2. August (EIRNS) – Botschafter Chas Freeman, Diplomat und hoher Beamter des US-Verteidigungsministeriums im Ruhestand und wahrscheinlich der führende Experte der USA in Fragen zu China und viele andere Regionen der Welt, bezeichnete in einem Interview mit EIR und dem Schiller-Institut am 1. August den geplanten Besuch der Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in Taiwan als „einen Akt extremer Verantwortungslosigkeit“. Das vollständige Interview finden Sie auf der Webseite des Schiller-Instituts.
Der Besuch werde Taiwan nicht helfen, sondern es stark gefährden, sagte Freeman. „Was genau die Chinesen tun werden, weiß niemand. Sie haben viele, viele Möglichkeiten, politisch, wirtschaftlich und militärisch. Es ist klar, daß die Sprecherin sich selbst in eine Lage gebracht hat, in der sie nicht mehr nicht fahren könnte. Ebenso hat sie Taiwan in eine Lage gebracht, in der es sie nicht mehr empfangen könnte. Und sie hat die chinesische Regierung in eine Lage gebracht, in der sie nicht eskalieren muß. Die traurige Realität ist, da sowohl das Weiße Haus als auch das Militär in Washington diese Reise eher als schädlich denn als hilfreich ansehen. Aber das Weiße Haus hat nicht den Mut gehabt, die Reise von Frau Pelosi zu blockieren.“
Mit Blick auf die Ukraine sagte er: „Ich denke, die Frage der Ukraine und die Frage Taiwans haben insofern etwas gemeinsam, als es eine wichtige Lehre gibt, die wir aus den Geschehnissen in der Ukraine ziehen sollten: Wenn man sich über die nachdrücklich geäußerten Einwände einer Großmacht gegen das eigene Handeln hinwegsetzt, geschieht dies auf eigene Gefahr und auf die Gefahr derer, die man vorgibt zu schützen. Rußland wurde zu seinem Vorgehen in der Ukraine provoziert, was sein Handeln in der Ukraine nicht rechtfertigt. Es war nicht gerechtfertigt, aber provoziert. Eine ähnliche Möglichkeit besteht im Fall von Taiwan“.
Botschafter Freeman geht nicht davon aus, daß China sofort handeln werde, sondern daß es einige offene Schritte einleiten und bestimmte Forderungen stellen werde, während es sich auf militärische Maßnahmen vorbereitet, die erst dann ergriffen werden, wenn es sicher ist, daß sie erfolgreich sein werden. Viele in China, aber nicht alle, glauben inzwischen, so fügte er hinzu, daß eine friedliche Wiedervereinigung unmöglich sei.
Es gibt viele in Taiwan, insbesondere die auch auf dem Festland massiv vertretene Geschäftswelt, die keinen Krieg wollen, aber sie sind nicht an der Macht. Die regierende Demokratische Fortschrittspartei will die Unabhängigkeit und wird von den USA dazu gedrängt, sich auf Provokationen einzulassen.
Botschafter Freeman betonte, zwischen China und den USA bestehe ein enormer kultureller Unterschied, der in den USA nicht verstanden werde. China habe 14 Anrainerstaaten, von denen mehrere direkt vor der Küste liegen, sowie die Siebte Flotte der USA, die ständig präsent sei, während die USA zwei Anrainerstaaten hätten und durch die Ozeane isoliert seien. China hat ein Drittel der Ackerfläche der USA und eine viermal so große Bevölkerung, die ernährt werden müsse. Die chinesische Geschichte ist „voller Vorkommnisse von Massensterben durch Verhungern, politischen Umwälzungen oder ausländischen Invasionen. Die Chinesen wollen also eine Regierung, die etwas kann. Sie wollen eine starke Regierung, die die Verantwortung für die Aufrechterhaltung der Ordnung und für das Wohlergehen ihrer Familien übernimmt. In den Vereinigten Staaten ist die Fehlerspanne riesengroß: wir wollen eine Regierung, die nichts oder so wenig wie möglich tut. ,Die beste Regierung ist die, die am wenigsten regiert‘, sagte Thomas Jefferson. Kein Chinese würde so etwas jemals sagen…. Ich denke, in China ist man sich darüber im klaren, daß die Vereinigten Staaten in einzigartiger Weise gesegnet sind mit Ressourcen, Raum, Trennung vom Rest der Welt durch Ozeane, freundliche Nachbarn, von denen nur zwei direkt angrenzen. Und die Chinesen sind sich sehr wohl bewußt, daß sie keinen dieser Vorteile genießen. Das führt zu vielen Mißverständnissen zwischen den beiden Ländern und veranlaßt einige Amerikaner, China als einen Fluch zu betrachten.“
Botschafter Freeman sagte, die von den USA angestrebte „Abkopplung“ von China werde den USA genauso viel oder mehr Schaden zufügen als China. Er ist nicht so optimistisch, daß die Nationen der Welt für ein Neues Bretton Woods System gewonnen werden könnten, verweist aber auf die Fortschritte der BRICS in Richtung einer neuen Handelswährung außerhalb des Dollars. Wenn die Saudis zustimmen, daß Öl in anderen Währungen als dem Dollar gehandelt wird, wird der Dollar seiner Meinung nach zusammenbrechen.