngstem Indienbesuch sagte Ministerpräsident Modi, Indien und Rußland seien schon in der Vergangenheit in der stärksten strategischen Sicherheitspartnerschaft vereint gewesen, und so werde es auch auf absehbare Zeit bleiben. Auch zwischen Indien und China wurde die strategische Partnerschaft gestärkt, und die territorialen und anderen Konflikte wurden auf Eis gelegt. Beim Besuch Li Keqiangs in Brasilien vor einigen Wochen gelang es ihm, einen strategischen Angriff der Wall Street auf Brasilien abzuwehren und die Destabilisierungsversuche gegen Präsidentin Dilma Rousseff zu stoppen.

Es bildet sich also ein ganz anderes Modell der Beziehungen zwischen den Nationen aus, auf der Grundlage anderer Prinzipien – nicht ganz neuer, denn es waren früher die Prinzipien der Vereinten Nationen, bevor sich die imperiale Politik durchsetzte -, wie Nichteinmischung, Respekt vor anderen Gesellschaftsmodellen, gemeinsamer wirtschaftlicher Nutzen, eine Win-win-Politik.

Offensichtlich hat dieses neue Wirtschaftsmodell eine enorme Anziehungskraft, und das hat zu einem Ausbruch des Optimismus geführt. Projekte, die seit vielen Jahren in den Schubladen lagen, wurden nun herausgenommen und werden realisiert.

Das chinesische Wirtschaftswunder ist ansteckend geworden. China hat sich seit den Reformen Deng Xiaopings und besonders in den letzten 30 Jahren in atemberaubendem Tempo entwickelt und konnte erreichen, wofür die industrialisierten Länder 150 oder 200 Jahre brauchten. Entgegen der Darstellung in den westlichen Medien hat China die beste Menschenrechtsbilanz der Welt, denn es wurden 800 Millionen Menschen aus bitterer Armut herausgeholt in einen sehr anständigen Lebensstandard. Und was ist eine größere Menschenrechtsverletzung als Armut?

Mit der Neuen Seidenstraße will China auch die noch nicht entwickelten Teile seines Binnenlandes entwickeln und den Lebensstandard der ländlichen Bevölkerung anheben. Die Chinesen haben angekündigt, daß sie das BIP von 2010 bis 2020 verdoppeln wollen. Das ist ein bemerkenswertes Ziel, und wenn man betrachtet, was in den letzten 30 Jahren geschehen ist, dann es ist auch glaubwürdig.

 

Für uns im Schiller-Institut ist die Neue Seidenstraße die Verwirklichung einer Vision, die wir vor 25 Jahren zum erstenmal entwickelt haben. Zur Zeit des Mauerfalls schlugen wir vor, die Region zwischen Paris, Berlin und Wien zum sogenannten Produktiven Dreieck zu vereinigen, denn es gab die Mauer nicht mehr. Und als die Sowjetunion 1991 zusammenbrach, erweiterten wir das Produktive Dreieck zur „Eurasischen Landbrücke“ (Abbildung 3). Das war die Idee, die Industrie- und Bevölkerungszentren Europas mit denen in Asien durch sogenannte Infrastruktur-Entwicklungskorridore zu verbinden.

Capture du 2015-06-16 035024

Abb. 3: Produktives Dreieck, Eurasische Landbrücke (EIR)

Aber es war nicht bloß als ein Wirtschaftsprogramm, sondern ausdrücklich als eine Friedensordnung für das 21. Jahrhundert gedacht. Die Idee der Eurasischen Landbrücke war es, eine höhere Ordnung der Vernunft zu schaffen, in der die historischen Konflikte, die ethnischen Spannungen, die Wunden aus den Kämpfen der Vergangenheit überwunden werden, weil es zum gegenseitigen Vorteil für alle ist, sich an diesem Programm zu beteiligen. Es war wirklich, auch wenn wir es noch nicht so nannten, eine „Win-win-Politik“.

Bekanntlich wurde das damals nicht verwirklicht, und zwar aus den Gründen, die ich gerade genannt habe: das Projekt für ein Neues Amerikanisches Jahrhundert, der Vorstoß von Bush senior, Margaret Thatcher und Mitterrand zur Zeit der deutschen Wiedervereinigung, Deutschland zur Aufgabe der D-Mark zugunsten des Euro zu zwingen, und der Maastricht-Vertrag. Bis 1989 war es das „bestgehütete Geheimnis“ der NATO, daß Deutschland ein besetztes Land bleiben sollte, und der Maastricht-Vertrag sollte sicherstellen, daß Deutschland ein besetztes Land blieb, indem man es in die Zwangsjacke des Stabilitätspaktes und der Schuldenbremse steckte. Uns war klar, daß der Euro nicht funktionieren konnte, weil er gar nicht als Wirtschaftsprogramm, sondern als geopolitischer Angriff auf Deutschland konzipiert war.

Im Lauf der Zeit haben wir Hunderte von Konferenzen und Seminaren auf allen fünf Kontinenten veranstaltet, und 1996 wurde dieses Programm bei einer Konferenz in Beijing über die Eurasische Landbrücke faktisch von der chinesischen Regierung als die strategische Perspektive für das Jahr 2010 auf die Tagesordnung gesetzt. Aber das wurde natürlich durch die Asienkrise 1997 und den russischen Staatsbankrott 1998 unterbrochen.

So waren wir hocherfreut, aber nicht wirklich überrascht, als Xi Jinping die Neue Seidenstraße ankündigte.

Etwa zwei Jahre lang wurde die Tatsache, daß ein paralleles Wirtschaftsystem entsteht, von den etablierten Medien völlig ignoriert, oder sie verleumdeten es, indem sie Putin oder Xi Jinping schlechtmachten. Aber in den letzten vier Wochen gab es eine Flut von Artikeln. Time Magazine (Abbildung 4a): „Neue Seidenstraße könnte die globale Wirtschaftsordnung für immer verändern“, „Große Infrastrukturprojekte in der Geschichte – im großen Spiel geht es um die Kontrolle über Eurasien. Es könnte zu einem neuen Kalten Krieg führen. Das Ergebnis ist unsicher.“ Das hier ist Deutschlandfunk (Abbildung 4b).

In den meisten dieser Artikel heißt es nun plötzlich: „Es gibt ein ganz neues System, aber es geht immer noch um Geopolitik.“ Sie verstehen nicht, daß das ausdrücklich ein Weg ist, um die Geopolitik zu überwinden, indem alle auf der ganzen Welt eingeladen sind, sich an dieser neuen Weltordnung zu beteiligen.

Es heißt da auch, China müsse irgendeinen geheimen Plan verfolgen, China wolle die Welt übernehmen, den amerikanischen Imperialismus durch einen chinesischen Imperialismus ersetzen. Es ist offensichtlich, daß es den Journalisten und Politikern der transatlantischen Region extrem schwer fällt, sich vorzustellen, daß es eine Regierung geben kann, die sich dem Gemeinwohl verpflichtet, weil es [hier] solche Regierungen schon so lange nicht mehr gegeben hat, daß das kaum mehr als eine dunkle Erinnerung ist. Und das erinnert mich an Hegels Wort, der schreibt, eine geschichtliche Persönlichkeit hat einen Kammerdiener, aber dieser Diener, der diesen Helden sozusagen immer in der Unterwäsche sieht, kann sich nicht vorstellen, daß es eine historische Persönlichkeit ist. Das liegt aber nicht an der geschichtlichen Persönlichkeit, sondern daran, daß der Kammerdiener eben ein Kammerdiener ist.

Capture du 2015-06-16 035028

Capture du 2015-06-16 035031

Abb. 4a, b: In den letzten Wochen gab es plötzlich eine Flut von Berichten über die Veränderung der globalen Ordnung durch Chinas Initiativen der Neuen Seidenstraße, wie etwa in Time Magazine und im Deutschlandfunk.

Konfuzius und Cusa

Der Schlüssel zum Verständnis der wahren Motive Chinas ist Konfuzius.

Zusammen mit Menzius prägt Konfuzius seit 2500 Jahren die chinesische Philosophie, die chinesische Staatsphilosophie. Und in seinem Menschenbild ist der Mensch von Natur aus gut. Die Schlüsselbegriffe in der chinesischen Philosophie sind das „Ren“, das entspricht der Idee der Agape, der Liebe, der Nächstenliebe in der christlichen Tradition, und die Idee des „Li“, das bedeutet soviel wie „Prinzip“, und das ist die Idee, daß man, wenn sich jeder Mensch und alle Dinge in der bestmöglichen Art und Weise entwickeln, die größte Harmonie in der Gesellschaft erhält. Und das entspricht der Idee des Nikolaus von Kues, daß man Konkordanz erhält, wenn sich der Mikrokosmos in der besten Art und Weise entwickelt, oder Leibniz’ Idee der Monade: daß Harmonie entsteht, wenn jeder sein volles Potential entwickelt.

Diese Idee der Harmonie ist ganz zentral für die konfuzianische Philosophie. Sie ist keine ästhetische Beziehung, sondern eine kontrapunktische Entwicklung der gegenseitigen Weiterentwicklung: Wenn sich alle Mikrokosmen optimal entwickeln, dann folgt daraus Harmonie im Makrokosmos.

Es gibt auch die Idee, daß es so etwas gibt wie das „Mandat des Himmels“, daß eine Harmonie zwischen Mensch und Natur bestehen muß. Dies stammt ursprünglich aus der Vorstellung vom „göttlichen Willen“ in der westlichen Zhou-Dynastie (1046-771 v.Chr.), die besagt, daß es eine Harmonie zwischen dem Himmel und dem Menschen geben muß und daß sie eng miteinander verbunden sind.

Diese Idee existiert übrigens in allen großen Religionen und Philosophien: Es gibt die gleiche Vorstellung in der Philosophie der Kosmologie in Indien, die aus der Hindu-Tradition stammt. Es gibt sie in Form des Naturrechts in der europäischen Tradition. Und da müssen wir wirklich als Menschheit hinkommen, um das gegenwärtige Denken zu überwinden.

„Harmonie ohne Uniformität“ ist das, was Konfuzius in seinen Gesprächen beschreibt – „Einheit in der Vielheit“ lautet diese Idee bei Nikolaus von Kues. In seinem Buch der Riten, dem Vorwort zu den Großen Lehren des Konfuzius, die ihm zugeschrieben werden, sagt er:

„Die Alten mußten, in dem Wunsch, daß alle Menschen unter dem Himmel ihre angeborene leuchtende Tugend ungetrübt erhalten, zunächst das Volk gut regieren; in dem Wunsch, das Volk gut zu regieren, sorgten sie zunächst für Harmonie in den Familien; in dem Wunsch, Harmonie in den Familien zu schaffen, kultivierten sie zunächst sich selbst; in dem Wunsch, sich selbst zu kultivieren, mußten sie zunächst ihren Geist auf das Rechte lenken; in dem Wunsch, ihren Geist auf das Rechte zu lenken, erweiterten sie zunächst ihr Wissen bis zum Äußersten. Die Erweiterung des Wissens bis zum Äußersten liegt in dem vollen Verständnis des Prinzips der Dinge.“

Eine Harmonie in der Gesellschaft und zwischen den Völkern zu schaffen, beruht also auf dem Verständnis des Prinzips der Dinge. Das ist die gleiche Idee wie bei Friedrich Schiller in seinen Ästhetischen Briefen, daß nur die Wissenschaftler und die klassischen Künstler die Wahrheit verstehen.

In China regieren, einer Sammlung von 71 seiner Reden, die er 2013 und 2014 gehalten hat, zeigt Xi Jinping diesen konfuzianischen Geist. Er zitiert ein altes chinesisches Sprichwort: „Lernen ist der Bogen, Kompetenz ist der Pfeil.“ Xi sagt dazu (eigene Übersetzung aus dem Englischen): „Man sollte das Lernen als höchste Priorität betrachten, als eine Verantwortung, als eine moralische Stütze und einen Lebensstil. Man sollte eine Überzeugung entwickeln, daß Träume mit dem Lernen beginnen. Das ist es, was Konfuzius meinte, als er sagte: ,Wenn man sich innerhalb eines Tages erneuern kann, soll man es jeden Tag tun.’ Ja, laßt uns jeden Tag uns erneuern. Das Leben begünstigt niemals diejenigen, die den ausgetretenen Pfaden folgen und zufrieden sind mit dem Status quo, und es wartet niemals auf die Anspruchslosen und diejenigen, die tatenlos herumsitzen und die Früchte der Arbeit anderer genießen.“

Capture du 2015-06-16 035033

Abb. 5: Konfuzius

Das gleiche sagt uns auch Lyndon LaRouche jeden Tag, daß wir heute nicht einfach tun können, was wir schon gestern getan haben, sondern daß wir jeden Tag kreativ und innovativ sein müssen. Xi Jinping zitiert Victor Hugo, der sagte: „Geschaffene Dinge sind unwichtig im Vergleich zu den Dingen, die noch zu schaffen sind.“

China gelang es, über Jahrhunderte, Schritt für Schritt voranzuschreiten, dank der Unermüdlichkeit von Generationen, einer nach der anderen, und dank des nationalen Geistes der ständigen Selbstverbesserung durch harte Arbeit. Die „innovationsbasierte Wirtschaft“ ist das, was China anstrebt, und es realisiert dies bereits, es setzt nicht mehr auf „made in China“, sondern auf „created in China“. Xi Jinping verlangt Durchbrüche in grundlegenden Bereichen der Wissenschaft wie der Struktur der Materie, der Evolution des Universums, dem Ursprung des Lebens und der Natur des Bewußtseins.

Worin liegt dieser neue Weg? Er liegt in der wissenschaftlichen und technischen Innovation, der Beschleunigung des von Innovationen vorangetriebenen Wachstums. China sei stolz darauf, die meisten Wissenschaftler und Ingenieure der Welt zu haben.

Aber am meisten beeindruckt war ich, als ich dieses Zitat Xi Jinpings fand: „Wie ein Frühlingsregen, der lautlos herabrieselt, sollten wir unsere sozialistischen Kernwerte in einer sanften und lebendigen Weise verbreiten, indem wir alle möglichen Formen der Kultur nutzen. Wir sollten die Menschen durch hervorragende literarische Werke und künstlerische Darstellungen informieren: Was ist das Wahre, das Gute und das Schöne? Was ist das Falsche, Üble und Häßliche? Und was sollte gelobt und gefördert werden, und was sollte bekämpft und widerlegt werden?“

Ich wünschte, wir hätten in Europa und den Vereinigten Staaten Politiker, die die Verwirklichung „des Wahren, des Guten und des Schönen“ fordern. Denn die Idee, daß es eine Kohärenz zwischen diesen Dingen – dem Wahren, den Guten und dem Schönen – gibt, das war die Idee der griechischen Klassiker: Daß es eine wißbare Wahrheit gibt, daß der Mensch gut ist, wenn er nach der Wahrheit sucht und, und daß das, was er dann entdeckt, schön ist, und daß der Prozeß der Entdeckung schön ist. Diese Idee des Wahren, Guten, Schönen ist die Essenz der deutschen klassischen Periode, und Friedrich Schiller sagte, die Kunst sei nur dann Kunst, wenn sie schön ist, weil sie sonst die menschliche Seele nicht erhebt.

Nach dieser Definition kann man das meiste, was heutzutage produziert wird, nicht als Kunst bezeichnen, weil es nicht schön ist. Denn die Idee der Schönheit ist eine Idee, die sich von der Vernunft herleitet, und nicht von den Sinneswahrnehmungen. Schiller betont nachdrücklich, daß man Schönheit nicht nach seiner persönlichen Meinung, seinem Geschmack definieren kann, sondern die Schönheit wird durch die ästhetische Erziehung zum Synonym für die glückliche Versöhnung von Vernunft und Sinnlichkeit: Die Schönheit setzt die Dinge in Einklang miteinander.

Für Friedrich Schiller ist das höchste Ideal des Menschen die Schöne Seele, für die Freiheit und Notwendigkeit, Neigung und Pflicht eins sind. Aber auch die Analogie zwischen Schönheit und Freiheit ist ziemlich offensichtlich, weil beide nicht von außen, sondern von innen bestimmt sind. Die größte Idee der Selbstbestimmung ist selbst eine Reflektion gewisser Eigenschaften der Natur, und das bezeichnen wir als „Schönheit“.

Aber Schönheit ist, Schiller zufolge, auch ein notwendiger Zustand der Menschheit. Der Staat ist nur ein Mittel, die Menschheit allein ist das Ziel. Das Ideal des Staates setzt also ein Menschheitsideal voraus, und die Idee der Menschheit beruht auf den Gesetzen der Schönheit.

Schiller schrieb 1789 an seinen Freund Körner: „Was ist das Leben der Menschen, wenn ihr ihm nehmet, was die Kunst ihm gegeben hat? Ein ewiger aufgedeckter Anblick der Zerstörung…, denn wenn man aus unserem Leben herausnimmt, was der Schönheit dient, so bleibt nur das Bedürfnis; und was ist das Bedürfnis anders, als eine Verwahrung vor dem immer drohenden Untergang?“

Damit argumentiert Schiller höchst überzeugend gegen einen Staat, dessen einziger Zweck der Machterhalt ist – was ja der heutige Staat ist! Die Politiker haben kein Interesse an der Schönheit oder der Vervollkommnung der Menschen, sondern nur daran, ihren Job, ihre Position zu behalten. Aber nur wenn die Schönheit zum Lebenszweck der Menschen und der Nationen wird und nicht alles bloß zum Schutz vor dem ständig drohenden Untergang organisiert werden muß, nur dann hat man eine Menschheit.

Sehen wir den Zustand des Westens, insbesondere der Vereinigten Staaten nach dem 11. September (2001), den man ja, wie Sie wissen, vom Standpunkt der schon bald zu veröffentlichenden 28 Seiten betrachten sollte, die aufdecken, wer den Terroranschlag tatsächlich finanziert hat, und der Dokumente des [US-Militärgeheimdienstes] DIA über das, was bei dem Anschlag von Bengasi (2012) tatsächlich geschehen ist: Der Krieg gegen den Terrorismus ist zum Kampf gegen eine Hydra geworden, in dem das Leben ziemlich erbärmlich geworden ist, weil man sich ständig nur noch gegen die Terrorismusgefahr verteidigt.

Deshalb ist das neue Modell der Kooperation der Nationen keine Utopie, sondern eine Zukunftsvision. Und der große Unterschied liegt in dem, was der Denker in der europäischen philosophischen Tradition, der Konfuzius am nächsten kommt, Nikolaus von Kues, als einen epochemachenden neuen philosophischen Ansatz entwickelte, der wirklich das Mittelalter von der Neuzeit trennt: Er sagte, das Prinzip, das Ordnung und Ganzheit hervorbringt, die Idee der Konkordanz, einer universellen Konkordanz im Universum, sei es, daß Harmonie keine ästhetische Frage ist, sondern daß die verschiedenen Mikrokosmen in einer kontrapunktischen Art und Weise sich gegenseitig so weit wie möglich entwickeln müssen, zum Wohl des anderen. Das ist die „Win-win“-Idee, das Prinzip des Westfälischen Friedens.

Warum können einige Menschen diese Vision sehen und an sie glauben, und andere nicht? Das ist ein epistemologisches Problem. Cusa unterscheidet zwischen der Ratio, dem, was Lyndon LaRouche als die „praktischen Menschen“ bezeichnet, und dem Intellekt und der Vernunft. Die Ebene der Ratio, der Verstand, ist die Ebene der aristotelischen Widersprüche dessen, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen. Der Intellekt, die Vernunft, geht über die Ratio hinaus: Der Intellekt liegt in unserem unzerstörbaren Vorwissen, er ist unser Auge, mit dem wir nach der Wahrheit suchen. Wenn wir ihn nicht hätten, könnten wir diese Suche niemals beginnen, und selbst wenn wir etwas fänden, würden wir nicht wissen, ob es das ist, wonach wir gesucht haben. Der Intellekt ist eine intuitive Einsicht, die es uns erlaubt, die Übereinstimmungen und Vorstellungen der kausalen Ursachen, die Zusammenhänge, zu erkennen.

Es ist eine neue Methode des Denkens, die völlig anders ist als die diskursive Art des Denkens. Der praktische, aristotelische Mann ist Nikolaus von Kues zufolge wie ein Pferd, das an den Futtertrog gebunden ist und nur das frißt, was in den Trog getan wird.

Wenn man sich auf der Ebene des Intellekts befindet, dann muß man sich von den vorherrschenden Meinungen befreien, um offen zu sein für neue Denkweisen. Man muß sich vom Trog losreißen. „Man kann ja sowieso nichts machen“, sagen die meisten Europäer, wenn man mit ihnen darüber spricht. Aber das stimmt nicht! Warum sollte Europa bei einer Politik mitmachen, wie der Stationierung amerikanischer Raketen in Europa, durch die Europa nur zum Ziel seiner eigenen Vernichtung wird? Warum sollten wir uns wieder auf der Grundlage von Lügen in einen Krieg hineinziehen lassen? Lügen wie denen in der Ukrainekrise?

Die Wahrheit muß herauskommen. Es reicht nicht, bloß gegen den Krieg zu sein, vielleicht müssen wir es so machen wie Charles de Gaulle 1966, nämlich, uns von der NATO lossagen. Noch wichtiger: Wir müssen diese existierenden Lösungen umsetzen! Wir müssen mobilisieren wie noch nie zuvor in unserem Leben, damit die europäischen Nationen und die Vereinigten Staaten sich der Weltlandbrücke anschließen und eine Friedensordnung des 21. Jahrhunderts schaffen. Wenn diese sich der Neuen Seidenstraße und der Weltlandbrücke anschließen, geht es nicht nur darum, mit den Entwicklungsländern, etwa in Afrika und Lateinamerika, zu kooperieren und sie zu entwickeln, sondern wir müssen auch die Vereinigten Staaten selbst wieder aufbauen! Wir brauchen ein kontinentales Schnellbahnsystem durch die Vereinigten Staaten, denn die Infrastruktur in den Vereinigten Staaten ist vollkommen verfallen. Wir müssen den Wüsten den Krieg erklären, denn Kalifornien, Texas und die anderen Staaten westlich des Mississippi werden durch die Dürre zerstört.

Wir müssen das tun, was Indiens Premierminister Modi sagte: Wir müssen 100 neue „kluge Städte“ bauen – etwas, was wir schon seit vielen Jahren fordern, die „Cusanusstädte“, aber das würde hier zu weit führen. Wir müssen Südeuropa wiederaufbauen, den Nahen Osten, Afrika: Wir müssen den Hunger überwinden, wir müssen eine Welt schaffen, in der alle Menschen leben können. Wir müssen ein neues Paradigma schaffen, das auf den gemeinsamen Zielen der Menschheit beruht. Wir müssen bewußt die nächste Phase der Evolution der menschlichen Gattung einleiten und eine gemeinsame Erforschung des Weltraums vereinbaren. Alle BRICS-Staaten betreiben Raumfahrt, und Europa und die Vereinigten Staaten müssen ihre Bemühungen verstärken, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Wir müssen die Sichtweise der Astronauten, Kosmonauten und Taikonauten einnehmen, die im Weltraum waren. Wenn diese aus dem Weltraum den blauen Planeten herabblicken, dann sagen sie immer: „Wir sehen keine Grenzen.“ Und sie erkennen, wie klein unser Planet ist, in einem sehr großen Sonnensystem, und einer noch größeren Galaxis inmitten von Milliarden von Galaxien.

Und wenn wir in hundert Jahren oder tausend Jahren oder auch in hundert Millionen Jahren in der Zukunft noch existieren wollen, dann müssen wir diese Geophysiker widerlegen, die sagen, die Menschheit sei erst „eine Sekunde vor 12“ aufgetreten und werde schon „eine Sekunde nach 12“ wieder verschwinden. Denn die Menschheit ist die einzige bisher bekannte kreative Gattung.

[Der russische Wissenschaftler] Wladimir Wernadskij sagte, die Noosphäre werde immer mehr die Herrschaft über die Biosphäre gewinnen, weil der kreative Prozeß der Menschheit im Universum immer wichtiger werden werde, und darauf müssen wir uns konzentrieren. Denn in der Zukunft der Menschheit wird es die Regel sein, daß die Menschen Genien sind, daß in der Zukunft jeder Mensch ein Genie werden wird. Aber damit es dazu kommt, ist die Schönheit ein notwendiger Zustand der Menschheit.


„Die Allianz Italien-China für Transaqua“

Franco Persio Bocchetto, Auslands-Direktor, Bonifica S.p.A., Italien


Leonidas Chrysantopoulos: Die globale Krise — Lösungsvorschläge

Die Weltwirtschaft kann nicht aus dem Teufelskreis heraus, in dem sie seit Beginn der Krise von 2008 gefangen ist. Wir erleben weltweit Demonstrationen gegen die Austeritätsmaßnahmen…


Prof. Shi Ze : Betrachtungen über das neue Konzept „Ein Gürtel, eine Straße“

Prof. Shi Ze

Senior Research Fellow und Director für Internationale Strategische Energiestudien des China Institute of International Studies (CIIS), einer Denkfabrik des Außenministeriums, Beijing/China


I.

Bereits als das großartige Konzept von „Ein Gürtel, eine Straße“ vorgestellt wurde, zog die chinesische Führung die Aufmerksamkeit der gesamten internationalen Gemeinschaft auf sich.

Die Mehrheit der internationalen Gemeinschaft reagierte sehr positiv. Aber bestimmte Beobachter sahen in dem Konzept „Ein Gürtel, eine Straße“ die strategische Bedeutung von Chinas Wirtschafts- und Sozialentwicklung und seiner Diplomatie.

Ihnen erschien es, als wenn China die Idee von „Ein Gürtel, eine Straße“ nur in der Perspektive seiner eigenen Entwicklung sehe, und nicht als wichtige Möglichkeit, Wachstum und Entwicklung in alle Regionen der Zone und sogar auf die ganze Welt zu bringen. Aber wer meint, das Projekt „Ein Gürtel, eine Straße“ sei nur für die Entwicklung Chinas gedacht, der verkennt die tiefe Bedeutung seines strategischen Ziels. Viele ausländische Medien interpretierten dieses Konzept als chinesische Version des „Marshallplans“ und als Herausforderung für die internationale Ordnung der USA. Das ist eine noch voreingenommenere Deutung.

Warum also hat China dieses ehrgeizige Konzept „Ein Gürtel, eine Straße“ vorgestellt?

Zuerst möchte ich mit der Analyse beginnen, ausgehend vom Standpunkt einer ausgewogenen Entwicklung, warum Chinas Eintreten für „Ein Gürtel, eine Straße“ dazu führen kann, eine gemeinsame Entwicklung der Länder entlang der Seidenstraße zu ermöglichen.

Wenn man von einer ausgewogenen Entwicklung der Länder entlang der Route ausgeht, lassen sich drei Ebenen unterscheiden:

Erstens, angesichts des Entwicklungsstandes in China selbst fördert das Projekt eine ausgewogene Entwicklung zwischen dem westlichen und dem östlichen China, denn derzeit besteht ein Ungleichgewicht in der Entwicklung von Ost und West.

Wer die Topographie Chinas kennt, weiß, daß der Westen hoch und der Osten tief ist, daß der Westen ein Hochplateau und der Osten eine Ebene ist.

In wirtschaftlicher Hinsicht ist genau das Gegenteil der Fall. Da ist der Osten hoch und der Westen ganz unten. Das heißt, im Osten, einschließlich der Küstenregion, ist die Wirtschaftsentwicklung stärker, während sie im Westen schwächer ist. Die Wirtschaftsentwicklung in den Bergen und auf dem Land ist relativ zurückgeblieben.

Man könnte sagen, das ist das Gegenteil der Topographie.

Nach den Daten, die das chinesische Statistikamt vor kurzem veröffentlicht hat, beträgt das BIP Chinas 6800 $ pro Einwohner. Während das BIP pro Einwohner in der autonomen Region Xinjiang an der westlichen Grenze 6200 $ beträgt, liegt das BIP im Delta des Perlenflusses bereits seit mehreren Jahren über 10.000$, und in bestimmten Zonen sogar fast 20.000$. Es gibt also enorme Unterschiede.

Die zweite Ebene betrifft die unausgewogene Entwicklung zwischen China und den Ländern östlich und westlich seines Umfeldes.

2014 erreichte unser Handelsvolumen mit Japan 310 Mrd. $; mit den ASEAN-Ländern waren es 480 Mrd. $, und mit Südkorea wurden 290 Mrd. $ erreicht. Wenn man alle drei zusammenrechnet – Japan, Südkorea und die ASEAN-Länder – war das gesamte Handelsvolumen 1 Bio. $.

Was ist andererseits die Lage der Importe und Exporte mit dem Westen? 2014 war das Handelsvolumen zwischen China und den fünf zentralasiatischen Ländern etwa 40 Mrd. $; mit Indien etwa 70 Mrd.$, und der Handel mit Rußland lag unter 100 Mrd. $.

Die Russische Föderation und Indien gehören zu den größten Ländern der Welt. Zusammen mit Zentralasien war der gesamte Handel zwischen China und diesen Ländern noch nicht einmal so groß wie das Handelsvolumen zwischen China und Südkorea, das sich auf 240 Mrd. $ belief. Deswegen begannen wir mit dem Konzept „Ein Gürtel, eine Straße“, einer strategischen Vision, die sich auf die Regionen westlich von China und die große eurasische Region orientiert, so daß die Entwicklung dieser Regionen im Westen genauso dynamisch werden könnte wie in den Regionen im Osten.

Wir wissen, daß der Westen Chinas reich an Rohstoffen ist. Dort sind reiche Ressourcen konzentriert. Chinas Nachbarn im Westen, wie die zentralasiatischen Länder, Rußland und die westasiatischen Länder, haben reiche Öl-, Gas- und Nichteisenmetall-Vorräte. Das sind die Länder auf der Erde mit vielen Reserven.

Derzeit droht Chinas anhaltender Entwicklung ein Engpaß, nämlich in Form von Rohstoffen. Die Ölimporte lagen im letzten Jahr bei 310 Mio. t. 310 Mio. t sind eine große Menge. Sie bedeutet 58-59% des Gesamtverbrauchs unseres Landes, also fast 60%. Somit ist China bei der Energie offenbar von fremden Ländern abhängig.

Deswegen muß China bei Energie und Rohstoffen mit den Ländern entlang der Seidenstraße kooperieren, nicht nur, um deren Volkswirtschaften zu verbessern und zu entwickeln, sondern auch wegen der nachhaltigen Entwicklungsbedürfnisse Chinas selbst. Zusammenarbeit bei Energie und Rohstoffen ist nicht nur im Interesse der Entwicklung der Länder entlang der Seidenstraße, sondern ist auch für die Entwicklung Chinas von Vorteil. Der Zweck ist, den Interessen beider Seiten zu dienen.

Die dritte Ebene ist, die Entwicklung des gesamten eurasischen Kontinents zu fördern. Dadurch kann eine neue Lokomotive für das weltweite Wirtschaftswachstum entstehen.

Der eurasische Kontinent ist ein riesiges Gebiet. Der östliche Teil ist das asiatisch-pazifische Wirtschaftszentrum mit einer blühenden Wirtschaft. Das an Eurasien angrenzende Westeuropa ist auch ein prosperierender Wirtschaftsraum.

Im Gegensatz dazu entwickelt sich die große mittlere Zone nur sehr langsam, sie liegt weit hinter den beiden Außenbereichen des Kontinents. Im übertragenen Sinne ergibt sich daraus das Bild einer Hantel: Groß an beiden Enden und ein schmaler Stab dazwischen. Doch darin sind viele Samen enthalten und bieten ein enormes Potential. Anders gesagt, die beiden Außenzonen Eurasiens erleben eine rapide Entwicklung, und die mittleren Regionen hinken schon seit langer Zeit hinterher.

Wenn die Entwicklung von „Ein Gürtel, eine Straße“ vorankommt, kann so eine riesige neue Wirtschaftszone entstehen, was Bevölkerung, Gesamtwirtschaft und Entwicklungspotential angeht. Keine der jetzigen beiden Wirtschaftszonen läßt sich mit dieser Zone vergleichen, die eine Struktur erzeugen kann, die die Entwicklung ganz Eurasiens fördern kann, indem sie durch den Osten, die Mitte und den Westen der Region verläuft.

Eine beschleunigte Entwicklung des eurasischen Kontinents wird eine wichtige Lokomotive für das Wachstum der Weltwirtschaft sein. Sie wird eine wichtige Rolle bei einer ausgeglichenen Entwicklung spielen, um die Weltwirtschaft zu stimulieren.

II.

China hat diese Idee unter Bedingungen entwickelt, die eine große Herausforderung bedeuten, was seine Inspiration und Kreativität erheblich angeregt hat. Ausgangspunkt ist die Entwicklung Chinas und gleichzeitig die Förderung der Entwicklung und des Fortschritts der Welt insgesamt.

Was bedeutet das Projekt „Ein Gürtel, eine Straße“ für die Welt? Meiner Ansicht nach spielen dabei die folgenden Punkte eine Rolle:

Erstens wird es den Prozeß der Globalisierung fortsetzen. In den letzten Jahrzehnten wurde durch den Anstoß der Globalisierung die rapide Integration von Politik, Wirtschaft und Kultur beschleunigt. Die rapide Entwicklung der Globalisierung veränderte die politische Struktur der Weltwirtschaft. Die Rolle der Staaten, insbesondere von Schwellenländern, darf in der Weltwirtschaft nicht ignoriert werden.

Dennoch hat die Finanzkrise, die in den Vereinigten Staaten begann, in vielen Ländern Zweifel aufkommen lassen. Sie sehen in der Globalisierung nicht nur einen Vorteil für ihre eigene Entwicklung, sondern auch eine Quelle vieler Probleme. Einige Länder haben sogar damit begonnen, über die Vor- und Nachteile der Globalisierung nachzudenken. Erkenntnisse und Aktionen gegen die Globalisierung wurden laut. Probleme sind spürbar in Handelsfragen, wobei die entwickelten Länder die Handelsvorschriften für die Schwellenländer verschärft haben. Einige haben sogar das Banner des Protektionismus bei den multilateralen Handelsgesprächen der WTO geschwenkt.

Ein gleichermaßen neues Phänomen in der Weltwirtschaft ist die Abkopplung und eine Differenzierungstendenz zwischen Entwicklungsländern und entwickelten Ländern. Das Wirtschaftswachstum in den entwickelten Ländern erreicht nicht mehr das Niveau, das in der Vergangenheit üblich war, als es auch das Wachstum der Entwicklungsländer mitzog.

In diesem Zusammenhang schlug Präsident Xi Jinping das Projekt „Ein Gürtel, eine Straße“ vor, um die Globalisierung zu fördern. Er betonte, daß Chinas Ziel unter dem Einfluß der Globalisierung nicht die Selbsterhaltung sei, sondern China wolle, daß sich unter den Ländern mit ihrer Geschichte und ihrer Kultur neue Beziehungen entwickeln.

Indem „Ein Gürtel, eine Straße“ 60 Länder zusammenbringt und deren Kommunikationsgrundlage sowie die Wirtschafts- und Handelskooperation unter ihnen stärkt, wird sie ein starker Anstoß für die Globalisierung sein.

Zweitens geht es um die Schaffung neuer Lokomotiven für das weltweite Wirtschaftswachstum.

An einen Ende von „Ein Gürtel, eine Straße“ liegt der asiatisch-pazifische Wirtschaftskreis, am anderen liegt der entwickelte europäische Wirtschaftsraum, und dazwischen liegen Länder mit reichem Samen, und alles zusammen hat ein ungeheures Potential. „Ein Gürtel, eine Straße“ wird ein rapides Wachstum für den Aufbau der Weltwirtschaft beitragen, denn Entwicklung ist die Lösung für das Problem der Armut. Nur nachhaltige Entwicklung ist das wirksame Mittel, um endlich das Problem der Armut zu lösen und den Lebensstandard der Bevölkerung zu heben.

Drittens, wird sie die positive Energie unterschiedlicher Zivilisationen freisetzen und die Toleranz fördern. Angesichts der Komplexität der Religionen aller ethnischen Gruppen müssen wir überall entlang von „Ein Gürtel, eine Straße“ Aufgeschlossenheit und Toleranz üben, was zur Lösung der eben erwähnten Probleme beitragen wird.

Die chinesische Kultur ist durch große Toleranz gekennzeichnet. Der Einfluß der Kultur ist fundamental. Die Toleranz der chinesischen Kultur ist auch entscheidend in der Logik des chinesischen Vorgehens in der internationalen Gemeinschaft.

Die von Konfuzius inspirierte chinesische Kultur verlangt, „sich selbst zu kultivieren und dann anderen zu helfen“. Das bedeutet, man sollte zuerst sich selbst Gutes tun, und dann ist man fähig, mit anderen zu interagieren. Der Einfluß der chinesischen politischen Philosophie und Kultur ist der wichtigste und grundlegende Schlüssel für China: Besinnung nach innen und Toleranz nach außen.

Diese Philosophie unterscheidet sich sehr von anderen Philosophien in der Welt, insbesondere der westlichen Philosophie. Kulturen auf Weltebene sind zwar unterschiedlich, aber es gibt keinen Unterschied dabei, Gut von Böse zu unterscheiden. Die Vielfalt der Kulturen unterstreicht nur den Reichtum der Menschheit. Der Bau von „Ein Gürtel, eine Straße“ bedeutet, vom anderen zu lernen, gegenseitige Toleranz zu üben und nicht den Weg zum Konflikt zu beschreiten. Das sind die Erkenntnisse und Fähigkeiten, die China zur Welt beizutragen hofft.

Viertens, Frieden und Sicherheit auf der Welt stärken helfen. Die Erfahrung Europas und anderer Länder zeigt, daß enge wirtschaftspolitische Kooperation dauerhaften Frieden und Sicherheit bringt.

Die Interessen der Länder entlang von „Ein Gürtel, eine Straße“ sind verwickelt und komplex. Der Bereich traditioneller und nichttraditioneller Sicherheitsbedrohungen ist sehr ernst und ist eine fundamentale Überlegung bei der Umsetzung des Projekts „Ein Gürtel, eine Straße“.

Die Einrichtung tragfähiger regionaler Sicherheitsmechanismen ist bei Bau von „Ein Gürtel, eine Straße“ unverzichtbar. Am vordringlichsten ist jedoch die Entwicklung einer engen Wirtschaftszusammenarbeit zwischen den Ländern entlang des Gürtels.

Wirtschaftliche Integration allein ist eine wichtige Grundlage, um die Sicherheit zu erhalten. Präsident Xi Jinping hat auf dem Treffen der Konferenz für Zusammenwirken und Vertrauensbildung in Asien (CICA) ein neues Sicherheitskonzept vorgeschlagen, und hat die Notwendigkeit für gemeinsame Sicherheit, kollaborative Sicherheit, kollektive Sicherheit und nachhaltige Sicherheit unterstrichen. Dieses Konzept könnte ein wichtiger Konsens im Aufbau von „Ein Gürtel, eine Straße“ werden.

„Ein Gürtel, eine Straße“ kann nicht ohne einen gemeinsamen, kollaborativen, kollektiven und nachhaltigen Sicherheitsmechanismus verwirklicht werden; es kann nicht entstehen, ohne die Sicherheitsbedenken der Großmächte zu berücksichtigen, und des muß für Sicherheit entlang den See- und Landkorridoren von „Ein Gürtel, eine Straße“ sorgen, um die Produktion zu schützen, was ein Beitrag für die zukünftige Sicherheit der gesamten Welt ist.

III.

Was sind die von China vorgeschlagenen Innovationen von„Ein Gürtel, eine Straße“?

Erstens unterscheiden sie sich in diplomatischer Philosophie von der Politik, die zu Beginn der Reform und Öffnung eingeführt wurde, nämlich in dem Begriff „äußere Ressourcen leihen“ im Dienst des wirtschaftlichen Aufbaus, aber es zeigt auch, daß die Vision von Chinas Strategie kein enger Nationalismus ist, wie einige Medien behaupten, sondern zu einer Form des kosmopolitischen Denkens geworden ist.

Es ist eine Kombination von Entwicklung und Fähigkeiten, die mit der Reform und mit der Öffnung zum internationalen System in den letzten 30 Jahren erreicht wurden. Dies wurde in die Außenwelt zurückübertragen, wodurch ein Kreislauf interaktiver, zweidirektionaler Entwicklung geschaffen wurde.

Dies zeigt, daß China wirklich damit begonnen hat, eine Art System von „Gerechtigkeit und Vorteil“ aufzubauen, das zur gemeinsamen Entwicklung aller Länder auf der Welt, Nachbarländer eingeschlossen, beiträgt, um die Dividenden der Entwicklung Chinas zu teilen.

Dieses Vorgehen wird ein Vorteil im Interesse dieser Länder werden. Denn es bedeutet, daß China, das sich weiter entwickelt, aktiv eine internationale Perspektive auf Grundlage geltender Bestimmungen aufbauen will. Auf diese Weise werden auch China und andere Länder über die „Wirtschaftszone der Seidenstraße“ in eine Art Polymerisierungsreaktion hineingeraten.

Zweitens, China ist während des Baus von „Ein Gürtel, eine Straße“ die politische Verpflichtung eingegangen, weiter Offenheit, Gleichheit und Teilhabe zu betreiben. Chinas Hauptanliegen ist es, eine Art kulturelle Zusammenarbeit mit den Ländern zu bilden, die entlang der Region liegen, und das trotz großer Differenzen in Politik, Ideologien und Wirtschaftsmodellen.

Man auch sagen, dies ist eine Destillation des „Geistes von Schanghai“, der „gegenseitiges Vertrauen, gegenseitigen Vorteil, Gleichheit, Konsultation, Achtung der kulturellen Vielfalt und Suche nach gemeinsamer Entwicklung umfaßt.

Dies ist Ausdruck der neuen geopolitischen und geoökonomischen Realität Eurasiens in der Zeit nach dem Kalten Krieg. Sein Ziel ist es, einen dauerhaften Frieden in der Region herzustellen und zu konkretisieren, um einen dynamischen Mechanismus für eine harmonische Entwicklung und gemeinsame Prosperität zu schaffen.

Das bedeutet, daß alle Seiten aufgerufen sind, sich an der Zusammenarbeit der Projektbeteiligten zu beteiligen und partnerschaftliche Beziehungen weiterzuführen, und daß ein übertrieben egoistisches Verhalten, selbst wenn es nicht aggressiv ist, die Begeisterung der Partner bei der Kooperation beeinträchtigt.

In diesem Rahmen könnte Chinas Orientierung auf andere Länder durch einen Prozeß gegenseitiger Zusammenarbeit in Interessen und Politik die Möglichkeiten der Zusammenarbeit anregen.

Drittens, wenn man die Verpflichtungen und Verantwortlichkeit Chinas in regionalen Angelegenheiten unterstreicht, bedeutet dies nicht, daß China versucht sein könnte, sie zu dominieren oder gar zu monopolisieren und in eine Art geopolitisches Projekt umzufunktionieren. Der chinesische Präsident Xi Jinping hat bei seiner letzten Reise nach Zentralasien betont, daß China grundsätzlich „keine Hegemonie in regionalen Angelegenheiten sucht, noch danach strebt, eine Einflußsphäre zu verwalten“.

Zwar konzentriert sich diese Initiative auf Ideen zum Aufbau der Zusammenarbeit unter bestimmten Ländern in der Region, doch China wünscht auch, Koordinationsmechanismen mit anderen Regionen und auch auf internationaler Ebene beizubehalten.

Chinas Initiative, die Entwicklung der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) und der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft voranzutreiben, insbesondere dadurch, daß chinesische und russische Führer im Mai diesen Jahres die Gemeinsame Erklärung des „Wirtschaftsgürtels der Seidenstraße“ und der „Eurasischen Wirtschaftsunion“ unterschrieben haben, ist Beweis für im Gang befindliche Annäherung.

Die Initiative des „Wirtschaftsgürtels der Seidenstraße“ ist gewiß kein absolut reziprok vorteilhafter Austauschmechanismus. Sie ist vielmehr Ausdruck des chinesischen Wunsches, die Grundlage für Fähigkeiten und andere Faktoren öffentlicher Güter zu schaffen. Es sollen gemeinsame Entwicklungsmöglichkeiten mit den Ländern entlang der Region geteilt, die gegenseitige Entwicklung gefördert und dann ein Vorschlag für eine Prinzipiengemeinschaft entlang des Gürtels unterbreitet werden. Die Existenz und weitere Entwicklung dieser Interessengemeinschaft soll erhalten und gefördert werden.


Ren Lin: „Ein Gürtel, eine Straße“ im weltweiten Kontext

Mein Hintergrund ist, daß ich mich mit der Globalisierung befasse, mit der wirtschaftlichen Integration, der regionalen Integration, etc., und mit OBOR, „One Belt, One Road“…


Leonid Kadyshev : Die Aufgabe der BRICS aus Moskauer Sicht

Leonid Kadyshev

Botschaftsrat an der russischen Botschaft in Paris.


Ich möchte mich in meiner Rede nicht allein auf die Beziehungen zwischen den BRICS und dem Projekt der „Neuen Seidenstraße“ beschränken. Erstens, weil dieses Projekt viele Dimensionen hat, darunter die großartigen Möglichkeiten für die Zusammenarbeit mit der Eurasischen Union, in der Rußlands Mitgliedschaft sehr wichtig ist. Zweitens ist es wesentlich, zu verstehen, daß die Bedeutung und die kreative Berufung der BRICS als einer Gruppe neuer Art sich nicht auf eine Anzahl ausgewählter Projekte beschränkt – ihre Bandbreite reicht viel weiter.

BRICS im Weltsystem und in internationalen Beziehungen

Als erstes möchte ich die Rolle der BRICS im internationalen System aus Moskauer Sicht darstellen.

Heute behauptet sich die BRICS als ein einflußreicher Teilnehmer im System der Weltordnungspolitik. Gleichzeitig ist die BRICS eine junger Verband von Staaten, der aus russischer Sicht die großen Trends unserer Zeit widerspiegelt. Außerdem besitzt sie eine Reihe innovativer Eigenschaften.

Die Entstehung dieser Gruppe war die natürliche Folge der dynamischen Entwicklung des Prozesses der Globalisierung, der Zerstreuung der globalen Weltmacht und der Stärkung neuer Pole des Wachstums und des politischen Einflusses, parallel zur Stärkung der gegenseitigen Abhängigkeit der auf verschiedenen Kontinenten gelegenen Länder.

Die Zusammenarbeit zwischen den „Fünf“ spiegelt das gemeinsame Bedürfnis wider, eine stabile Partnerschaft zwischen den verschiedenen Kulturen und Zivilisationen als Grundlage für die Bildung eines polyzentrischen internationalen Systems zu schaffen.

Die Tatsache, daß das Phänomen BRICS mit diesem objektiven Vektor der weltweiten Entwicklung übereinstimmt, macht diese Formation attraktiv, dynamisch und zukunftsorientiert. Ganz entscheidend ist dabei, daß diese Gruppe weder durch eine Zwangsjacke der Hierarchie gebunden ist noch durch die strenge Disziplin, wie sie für politische und militärische Blöcke oder Koalitionen typisch ist.

Die BRICS sind ein Symbol der entstehenden multipolaren Welt. Es ist offensichtlich, daß die Haltung des Westens gegenüber den BRICS aus diesem Grunde – gelinde gesagt – vorsichtig ist. Der Westen, der es gewohnt ist, zahlreiche Prozesse der Weltwirtschaft zu steuern, kann die Tatsache nicht akzeptieren, daß es freie Alternativen gibt.

Die Zusammenarbeit innerhalb der BRICS bildet unserer Meinung nach ein Beispiel für die Art und Weise, wie multilaterale Partnerschaften im 21. Jahrhundert aufgebaut werden müssen. Niemand in dieser Gruppe dominiert, es gibt keine Unterordnung, wir arbeiten auf der Grundlage einer wirklichen Gleichberechtigung und gegenseitigen Respekts.

Diese Zusammenarbeit richtet sich nicht gegen Nichtmitgliedstaaten – im Gegenteil, wir teilen eine positive Agenda, die vor allem darin besteht, zusätzliche Ressourcen für Entwicklung zu schaffen und das Wohl unserer Bevölkerung zu mehren, was mit den Zielen der Erhaltung einer dauerhaften internationalen Stabilität untrennbar verbunden ist.

Deshalb irren all jene, die den BRICS vorwerfen, konfliktorientiert zu sein, weil das überhaupt nicht ihrer wahren Natur entspricht.

Die Verteidigung der Prinzipien von Demokratie und Gerechtigkeit in den internationalen Beziehungen ist bei allen Aktivitäten der BRICS ein wesentlicher Aspekt. Sie ist eines der wichtigsten Zentren der Formulierung einer Politik, die ausgewogene Positionen im Interesse der Lösung der dringendsten internationalen Probleme bietet. In diesem Zusammenhang ist die Bedeutung der Stimmen der Solidarität kaum zu überschätzen, die gemeinsam mit den BRICS intensive Bemühungen zur friedlichen Konfliktlösung auf der Grundlage der UN-Charta fordern, ohne Doppelstandards, ohne unilaterale Militärinterventionen oder den Einsatz des großen Knüppels der Sanktionen. Die Verteidigung des unteilbaren Charakters der Sicherheit – die Ablehnung der Vorstellung, man könne die eigene Sicherheit auf Kosten der Sicherheit anderer stärken – konsolidiert das Potential der BRICS, langfristige Lösungen für regionale Krisen zu entwickeln. Diese Rolle der BRICS kann nur wachsen.

Der gemeinsame Ansatz, sicherzustellen, daß die Schaffung des neuen, multipolaren Systems auf Vernunft, Wahrheit und Partnerschaft der Zivilisationen gründet, erlaubt es den BRICS, als eine Art Leuchtturm im turbulenten Meer der Weltpolitik zu dienen.

Ein weiterer Beleg für die wachsende Autorität der BRICS ist der Erfolg der Gipfeltreffen im erweiterten Format mit der Beteiligung der Länder in der Region der jeweiligen Gastgeberstaaten. Die russische Stadt Ufa bereitet sich darauf vor, das nächste Treffen dieser Art auszurichten, zu dem unsere eurasischen Partner eingeladen sind.

Die kommende russische Präsidentschaft der BRICS

Wie vom russischen Staatsoberhaupt, Herrn Wladimir Putin, betont wurde, wird die russische Präsidentschaft mehr Gewicht darauf legen, die Fähigkeiten der BRICS so effizient wie möglich zu nutzen, um Sicherheit und Stabilität auf der Welt zu stärken.

Jeder BRICS-Gipfel ist ein Meilenstein, ein neuer Schritt in der Entwicklung dieser jungen Vereinigung. Während des Fortaleza-Gipfels (15-16. Juli 2014) wurden Dokumente über die Gründung der Neuen Entwicklungsbank (NDB) und die Gründungscharta der BRICS unterzeichnet. In Ufa strebt die russische Präsidentschaft substantielle Fortschritte in verschiedenen Bereichen an. Sie hofft, die Kooperation der BRICS auf eine neue, strategische Ebene anzuheben.

Im Bereich der Wirtschaft rechnen wir damit, daß die Neue Entwicklungsbank und das Notfall-Reservearrangement unmittelbar vor dem Gipfel ihre Arbeit aufnehmen, wozu die Ratifizierungsprozesse in allen fünf Mitgliedstaaten abgeschlossen werden müssen. Die russische Seite ist zuversichtlich, daß dies geschehen wird, da der Ratifizierungsprozeß in allen beteiligten Ländern gut voranschreitet.

Darüber hinaus erwarten wir, daß bei dem Gipfeltreffen die Strategie der wirtschaftlichen Partnerschaft der BRICS angenommen wird. Es wird ein Dokument des Fortschritts im Streben nach der Entwicklung unserer Kooperation im Schlüsselbereich der Wirtschaft sein. Unmittelbar nach der Annahme dieser Strategie haben wir vor, mit der Ausarbeitung eines Fahrplans für die Zusammenarbeit im Bereich der Investitionen zu beginnen. Dieses Dokument hat den Zweck, die Zusammenarbeit durch interessante und gutausgearbeitete gemeinsame Projekte mit Leben zu füllen.

Ein weiterer Aspekt im wirtschaftlichen Bereich: Es ist geplant, neue Achsen der Kooperation zu eröffnen – Bergbau, Energie, Kommunikation und einer Reihe weiterer Bereiche. Wir rechnen damit, daß diese Kooperation Handelsgeschäfte erleichtern wird – dazu gehören die Steuerpolitik, die Vereinfachung von Formalitäten etc.

Wichtig werden auch die Veranstaltungen vor dem Ufa-Gipfel sein. Zunächst einmal ist festzuhalten, daß am 8. Juni dieses Jahres erstmals das Parlamentarierforum der BRICS zusammenkam. Die parlamentarische Dimension wird es ermöglichen, die Grundlage der Kooperation zwischen den Mitgliedern zu stärken.

Ein weiteres wichtiges Element der russischen Präsidentschaft, welches das Spektrum des Gipfels bereichert, ist der Jugendgipfel, der im Juni in Kasan stattfindet. Auch das ist ein neues Phänomen in der Entwicklung der BRICS. Dieser Gipfel wird es ermöglichen, der jungen Generation unserer Länder die BRICS näherzubringen.

Man sollte auch die Kooperation im Bereich der Kultur erwähnen – eine weitere Dimension. Für den Gipfel wird ein Kooperationsabkommen zwischen den BRICS-Ländern im Bereich der Kultur vorbereitet.

BRICS und die Entwicklung der Weltwirtschaft

Der Frage der Bedeutung der BRICS für die Weltwirtschaft muß besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Es ist wesentlich, daß unsere internationalen Partner verstehen: Die BRICS beabsichtigen in keiner Weise eine Konfrontation gegen irgend jemanden – weder in der Politik noch im Bereich der Finanzen oder der Wirtschaft. Ich möchte die russische Vision der BRICS nochmals unterstreichen: Sie ist ein Angebot an die Welt für ein fundamental neues Modell der Zusammenarbeit – ein Modell zur Überwindung der alten, teilenden Grenzen, die durch die Konfrontation von Blöcken oder durch das dahinterstehende Denken entlang der „Ost-West“ oder „Nord-Süd“-Achse entstehen.

Die BRICS sind offen für eine Zusammenarbeit mit allen Staaten, unabhängig von ihrer geographischen Lage oder ihrer politischen Ausrichtung. Gleichzeitig ist Rußland dagegen, daß geschlossene wirtschaftliche Systeme geschaffen werden, die die BRICS-Länder auf Abstand halten. So weigern sich beispielsweise die Vereinigten Staaten kategorisch, in Erwägung zu ziehen, China in die Pazifische Partnerschaft [Pazifischen Freihandelszone] aufzunehmen; die gleiche Haltung wurde gegenüber Rußland an den Tag gelegt.

Unter diesen Umständen sollte es nach Rußlands Meinung die Reaktion der BRICS sein, das System des internationalen Handels auf der Grundlage der Regeln der WTO zu stärken, indem wir unsere Kräfte bündeln. Die WTO ist wie eine Art Vereinte Nationen des Welthandels. Wenn sie anfängt, auseinanderzubrechen, dann wird dies einen harten Wettbewerb im Handel provozieren und es würde nicht lange dauern, bis sich große Antagonismen entwickeln. Rußland ist gegen ein solches Szenario, und erklärt sich daher entschieden dafür, ein einheitliches System von Regeln zu erhalten, was die Grundlage der WTO ist.

In Bezug auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den BRICS sind die Mitgliedstaaten realistisch: Wir sehen, was in der heutigen Welt geschieht. Dementsprechend besteht der gemeinsame Wunsch, die Zusammenarbeit zwischen unseren Wirtschaftsunternehmen maximal zu fördern, um die großartigen Chancen zu nutzen, die sich durch den komplementären Charakter unserer Wirtschaft eröffnen.

Beispielsweise wird die neue Bank der BRICS und der Pool der Devisenreserven Rußland und allen übrigen Mitgliedern der BRICS u.a. helfen, dem ungerechtfertigten und politisierten Druck des Westens zu widerstehen. Wenn die Bank ihre Arbeit aufnimmt, dann werden die Arbeit an großen Infrastrukturprojekten und die Investitionen im BRICS-Format einer Wachstumskurve folgen und greifbare positive Resultate bringen.

Der Markt der BRICS-Länder umfaßt drei Milliarden Verbraucher – das ist mehr als der potentielle Markt der Freihandelszone des Pazifik und der transatlantischen Freihandelszone. Außerdem ist es der dynamischste Markt der Welt. Die BRICS müssen darauf hinarbeiten, die Hindernisse für ihren Handel untereinander abzubauen, und sollten das auf einer ausgewogenen Grundlage tun.


„Ägyptens Megaprojekte für 2030: Anlagemöglichkeiten für intermodale und multimodale Konnektivität“

Moni Abdulla, Geschäftsführerin Pyramids International, Kairo


Page 2 of 18123...Last