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Jayshree Sengupta: BRICS und die neue internationale Weltordnung

Jayshree Sengupta

Senior Fellow an der Observer Research Foundation, Neu-Delhi, Indien

Audio (Englisch)


Eine Gruppe von Schwellenländern, genannt BRICS (Brasilien, Rußland, Indien, China und Südafrika), trat mit Beginn des 21. Jahrhunderts in Erscheinung, als Goldman Sachs für sie diesen Namen prägte. Heute bedeutet BRICS den Anbruch einer neuen Ära. Es bezeichnet eine Staatengruppe, die auf der Welt erstmals eine neue Macht hinter den fünf Schwellenländern repräsentiert, die reich an menschlichen und materiellen Ressourcen sind und eine reichhaltige Zivilisations- und Kulturgeschichte haben. Die Gruppe hat auch ein großes Wachstumspotential, auch wenn man sie derzeit noch als Entwicklungsländer bezeichnen mag. Die Gruppe ist vielgestaltig, doch es existiert eine Art Leim oder „Zement“ zwischen ihnen, der sie für die Zukunft zusammenhalten wird. Drei ihrer Mitglieder sind reich an Ressourcen und dünn besiedelt, und zwei andere sind dicht besiedelt und zählen zu den größten Ressourcenverbrauchern.

Sie haben sich eine Tagesordnung gegeben, zu der die Suche nach einer neuen Weltordnung gehört, in der sie eine entscheidende Rolle spielen würden, und dies dürfte das Ende der unipolaren Welt und den Aufstieg einer polyzentrischen und multipolaren Welt bedeuten. Das erste BRIC-Treffen fand am 16. Juni 2009 im russischen Jekaterinburg vor dem Hintergrund der globalen Finanzkrise statt. Südafrika schloß sich 2011 an.

BRICS ist und wird in Zukunft sehr bedeutsam sein, was ihren Anteil an Weltproduktion, Handel, Bevölkerung, Investitionen und Einkommen angeht. Heute repräsentiert BRICS 18% des Welthandels und 46% der Weltbevölkerung und hat ein Gesamt-BIP von 11 Billionen Dollar. Die Länder machen 26% der weltweiten Landmasse aus. Wie der indische Premierminister Narendra Modi sagte: „Zum ersten Mal kommt hiermit eine Gruppe von Nationen nach Maßgabe des ,Zukunftspotentials’ und nicht des bestehenden Wohlstands oder gemeinsamer Identitäten zusammen. Die eigentliche Idee hinter BRICS ist somit zukunftsorientiert.“ Eine solche Gruppe ist in der Tat Anlaß zur Sorge für Länder, die die heutige internationale Ordnung, insbesondere die Bretton-Woods-Zwillingsinstitutionen beherrschen.

Die BRICS-Länder streben eine Führungsrolle im globalen politischen und wirtschaftlichen Paradigma der Regierungsgewalt an und wollen eine größere Teilhabe für die Entwicklungswelt. Sie wollen umfassende Reformen in Institutionen wie dem UN-Sicherheitsrat, der Weltbank und dem Weltwährungsfonds herbeiführen.

Indien und die BRICS

Indien, ein Land, das für seine alte Zivilisation und sein reiches kulturelles Erbe bekannt ist, ist Mitglied von BRICS. Trotz der Tatsache, daß Indien einige der schönsten Monumente der Welt besitzt und dort immer noch die besten Kunsthandwerker und Weber leben, ist es heute ein Entwicklungsland. Gemessen am BIP ist Indien jedoch aufgrund seiner großen Bevölkerung von fast 1,3 Mrd. Menschen die drittgrößte Volkswirtschaft auf der Welt. Indien hat ein gewaltiges Wachstumspotential, wenn die Dinge richtig laufen, aber wenn die Politik falsch läuft, ist das Chaos vorprogrammiert.

Indien hat eine junge Bevölkerung, wobei 65% jünger als 40 Jahre sind, und es hat eine aufstrebende Mittelschicht, die bis zu 350 Mio. Menschen umfassen könnte. Es wird weiter gegen bitterste Armut und Mangel gekämpft. Dazu müssen in der Zukunft Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Nach 200 Jahren ausbeuterischer und gewaltsamer britischer Kolonialherrschaft erlangte Indien 1947 seine Unabhängigkeit. Mahatma Gandhi und Jawaharlal Nehru hatten ein Indien der Selbstregierung und demokratischer Werte, der Gewaltlosigkeit und größerer Harmonie für die Menschheit vor Augen. Sie strebten die Eigenständigkeit Indiens an, und Nehru setzte sich entschieden für den Aufbau einer Kapitalgüterindustrie zur rapiden Industrialisierung und für Wirtschaftswachstum ein. Er initiierte 1950 den ersten indischen Fünfjahresplan.

In den ersten vier Jahrzehnten nach der Unabhängigkeit lief jedoch vieles schief, und Indien erlebte viele Krisen: Nahrungsmangel, langsames Wachstum, Devisenprobleme und Kriege mit seinen Nachbarn. Es mußte sich 1991 zur Gewährung von Notkrediten an den IWF wenden, als die Regierung zahlungsunfähig wurde und der indische Entwicklungspfad auf Marktreformen und Liberalisierung umschwenkte.

Die Liberalisierung der indischen Wirtschaft seit 1991 brachte viele Vorteile, aber auch Nachteile. Die Globalisierung hat zu einem gewaltigen Reichtum für einige geführt – zu 10 Dollarmilliardären und 14.800 Dollarmillionären. Das ließ die Korruption aufblühen, und es entstand eine Machtelite, die alle Privilegien und Reichtümer für sich selbst anzuhäufen trachtete. Ein großer Teil der Bevölkerung blieb außen vor, ihrer Besitztümer und Fähigkeiten beraubt.

Auf diese Weise entstanden im Zuge von zwei Jahrzehnten der Liberalisierung zwei Indien – eines, das prosperierte und einen Lebensstil wie in den reichen Weltteilen pflegte, und das „andere“ Indien, in dem die Menschen ohne Menschenwürde leben und vielfältige Entbehrungen erleiden. Regionale Ungleichheiten haben auch zu ungleichen Lebensstandards geführt. In einigen Bundesstaaten herrscht mehr Rechtlosigkeit und Mangel an Staatsführung als in anderen. Das Denken in Patriarchats- und Klassenstrukturen, die Kasten- und Geschlechterdiskriminierung blieben unverändert, obgleich die Wirtschaft liberalisiert wurde.

Ein Schlüsselaspekt der Liberalisierung – der Grunderwerb zum Bau von Gebäuden, Fabriken und Exporthandelszonen – richtete sich ebenfalls gegen die Armen, da diese für das Land, das ihnen abgenommen wurde, nicht entsprechend entschädigt wurden. Genauso wie die Liberalisierung einige Leute sehr reich gemacht hat, hat sie aber auch große Teile der Bevölkerung verarmt. Durch eine bessere Regierungspolitik und eine engagierte Führung muß hier ein Gleichgewicht erreicht werden.

Der informelle oder organisierte Sektor nimmt immer noch 90% von Indiens 465 Mio. Arbeitskräften auf. In der Globalisierung spielt die Privatwirtschaft jetzt eine größere Rolle, aber sie beschäftigt nur 8% der Arbeitskräfte. Ähnlich beschäftigt die schnell wachsende ITK-Branche nur 2% der Arbeitskräfte. Indiens Aufgabe für die unmittelbare Zukunft ist die Schaffung von Arbeitsplätzen für 12,8 Mio. Jugendliche, die jedes Jahr auf den Arbeitsmarkt drängen.

Nach zehn Jahren neoliberaler Politik ist es jetzt zu einem Regierungswechsel gekommen, und ein einfacher Teeverkäufer ist bis zum Premierminister aufgestiegen, ein Mann, der Indien eifrig zur Größe verhelfen will, dabei aber seinem eigenen Entwicklungspfad und nicht dem Diktat von WTO, EU, Weltbank und IWF folgt. Er hat es bereits abgelehnt, den 500 Mrd. Dollar schweren Einzelhandelssektor Indiens multinationalen Handelsketten wie Walmart, Tesco usw. zu öffnen. Und das deswegen, weil es in Indien 40 Mio. Kleinhändler gibt, deren Lebensunterhalt auf dem Spiel steht, wenn die riesigen Handelsketten in Indien Fuß fassen. Er weigerte sich auch, das WTO-Handelserleichterungsabkommen zu unterzeichnen, weil es Indiens Haltung in der Frage der Ernährungssicherheit gefährden würde. Die Reformen von Narendra Modi werden hoffentlich anders ausfallen und dazu beitragen, den Normalbürger zu stärken statt nur die Reichen.

Indien ist gezwungen, 80 Mio. Kleinbauern indirekte Subventionen zu gewähren, da sie keine Bankkonten besitzen. Die Bildung von Nahrungsmittelreserven für 1,2 Mrd. Menschen ist absolut notwendig, aber die WTO betrachtet dies mit Argwohn, da es zu Preisverzerrungen führen könnte, wenn Indien die Überschüsse auf den Markt werfen würde. Die gesamte Subventionssumme beläuft sich derzeit auf über 10% des Wertes der Nahrungsmittelproduktion und liegt damit über dem Grenzwert der WTO. Da der Wert der Nahrungsmittelproduktion aber in Preisen von 1986 berechnet wird, hat sich Indien angesichts der hohen Nahrungsmittelteuerung in Indien geweigert, das WTO-Abkommen zu unterschreiben.

In den Jahren des Neoliberalismus wurden Indiens Bodenschätze geplündert, und die Stammes- und Ureinwohner wurden ausgebeutet, indem ihr Land in die Hände der Landmafia fiel. Aufgebracht und verarmt, ohne Kenntnisse und Geld nahmen die verarmten Stammesangehörigen in einem Drittel der 600 Bezirke Indiens den bewaffneten Kampf auf, was nach wie vor eine erhebliche Sicherheitsbedrohung neuen Typs für das Land darstellt. Im Bergbau hat sich unter dem Druck der Multis ebenfalls Betrug und Korruption ausgebreitet.

Indien braucht für Wachstum und Prosperität vor allem Infrastruktur. Während westliche Investoren sich darum reißen, Zugang zum indischen Markt zu bekommen, um der wachsenden Mittelschicht ihre Verbrauchsgüter zu verkaufen, indem sie den Einzelhandel übernehmen, engagieren sich nur wenige Infrastrukturentwicklungsfirmen für die Zukunft Indiens. In diesem Zusammenhang begrüßt Indien die Neue Entwicklungsbank der BRICS, die den Entwicklungsländern Kredite für die Infrastruktur gewähren wird, ohne an Bedingungen gekoppelt zu sein.

Die Neue Entwicklungsbank

Über die Einrichtung der Neuen Entwicklungsbank (NEB), auf die man sich auf dem jüngsten BRICS-Gipfel in Fortaleza in Brasilien geeinigt hatte, wurde viel Skepsis geäußert. Sie gilt als Konkurrentin zur Asiatischen Entwicklungsbank und als Herausforderin der Bretton-Woods-Zwillingsinstitutionen – IWF und Weltbank -, die die internationale Finanzarchitektur in der Nachkriegszeit dominiert haben.

Der globale Entwicklungsdiskurs wurde indes leider vorwiegend von Institutionen betrieben, die im 20. Jahrhundert entstanden sind und nicht die gegenwärtigen Realitäten reflektieren. So scheint beispielsweise der einzige Entwicklungskonsens heute der Washingtoner Konsens zu sein, der darauf abzielt, die Rolle des Marktes zu maximieren und die Rolle der Regierungen in den Entwicklungsländen zu minimieren. Das hat sich im 21. Jahrhundert wahrlich nicht als Wundermittel zur Überwindung der globalen Entwicklungsdefizite erwiesen. Das Einheitsmodell für Entwicklung war nicht erfolgreich, was sich leicht an dem unterschiedlichen Stand der Entwicklungsländer bei Erfüllung der Millenniums-Entwicklungsziele ablesen läßt.

Die Neue Entwicklungsbank wird eine brauchbare Alternative für die Entwicklungsländer sein, die sich in dem IWF-Weltbank-System nicht richtig repräsentiert sehen. Die Reform der IWF-Quoten und -Stimmrechte wurde nicht verwirklicht, da das Gesetz zur Billigung einer solchen Reform seit 2010 vom amerikanischen Kongreß verschleppt wird. Mit der Reform hätte das den Industrieländern im IWF gewährte starke Übergewicht korrigiert werden können, um zu einer besseren Repräsentation der Schwellenländer zu kommen. Die BRICS-Länder machen über ein Fünftel der Weltwirtschaft aus, verfügen aber zusammen nur über 11% der Stimmen im IWF. China, dessen Wirtschaft auf Platz zwei hinter der amerikanischen Wirtschaft steht, hat weniger Stimmen als die Beneluxländer.

Mit der Ausnahme Rußlands ist BRICS immer noch ein Forum von Entwicklungsländern, und das größte Interesse hat die Entwicklungswelt vor allem an Krediten für den Infrastrukturausbau. Wenn die Bank eingerichtet ist, wird es hoffentlich weniger Verzug bei der Kreditvergabe und weniger Auflagen geben. Sie wird den Mitgliedsländern Schutz vor globalem Liquiditätsdruck bieten und wird Währungshilfen gewähren, wenn die nationalen Währungen der Mitglieder von globalen Finanzwirren in Mitleidenschaft gezogen werden. Zu diesem Zweck wurde in Brasilien beschlossen, einen Reservefonds von 100 Mrd. $ zu schaffen.

In einigen Kreisen wird befürchtet, daß China mit seinem hohen Beitrag zu dem Reservefonds – was direkt damit zu tun hat, daß es die höchsten Devisenreserven hat – die Bank beherrschen werde. China steuert 41 Mrd. $, Rußland, Brasilien und Indien jeweils 18 Mrd. $ und Südafrika 5 Mrd. $ bei. Doch diese Angst dürfte unbegründet sein, obwohl sich der Hauptsitz der Bank in Schanghai befindet.

Es wird ein demokratisches Lenkungsverfahren geben, und jedes Mitglied hat gleiche Stimmrechte. Was die Verwaltung der Bank angeht, so wird ihr erster Präsident ein Inder sein, der erste Vorsitzende des Direktoriums ein Russe, der erste Vorstandsvorsitzende ein Brasilianer, und das erste Regionalzentrum der Bank wird in Südafrika sein.

Es gibt natürlich auch Probleme zwischen BRICS-Mitgliedern, wobei China und Indien seit langem Grenzstreitigkeiten miteinander haben, die gelöst werden müssen. Indien und China haben deswegen 1962 einen Krieg geführt. Außerdem muß in allen Mitgliedsstaaten das Wirtschaftswachstum angekurbelt werden, und es ist zunehmend wichtig, daß sie über ein eigenes Forum und über eine eigene Bank verfügen, welche sie kontrollieren.

Die BRICS-Bank versucht nicht, IWF und Weltbank zu ersetzen, sondern wird eine ergänzende Rolle spielen, um auf die Bedürfnisse der Entwicklungsländer einzugehen. Viele kleinere Länder in Südasien und Afrika werden bei ihr um Kredite nachfragen, und die Bedingungen könnten geringer sein als bei den großen Regionalbanken, die bisher dort tätig waren. Die Neue Entwicklungsbank wird Erfolg haben, wenn sie auf ein robustes Kreditbewertungsverfahren achtet.

Eine Mitgliedschaft bei der Bank steht auch anderen Ländern offen, aber der BRICS-Anteil darf nicht unter 55% fallen. Sobald sie ihre volle Funktionsfähigkeit erreicht hat, wird es mit dem Monopol der westlichen Länder (G7) bei der Festsetzung der globalen Agenda vorbei sein, und die Stimme des Globalen Südens wird vernehmbar werden.

Die BRICS wird mit ihrer eigenen Bank hoffentlich flexibler in der Bestimmung ihrer monetären Politik sein und mehr Einfluß auf die globalen Märkte ausüben. Mit Hilfe der Neuen Entwicklungsbank kann die BRICS besser zusammenarbeiten, ohne in den rigiden Rahmen des Washington-Konsenses eingezwängt zu sein.

Das Schwergewicht in den Ländern, die bei der Neuen Entwicklungsbank (NEB) Kredite aufnehmen, wird im Ausbau ihrer Leistungskapazitäten liegen. Bestehende eigene Kapazitäten im Bereich Projektmanagement und -umsetzung sowie die Schaffung neuer Einrichtungen, die das Messen der Entwicklungswirkung in den Empfängerländern ermöglichen sollen, werden unterstützt. Dies könnte über ein spezielles Finanzierungsfenster bei der NEB geschehen.

Die Absichtserklärung zwischen Exportbürgschaftseinrichtungen und dem Interbank-Kooperationsabkommen für Innovation könnte die Zusammenarbeit unter den BRICS-Staaten weiter fördern.

Die BRICS-Agenda

Die Agenda der BRICS muß zwangsläufig komplex sein, wenn sie ein Forum von starker und globaler Bedeutung sein will. Man arbeitet hart daran, neue Gebiete der Annäherung zu finden. Es ist an der Zeit, sich nicht mehr alten Denkmustern und Paradigmen zu unterwerfen, denn dies ist das Zeitalter, in dem Gruppen themenspezifisch sein werden.

Die Agenda für die BRICS wird erstens sein, Veränderungen in der globalen Finanzarchitektur zu bewirken und die globalen Finanzinstitutionen zu reformieren. Der Aufbau der NEB bedeutet, daß die Schwellenländer ihr eigenes Finanzsystem brauchen und ihren eigenen Regeln und Stimmrechten folgen müssen, da die Stimmrechtereform des IWF so lange auf sich warten läßt.

Der zweite Tagesordnungspunkt wäre, die interne BRICS-Kooperation bei Nahrungsmittelsicherheit, Wassermangel, Gesundheitsversorgung, inklusivem Wachstum, Urbanisierung, Handel und Investment zu verbessern. Die Mitglieder haben unterschiedliche Bedürfnisse und ihr Entwicklungsstand bei Ausbildung und Infrastruktur ist unterschiedlich und bedarf in vielen Fällen massiver Verbesserung.

Im Gesundheitswesen herrscht in den BRICS-Ländern eine ungleiche Entwicklung und es besteht ein großer Kooperationsbedarf. Die NEB kann beim Zugang zu Ressourcen helfen, um die Funktion des Gesundheitssektors vor allem in Indien, Rußland und Südafrika zu verbessern.

Die Zusammenarbeit bei der städtischen Infrastruktur und dem Gesundheitswesen von nahezu der Hälfte der Weltbevölkerung, die von der BRICS repräsentiert wird, wird vorbereitet. Die gemeinsame Nutzung von Ressourcen, Technologie, die beiderseitige Forschung und Entwicklung, die Koordinierung in wichtigen Bereichen wie IT, Energie und hochwertiger Fertigung steht ebenso auf der Entwicklungsagenda der fünf Mitglieder. Die BRICS wird eigene Verfahren und Erfahrungen miteinander teilen, um auf die großen sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen innerhalb und außerhalb ihrer Länder zu reagieren.

Die BRICS hat wiederholt betont, Ungleichheiten und Armut abzubauen. Gemessen am Human Development Index liegen die meisten Mitglieder hinter den entwickelten Ländern zurück. Die BRICS hat einen durchschnittlichen Gini-Koeffizienten von 0,49 im Vergleich zu 0,31 in den entwickelten Ländern sowie eine Lebenserwartung von 68,1 Jahren, welche in den entwickelten Ländern bei 80 Jahren liegt. Auch bei der mittleren Ausbildungszeit liegt die BRICS bei 8,14 Jahren im Vergleich zu 13 Jahren in den entwickelten Ländern.

Der gewichtete Mittelwert von Infrastrukturinvestitionen in den BRICS-Ländern muß bei ungefähr 7% des jeweiligen nationalen BIP liegen, was deutlich über dem Anteil in den entwickelten Ländern liegt. Indien braucht dafür sogar 9,6% seines BIP in den nächsten fünf Jahren.

 

Tab. 1: Infrastrukturindikatoren ausgewählter Länder

Land Stromverbrauch (kWh/Kopf p.a.) Festnetzanschlüsse ans Internet (je 100 Einwohner) Eisenbahnen (Strecken-km) Befestigte Straßen (%) Qualität der Infrastruktur (internationaler Rang)
Brasilien 2.438 10,08 29.817 13,5 104
Rußland 6.486 16,62 84.249 72,2 100
Indien 684 1,16 64.460 53,8  86
China 3.298 13,63 66.298 63,7 69
Südafrika 4.604 3,06 20.500 17 60
Japan 7.848 28,84 20.140 80,4 13
USA 13.246 28,54 228.218 65,4 24
Deutschland 7.081 34,58 33.509 100,0 10

Quelle: World Development Indicators, World Economic Forum, CIA Factbook

 

Drittens soll ein verstärkter Gebrauch der Währungen der fünf Mitglieder dazu dienen, den Handel zwischen den BRICS-Staaten zu verbessern und einen dynamischen Mechanismus für größere Zusammenarbeit zwischen den Börsen der fünf Länder einzurichten.

Viertens stehen auf der Agenda auch die globalen politischen Fragen, der Verzicht auf Gewaltandrohung in den internationalen Beziehungen, die Bedeutung multilateraler Verfahren bei der Behandlung globaler Fragen und die Bestätigung der G20 als Haupteinrichtung zur Behandlung globaler Wirtschafts- und Finanzfragen. BRICS strebt die Erstellung einer Roadmap für eine multipolare Welt an. Sie strebt eine Führungsrolle im globalen politischen und wirtschaftlichen Führungsparadigma an und sucht mehr Gerechtigkeit für die Entwicklungswelt. Sie möchte die Marktintegration vorantreiben und sicherstellen, daß die fünf Mitglieder von zyklischen Trends in der Weltwirtschaft und dem Auf und Ab im Wert des Dollars infolge von Veränderungen der US-Finanzpolitik weniger abhängig werden.

Das Entstehen der BRICS ist Ausdruck der Dritte-Welt-Bewegung des 20. Jahrhunderts und des Erstarkens der Süd-Süd-Solidaritätsbewegung. Der Süd-Süd-Handel beträgt 2,2 Bio. $ und übersteigt den Nord-Süd-Handel. Die NEB verspricht für die Zukunft eine wesentliche Kapitalquelle für die Entwicklungswelt zu werden, die dringendst ihre Infrastruktur entwickeln muß. Vor allem Indien und Brasilien brauchen eine Verbesserung ihrer harten und weichen Infrastruktur, was Billionen von Dollar kosten wird.

Die BRICS beabsichtigt ebenso, ihre Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Terrorismus, der Cyberkriminalität und beim Klimawandel zu verstärken.

In den BRICS-Ländern befinden sich einige der weltweit wertvollsten Regionen, was Artenvielfalt anbetrifft. Sie wollen proaktiv für den Schutz dieser Gegenden zusammenarbeiten, eine nachhaltige Entwicklung fördern und die ökologische Basis in allen Mitgliedsländern erhalten. Sie werden auch bei der Vermeidung von Klimawandelkonflikten kooperieren, wofür einige BRICS-Länder anfällig sind in Form der Migration von Menschen, die in Küsten- oder überschwemmungsgefährdeten Gebieten leben.

Der indische Premierminister hat gesagt, die BRICS sollte auch den Austausch auf subnationaler Ebene und das Engagement zwischen BRICS-Bundesstaaten, -Städten und anderen lokalen Einrichtungen fördern. Er betonte, der Motor hinter BRICS sollte der Kontakt zwischen den Menschen sein, wobei die Jugend die Führung übernehmen solle.

Die BRICS gewinnt an Stärke und wird ein wichtiger Herausforderer der alten Weltordnung sein, die in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden ist und die angesichts der Realitäten des 21. Jahrhunderts und der Notwendigkeit für eine multipolare Welt korrigiert werden muß.

Die BRICS wird sich notwendigerweise ausdehnen. Zu den Ländern, die auf einen Beitritt warten, gehören die Türkei, Indonesien und Mexiko. Andere, kleinere Länder werden ebenso ihre Aufnahme beantragen, sobald der Weg der BRICS sich verdeutlicht und etabliert haben wird.

 

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