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Helga Zepp-LaRouche: Großartige Aussichten für die Entwicklung der Globalen Mehrheit

Helga Zepp-LaRouche: Großartige Aussichten für die Entwicklung der Globalen Mehrheit

Die Vorsitzende des Schiller-Instituts eröffnete die Internetkonferenz am 15. April mit dem folgenden Vortrag.

Liebe Freunde des Schiller-Instituts in aller Welt, wo immer Sie auch sein mögen! Wir haben uns hier via Internet versammelt, vereint durch die aufrichtige Verpflichtung, Optionen zu entwickeln und aufzuzeigen, wie die Menschheit die existentiellen Gefahren der eskalierenden geopolitischen Konfrontation zwischen dem „Westen“ und insbesondere Rußland und China überwinden kann, die im schlimmsten Fall schon sehr kurzfristig zu einem globalen Atomkrieg und damit zur Vernichtung der gesamten Menschheit und allen Lebens auf der Erde in einem darauf folgenden nuklearen Winter führen könnte.

Doch obwohl diese Gefahr sehr akut ist, gibt es gleichzeitig Grund, äußerst froh und optimistisch zu sein, weil wir die Geburt einer neuen Ära in der Geschichte der Menschheit erleben – einen epochalen Wandel, bei dem die Überreste der alten kolonialen Ordnung, in der Milliarden Menschen zu Armut, Hunger und Unterentwicklung verurteilt waren, durch eine neue Weltwirtschaftsordnung abgelöst werden, die in den kommenden Jahren Bedingungen schaffen wird, unter denen jedes neugeborene Kind die Chance hat, sein Potential voll zu entfalten, ein kreativer Mensch zu werden und zum weiteren Fortschritt der Menschheit beizutragen. Wir haben also das große Privileg, in einem der spannendsten Momente der Geschichte zu leben!

Lassen Sie mich mit einer wirklich bahnbrechenden Entwicklung beginnen. Der brasilianische Präsident Lula da Silva verkündete am Donnerstag in Shanghai bei der Amtseinführung der ehemaligen Präsidentin Dilma Rousseff als Leiterin der Neuen Entwicklungsbank (NDB), daß diese Bank der BRICS nun ihre ursprüngliche Aufgabe erfüllen wird, den Ländern des Globalen Südens umfangreiche Kredite zu gewähren, frei von den Fesseln der Auflagen, die den Schwellenländern von den traditionellen Institutionen – dem IWF – auferlegt wurden. Angesichts der Größe der Bevölkerung und des Gewichts der Volkswirtschaften der BRICS-Plus-Länder würde diese Bank mit globaler Reichweite alle Voraussetzungen erfüllen, um die „Großbank des Globalen Südens“ zu werden. Zum Ziel der neuen Entwicklungsbank sagte er:

„Es ist nicht hinnehmbar, daß auf einem Planeten, der genügend Nahrungsmittel für die gesamte Menschheit produziert, Hunderte Millionen Männer, Frauen und Kinder nichts zu essen haben. Es ist nicht hinnehmbar, daß die Verantwortungslosigkeit und Gier einer kleinen Minderheit das Überleben des Planeten und der gesamten Menschheit gefährdet…“

Die Internationale Entwicklungsbank

Genau das war die Motivation hinter dem Vorschlag für die Internationale Entwicklungsbank (IDB), den mein verstorbener Mann Lyndon LaRouche 1975 machte, nachdem er von Feiern der Baath-Partei aus dem Irak zurückgekommen war, wo er viele Führungspersönlichkeiten des Entwicklungssektors getroffen hatte. Mitglieder der LaRouche-Organisation warben ein ganzes Jahr lang in allen Ländern der Bewegung der Blockfreien Staaten für diese IDB, und dieses Konzept wurde 1976 in ihrer Schlußresolution, die eine gerechte Neue Weltwirtschaftsordnung forderte, auf ihrer Konferenz in Colombo auf Sri Lanka praktisch angenommen.

Aber damals ging die globale Oligarchie dazu über, alle Anführer der Blockfreien Bewegung zu destabilisieren – Frau Gandhi, Frau Bandaranaike, Zulfikar Ali Bhutto und viele andere. Erst viele Kämpfe und 48 Jahre später wird dieses Konzept einer Internationalen Entwicklungsbank von einer Gruppe von Ländern umgesetzt, die stark genug sind, es gegen die Finanzinstitutionen zu verteidigen, die jede derartige Bemühung als „Systemkonkurrenz“ betrachten, die eingedämmt oder zerschlagen werden muß.

Heute findet ein Epochenwandel statt, nach einer historischen Periode von etwa 600 Jahren, seit in Europa mit dem Frankreich Ludwigs XI. und den Schriften des Nikolaus von Kues, der als erster das Konzept des repräsentativen Regierungssystems formulierte, die ersten souveränen Nationalstaaten entstanden, die zum ersten Mal dem Gemeinwohl verpflichtet waren und mit der bis dahin herrschenden Tradition brachen, daß der Staat nur zum Schutz der Privilegien der oligarchischen Elite existierte.

Die verschiedenen Reiche, die bis zum 15. Jahrhundert die einzige Herrschaftsform waren und seit der Antike ununterbrochen bestanden – das mesopotamische, das persische, das römische, das byzantinische, das osmanische, das venezianische, das anglo-holländische und das britische Imperium, um nur einige zu nennen -, schützten immer nur die Interessen des Adels und seiner Mitläufer an der Macht, und versuchten, die Mehrheit der Bevölkerung als Sklaven oder so rückständig wie möglich zu halten, um leichter über sie herrschen zu können. Das koloniale System der Ausbeutung der Ressourcen der unterworfenen Länder, der Sklavenhandel, das eigentliche System des Freihandels als Mittel zur Kontrolle der Preise und der Handelsbedingungen, all das war ein Auswuchs des Systems der Imperien.

Und wie Präsident Sukarno und Präsident Nehru auf der Konferenz von Bandung betonten, besteht der Kolonialismus in modernen Formen fort. Er besteht weiter in der Verweigerung zu Krediten für die Entwicklung durch das Finanzsystem, die Konditionalitäten, die Schuldenfallen der Weltbank und des IWF, die John Perkins in seinem Buch Bekenntnisse eines Economic Hit Man so treffend beschrieben hat, oder in Form der weltweiten Kontrolle über die Lebensmittel, vom Saatgut über die Anpflanzung, die Ernte und die Verarbeitung bis hin zum Verkauf an den Kunden durch ein halbes Dutzend riesiger Lebensmittelkartelle.

Und dieses System endet jetzt! Die Neue Entwicklungsbank verspricht, ein entscheidendes Element des neuen Paradigmas zu werden, das durch die Zusammenarbeit der BRICS-Plus entsteht, für die laut dem russischen Außenminister Lawrow bereits 24 weitere Länder des Globalen Südens ihre Mitgliedschaft beantragt haben und die nun ein deutlich größeres BIP als die G7-Länder repräsentieren und mit Sicherheit die große Mehrheit der Weltbevölkerung darstellen.

Eine neue internationale Währung

Ein weiterer Aspekt des neuen Systems ist die neue internationale Währung, die nicht auf Geldwerten, sondern auf Gold und anderen Rohstoffen basiert und derzeit von einer Kombination von Ländern des Globalen Südens geschaffen wird. Diese neue Währung entsteht als ein Akt der Selbstverteidigung gegen eine ganze Reihe von Maßnahmen der bisher maßgeblichen Finanzinstitute: die rücksichtslose Geldschöpfung von Billionen von Dollar, Euro, Pfund und Yen, die sogenannte „Quantitative Lockerung“ nach dem Systemkollaps von 2008, die Nutzung des Dollars als Waffe durch die Beschlagnahmung ausländischer Vermögenswerte Rußlands, Afghanistans und anderer, die brutalen Sanktionen gegen so viele Länder mit dem Ziel, Regimewechsel herbeizuführen, indem man die Bevölkerung der betroffenen Länder aushungert und zum Aufstand zwingt. Diese neue Währung spiegelt auch Lyndon LaRouches Ideen wider, die er in einem berühmten Artikel vom 18. Juli 2000, „Warenkorb statt Währungskorb: Handel unabhängig vom Wechselkurs“ dargelegt hat.1

Trennbankendebatte in der Schweiz

Auch in einem Land, das nicht zum Globalen Süden gehört, aber ebenfalls vom gleichen Geldsystem der Profitmaximierung für wenige betroffen ist, regt sich Widerstand gegen die verheerenden Folgen des anhaltenden Zusammenbruchs des transatlantischen Finanzsystems – nämlich in der Schweiz. Nach dem Beinahe-Zusammenbruch der Credit Suisse, den gescheiterten Rettungsversuchen mit 50 Milliarden Schweizer Franken und der erzwungenen Übernahme durch die UBS sitzt die Schweiz nun auf dem Vulkan einer monströsen „systemrelevanten“ Bank, einer aufgeblähten UBS, die potentiell die gesamte Schweizer Wirtschaft ruinieren kann und deren Derivatgeschäfte mit entsprechenden Gegenparteien eine tickende Zeitbombe für das gesamte Finanzsystem darstellen. Daher ist im Nationalrat ein heftiger Kampf um die Einführung eines Trennbankengesetzes entbrannt, weil sich ein Großteil der Schweizer Bevölkerung immer noch als Bürger eines souveränen Staates fühlt.

Warum also ist der Westen nicht glücklich, wenn ein neues System entsteht, das ein Rettungsboot für alle sein könnte? Wenn man zum Beispiel den Mainstream-Medien in Deutschland oder der US-Regierung zuhört, ist die große Kontroverse unserer Zeit der Kampf zwischen „Demokratien“, die natürlich „gut“ sind, und „Autokratien“, die offensichtlich „schlecht“ sind. Für sie ist Rußland paranoid, wenn es meint, daß die inzwischen sechs NATO-Osterweiterungen, nicht um „einen Zentimeter“, sondern um tausend Kilometer bis hin zu mehr als 1300 km seiner Grenzen, eine Bedrohung darstellen könnten, weil die Vereinigten Staaten mit ihrem Militärbudget von über 800 Milliarden Dollar, mehr als die nächsten neun Länder zusammen und die NATO keiner Fliege etwas antun würden.

In dieser Berichterstattung zeigen sie ein erstaunliches Maß an Amnesie in Bezug auf die verschiedenen Interventionskriege in Südwestasien, die Millionen von Opfern gefordert haben. Und ganz sicher wollen sie nicht erwarten, daß der Durchschnittsbürger sich eingehender mit den Auswirkungen der offiziellen US-Militärdoktrin befaßt, die einen nuklearen Präventivschlag zuläßt – der nonchalanten Haltung, mit der die Länder Europas zum Schlachtfeld eines hypothetischen „begrenzten Atomkriegs“ werden.

Oder überlegen Sie, warum Daniel Ellsberg kürzlich an die Pläne von John Foster Dulles im Jahr 1958 erinnerte, im Falle eines militärischen Konflikts um Taiwan Atomwaffen einzusetzen, wobei er sich auf eine Studie der Rand Corporation – „Die Krise in der Straße von Taiwan – eine dokumentierte Geschichte“ – bezog, um dann an heutige Whistleblower zu appellieren, über Debatten im Pentagon über den Einsatz von Atomwaffen in China zu berichten. China, über das die meisten Menschen so gut wie nichts wissen, ist laut Denkfabriken und Medien in letzter Zeit „aggressiver“ geworden und will durch Investitionen die Welt erobern.

Im öffentlichen Diskurs im Westen geht es nicht mehr um die historische Wahrheit, die durch Nachforschungen und sokratischen Dialog ans Licht gebracht werden kann, sondern um die Kontrolle über das „Narrativ“, das dann zu einer Glaubensstruktur wird.

Ein sehr bemerkenswertes Beispiel aus jüngster Zeit: Als Rolf Mützenich, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, kürzlich die Forderung des französischen Präsidenten Macron unterstützte, die Europäer müßten ihre eigenen Interessen verteidigen und dürften sich nicht als Vasallen der USA in den Konflikt zwischen den USA und China um Taiwan hineinziehen lassen, konterte der führende SPD-Abgeordnete Michael Roth: „Ich sehe keine blinde Gefolgschaft in Europa. Ich sehe hingegen in Washington ein Höchstmaß an Verantwortungsbewußtsein für Frieden und Stabilität in Europa.“

Es ist jedoch nicht klar, ob er damit die möglicherweise letzten Momente des Friedens nach dem Druck der USA auf Deutschland meinte, immer mehr schwere Waffen in die Ukraine zu schicken, bevor die ganze Situation zu einem Weltkrieg eskaliert, oder ob er die „Stabilität“ in Europa meinte, nachdem die gesamte europäische politische Klasse nach Seymour Hershs glaubwürdiger Analyse darüber, wer die Nord-Stream-Pipelines gesprengt hat, den Mund gehalten hat.

Vergessen ist offensichtlich die scharfe Rüge von Helmut Schmidt gegen den Unilateralismus der Bush-Administration, als er in der Zeit schrieb: „Europa braucht keinen Vormund“ und den Einfluß von Robert Kagan, Richard Perle, Zbigniew Brzezinski und Paul Wolfowitz anprangerte. Es ist unklar, ob die Apologeten der „guten Demokratien“ einfach nur gute Schüler des ehemaligen CIA-Chefs Pompeo sind, der sich öffentlich damit brüstete, daß sie „ganze Trainingskurse“ hatten, in denen ihnen beigebracht wurde, wie man lügt, betrügt und stiehlt, oder ob sie sich selbst schon so lange indoktriniert haben, daß sie jetzt ihre eigene Propaganda glauben.

Das „Projekt für ein neues amerikanisches Jahrhundert“

Jeder, der ernsthaft die Zeitgeschichte studiert, wird feststellen, daß der Kern des gegenwärtigen Konflikts zwischen dem Westen und Rußland, China und dem Globalen Süden die sogenannte Wolfowitz-Doktrin des Projekts für ein neues amerikanisches Jahrhundert (PNAC) ist, die für die USA das Recht auf eine unipolare Welt auf der Grundlage der anglo-amerikanischen Sonderbeziehung beansprucht, in der es keiner Nation oder Gruppe von Nationen erlaubt sein soll, die USA in Bezug auf politische, wirtschaftliche oder militärische Macht zu überholen.

Das war die Glaubensstruktur all jener anglophilen US-Präsidenten und Strategen, die davon überzeugt waren, daß es eine „endgültige Teilung Chinas“ geben müsse, um den „arischen Stamm“ zu erhalten, wie Churchill es 1902 in einem Interview formulierte; oder daß Rußland „besiegt“, „geschwächt“ und in zehn Einheiten aufgeteilt werden müsse, wie kürzlich Mitglieder westlicher Regierungen erklärten. Es war auch durchweg die Glaubensstruktur hinter Kissingers berüchtigtem Papier NSSM-200, in dem es im wesentlichen hieß, daß die Rohstoffe der Länder des Globalen Südens aus strategischem Interesse den Vereinigten Staaten gehören. Sie stand hinter Madeleine Albrights Formulierung, der Tod von 500.000 irakischen Kindern sei „die Sache wert“, und hinter Obamas Beharren, es gehe nicht an, daß alle Afrikaner ein Haus und ein Auto haben, weil sonst „der Planet überkocht“.

Die große Mehrheit der Länder der Welt kann erkennen, daß der Anspruch der „regelbasierten Ordnung“, die Protagonisten des „Guten“ zu sein, die in einem „Garten“ leben, während alle anderen irgendwie im „Dschungel“ dahinvegetieren, immer mehr bröckelt. Unter diesen Umständen würde eine „Abkopplung“ – nicht nur von China, sondern auch von dem entstehenden neuen Wirtschaftssystem – nicht nur den Untergang des Westens im Chaos bedeuten, sondern höchstwahrscheinlich auch die Eskalation in einen Atomkrieg.

Mit der Globalen Mehrheit zusammenarbeiten

Es muß uns daher gelingen, mit allen Mitteln einen bedeutenden Teil der Menschen in den Vereinigten Staaten und den europäischen Ländern davon zu überzeugen, über die Bedeutung des historischen Wandels nachzudenken, in dem wir uns gerade befinden. Dies ist nicht der Zeitpunkt, um in der Welt herumzurennen und Druck auf die Länder Afrikas, Lateinamerikas oder Asiens auszuüben, damit sie mit Rußland und China brechen, was sie ohnehin nicht tun werden.

Wenn wir diese Teile der Bevölkerung in Europa und den Vereinigten Staaten rechtzeitig dafür mobilisieren können, zu erkennen, daß es in unserem besten Interesse ist, mit den BRICS-Plus, der SCO, ASEAN, der Afrikanischen Union und anderen Organisationen der globalen Mehrheit zusammenzuarbeiten, dann wird die menschliche Gattung in eine glänzende neue Ära eintreten, in der wir uns endlich auf die großen Aufgaben der Menschheit konzentrieren können: auf die Schaffung von Frieden durch Entwicklung, auf die Überwindung der Armut für jeden Menschen auf dem Planeten, auf die allgemeine Bildung für jedes neugeborene Kind, auf die Schaffung von Energie- und Rohstoffsicherheit durch wissenschaftliche Durchbrüche, durch die Zusammenarbeit in der internationalen Raumfahrt, durch die Erkenntnis, daß wir die schöpferische Gattung im Universum sind.

Ich rufe alle Teilnehmer dieser Konferenz auf, mit uns zusammenzuarbeiten, möglichst viele Nationen zu ermutigen, eine internationale Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur auf die Tagesordnung zu setzen, die alle Konflikte löst, indem sie eine gerechte Weltwirtschaftsordnung schafft und indem sie eine neue Renaissance im Dialog der besten Traditionen aller Kulturen schafft, damit sich die Menschheit endlich menschlich verhält.

Und lassen Sie mich meinem verstorbenen Ehemann Lyndon LaRouche ein großes „Danke!“ und den Beifall aller guten Menschen auf diesem Planeten aussprechen für das, was er zu den heutigen Chancen der Menschheit beigetragen hat! Ich danke Ihnen.

(Aus dem Englischen übersetzt, Zwischenüberschriften wurden von der Redaktion hinzugefügt.)

Anmerkung:

1. Englisch https://larouchepub.com/eiw/public/2000/eirv27n30-20000804/eirv27n30-20000804_004-on_a_basket_of_hard_commodities-lar.pdf, Deutsch in Neue Solidarität, Nr. 33 und 34/2000

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