Von Helga Zepp-LaRouche
Wir können derzeit eine Vielzahl von Ereignissen beobachten, die – scheinbar unabhängig voneinander – zusammengenommen die Atmosphäre und Dynamik einer Vorkriegszeit erzeugen. Es wird alles davon abhängen, ob die menschliche Gattung in sich über die moralischen Ressourcen verfügt, rechtzeitig einen Pfad in der internationalen Politik zu verlassen, an dessen Ende unausweichlich ein neuer Weltkrieg steht.
US-Außenminister Pompeo ist offensichtlich auf dem Kriegspfad und zweifellos der Ansicht, daß der Wille zur Macht ausreicht, um alle anderen Nationen in die Konfrontation gegen Rußland und China hineinzuziehen, notfalls eben auch über die extraterritoriale Anwendung amerikanischer Sanktionen gegen den Iran und alle Staaten, sie sich nicht der amerikanischen Willkür beugen. Es ist schon erstaunlich: In der vergangenen Woche lehnte der UN-Sicherheitsrat eine amerikanische Resolution für die Wiederinkraftsetzung von Sanktionen gemäß einer Klausel des „Joint Comprehensive Plan of Action“ (JPCOA) gegen den Iran ab. Rußland und China stimmten dagegen, Frankreich, Deutschland und Großbritannien und acht weitere Staaten enthielten sich, und nur die USA und die Dominikanische Republik stimmten dafür. Eigentlich ein klarer Fall.
Das hinderte Pompeo aber nicht daran, eine Woche später dem UN-Sicherheitsrat erneut einen Brief vorzulegen, der seine Erwartung zum Ausdruck bringt, daß die Sanktionen gegen den Iran automatisch nach 30 Tagen wieder in Kraft treten und alle Staaten, die Handelsbeziehungen irgendwelcher Art mit dem Iran unterhalten, also primär Rußland und China, aber eben auch europäische und andere Staaten treffen. Die Außenministerien von Rußland und China machten in ihren Kommentaren deutlich, daß Pompeos Vorstellungen angesichts der Tatsache, daß der JCPOA-Vertrag durch die UN-Resolution 2231 in Kraft gesetzt und daher geltendes Völkerrecht ist, während die USA diesen Vertrag einseitig am 8. Mai 2018 aufgekündigt haben, absurd sind. Sich auf einen Vertrag zu berufen, aus dem man selbst ausgestiegen ist, ist in der Tat Ausdruck eines bedenklichen Grades von Selbsttäuschung. Auch die Außenminister von Frankreich, Deutschland und Großbritannien wiesen darauf hin, daß sie Pompeos Vorstoß für unvereinbar mit ihrer eigenen Unterstützung für den JPCOA-Vertrag halten. Pompeos Argument, der Iran habe sich nicht an die vereinbarten Auflagen des Nuklearabkommens gehalten, ist ebenso durchsichtig, denn die ganze Welt weiß, daß der Iran erst als Reaktion auf den amerikanischen Ausstieg damit begann, seine Vorräte an angereichertem Uran zu erhöhen. Pompeos triumphierende Bemerkungen gegenüber dem Reporter Bret Baier von Special Report, daß der Iran jetzt nicht mehr in der Lage sei, russische Luftabwehrsysteme und chinesische Panzer zu kaufen, verdeutlichen, worum es ihm wirklich geht: die Konfrontation mit Rußland und China.
Während Präsident Trump wiederholt betont und demonstriert hat, daß er eigentlich das Verhältnis mit Rußland verbessern und ein neues nukleares Abrüstungsabkommen ausarbeiten will, ist Pompeos Politik gegenüber dem Iran identisch mit der des von Trump entlassenen Sicherheitsberaters John Bolton, über den Trump vor nicht allzu langer Zeit getwittert hatte: „Wenn ich auf ihn gehört hätte, wären wir jetzt schon im Sechsten Weltkrieg.“ Es gibt gute Gründe für die Annahme, daß es diesen sechsten Weltkrieg nicht geben wird, denn den Dritten würde die Menschheit aller Wahrscheinlichkeit nach nicht überleben.
Bezüglich des von Trump angestrebten Abzugs der US-Truppen aus Syrien, der vom Pentagon immer wieder geschickt abgebogen wurde, hatte Trump wiederholt geklagt, daß er bezüglich dieser Intention ein „Island of One“ sei, also mit dieser Politik ganz alleine dastehe. Er ist zwar Präsident, aber seine Politik wurde durch drei und dreiviertel Jahre eines andauernden Putschversuchs und die Kollusion der aus der Zeit der Bush- und Obama- Administrationen stammenden Geheimdienststrukturen mit dem britischen Geheimdienst weitgehend unterminiert. Wer die üble Rede des ehemaligen US-Außenministers Collin Powell – der 2003 laut Aussage seiner engsten Mitarbeiter wußte, daß der Irak keine Massenvernichtungswaffen hatte, als er seine berüchtigte Rede vor der UN hielt – auf dem Parteitag der Demokratischen Partei gehört hat, wurde unangenehm daran erinnert, was die Politik des Militärisch-Industriellen Komplexes ist, vor dem schon Präsident Eisenhower am Ende seiner Amtszeit gewarnt hat: endlose Interventionskriege, Konfrontation mit Rußland und jetzt eben der Versuch der Eindämmung des aufsteigenden Chinas.
Daß diese geopolitisch motivierte Politik der Konfrontation selbst in den Weltraum fortgesetzt werden soll, wurde deutlich in den Ausführungen des neuen Kommandanten des US-Weltraumkommandos, Armeegeneral James Dickinson, der in einer Feier anläßlich seines Amtsantritts erklärte: „Um es klar zu sagen: Unser Ziel ist es, Konflikte zu verhindern. Sollte die Abschreckung jedoch fehlschlagen, ist unser Gebot klar: Wir werden gewinnen. Dazu brauchen wir eine Kultur der Weltraumkriegsführung, die das gesamte Kommando durchdringt. Ich verspreche Ihnen, daß ich mich als Kommandant darauf konzentrieren werde, eine Kultur des Weltraumkriegs zu entwickeln, zu pflegen und anzunehmen.“
Es soll also der Bereich, in dem die gemeinsamen Ziele der Menschheit wie die Erschließung des Weltraums verwirklicht werden könnten und in dem eine neue Ära der Kooperation aller Nationen beginnen könnte, von derselben Mentalität des Kalten Krieges vergiftet werden, die jetzt bereits die internationalen Beziehungen vergiftet!
Die „Defense Innovation Unit“ (DIU), eine Abteilung im US-Verteidigungsministerium, deren Aufgabe es ist, technologische Erneuerungen im zivilen Sektor schnellstmöglich dem US-Militär zur Verfügung zu stellen, veröffentlichte soeben einen Bericht, in dem die Zielstellung klar definiert wurde: Der Mond und die Raumfahrt allgemein gehörten in die Domäne der amerikanischen Dominanz, und vor allem China solle daran gehindert werden, internationale Regeln für die Präsenz der Menschheit im Raum zu definieren.
Der Direktor der Raumfahrt-Abteilung der DIU, Brigadegeneral Steven Butow, bestimmte präzise, worum es geht: „Zu dem Grad, wie die Aktivitäten im Raum über den Erdsynchronorbit hinausgehen, wird die erste Nation, die eine Transportinfrastruktur und logistische Kapazitäten für den Verkehr zwischen der Erde und dem Mond etabliert haben wird, eine überlegene Fähigkeit für die Kontrolle des cislunaren Raumes und besonders der Lagrange-Punkte und der Ressourcen auf dem Mond haben.“ Die Kontrolle von Wasserstoff und Sauerstoff als Treibstoff sei der Schlüssel für die kommerzielle Nutzung des Raums, und da könnten die USA die öffentlich-privaten Partnerschaften zu ihrem Vorteil einsetzen.
Wenn uns die Geschichte eines lehren kann, dann ist es der Umstand, daß nur tatsächliche Friedensverträge, die die Interessen aller Beteiligten berücksichtigen, wie z.B. der Westfälische Frieden, zum Frieden führen, während Verträge, die auf der geopolitischen Unterwerfung des Gegners beruhen, wie z. B. der Versailler Vertrag, zu neuen Kriegen führen. Wenn es etwa einen dauerhaften Frieden in Südwestasien geben soll, dann muß er die Sicherheitsinteressen des Irans ebenso berücksichtigen wie die Israels, Saudi-Arabiens und der Palästinenser. Und nur wenn alle großen Nachbarn dieser Region, wie Rußland, China und Indien, und natürlich auch die USA und die europäischen Staaten beim wirtschaftlichen Aufbau der Länder kooperieren, die durch sinnlose und endlose Kriege, die Millionen von Menschenleben gekostet haben, zerstört wurden, dann kann diese Periode der Barbarei überwunden werden.
Die Idee einer „Kultur der Weltraumkriegsführung“ ist einfach pervers. Sie ist die Projektion der engstirnigen Geopolitik, die im 20. Jahrhundert zwei Weltkriege und unendliches Leid verursacht hat, in den Weltraum und in die Zukunft der Menschheit. Was visionäre Geister wie Hermann Oberth, Krafft Ehricke und Lyndon LaRouche als den „extraterrestischen Imperativ“, als die Chance der Transformation der Menschheit zu einer höheren Stufe der Kultur gesehen haben, auf der Wissenschaftler und Astronauten aller Nationen und Kulturen gemeinsam die großen unbekannten Herausforderungen unseres Universums erforschen und überwinden, das wird hier derselben verkommenen Logik des Profits unterworfen, die die Welt an den Rand des Abgrundes gebracht hat, an dem wir heute stehen.
Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums, sagte in einer Reaktion auf die Veröffentlichung der US-Weltraumdoktrin, die klar aggressive Ausrichtung der amerikanischen Raumfahrtpolitik zeige die Absicht, totale Dominanz im Weltraum zu erzielen, für Rußland bleibe die friedliche Erforschung des Raums eine Priorität und ein Rüstungswettlauf im Weltraum müsse verhindert werden. Die am 27. Juli in Wien angelaufenen Gespräche der russisch-amerikanischen Weltraum-Arbeitsgruppe bestätigten die russische Bereitschaft, alle Themen der Raumfahrt-Aktivitäten in diesem bilateralen Format zu diskutieren.
Die Verhandlungen und diplomatischen Initiativen sind enorm wichtig, Aber was existentiell notwendig ist, ist die große Vision, wie die Menschheit vom gegenwärtigen Zustand der Barbarei in eine neue Ära einer begeisternden Renaissance von großen, der Menschheit würdigen Ideen gelangen kann. Die Idee eines internationalen Monddorfs, einer internationalen Stadt auf dem Mars und der gemeinsamen interstellaren Raumfahrt in unserer Galaxie und irgendwann darüber hinaus – das ist nichts für die Krämerseelen, sondern für die Mahatmas der Geschichte.
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