24/10/2018 –
„Ich höre immer nur Infrastruktur und wieder Infrastruktur. Wo bleiben denn die konkreten Vorschläge, die die großen Investitionen in die Infrastruktur in der Lausitz rechtfertigen sollen“, meckerte Bahnchef Ronald Pofalla am Donnerstag voriger Woche bei der Sitzung der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ in Großräschener Seehotel. Forderungen von Vertretern der Region nach einem Ausbau der regionalen Infrastruktur gingen Pofalla sichtlich auf die Nerven—die Forderungen sind aber mehr als berechtigt.
Da geht Anfang Dezember endlich die Niederschlesische Magistrale erstmals seit 70 Jahren als zweigleisige grenzüberschreitende Bahnverbindung nach Polen und weiter in Richtung Ukraine in Betrieb, aber wie es mit vielen solcher Europa-Projekte geht, werden sie ohne das Konzept des “Entwicklungskorridors” realisiert. Es fehlt die logische Anbindung der entlang der Trasse liegenden Regionen über weitere Bahntrassen, und es fehlt die Ansiedlung produktiver Betriebe, für die das Vorhandensein regionaler Infrastruktur unabdingbar ist. Für eine vom Beschluß der Politik zum Ausstieg aus der Braunkohle besonders betroffene Region wie die Lausitz wäre solch ein Konzept besonders wichtig, gehen doch 8000 Arbeitsplätze im Braunkohletagebau und weitere 12-15 000 in nachgelagerten Betrieben wie Transport, Bau, Handwerk durch den Ausstiegsbeschluß verloren. Die Region verliert überdies eine Jahrhunderte alte Geschichte des Kohleabbaus.
Die von grünen Argumenten motivierte Politik im Bund und den beiden betroffenen Ländern Brandenburg und Sachsen haben bereits eine scharf formulierte Lausitzer Petition gegen die “Ökodiktatur” provoziert, die Mitte Oktober bereits 8000 Unterzeichner auch außerhalb der Region gefunden hatte und über das Internet weiter zirkuliert.
Des weiteren hat die Gewerkschaft ICBE mehr als 11 000 Unterschriften einer Protestresolution von Lausitzern gesammelt. Außerdem haben sich Logistiker und Spediteure der Lausitz hinter einen Vorschlag gestellt, der die Region nach einem Ausbau der regionalen Infrastruktur als Drehscheibe für den Bahntransport entlang der Neuen Seidenstraße zwischen China und Europa sieht. Hierzu ist es aber dringlich, daß endlich der zweigleisige Ausbau der bisher eingleisigen Strecke zwischen Cottbus und Lübbenau und der Verbindung Richtung Berlin stattfindet, sowie die immer noch fehlende Strecken-Elektrifizierung von Cottbus nach Forst oder Görlitz, also den Anschluß an das längst elektrifizierte Netz der polnischen Bahn. Forderungen hierzu sind wiederholt in Berlin, in Potsdam und Dresden der Politik präsentiert worden, wenn Ronald Pofalla nach konkreten Vorschlägen fragt, so liegen die längst vor und sollten eigentlich für solche Treffen wie das in Großräschen in seiner Aktentasche liegen.
Grüne Träume von einem touristischen Märchenland Lausitz treffen in der Region nicht erst jetzt auf starken Widerstand. Nancy Nadebor, Chefin des gleichnamigen Mittelstandsunternehmens, das 250 Mitarbeiter für Aufträge im Lausitzer Tagebau beschäftigt und seit 2010 18 Millionen Euro in der Region investiert hat, spricht für alle diejenigen, für die der ersatzlose Kohleausstieg keine Option ist: „Wir setzen auf Rückkehrer, wollen den Altersdurchschnitt der Beschäftigten senken. Dazu aber braucht es eine Perspektive… Ausschließlich auf Tourismus zu setzen, greift zu kurz. Vielmehr müssen Industriearbeitsplätze geschaffen und (es muß) in die Infrastruktur investiert werden.” Das ist absolut richtig: wenn etwas in der Lausitzer Region produziert wird, kann es per Bahn nach Polen und die Ukraine in sämtliche an der Neuen Seidenstraße liegenden Länder bis nach China transportiert werden. So erhalten die Lausitzer eine wirtschaftliche Zukunftsperspektive, die ins 22. Jahrhundert hineinreicht.