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Ein Interview mit Jens Jørgen Nielsen: Wie können wir einen Krieg zwischen USA/NATO und Rußland vermeiden?

Ein Interview mit Jens Jørgen Nielsen: Wie können wir einen Krieg zwischen USA/NATO und Rußland vermeiden?

Der dänische Rußland-Experte Jens Jørgen Nielsen hat einen Hochschulabschluß in Ideengeschichte und Kommunikation. Ende der 90er Jahre war er Moskau-Korrespondent der großen dänischen Tageszeitung Politiken. Er ist Autor mehrerer Bücher über Rußland und die Ukraine und Leiter der Organisation „Russisch-Dänischer Dialog“. Darüber hinaus ist er außerordentlicher Professor für Kommunikation und kulturelle Unterschiede am Niels Brock Business College in Dänemark. Michelle Rasmussen, die Vizepräsidentin des Schiller-Instituts in Dänemark, führte am 30. Dezember 2021 mit ihm ein Interview über die wachsenden Spannungen zwischen dem Westen und Rußland.

Michelle Rasmussen: (…)In den letzten Tagen haben Präsident Putin und andere hochrangige russische Sprecher erklärt, Rußlands rote Linien seien fast überschritten, und haben zu Vertragsverhandlungen aufgerufen, um vom Abgrund wegzukommen. Was sind diese roten Linien und wie gefährlich ist die derzeitige Situation?

Jens Jørgen Nielsen: Ich danke Ihnen für die Einladung. Zunächst möchte ich sagen, daß ich die von Ihnen aufgeworfene Frage nach den roten Linien und auch die Frage, ob wir in einen neuen Krieg schlafwandeln, für sehr wichtig halte. Denn als Historiker weiß ich, was 1914 zu Beginn des Ersten Weltkriegs geschah: eine Art Schlafwandeln. Niemand wollte den Krieg wirklich, aber es endete mit einem Krieg, zig Millionen Menschen kamen um, und die ganze Welt löste sich zu dieser Zeit auf, die Welt war nie mehr dieselbe. Ich denke also, daß die Frage, die Sie hier stellen, sehr, sehr relevant ist.

Sie haben mich speziell nach Putin und den roten Linien gefragt. Man kann den Standpunkt vertreten – ich habe gehört, daß Bill und Hillary Clinton, John Kerry und viele andere amerikanische Politiker das behaupten -, daß es so etwas wie rote Linien nicht mehr gibt. Es gäbe keine Einflußzonen mehr, weil wir eine neue Welt haben, eine neue liberale Welt, in der solche Dinge nicht mehr existieren. Das gehöre in ein anderes Jahrhundert und ein anderes Zeitalter.

Aber man könnte die Frage stellen, was die Amerikaner eigentlich in der Ukraine tun, wenn nicht ihre eigenen roten Linien verteidigen? Ich denke, wenn da eine Supermacht ist, eine Großmacht wie Rußland, dann ist es ganz natürlich, daß jede Supermacht gewisse rote Linien hat. Denn man kann sich vorstellen, was passieren würde, wenn China, der Iran und Rußland ein Militärbündnis eingehen und sich in Mexiko, Kanada und Kuba breitmachen und dort vielleicht auch Raketen aufstellen würden. Ich glaube nicht, daß irgendjemand daran zweifelt, was passieren würde – die Vereinigten Staaten würden das natürlich niemals akzeptieren.

Die Russen würden also normalerweise fragen: Warum sollten wir akzeptieren, daß die Amerikaner mit der Ukraine verhandeln und sich darauf vorbereiten, vielleicht militärische Ausrüstung in der Ukraine aufzustellen? Warum sollten wir das tun? Ich halte das für eine sehr wichtige Frage. Und im Grunde sehen die Russen das heute als eine Frage der Macht, denn die Russen haben sich tatsächlich seit, ich würde sagen, 30 Jahren sehr bemüht. Sie haben sich wirklich bemüht. Ich war vor 30 Jahren in Rußland. Ich spreche Russisch. Ich bin mir ziemlich sicher, daß die Russen damals davon träumten, Teil der westlichen Gemeinschaft zu sein, und sie hatten eine sehr, sehr hohe Meinung von den westlichen Ländern, die Amerikaner waren zu dieser Zeit äußerst beliebt. 80% der russischen Bevölkerung hatten 1990 eine sehr positive Einstellung zu den Vereinigten Staaten. Später, heute und auch schon seit einigen Jahren, haben 80%, derselbe Prozentsatz, eine negative Einstellung zu den Amerikanern. Es ist also etwas passiert, und zwar nichts sehr Positives, denn vor 30 Jahren gab es begründete Aussichten auf eine neue Welt.

Es gab wirklich Ideen in diese Richtung, aber in den 90er Jahren wurde tatsächlich etwas vermasselt. Ich habe eine Vorstellung davon. Vielleicht können wir das im Detail besprechen. Aber man hat es vermasselt. Normalerweise denken heute viele Menschen im Westen, an den Universitäten, in der Politik usw., an allem wäre Putin schuld. „Es ist Putins Schuld. Was auch immer passiert ist, ist Putins Schuld.“ Und nun befinden wir uns in einer Situation, die der von Ihnen erwähnten Kubakrise sehr nahe kommt.

Ich glaube aber nicht, daß es ganz so ist. Ich denke, zum Tango gehören immer zwei. Das wissen wir natürlich, aber ich glaube, viele westliche Politiker haben nicht erkannt, daß der Westen eine Mitschuld an dieser Situation trägt, denn hier spielen viele Dinge eine Rolle, die wir uns in einer solchen Situation jetzt vorstellen können.

Die Fehler des Westens

Ich denke, das wichtigste, wenn man es aus russischer Sicht betrachtet, ist die Ausdehnung der NATO nach Osten. Ich halte das für eine wirklich schlechte Sache, denn Rußland war von Anfang an dagegen. Sogar Boris Jelzin, der als Mann des Westens, des demokratischen Rußlands galt, war sehr, sehr dagegen, daß dieses NATO-Bündnis nach Osten bis an die Grenzen Rußlands vorrückt.

Und wir können das jetzt sehen, denn kürzlich wurde in Amerika neues Material veröffentlicht, ein Briefwechsel zwischen Jelzin und Clinton zu dieser Zeit. Wir wissen daher genau, daß Jelzin und Andrej Kosyrew, der damalige russische Außenminister, sehr dagegen waren. Und dann kam Putin. Putin kam nicht, um dem russischen Volk seinen Willen aufzuzwingen, er kam, weil es in Rußland den Willen gab, sich dieser NATO-Erweiterung nach Osten zu widersetzen. Ich denke also, daß die Dinge an diesem Punkt begannen.

Später gab es dann die Georgien-Krise 2008 und natürlich die Ukraine-Krise 2014, mit der Krim und dem Donbaß usw.

Und jetzt sind wir sehr, sehr nahe daran – ich glaube nicht, daß es sehr wahrscheinlich ist, daß es einen Krieg geben wird, aber wir sind sehr nahe daran. Denn ich glaube, daß Kriege oft durch irgendeinen Fehler beginnen, durch einen Unfall. Jemand drückt versehentlich am Abzug oder drückt irgendwo einen Knopf, und plötzlich passiert etwas. Genau das ist 1914 passiert, zu Beginn des Ersten Weltkriegs. Jemand wurde in Sarajewo erschossen. Jeder weiß das, und solche Dinge können passieren. Und für uns, die wir in Europa leben, ist der Gedanke an einen Krieg schrecklich. Man kann Putin hassen. Man kann denken, was man will. Aber der Gedanke an einen Atomkrieg ist für uns alle furchtbar, und deshalb denke ich, daß die Politiker zur Vernunft kommen könnten.

Und ich halte auch diese Dämonisierung Rußlands und Putins für sehr schlecht – natürlich für die Russen, aber es ist auch sehr schlecht für uns hier im Westen, für uns, in Europa und auch in Amerika. Ich glaube nicht, daß das gut für unsere Demokratie ist. Ich glaube nicht, daß es überhaupt gut ist. Ich sehe darin nicht sehr viele gesunde Perspektiven. Ich sehe gar keine.

Ich sehe andere Perspektiven, denn wir könnten auf andere Weise zusammenarbeiten. Es gibt natürlich Möglichkeiten, die bisher nicht genutzt oder umgesetzt werden, die man aber sehr wohl nutzen könnte.

Also ja, Ihre Frage ist sehr, sehr relevant und wir können ausführlich darüber sprechen. Ich bin sehr froh, daß Sie diese Frage stellen, denn wenn man diese Fragen heute in den dänischen und westlichen Medien überhaupt stellt – da denken alle, es reicht, zu sagen, Putin ist ein Schurke, Putin ist ein Gauner, und damit ist alles gut. Nein, wir müssen miteinander auskommen. Wir müssen Wege finden, um zu kooperieren, denn sonst wird das unser aller Untergang sein.

Rasmussen: Können Sie die Geschichte der NATO-Osterweiterung noch einmal kurz erläutern? Bei den von Rußland vorgeschlagenen Verträgen geht es erstens darum, die Ukraine daran zu hindern, formell Mitglied der NATO zu werden, und zweitens darum, die allgemeine Ausweitung der NATO nach Osten zu verhindern, sowohl in Bezug auf Soldaten als auch auf militärische Ausrüstung. Können Sie etwas dazu sagen, auch im Hinblick auf die gebrochenen Versprechen von westlicher Seite?

Nielsen: Ja. Eigentlich geht die Geschichte bis zum Anfang der neunziger Jahre zurück. Ich hatte 1999 ein langes Gespräch mit Michail Gorbatschow, dem ehemaligen Staatschef der Sowjetunion, gerade als die NATO begann, Serbien zu bombardieren, und als sie Polen, die Tschechische Republik und Ungarn in die NATO aufnahm. Zu der Zeit führte ich ein langes Gespräch mit Gorbatschow. Man sollte nicht vergessen, daß Gorbatschow ein sehr netter Mensch ist. Er ist ein sehr lebhafter Mensch, gut gelaunt, und ein erfahrener Mensch. Aber als wir anfingen zu reden, fragte ich ihn nach der NATO-Erweiterung, die genau an dem Tag stattfand, als wir uns unterhielten. Er wurde sehr düster, sehr traurig, und er sagte: „Nun, ich habe mit James Baker, Helmut Kohl aus Deutschland und einigen anderen gesprochen, und sie alle haben mir versprochen, sich keinen Zentimeter nach Osten zu bewegen, wenn die Sowjetunion Deutschland die Vereinigung der DDR und Westdeutschlands erlaubt, ein Land zu werden, und Mitglied der NATO zu werden – sie würden sich keinen Zentimeter nach Osten bewegen.“

Ich denke auch, einige der neuen Materialien, die veröffentlicht wurden – ich habe einige davon gelesen, einiges auf WikiLeaks, anderes kann man finden, es ist freigegeben – sind sehr interessant. Es besteht überhaupt kein Zweifel. Es gab mehrere mündliche persönliche Versprechen an Michail Gorbatschow. Sie wurden nicht schriftlich festgehalten, denn wie er sagte: „Ich habe ihnen geglaubt. Ich erkenne jetzt, daß ich naiv war.“

Ich denke, das ist ein Schlüssel zu Putin heute, um zu verstehen, warum Putin nicht nur schöne Worte will. Er will etwas, das auf einem Vertrag basiert, weil er dem Westen im Grunde genommen nicht glaubt. Das Vertrauen zwischen Rußland und den NATO-Ländern ist heute sehr, sehr gering. Und das ist natürlich ein Problem, und ich glaube nicht, daß wir es in wenigen Jahren überwinden können. Es braucht Zeit, um Vertrauen aufzubauen, aber im Moment ist das Vertrauen noch nicht da.

Jedenfalls hat sich die NATO-Erweiterung Schritt für Schritt vollzogen. Zuerst waren es die drei Länder Polen, Ungarn und die Tschechische Republik, und dann, 2004, sechs Jahre später, kamen unter anderem die baltischen Republiken, die Slowakei, Rumänien und Bulgarien hinzu. Später kamen dann die anderen hinzu, Albanien, Kroatien usw. Und dann gab es 2008 einen NATO-Gipfel in Bukarest, auf dem George W. Bush, der Präsident der Vereinigten Staaten, Georgien und der Ukraine die Mitgliedschaft in der NATO versprach. Putin war anwesend. Zu dem Zeitpunkt war er nicht Präsident. Er war Ministerpräsident Rußlands, der Präsident war Medwedjew. Er war damals sehr wütend. Doch was konnte er tun? Er sagte aber damals sehr, sehr deutlich: „Das akzeptieren wir nicht, weil hier unsere roten Linien überschritten würden. Wir haben die baltischen Staaten [in der NATO] akzeptiert. Wir weichen zurück. Wir weichen seit Jahren zurück, aber jetzt kommt das nicht auf den Tisch.“

Es kam, wie es kam, weil Deutschland und Frankreich, Merkel und Hollande, damals nicht akzeptierten, daß die Ukraine und Georgien Mitglied der NATO werden. Aber die Vereinigten Staaten drängten darauf, und es steht immer noch auf der Tagesordnung der Vereinigten Staaten, daß Georgien und die Ukraine Mitglied der NATO werden sollen.

Im August desselben Jahres, einige Monate nach diesem NATO-Gipfel, kam es dann zu einem kleinen Krieg, bei dem Georgien Südossetien angriff, das früher ein selbstverwalteter Teil Georgiens war. Der amtierende georgische Präsident Micheil Saakaschwili wollte den autonomen Status Südossetiens nicht akzeptieren, also griff Georgien Südossetien an. In Südossetien waren russische Soldaten stationiert, und 14 von ihnen wurden von der georgischen Armee getötet.

Man könnte folgendes sagen: George W. Bush hatte dem georgischen Präsidenten Saakaschwili versprochen, die Amerikaner würden die Georgier unterstützen, falls Rußland Vergeltung üben sollte – was auch geschah. Die russische Armee war natürlich viel größer als die georgische Armee, sie zerschlug die georgische Armee in fünf Tagen und zog sich dann zurück. Die Vereinigten Staaten haben den Georgiern nicht geholfen. Und ich denke, daß das vom moralischen Standpunkt aus gesehen keine sehr kluge Politik ist, denn man kann nicht sagen: „Macht einfach weiter, wir werden euch helfen“ – und dann, wenn es ernst wird, überhaupt nicht helfen. Vom moralischen Standpunkt aus betrachtet ist das nicht sehr fair.

Der Putsch in der Ukraine

Aber im Grunde ist es das Gleiche, was jetzt offenbar in der Ukraine passiert. In der Ukraine gab es 2014 einen Staatsstreich, so würde ich es nennen, einen orchestrierten Staatsstreich. Ich weiß, daß es dazu völlig unterschiedliche Meinungen gibt, aber meine Meinung ist, daß es eine Art Putsch war, um den amtierenden Präsidenten Viktor Janukowitsch zu stürzen und ihn durch jemanden zu ersetzen, der sehr stark daran interessiert war, in die NATO zu kommen.

Janukowitsch war nicht besonders an einem NATO-Beitritt interessiert, aber er hatte immer noch die Mehrheit der Bevölkerung. Und das ist interessant. In der Ukraine gab es viele Meinungsumfragen, die von Deutschen, Amerikanern, Franzosen, Europäern, Russen und Ukrainern durchgeführt wurden; und alle diese Meinungsumfragen zeigen, daß eine Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung nicht der NATO beitreten wollte.

Dann ging alles bekanntlich sehr schnell, denn die Krim war für Rußland aus vielen Gründen eine sehr, sehr heikle Frage. Erstens war die Krim ein umstrittenes Gebiet, das war es von Anfang an, seit 1991, als die Ukraine unabhängig wurde. Es gab keine Einstimmigkeit über die Krim und ihren Status, weil der größte Teil der Krim russischsprachig war und Rußland kulturell, historisch sehr nahe steht. Sie steht Rußland sehr nahe, es ist sogar einer der patriotischsten Teile Rußlands. Es ist also insofern ein sehr merkwürdiger Teil der Ukraine, das war schon immer so – ein sehr merkwürdiger Teil der Ukraine.

Und so habe ich keinen Zweifel daran, bezogen auf die Mehrheit der Menschen in einem Konflikt, wenn das erste, was die neue Regierung im Februar 2014 tat, war, die russische Sprache zu verbieten, als eine Sprache, die in der lokalen Verwaltung verwendet wurde, und ähnliches: Das war eines der dümmsten Dinge, die man in einer so angespannten Situation tun konnte. Die Ukraine ist im Grunde eine sehr gespaltene Gesellschaft. Der östliche, südliche Teil liegt sehr nah an Rußland. Sie sprechen Russisch und sind der russischen Kultur sehr nahe. Der westliche Teil, der westlichste Teil um Lemberg, liegt sehr nahe an Polen und Österreich und solchen Gebieten. Es ist also eine gespaltene Gesellschaft. Und in einer solchen Gesellschaft hat man mehrere Möglichkeiten. Eine Möglichkeit ist, alle verschiedenen Teile der Gesellschaft einzubinden. Oder man kann, und das ist dann auch passiert, einem Teil seinen Willen aufzwingen, gegen dessen Willen. Und genau das ist passiert.

Es gibt also mehrere Krisen. Es gibt die Krise in der Ukraine, mit zwei ungefähr gleich großen Teilen der Ukraine. Aber auf der anderen Seite gibt es auch die Frage zwischen Rußland und der NATO. Da waren also zwei Krisen, die zusammenkamen und 2014 zugespitzt wurden. Sie hatten also eine sehr explosive Situation, die bis heute nicht gelöst ist.

Und was die Ukraine betrifft, so sage ich, daß es unmöglich ist, diesen Konflikt zwischen Rußland und der NATO zu lösen, solange es sich um eine der korruptesten und ärmsten Gesellschaften in Europa handelt. Viele Menschen kommen von dort nach Dänemark, wo wir jetzt sind, nach Deutschland und auch nach Rußland. Millionen von Ukrainern sind ins Ausland gegangen, um dort zu arbeiten, denn es gibt wirklich viele, viele soziale Probleme, wirtschaftliche Probleme und so weiter.

Und das ist der Grund, warum Putin sagte – erinnern wir uns, was Gorbatschow mir über die Dinge auf dem Papier sagte, über Verträge, die unterzeichnet werden – ,was Putin tatsächlich zum Westen sagte: „Ich glaube euch nicht wirklich, denn ihr betrügt, wenn ihr damit durchkommt.“ Er hat es zwar nicht so ausgedrückt, aber genau so hat er es gemeint. „Deshalb sage ich euch jetzt sehr, sehr, sehr, sehr deutlich, was unsere Standpunkte sind. Wir haben rote Linien, so wie ihr rote Linien habt. Versucht nicht, sie zu überschreiten.“

Und mir scheint, daß das vielen Menschen im Westen nicht gefällt. Ich denke, es ist sehr klar, denn wenn man es historisch vergleicht, sind die roten Linien sehr vernünftig. Wenn man es mit den Vereinigten Staaten und ihrer Monroe-Doktrin vergleicht, die in den USA immer noch gültig ist, dann sind das sehr, sehr vernünftige rote Linien. Ich würde sagen, daß die Ukraine, viele Ukrainer, Rußland sehr nahe stehen. Ich habe viele ukrainische Freunde. Manchmal vergesse ich, daß sie Ukrainer sind, denn ihre Muttersprache ist eigentlich Russisch, das dem Ukrainischen ähnlich ist. Daß solche Länder Teil eines antirussischen Militärpakts sind, ist deshalb einfach Wahnsinn. Das kann nicht funktionieren. Es wird nicht funktionieren. Ein solches Land würde für viele, viele Jahre oder sogar nie wieder ein normales Land sein.

Ich denke, ein Großteil der Schuld liegt bei der NATO-Erweiterung und bei den Politikern, die seit Jahren darauf drängten. In erster Linie waren es zuerst Bill Clinton und Madame Albright ab 1993. Zu der Zeit haben sie die Politik der großen Osterweiterung beschlossen. Und auch George W. Bush drängte darauf, daß die Ukraine und Georgien Mitglieder der NATO werden.

Und je mehr das passiert, desto mehr sammeln sich die Menschen in Rußland um die Fahne. So könnte man es ausdrücken, denn es wird Druck ausgeübt. Und je mehr Druck wir mit der NATO ausüben, desto mehr werden sich die Russen um die Fahne scharen, und desto autoritärer wird Rußland sein. Wir befinden uns also in dieser Situation. Es geschehen auch Dinge in Rußland, die ich zugegebenermaßen nicht gut finde, wie die Schließung einiger Büros, die Schließung einiger Medien – das gefällt mir ganz und gar nicht. Aber in einer Zeit der Konfrontation halte ich das für rational und verständlich, auch wenn ich es nicht verteidigen würde. Aber es ist verständlich. Denn die Vereinigten Staaten haben nach dem 11. September 2001 auch eine Menge Verteidigungsmaßnahmen ergriffen, eine Art Zensur und dergleichen. So etwas passiert also, wenn man solche angespannten Situationen hat.

Wir sollten auch nicht vergessen, daß Rußland und die Vereinigten Staaten die beiden Länder sind, die 90 Prozent der weltweiten Atomwaffen besitzen. Allein der Gedanke, daß sie etwas davon einsetzen könnten, ist eine Weltuntergangsperspektive, denn das wird kein „kleiner“ Krieg sein wie der Zweite Weltkrieg, sondern es würde den Zweiten Weltkrieg in den Schatten stellen, Milliarden Menschen würden sterben. Und es ist nicht sicher, ob die Menschheit überleben wird. Es ist also eine sehr, sehr ernste Frage. Und ich glaube, wir sollten uns fragen, ob das Recht der Ukraine auf eine NATO-Mitgliedschaft, die ihre eigene Bevölkerung nicht wirklich will, wirklich das Risiko eines Atomkriegs wert ist. So würde ich es formulieren.

Ich werde Rußland nicht von aller Schuld freisprechen. Darum geht es mir hier nicht. Mir geht es darum, daß diese Frage zu wichtig ist. Sie ist sehr, sehr wichtig. Es ist sehr wichtig, daß wir eine Art Modus Vivendi schaffen.

Das ist ein Problem für den Westen. Ich glaube auch, es ist sehr wichtig ist, daß wir im Westen lernen, mit Menschen umzugehen, die nicht so sind wie wir. Wir neigen dazu, zu denken, daß die Menschen Demokraten werden sollten, wie wir Demokraten sind, und nur dann können wir mit ihnen klarkommen. „Wenn sie keine Demokraten sind wie wir, werden wir alles tun, um sie zu Demokraten zu machen. Wir werden Leute unterstützen, die eine Revolution in diesem Land machen wollen, damit sie so werden wie wir.“ Das ist eine sehr, sehr gefährliche und zerstörerische Denkweise.

Ich glaube, wir im Westen sollten vielleicht ein wenig mehr studieren, was in anderen Organisationen passiert, in denen der Westen nicht dominiert. Ich denke dabei an die BRICS als eine Organisation. Ich denke auch an die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, in der die asiatischen Länder zusammenarbeiten, ohne auf die anderen Einfluß zu nehmen. Die Chinesen fordern nicht, daß wir alle Konfuzianer sein sollen. Und die Russen verlangen nicht, daß alle Menschen auf der Welt orthodoxe Christen sein sollen, usw. Ich glaube, es ist sehr, sehr wichtig, daß wir uns vor Augen halten, daß wir so miteinander auskommen sollten, wie wir sind, und keine Veränderungen fordern. Ich halte das für ein wirklich gefährliches und dummes Spiel, das wir da spielen. Ich glaube, die Europäische Union ist auch sehr aktiv in diesem Spiel. Diese Art zu denken hat meiner Meinung nach überhaupt keine positive Perspektive.

Rasmussen: Heute [am 30.12. 2021] werden die Präsidenten Biden und Putin miteinander telefonieren, und für Mitte Januar sind wichtige diplomatische Treffen geplant. Wovon wird es abhängen, ob die Diplomatie eine Katastrophe wie die Kuba-Raketenkrise verhindern kann? Helga Zepp-LaRouche hat es gerade eine „umgekehrte Kubakrise“ genannt. Wird Rußland das Gefühl haben, daß es keine Alternative zu einer militärischen Antwort hat, so wie es das offen erklärt hat? Was muß sich auf westlicher Seite ändern? Wenn Sie mit Präsident Biden oder anderen Staatschefs von NATO-Ländern allein in einem Raum wären, was würden Sie ihnen sagen?

Was ich Präsident Biden sagen würde

Nielsen: Ich würde sagen:

„Hören Sie, Joe, ich verstehe Ihre Bedenken. Ich verstehe, daß Sie sich als Verfechter der Freiheit und solcher Dinge in der Welt sehen. Ich verstehe das Positive daran, aber sehen Sie, das Spiel, das Sie jetzt mit Rußland spielen, ist ein sehr, sehr gefährliches Spiel. Und Sie können die Russen, ein sehr stolzes Volk, nicht zwingen. Das ist keine Option. Ich meine, Sie können es nicht. Es war zwar die Politik der USA und bis zu einem gewissen Grad auch der Europäischen Union, Rußland umzukrempeln, so daß es einen anderen Präsidenten bekommt und Putin gegen einen anderen Präsidenten austauscht. Aber ich kann Ihnen versichern“ – wenn ich mit Joe Biden spreche – „Joe Biden, seien Sie sicher, wenn Sie Erfolg haben oder wenn Putin morgen stirbt oder sie irgendwie einen neuen Präsidenten bekommen – ich kann Ihnen versichern, daß der neue Präsident genauso hart sein wird wie Putin, vielleicht sogar härter. Denn in Rußland gibt es viel härtere Leute.

Viele, ich würde sogar sagen, die meisten Menschen in Rußland, die Putin Vorwürfe machen, werfen ihm vor, er sei dem Westen gegenüber nicht hart genug. Er sei dem Westen gegenüber weich, zu liberal, und viele Menschen machen ihm Vorwürfe, daß er den östlichen, südlichen Teil der Ukraine noch nicht übernommen hat, sie meinen, er hätte das tun sollen.“

Weiter würde ich Biden sagen:

„Ich denke, es wäre klug von Ihnen, Putin jetzt zu unterstützen oder mit ihm zu verhandeln, sich auf Putin einzulassen und etwas Diplomatie zu betreiben, denn die Alternative ist ein möglicher Krieg, und Sie sollten nicht als der amerikanische Präsident in die Geschichte eingehen, der für die Auslöschung der Menschheit gesorgt hat. Das wäre ein sehr schlechtes Zeugnis für Sie.

Und es gibt Möglichkeiten, denn ich glaube nicht, daß Putin unvernünftig ist. Rußland hat sich nicht unvernünftig verhalten. Ich glaube, es hat eine Kehrtwende vollzogen. Denn 1991 waren es die Russen selbst, die die Sowjetunion auflösten. Es waren die Russen, Moskau, die den Warschauer Pakt auflösten. Es waren die Russen, die den baltischen Ländern und allen anderen Sowjetrepubliken die Freiheit schenkten, ohne einen Schuß, und die eine halbe Million sowjetischer Soldaten nach Rußland zurückholten. Es wurde kein einziger Schuß abgefeuert. Ich denke, das ist außergewöhnlich.

Wenn man es damit vergleicht, was nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Auflösung des französischen und des britischen Kolonialreichs geschah, war es in vieler Hinsicht sehr, sehr zivilisiert. Hören Sie also auf, Rußland als unzivilisiertes, dummes Volk zu betrachten, das nichts anderes versteht als bloße Macht. Die Russen sind ein gebildetes Volk. Sie verstehen viele Argumente, und sie sind an einer Zusammenarbeit interessiert.

Für die Vereinigten Staaten, aber auch für den Westen allgemein und die EU wäre es von großem Vorteil, eine produktivere, pragmatischere Beziehung und Zusammenarbeit aufzubauen. Es gibt viele Dinge in Bezug auf Energie, Klima, Terrorismus und vieles andere, bei denen eine Zusammenarbeit mit ihnen eine Win-Win-Situation darstellt.

Das einzige, worum Rußland bittet, ist, daß wir unsere militärische Ausrüstung nicht in seinem Hinterhof stationieren. Es sollte uns doch nicht schwer fallen, das zu akzeptieren – und schon gar nicht, zu verstehen, warum die Russen so denken. Man sollte sich an die Geschichte erinnern, daß Armeen aus dem Westen Rußland angegriffen haben. Deshalb ist das in ihren Genen. Ich glaube nicht, daß es in Rußland auch nur einen Menschen gibt, der die enormen Verluste, die die Sowjetunion in den 1940er Jahren im Zweiten Weltkrieg durch Nazi-Deutschland erlitt, vergessen hat oder sich dessen nicht bewußt ist. Und auch Napoleon hat versucht, Rußland zu erobern. Diese Erfahrungen mit westlichen Armeen, die in Rußland einmarschierten, gibt es reichlich. Das ist also sehr, sehr groß und steckt sehr, sehr tief.“

Rasmussen: Waren es etwa 20 Millionen Menschen, die während des Zweiten Weltkriegs starben?

Nielsen: In der Sowjetunion. Es gab auch Ukrainer und andere Nationalitäten, aber es waren etwa 18 Millionen Russen, wenn man sie zählen kann, weil es die Sowjetunion war, aber insgesamt 27 Millionen Menschen. Das ist riesig. Rußland hat Erfahrung mit Krieg, die Russen werden daher sicherlich keinen Krieg mögen. Ich denke, die Russen haben Erfahrungen mit dem Krieg, die auch die Europäer bis zu einem gewissen Grad haben, die aber die Vereinigten Staaten nicht haben.

Das, woran ich mich in jüngster Zeit erinnere, ist der Anschlag vom 11. September [2001] auf die Zwillingstürme in New York. Ansonsten haben die Vereinigten Staaten diese Erfahrungen nicht gemacht. Sie neigen dazu, eher ideologisch zu denken, während sicherlich die Russen, aber auch bis zu einem gewissen Grad einige Leute in Europa, eher pragmatisch denken, daß wir um jeden Preis einen Krieg vermeiden sollten, weil ein Krieg mehr Probleme schafft als löst. Wir sollten also eine pragmatische Zusammenarbeit anstreben. Es wird nicht unbedingt eine Liebesheirat sein, das natürlich nicht. Aber es wird auf einer sehr pragmatischen Ebene ablaufen.

Rasmussen: Auch im Hinblick auf die Reaktion auf die schreckliche humanitäre Lage in Afghanistan und die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Pandemie.

Nielsen: Ja. Natürlich gibt es Möglichkeiten. Im Moment ist es so, daß wir nicht einmal in Bezug auf Impfstoffe zusammenarbeiten können, und vieles verhärtet sich auf beiden Seiten, weil wir sehr, sehr wenig Kontakt haben.

Ich hatte Pläne für eine Zusammenarbeit zwischen dänischen und russischen Universitäten in Bezug auf die Entwicklung von Unternehmen und dergleichen, aber es stellte sich heraus, daß dafür keine einzige Krone da war – das ist unsere Währung. Projekte in Südamerika, Afrika und allen anderen Ländern wären möglich, aber nicht in Rußland. Das ist schlichtweg dumm.

Westliche Vorurteile gegenüber Rußland

Rasmussen: Ich wollte Sie noch etwas mehr dazu fragen, denn Sie haben kürzlich zwei Bücher über Rußland geschrieben. Das eine trägt den Titel „Zu seinen Bedingungen: Putin und das neue Rußland“ und das neueste, das gerade erst im September erschienen ist, „Rußland gegen den Strich“. Viele Menschen im Westen stellen Rußland als den Feind dar, der allein für die aktuelle Situation verantwortlich ist, und Putin als einen Diktator, der seine Nachbarn militärisch bedroht und die Demokratie der freien Welt gefährdet. Stimmt das – über das hinaus, was Sie bereits gesagt haben -, oder haben Sie eine andere Sichtweise?

Nielsen: Natürlich habe ich eine andere Sichtweise. Ich denke, Rußland ist kein perfektes Land, denn ein solches Land gibt es nicht – nicht einmal Dänemark. Manche meinen, daß Dänemark das ist, aber so etwas wie eine perfekte Gesellschaft gibt es nicht. Denn Gesellschaften entwickeln sich immer von irgendwoher irgendwohin, so auch Rußland.

Rußland ist ein sehr, sehr großes Land. Man kann also durchaus Dinge finden, die in Rußland nicht sehr sympathisch sind. Definitiv. Darum geht es mir hier nicht. Aber ich habe in meinem letzten Buch versucht, herauszufinden, wie westliche Philosophen und Kirchenleute in den vergangenen Jahrhunderten Rußland betrachtet haben. Und es gab so etwas wie einen roten Faden, eine Art ständige Fortsetzung. Denn Rußland wurde sehr, sehr, sehr oft als unser Gegner charakterisiert, als ein Land, das gegen grundlegende europäische Werte ist. Vor 500 Jahren war es gegen die römisch-katholische Kirche, im 17. und 18. Jahrhundert war es gegen die Philosophen der Aufklärung, und im 20. Jahrhundert ging es um den Kommunismus, der auch die Menschen im Westen gespalten hat und als Bedrohung angesehen wurde. Auch heute noch wird er als Bedrohung angesehen, obwohl Putin kein Kommunist ist. Er ist kein Kommunist, er ist ein gemäßigter Konservativer, würde ich sagen. Selbst zu Zeiten Jelzins galt er als liberal und fortschrittlich, und er liebte den Westen und folgte dem Westen in fast allem, was er vorschlug.

Dennoch gibt es etwas in Bezug auf Rußland, von dem ich denke, daß es aus philosophischer Sicht sehr wichtig ist, festzustellen – daß wir einige sehr tief verwurzelte Vorurteile über Rußland haben. Und ich glaube, das spielt eine Rolle. Denn wenn ich mit Leuten spreche, höre ich sie sagen: „Rußland ist ein schreckliches Land, und Putin ist einfach ein sehr, sehr böser Mensch, ein Diktator.“ – „Waren Sie schon einmal in Rußland? Kennen Sie irgendwelche Russen?“ – „Nein, nicht wirklich.“ – „Okay. Aber worauf stützen Sie Ihre Ansichten?“ – „Na ja, auf das, was ich in den Zeitungen lese, natürlich, was man mir im Fernsehen erzählt.“ Und ich spreche sehr oft mit russischen Politikern und anderen Menschen, und die Russen haben die Nase voll von dieser Vorstellung, daß der Westen etwas Besseres sei. „Wir sind auf einem höheren Niveau, und wenn die Russen vom Westen akzeptiert werden wollen, müssen sie so werden wie wir. Oder zumindest sollten sie zugeben, daß sie sich auf einem niedrigeren Niveau befinden, im Vergleich zu unserem sehr hohen Niveau.“

Das ist der Grund, warum die Russen, wenn sie mit China oder Indien zu tun haben oder mit afrikanischen Ländern und auch lateinamerikanischen Ländern, nicht auf eine solche Haltung stoßen, sie sind auf gleicher Augenhöhe. Jeder ist anders, ja, aber man betrachtet ihn nicht als auf einer höheren Ebene stehend.

Ich glaube, deshalb ist die Zusammenarbeit in den BRICS-Staaten, über die wir gesprochen haben, und in der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit recht erfolgreich. Und ich weiß nicht, wie die Zukunft aussieht, aber ich habe das Gefühl, daß Afghanistan, wenn es auf die eine oder andere Weise in eine solche Organisation integriert werden kann, wahrscheinlich erfolgreicher wäre als die 20 Jahre, die die NATO-Länder dort waren.

Ich glaube, daß die kulturelle Einstellung eine Rolle spielt, wenn wir über Politik sprechen, denn ein Großteil der Politik von amerikanischer und europäischer Seite ist sehr emotional. Wir haben gewisse Empfindungen. Wir haben Angst vor Rußland. „Wir mögen es nicht“ oder „Wir finden es furchtbar.“ Und: „Wir wissen viel besser, wie man eine Gesellschaft organisiert, als die Russen und die Chinesen und die Inder und die Muslime usw.“ Und ich glaube, das ist ein Teil unseres Problems im Westen. Es gehört zu unserer Denkweise, unserer Philosophie, die wir meiner Meinung nach genauer unter die Lupe nehmen und kritisieren sollten. Aber das ist schwierig, denn es ist sehr tief verwurzelt.

Wenn ich mit Menschen an Universitäten, in den Medien und anderswo diskutiere, stoße ich darauf. Deshalb habe ich das neueste Buch geschrieben, weil es sehr viel mit unserer Art über Rußland zu denken zu tun hat. Das Buch geht natürlich um Rußland, aber es geht auch um uns, unsere Brille, wie wir Rußland wahrnehmen – und nicht nur Rußland, sondern auch China, denn das ist mehr oder weniger dasselbe. Es gibt viele Ähnlichkeiten zwischen der Art und Weise, wie wir Rußland sehen, und wie wir China und andere Länder sehen und wahrnehmen.

Ich halte das für eine sehr, sehr wichtige Sache, mit der wir uns befassen müssen. Wir müssen das tun, denn andernfalls, wenn Amerika und Rußland sich entscheiden, das ganze Feuerwerk ihrer nuklearen Macht einzusetzen, dann ist das das Ende.

Man kann das sehr scharf formulieren und es so sagen, und das wird den Leuten nicht gefallen. Aber im Grunde stehen wir vor diesen zwei Alternativen. Wir müssen Wege finden, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die nicht so sind wie wir und auch nicht so sein werden, jedenfalls nicht zu meinen Lebzeiten. Wir müssen akzeptieren, daß sie nicht so sind wie wir, aber wir kommen miteinander aus, so gut wir können. Jeder behält seine Unterschiede, aber wir respektieren uns gegenseitig. Ich denke, das ist es, was wir von den westlichen Ländern brauchen. Das halte ich für das Grundproblem im Umgang mit anderen Ländern heute.

Und das gleiche, was ich gesagt habe, gilt für China. Ich beherrsche die chinesische Sprache nicht. Ich bin in China gewesen, ich weiß ein bißchen was über China. Rußland kenne ich sehr gut. Ich spreche Russisch, also weiß ich, wie die Russen darüber denken, welche Gefühle sie dabei haben. Und ich halte es für wichtig, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen.

Rasmussen: Sie haben, glaube ich, auch darauf hingewiesen, daß Putin 2001 nach dem Anschlag auf das World Trade Center, der erste war, der George W. Bush angerufen hat, und er hat ihm eine Zusammenarbeit gegen den Terrorismus angeboten. Ich glaube, Sie haben geschrieben, daß er eine pro-westliche Kriegsphilosophie hatte, was aber nicht erwidert wurde.

Nielsen: Ja, ja, ja. Danach wurde er vom [russischen] Militär und auch von Politikern kritisiert, zu Beginn seiner ersten Amtszeit – 2000, 2001, 2002 -, weil er sich zu sehr für Amerika begeisterte. Er sagte sogar in einem Interview mit der BBC, er hätte gerne, daß Rußland Mitglied der NATO wird. Dazu ist es nicht gekommen, dafür gibt es viele Gründe, aber er war wirklich scharf darauf.

Das ist auch der Grund, warum er sich danach völlig verraten fühlte. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2007 sagte er, er sei sehr enttäuscht, und es war ganz klar, daß er sich vom Westen verraten fühlte. Er hatte gedacht, beide hätten eine gemeinsame Agenda. Er war der Meinung, Rußland sollte Mitglied werden. Aber wahrscheinlich ist Rußland zu groß. Wenn man sich vorstellt, Rußland würde Mitglied der Europäischen Union, dann würde sich die Europäische Union grundlegend verändern. Aber es kam nicht dazu. Rußland ist nicht Mitglied geworden. Das ist verständlich. Aber dann hätte die Europäische Union meiner Meinung nach wieder einen Modus Vivendi finden müssen.

Rasmussen: Ein einvernehmliches Zusammenleben.

Nielsen: Ja, ein Zusammenleben. Es war eigentlich eine parallele Entwicklung der EU und der NATO gegen Rußland. 2009 lud die Europäische Union Georgien, die Ukraine, Weißrußland, Armenien und Aserbaidschan ein, Mitglied der Union zu werden, aber nicht Rußland. Obwohl sie wußten, daß es einen regen Handel der Ukraine und auch Georgiens mit Rußland gab. Und das hätte gestört. Aber sie haben sich nicht um Rußland gekümmert.

Rußland blieb also damals außen vor. Und so wandte sich Rußland schließlich China zu, was ganz verständlich ist. Und durch die Zusammenarbeit mit China wurden sie stärker. Sie wurden viel selbstbewußter, und sie arbeiteten mit Menschen zusammen, die sie viel mehr respektierten. Ich finde das interessant, daß die Chinesen es verstanden haben, anderen Menschen mit Respekt zu begegnen, die Europäer und Amerikaner aber nicht.

Rasmussen: Bevor wir zu unseren letzten Fragen kommen, möchte ich noch einmal auf die Ukraine zurückkommen, weil das so wichtig ist. [Jens Jørgen Nielsen hat ein Buch „Ukraine im Spannungsfeld“ geschrieben.] Sie sagten, das Problem habe nicht mit der sogenannten Annexion der Krim begonnen, sondern mit einem Putsch gegen den amtierenden Präsidenten. Können Sie das etwas näher erläutern? Denn im Westen sagt jeder: „Das Problem begann, als Rußland die Krim annektierte.“

Nielsen: Nun, in der Ukraine gab es 2010 eine Präsidentschaftswahl, und die OSZE überwachte die Wahl und sagte, sie sei sehr gut abgelaufen, und die Mehrheit wählte Wiktor Janukowitsch. Wiktor Janukowitsch wollte nicht, daß die Ukraine Mitglied der NATO wird. Er wollte mit der Europäischen Union zusammenarbeiten. Aber er wollte auch weiterhin mit Rußland zusammenarbeiten. Das war im wesentlichen seine Haltung. Nun heißt es sehr oft, er sei korrupt gewesen. Das bezweifle ich nicht, aber nennen Sie mir einen Präsidenten, der nicht korrupt war! Das ist nicht der große Unterschied, das ist nicht die große Sache, würde ich sagen. Aber 2012 gab es auch Parlamentswahlen in der Ukraine, und Janukowitschs Partei erlangte mit einigen anderen Parteien auch dort die Mehrheit. Es gab eine Koalition, die Janukowitschs Politik stützte, nicht Mitglied der NATO zu werden.

Und es kam die Entwicklung, daß die Europäische Union und die Ukraine einen Vertrag über Zusammenarbeit unterzeichnen sollten. Doch es stellte sich heraus, daß dieser Vertrag für die Ukraine sehr teuer würde, weil er die Grenzen für Unternehmen aus der EU öffnen würde, aber die ukrainischen Unternehmen konnten mit den westlichen Unternehmen nicht konkurrieren.

Zweitens, und das ist das wichtigste, exportierte die Ukraine vor allem Industriegüter nach Rußland, und zwar aus dem östlichen Teil, aus Dniepropetrowsk oder Dniepro, wie es heute heißt, aus Donezk, aus Luhansk und aus Kryvyj Rih (Krivoj Rog), aus einigen anderen Gebieten, im wesentlichen aus dem östlichen, industriellen Teil der Ukraine.

Und sie stellten Berechnungen an, was wäre, wenn Sie diesem Abkommen beitreten. Rußland sagte: „Wir werden gewisse Zölle auf den Export erheben müssen, weil ihr gewisse zollfreie Importe aus der Europäischen Union hättet. Und wir haben bekanntlich kein Abkommen mit der Europäischen Union. Deshalb würde auf alles, was von euch kommt, Zölle erhoben.“ Und dann meinte Janukowitsch: „Na, na, na, das klingt ja nicht gut“, und er wollte, daß Rußland, die EU und die Ukraine sich zusammentun und ein „Dreiecksabkommen“ schließen. Aber die EU war strikt dagegen, sie wollte das nicht, obwohl man sagen könnte, daß der östliche Teil der Ukraine wirtschaftlich ein Teil Rußlands war. Sogar ein Teil der russischen Rüstungsindustrie war im östlichen Teil der Ukraine, und dort waren russischsprachige Menschen. Aber die Europäische Union sagte: „Nein, wir sollten in dieser Sache nicht mit Rußland zusammenarbeiten“, als Janukowitsch eine Zusammenarbeit zwischen der EU, der Ukraine und Rußland anstrebte, was für mich sehr vernünftig klingt. Das wäre nur natürlich, es wäre zum Vorteil aller drei. Aber die Europäische Union hatte einen sehr ideologischen Ansatz in dieser Frage. Sie sperrte sich also sehr gegen Rußland. Das stärkte auch den Verdacht der Russen, daß die EU nur ein Sprungbrett zur NATO-Mitgliedschaft wäre.

Und dann kam es zu einem Konflikt. Es gab täglich Demonstrationen auf dem Maidan-Platz in Kiew. Es waren viele Tausend Menschen dort, und es gab auch Schießereien, weil viele der Demonstranten bewaffnet waren. Sie hatten Waffen aus Kasernen im Westen gestohlen. Zu dem Zeitpunkt, als hundert Menschen gestorben waren, trafen sich Außenminister aus der EU, aus Frankreich, Deutschland und Polen, ein Vertreter Rußlands, Janukowitsch, ein Vertreter seiner Regierung und ein Vertreter der Opposition. Und sie schlossen eine Vereinbarung: „Nun gut, in einem halben Jahr sollen Wahlen stattfinden, und ihr sollt die Macht teilen. Leute aus der Opposition sollten Mitglieder der Regierung werden usw.“

Aber plötzlich brach das alles zusammen, und Janukowitsch verließ das Land, denn man sollte nicht vergessen – im Westen wird oft vergessen -, daß die Demonstranten bewaffnet waren. Sie haben Polizisten getötet, sie töteten Leute von Janukowitschs Partei der Regionen usw. Sie wurden immer als unschuldige, friedliebende Demonstranten dargestellt, aber das waren sie ganz und gar nicht. Und einige von ihnen hatten sehr zweifelhafte Ansichten, mit Nazi-Hakenkreuzen und dergleichen. Und Janukowitsch floh.

Dann kamen sie an die Macht. Sie hatten keine legitime Regierung, weil viele der Parlamentsabgeordneten aus den Regionen, die Janukowitsch unterstützt hatten, in den Osten geflohen waren. Das Parlament war also nicht in der Lage, irgendwelche Entscheidungen zu treffen. Trotzdem gab es einen neuen Präsidenten und eine neue Regierung, die im wesentlichen aus dem westlichen Teil der Ukraine stammte. Und das erste, was sie taten, war wie gesagt, die russische Sprache abzuschaffen, und dann sprachen sie über die NATO-Mitgliedschaft. Und Victoria Nuland, die stellvertretende Außenministerin der Vereinigten Staaten, war die ganze Zeit dabei. Es waren viele Leute aus dem Westen da, so daß die Lage kollabierte.

Rasmussen: Und seither gibt es Anschuldigungen, daß es Provokateure gab, die auf beiden Seiten Menschen töteten.

Nielsen: Ja, genau. Und das Interessante daran ist, daß es keinerlei Ermittlungen dazu gab, weil die neue Regierung nicht untersuchen wollte, wer sie getötet hat. Es war also inszeniert. Ich habe keinen Zweifel daran, daß es ein inszenierter Putsch war. Daran besteht kein Zweifel.

Das ist der grundlegende Kontext für Putins Entscheidung, die Krim als Teil Rußlands zu akzeptieren. Das sollte man sagen, aber gewöhnlich heißt es im Westen, daß Rußland die Krim einfach annektiert hat. Das ist nicht ganz richtig, denn es gab ein lokales Parlament, weil es ein autonomer Teil der Ukraine war, hatten sie ihr eigenes Parlament, und sie beschlossen, daß sie ein Referendum abhalten sollten, was sie im März [2014] taten. Und dann beantragten sie die Aufnahme in die Russische Föderation. Das ist keine Überraschung, auch wenn die ukrainische Armee nicht eingriff. Es gab eine ukrainische Armee, 21.000 ukrainische Soldaten waren dort. 14.000 dieser Soldaten traten in die russische Armee ein. Das sagt ein wenig darüber aus, daß es sich nicht um eine Annexion handelte, bei der ein Land einfach einen Teil des anderen Landes besetzt. Denn dieses zerklüftete Land, besonders der südliche Teil, war sehr pro-russisch, das war schon immer so.

Und so könnte man natürlich in Bezug auf das Völkerrecht eine Menge dazu sagen. Aber ich zweifle nicht daran, daß man es anders sehen kann, wenn man es aus der Sicht der Menschen betrachtet, die auf der Krim lebten. 80-90 Prozent hatten für die Partei der Regionen gestimmt, Janukowitschs Partei, eine pro-russische Partei, könnte man sagen. Fast 87 Prozent oder so haben für diese Partei gestimmt. Diese Partei hatte ein Zentrum in einem zentralen Gebäude in Kiew, das angegriffen und niedergebrannt wurde, wobei drei Menschen getötet wurden. Sie können sich also vorstellen, daß sie nicht sehr glücklich darüber waren, um es mal so zu formulieren. Sie waren nicht sehr glücklich über die neue Regierung und die neue Entwicklung. Natürlich nicht. Sie haßten es. Und was ich am Westen sehr kritisch finde, ist, daß sie diese schrecklichen Dinge in der Ukraine einfach hingenommen haben, nur um diese Beute zu bekommen, die Ukraine in die NATO zu bekommen.

Und Putin war sich bewußt, daß er nicht überleben könnte, nicht einmal physisch, aber sicherlich auch nicht politisch, wenn Sewastopol, der Hafen für die russische Flotte, ein NATO-Hafen würde. Das war unmöglich. Ich kenne Leute aus dem Militär, die mir sagten: „Nein, niemals. Das ist undenkbar.“ Könnten die Chinesen San Diego in den Vereinigten Staaten übernehmen? Nein, natürlich nicht. Es versteht sich von selbst, daß so etwas nicht passiert.

Was dem Westen also fehlt, ist nur ein bißchen Realismus, wie Supermächte denken, und über rote Linien von Supermächten. Denn wir haben im Westen eine Vorstellung von der neuen liberalen Weltordnung, das klingt sehr schön, wenn man in einem Büro in Washington sitzt. Es hört sich so schön und einfach an, aber wenn man hinausgeht und diese liberale Weltordnung schaffen will, ist das nicht so einfach. So kann man es nicht machen, schon gar nicht so, wie sie es in der Ukraine gemacht haben.

Rasmussen: Durch Regimewechsel?

Nielsen: Ja, Regimewechsel.

Rasmussen: Ich habe noch zwei Fragen, die letzten Fragen. Die Organisation Russisch-Dänischer Dialog, die Sie leiten, und das Schiller-Institut in Dänemark waren zusammen mit dem Chinesischen Kulturzentrum in Kopenhagen Mitveranstalter dreier sehr erfolgreicher Konzerte des musikalischen Dialogs der Kulturen, mit Musikern aus Rußland, China und vielen anderen Ländern. Und Sie sind außerordentlicher Professor für kulturelle Unterschiede. Wie sehen Sie das? Wie würde ein verstärkter kultureller Austausch die Situation verbessern?

Nielsen: Nun, es kann sich nur verbessern, denn wie ich Ihnen schon sagte, haben wir sehr wenig davon. Daher bin ich sehr, sehr glücklich über diese Zusammenarbeit, weil ich denke, daß solche musikalischen Veranstaltungen sehr unterhaltsam und sehr interessant sind, auch für viele Dänen. Denn wenn man die Sprache der Musik hat, ist das besser als die Sprache der Waffen, wenn ich das mal so sagen darf. Aber ich denke auch, wenn wir uns treffen, wenn wir die Musik des anderen hören und Kultur in Form von Filmen, Literatur, Gemälden, was auch immer teilen, dann ist das etwas ganz Natürliches, und es ist unnatürlich, das nicht zu haben.

Wir haben sie nicht, vielleicht weil einige Leute das so wollen, weil sie eine Art angespannte Lage wollen. Sie möchten das nicht. Aber ich denke – es ist natürlich nur eine Kleinigkeit -, doch ohne diesen kulturellen Austausch wird es uns sehr, sehr schlecht gehen. Wir werden eine Welt haben, die viel, viel schlechter ist, denke ich, und wir sollten lernen, die kulturellen Ausdrucksformen anderer Menschen zu genießen.

Wir sollten lernen, sie zu akzeptieren, und wir sollten auch lernen, zu kooperieren und gemeinsame Wege zu finden. Wir sind verschieden. Aber wir haben auch viele Gemeinsamkeiten, und es ist sehr wichtig, daß wir nicht vergessen, wir haben auch mit den Russen und den Chinesen, mit allen anderen Völkern viele Gemeinsamkeiten, die wir nie vergessen sollten. Im Grunde genommen haben wir die grundlegenden Werte gemeinsam, auch wenn man Hindu, Konfuzianer oder russisch-orthodox ist, wir haben viele Gemeinsamkeiten. Und wenn man solche Begegnungen hat, z.B. in der Kultur, in der Musik, dann glaube ich, daß man sich dessen bewußt wird, denn plötzlich ist es viel einfacher, Menschen zu verstehen, wenn man ihre Musik hört. Vielleicht muß man ein paarmal hinhören, aber dann wird es sehr, sehr interessant. Man wird neugierig auf die Instrumente, auf die Art zu singen und was auch immer es ist. Ich hoffe also, daß die Corona-Situation es uns bald ermöglicht, weitere Konzerte zu geben. Ich denke, das sollten wir, denn sie sind auch in Dänemark sehr beliebt.

Rasmussen: Ja. Wie Schiller schrieb, gelangen wir durch die Schönheit zur politischen Freiheit. Wir können auch sagen, daß wir durch die Schönheit zum Frieden gelangen können.

Nielsen: Ja, ja, ja.

Rasmussen: Das Schiller-Institut und Helga Zepp-LaRouche, seine Gründerin und internationale Präsidentin, führen eine internationale Kampagne zur Verhinderung des Dritten Weltkriegs, für Frieden durch wirtschaftliche Entwicklung und einen Dialog zwischen den Kulturen. Wie sehen Sie die Rolle des Schiller-Instituts?

Nielsen: Nun, ich kenne es. Wir haben schon zusammengearbeitet. Ich denke, daß Ihre grundlegenden Forderungen, die Appelle für eine globale Entwicklung, sehr, sehr interessant sind, und ich teile die grundsätzliche Sichtweise. Es wird vielleicht ein bißchen schwierig. Der Teufel steckt im Detail. Aber im Grunde denke ich, wenn man über die Seidenstraße spricht, über diese chinesischen Programme, die Gürtel- und Straßenprogramme, da sehe ich eine viel erfolgreichere Entwicklung, als wir sie zum Beispiel in Afrika mit der europäischen Entwicklungshilfe gesehen haben. Denn ich habe gesehen, wie viele westlich dominierte Entwicklungsprogramme die Entwicklung in Afrika und anderen Teilen der Welt verzerrt haben, sie verzerren die Entwicklung. Ich bin nicht unkritisch gegenüber China, aber ich sehe natürlich sehr positive Perspektiven im Gürtel- und Straßen-Programm. Ich sehe sehr, sehr gute Perspektiven. Schauen Sie sich zum Beispiel die Eisenbahnen in China an, die Hochgeschwindigkeitszüge: Es sind viel mehr als irgendwo sonst auf der Welt. Ich denke, es gibt einige Perspektiven, die vor allem für die Menschen in Asien interessant sind.

Aber letztendlich wird es auch Menschen in Europa ansprechen, denn ich glaube, daß dieses Modell immer mehr an Bedeutung gewinnt. Es beginnt schon im östlichen Teil, einige osteuropäische Länder sind daran interessiert. Ich glaube also, daß es sehr interessant ist. Ihre Standpunkte, denke ich, sind sehr relevant, auch deshalb, weil wir im Westen in einer Sackgasse stecken, so daß die Menschen sowieso nach neuen Perspektiven suchen. Und ich halte das, was Sie vorlegen, für sehr, sehr interessant.

Wie es in Zukunft aussehen könnte, das ist schwer zu sagen, weil die Dinge schwierig sind. Aber ich teile die grundlegenden Fragen, über die Sie nachdenken, und was ich über das Schiller-Institut gehört habe, auch weil Sie die Bedeutung von Toleranz betonen. Sie betonen die Bedeutung einer multikulturellen Gesellschaft – daß wir den anderen nicht in unserem Sinn verändern sollten. Wir sollten auf der Grundlage gegenseitiger Interessen zusammenarbeiten und uns nicht gegenseitig verändern. Wie ich bereits sagte, sehe ich darin eines der wirklich großen Probleme der westlichen Denkweise, wonach wir entscheiden sollen, was in der Welt geschehen soll – so als dächten wir immer noch, wir seien Kolonialmächte, wie es etwa ein Jahrhundert lang war. Aber diese Zeiten sind vorbei. Es liegen neue Zeiten vor uns, und wir sollten neue Wege des Denkens finden. Wir sollten neue Perspektiven finden.

Und ich glaube, es gilt auch für den Westen, daß wir so nicht weiterleben können. Wir können nicht so weitermachen, denn es wird entweder Krieg geben oder Sackgassen und überall Konflikte.

Man sollte sich diese Dinge als Mensch aus dem Westen betrachten. Ich finde es traurig, wenn man sich Afghanistan, Irak, Libyen und diese Länder ansieht, in gewissem Maße auch Syrien, wo der Westen versucht hat, Regimewechsel herbeizuführen oder zu diktieren, was passiert. Das ist gescheitert. Ich denke, das ist für jedermann offensichtlich. Wir brauchen eine neue Denkweise. Und das, was das Schiller-Institut vorgelegt hat, ist in dieser Hinsicht sehr, sehr interessant.

Rasmussen: Wenn Sie davon sprechen, andere Menschen nicht zu verändern, ist einer unserer wichtigsten Punkte, daß wir uns selbst herausfordern müssen, uns zu verändern. Wir müssen uns wirklich bemühen, unser kreatives Potential zu entwickeln und einen Beitrag zu leisten, der möglicherweise auch internationale Auswirkungen hat.

Nielsen: Ja, auf jeden Fall.

Rasmussen: Das Schiller-Institut wird in den nächsten Wochen alle Hebel in Bewegung setzen, um die Vereinigten Staaten und die NATO zu ernsthaften Verhandlungen zu bewegen. Und Helga Zepp-LaRouche hat die USA und die NATO aufgefordert, die von Rußland vorgeschlagenen Verträge zu unterzeichnen und andere Wege zur Verhinderung eines Atomkriegs zu beschreiten. Wir hoffen, daß auch Sie, unsere Zuschauer, alles tun werden, was in Ihrer Macht steht, und unter anderem dieses Video verbreiten.

Gibt es noch etwas, was Sie unseren Zuschauern sagen möchten, bevor wir schließen, Jens Jørgen?

Nielsen: Nein, nein. Ich glaube, wir haben jetzt schon eine Menge geredet. Nein, ich denke nur, daß das, was Sie darüber gesagt haben, die USA und Rußland an den Verhandlungstisch zu bringen, für jeden vernünftigen, klardenkenden Menschen im Westen offensichtlich ist, daß dies das einzig Richtige ist. Deshalb unterstützen wir es natürlich zu hundert Prozent.

Rasmussen: Okay. Vielen Dank, Jens Jørgen Nielsen.

Nielsen: Ich danke Ihnen.

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