Chas Freeman, ehemaliger Verteidigungsbeamter und Diplomat mit umfassenden Kenntnissen der Beziehungen zwischen China und den USA, warnte die USA in einer Rede an der Universität von Idaho am 15. April eindringlich vor einer Verschlechterung der Beziehungen zwischen den beiden Supermächten. Er bemerkte: „China ist heute in mancher Hinsicht international stärker vernetzt als die Vereinigten Staaten. Es ist der größte Außenhandelspartner der meisten Volkswirtschaften der Welt, einschließlich der größten unter ihnen – der Europäischen Union (EU). Seine Vormachtstellung in den globalen Handels- und Investitionsströmen wächst. Die 700.000 chinesischen Studenten, die heute in Studiengängen im Ausland eingeschrieben sind, stellen die weniger als 60.000 Studenten aus den Vereinigten Staaten in den Schatten. Amerikanische Universitäten ziehen immer noch mehr als eine Million ausländische Studenten jährlich an, aber fast eine halbe Million internationaler Studenten entscheiden sich jetzt für ein Studium in China. Die Rolle Chinas in der globalen Wissenschaft und technologischen Innovation wächst, während die Amerikas abnimmt. Chinesen stellen mittlerweile mehr als ein Viertel der weltweiten technischen Fachkräfte. Sie führen die Welt bei den Patentanmeldungen mit immer größerem Abstand an. Nur vier Prozent der amerikanischen Schulen bieten Unterricht in Mandarin an, aber alle chinesischen Schulen unterrichten (mit zunehmender Kompetenz) Englisch – die globale Lingua franca – ab der dritten Klasse. Amerikas fremdenfeindliche Schließung der von der chinesischen Regierung geförderten „Konfuzius-Institute“ verspricht, selbst das derzeitige erbärmliche Niveau der Beschäftigung der Schüler mit der chinesischen Sprache in den US-Schulen zu lähmen. In der Zwischenzeit hat die zunehmend unfreundliche Atmosphäre auf dem US-Campus die Bewerbungen chinesischer und anderer ausländischer Studenten an amerikanischen Universitäten reduziert, besonders in den Natur- und Ingenieurwissenschaften.“
Militärisch, sagt er, basierte die „Eindämmung“ Chinas durch die USA in der Vergangenheit, besonders in Bezug auf Taiwan, auf einem überwältigenden Vorteil auf Seiten der USA. Diese Eindämmung hinderte China daran, „althergebrachte Ansprüche auf Inseln in seinen nahegelegenen Meeresregionen effektiv durchzusetzen und öffnete gleichzeitig den Weg für andere Anspruchsteller, diese zu besetzen.“ Nun aber „kann das chinesische Militär sein Land gegen jeden denkbaren ausländischen Angriff verteidigen. Sie scheinen auch in der Lage zu sein, Taiwan selbst gegen amerikanischen Widerstand einzunehmen – wenn auch nur zu enormen Kosten für sie selbst, Taiwan und die Vereinigten Staaten.“ Die heutige US-Militärpräsenz in der Region, schreibt Freeman, „hat den Effekt, daß sie Taiwans Weigerung, über eine Beziehung mit dem Rest Chinas zu sprechen – geschweige denn zu verhandeln – die den minimalen Anforderungen des chinesischen Nationalismus entsprechen und dadurch den Frieden aufrechterhalten könnte, unterstützt und bestärkt.“
Was die USA betrifft, die ihre „Freunde und Verbündeten“ gegen China aufbringen wollen, „werden sie feststellen, dass nur wenige von jenen die allumfassende Feindseligkeit gegen China teilen, der so viele Amerikaner verfallen sind…. Die paradoxe Realität ist, dass die Europäer sich von China nicht militärisch bedroht fühlen. Südost- und Südasiaten sehen (den Konflikt um) Taiwan als einen Kampf unter Chinesen, aus dem sie sich raushalten sollten. Selbst Länder wie Japan, die ein direktes strategisches Interesse am Status Taiwans haben, wollen nicht riskieren, in einen Kampf um Taiwan hineingezogen zu werden… Wenn die USA in einen Krieg mit China verwickelt würden, wäre Amerika wahrscheinlich auf sich allein gestellt oder zumindest beinahe.“
In Bezug auf die BRI macht Freeman einen interessanten Punkt: „Die Griechen erfanden das Konzept eines ‚Europas‘, das sich von dem unterscheidet, was sie ‚Asien‘ nannten. Die chinesischen Verbindungsprogramme (der ‚Belt and Road‘) stellen wieder ein zusammenhängendes ‚Eurasien‘ her. Viele Länder in diesen weit ausgedehnten Gebieten sehen ein zunehmend wohlhabendes und mächtiges China als unausweichlichen Teil ihrer eigenen Zukunft und ihres Wohlstandes. Einige scheinen über Kollateralschäden durch aggressive Aktionen der Vereinigten Staaten mehr besorgt zu sein, als über einen ausgeprägten Han-Chauvinismus. Nur wenige finden die Ungerechtigkeiten des gegenwärtigen chinesischen Autoritarismus attraktiv, aber noch weniger sind geneigt, sich mit den Vereinigten Staaten gegen China zu verbünden.“ Und er fügt hinzu: „Washington hat das Interesse vermissen lassen, das Niveau des diplomatischen Dialogs mit den Ländern des indopazifischen Raums, Zentralasiens, Ostafrikas, Russlands oder den EU-Mitgliedsstaaten aufrechtzuerhalten, das nötig wäre, um es mit Peking aufzunehmen. Sogar in Lateinamerika gelingt dies nicht. Es kann nicht mit bloßer Rhetorik funktionieren, und das ist im Moment alles, was die Vereinigten Staaten anzubieten haben.“
Er verweist auf Chinas große Fortschritte in Wissenschaft und Bildung im Vergleich zu den USA, die sich in einem „chronischen Haushaltsdefizit befinden, durch politischen Stillstand gelähmt sind und sich in nicht enden wollenden Kriegen verstricken, die Gelder, die für die heimische Verjüngung benötigt werden, in das Pentagon umleiten. Amerikas menschliche und physische Infrastruktur ist bereits in einem traurigen Zustand, und sie verschlechtert sich weiter. Wenn diese Schwächen nicht korrigiert werden, werden China und andere bald die jahrhundertelange Vorrangstellung der USA bei der globalen Wissenschaft, Technologie und Bildung in den Schatten stellen.“ Der törichte Schachzug der USA, „Peking von der internationalen Zusammenarbeit im Weltraum auszuschließen, (hat) zu zunehmend soliden Instrumenten selbstentwickelter chinesischer weltraumgestützter Fähigkeiten geführt, von denen viele von militärischer Relevanz sind. Die PLA-Marine hat viel mehr Schiffe als die USA, sie sind moderner, einige ihrer Waffen haben eine größere Reichweite, und ihre heimische Gefechtsfeldunterstützung ist viel näher an der potenziellen Kriegszone. Die chinesischen Industriekapazitäten übertreffen inzwischen die der Vereinigten Staaten bei weitem.
Zu den US-Sanktionen fügt er hinzu: „Sie erzeugen eine tatsächliche Bedrohung für die seit sieben Jahrzehnten bestehende Vorherrschaft des US-Dollars bei der Abwicklung des internationalen Handels. Die zunehmende Nutzung anderer Währungen bedroht sowohl die Wirksamkeit der US-Sanktionen, als auch die fortgesetzte Befreiung der amerikanischen Wirtschaft von Handelsbilanz- und Zahlungsbeschränkungen, die andere Länder betreffen…. Die in- und ausländischen Käufer von US-Staatsschulden könnten zu dem Schluss kommen, daß diese durch wenig mehr als die „moderne Geldtheorie“ gedeckt sind und aufhören, sie zu kaufen. Dies allein würde das ‚exorbitante Privileg‘ der Vereinigten Staaten beenden, Washington der Fähigkeit berauben, unilaterale Sanktionen durchzusetzen, und die amerikanische Dominanz im Indopazifik wirtschaftlich untragbar machen.“
Freeman schließt mit der Zurückweisung des Fukuyama-Mythos‘ vom „Ende der Geschichte“: „Ein tief verwurzelter Glaube an die liberal-demokratische Ideologie verleitete einige Amerikaner zu der Theorie, daß sich die chinesische politische Kultur bei ausreichendem Kontakt mit den USA unweigerlich zu einer Version der amerikanischen entwickeln würde. Daß dies nicht geschah, war kein Versagen des „Engagements“, wie amerikanische Sinophoben dies gerne darstellen. Chinas Beibehaltung seiner eigenen autoritären politischen Kultur spiegelt die Ergebnisse seines Systems wider, die die materiellen Bedürfnisse des chinesischen Volkes mehr als befriedigten und gleichzeitig den Stolz auf seine Nation wiederherstellten.“
Das Ende der geopolitischen Konfrontation und die Schaffung eine Neuen Paradigmas werden am 8. Mai auf der internationalen Schiller-Institut/ICLC Internetkonferenz thematisiert werden.