Von Alexander Hartmann
„Die Neue Seidenstraße und das Ende des Kolonialismus: eine neue gemeinsame Zukunft für die Menschheit“ lautete das Thema eines Forums in Washington mit Helga Zepp-LaRouche, das vom Schiller-Institut am 17. Oktober für Diplomaten und andere geladene Gäste veranstaltet wurde. Sie beschrieb in ihrem Vortrag den Gegensatz zwischen dem Neuen Paradigma für Frieden durch „Win-Win-Kooperation“ souveräner Staaten zur gegenseitigen Entwicklung, wie es sich dank Chinas Gürtel- und Straßen-Initiative ausbildet, und dem alten Paradigma der Geopolitik.
Typisch für diese Geopolitik ist die Politik des Britischen Empire, und beispielhaft für das Vorgehen des Empire ist das sog. Russiagate, wo behauptet wurde, Trump habe im Wahlkampf 2016 ein Komplott mit dem russischen Präsidenten Putin geschmiedet, um die Präsidentschaftswahl zu gewinnen. Nun zeigt sich, daß in Wahrheit die Regierung Obama mit den britischen Geheimdiensten konspirierte, um Trumps Wahlsieg zu verhindern, und als das scheiterte, versucht hat, diesen Wahlausgang ungeschehen zu machen und Trump zu stürzen. „Das hängt unmittelbar damit zusammen, daß Trump im Wahlkampf versprochen hat, die Beziehungen zu Rußland zu reparieren. Und bei dem sehr erfolgreichen Treffen, das er in Helsinki mit Präsident Putin hatte, konnten Sie sehen, daß er trotz der unglaublichen Geschichten, die ihm im Russiagate vorgeworfen wurden, tatsächlich auf diesem Kurs ist.“
Auch andere britische Operationen werden aufgedeckt, wie die False-Flag-Operationen gegen die syrische Regierung und die dubiose Skripal-Affäre. „Alle diese britischen Operationen waren darauf ausgerichtet, die Vereinigten Staaten immer mehr in eine Konfrontation gegen Rußland zu treiben.“
Die Lage in den USA ist vollkommen polarisiert. „Die Demokraten tun alles, um bei der Kongreßwahl die Mehrheit im Repräsentantenhaus und möglichst auch Sitze im Senat zu gewinnen, denn nach ihren Plänen wollen sie einige neokonservative Republikaner in ihr Lager ziehen und dann gleich ein Verfahren zur Absetzung von Präsident Trump anstreben. Wenn es dazu käme, wären wir sofort wieder ganz auf dem Kriegspfad gegen Rußland und China. Dazu muß man nur die kriegerischen Erklärungen beispielsweise von General Scaparrotti hören, dem Oberkommandeur der NATO-Truppen in Europa, der im Grunde sagte, der Westen sei bereits im Krieg gegen Rußland – da werde zwar noch nicht geschossen, aber das sei ein Krieg… Wir sind also wirklich in einem ganz entscheidenden Kampf, in dem der Weltfrieden davon abhängt, daß Trump die nötige Unterstützung erhält.“
Amerika in der Thukydides-Falle?
Die zweite wichtige Frage neben dem internen Machtkampf in den USA ist der Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und China. „Es ist die alte Frage der ,Thukydides-Falle’: Wie reagiert die bisher dominierende Macht, nämlich die Vereinigten Staaten, auf den Aufstieg einer sekundären Macht, wenn die schließlich die bisher dominierende Macht überholt? Was bringt Leute wie Bannon und Kissinger, die anscheinend ein Bündnis geschlossen haben, und viele Denkfabriken dazu, völlig durchzudrehen?“
Seit Chinas Präsident Xi Jinping 2013 in Kasachstan die Neue Seidenstraßen-Initiative (BRI) ankündigte, haben sich rund hundert Länder angeschlossen. „In allen diesen Ländern wurde investiert, zwölfmal so viel wie im Marshallplan, alles auf der Grundlage einer Win-Win-Kooperation, in eine enorme Zahl von Infrastrukturkorridoren, Industrieparks, Kraftwerken; es wurden verschiedenste landwirtschaftliche Projekte aufgebaut.“
Es entwickelt sich ein völlig neues System der internationalen Beziehungen auf der Grundlage der Achtung der Souveränität, der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten des anderen Landes und des Respekts für die Perspektiven anderer Gesellschaftssysteme, und dies hat eine völlig andere Dynamik in der Welt ausgelöst. So ist die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) vollständig in die Gürtel- und Straßen-Initiative integriert, es entsteht eine neue Form der Süd-Süd-Beziehungen, was kürzlich beim Jahrestreffen der BRICS sehr deutlich wurde, wo sich die Gruppe „Globaler Süden“ (Global South) bildete. „Das sind praktisch alle Organisationen des Entwicklungssektors, die G-77, die Organisation der Islamischen Länder, Mercosur, die Afrikanische Union und viele regionale Organisationen.“ Und beim FOCAC-Treffen Anfang September in Beijing nahmen mehr als 50 afrikanische Staats- und Regierungschefs teil, die eine neue Ära der Freundschaft und der historischen Beziehungen zwischen China und dem afrikanischen Kontinent verkündeten.
Dieser Geist der Neuen Seidenstraße überwindet nun die geopolitischen Konflikte in vielen Teilen der Welt, beispielsweise in Korea, wo Nord- und Südkorea auf dem besten Wege sind, noch in diesem Jahr einen Friedensvertrag anzukündigen und Kurs auf die Wiedervereinigung zu nehmen. Ähnliches entwickelt sich am Horn von Afrika, „dort schaffen jetzt Somalia, Dschibuti, Eritrea und Äthiopien neue diplomatische Beziehungen und eine Kooperation, die noch vor kurzem völlig undenkbar war“.
Im Kontext der Neuen Seidenstraße gibt es zahlreiche strategische Neuausrichtungen zwischen Ländern, die bisher aus strategischen Gründen und aufgrund früherer Kriege völlig zerstritten waren. Ein Beispiel ist die neue Kooperation zwischen Japan und China, die übereinstimmend erklären, daß sie in Drittländern kooperieren können, insbesondere in Thailand. Auch lateinamerikanische Länder sind sehr daran interessiert, mit China zusammenzuarbeiten.
Aber in Europa sind die Reaktionen sehr gemischt: Die Europäische Union und Berlin insistieren auf dem „europäischen Weg“, aber viele in Europa sehen die Vorteile der Kooperation mit der Neuen Seidenstraße. „Die 16+1, das sind die ost- und mitteleuropäischen Länder plus China, schaffen viele Infrastrukturprojekte, und das hat Optimismus ausgelöst, beispielsweise in den Visegrad-Ländern – Polen, die Tschechische Republik, die Slowakei und Ungarn -, deren Verkehrsminister sich gerade getroffen haben und sagten, daß sie ihre Hauptstädte durch Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnnetze miteinander verbinden wollen.“
Ein weiteres Beispiel der Kooperation mit der Neuen Seidenstraße ist Österreich, wo Bundeskanzler Sebastian Kurz noch vor Jahresende ein großes Europa-Afrika-Forum veranstalten wird, da Österreich im laufenden Halbjahr die EU-Präsidentschaft innehat. Viele Institutionen in Wien und ganz Österreich sind begeistert. Der Präsident der Wiener Wirtschaftskammer setzt sich für die Integration Österreichs in die Neue Seidenstraße ein – die Neue Seidenstraße sei „unsere wirtschaftliche Zukunft“.
Auch die italienische Regierung strebt ein strategisches Bündnis mit China an, sie hat große Geschäfte mit China abgeschlossen und China eingeladen, sich am Wiederaufbau der italienischen Infrastruktur zu beteiligen. Frau Zepp-LaRouche verwies besonders auf die Vereinbarung über die Kooperation zwischen China und Italien im „Transaqua“-Projekt zur Wiederauffüllung des austrocknenden Tschadsees in Zentralafrika als ein Modell für alle westlichen Länder.
Sie zitierte einen Kommentar in der Neuen Zürcher Zeitung über „Europas lähmende Angst vor Afrika“: Der entscheidende Unterschied zwischen der Herangehensweise Europas und Chinas sei, daß Europa lediglich eine Bedrohung durch Flüchtlinge und eine riesige Migrationskrise sieht, während China in Afrika vor allem wirtschaftliche Chancen sieht. In Ländern wie Indien, der Türkei, den Golfstaaten, Rußland, Brasilien, Indonesien, Thailand, Japan und China laute das Gebot der Stunde „Auf nach Afrika“. Man spreche bereits von einem neuen China mit afrikanischem Charakter.
Fortschrittsfeindlichkeit im Westen
Das neue Paradigma ist ein neues System der Beziehungen zwischen den Nationen, das es den Entwicklungsländern erlaubt, Sprünge vorwärts zu machen, ihre Unterentwicklung zu überwinden und Zugang zu fortgeschrittenen Technologien zu erhalten. Das alte Paradigma hingegen beruht auf der Abkehr vom relativen industriellen Optimismus der Zeit Kennedys, de Gaulles und Adenauers der 1960er Jahre, und dem Versuch, eine nachindustrielle Utopie zu schaffen. Zepp-LaRouche verwies in diesem Zusammenhang auf die These des Club von Rom über „Die Grenzen des Wachstums“ und Henry Kissingers Memorandum NSSM-200, in dem er argumentierte, das Bevölkerungswachstum müsse beschränkt werden, weil zuviele Menschen zuviele Rohstoffe brauchen, die die USA für sich beanspruchen. Gleichzeitig hätten Prinz Philips World Wildlife Fund und die Weltbank alles getan, um Entwicklungsprojekte im Entwicklungssektor zu verhindern.
Nun, da sich zeigt, daß die Neue Seidenstraße eine unglaubliche Dynamik entfaltet, gibt es neue Angriffe, diesmal vom Weltklimarat (IPCC), der die völlige Dekarbonisierung der Weltwirtschaft bis 2050 fordert. „Aber viele Länder sind vollkommen von der Kohle abhängig, und sie werden es noch lange Zeit sein, bis sie neue Energiequellen wie die Kernfusion entwickelt haben.“ Wenn aus der Neuen Seidenstraße in den kommenden zwei Generationen die Weltlandbrücke werden soll – und genau das ist nun im Gang -, dann braucht die Welt eine vollkommen neue Wirtschaftsplattform und mindestens eine Verzehnfachung des Energieverbrauchs, und das erfordert offensichtlich ein Eilprogramm zur Entwicklung der Kernfusion.
Der IPCC fordert bis zum Jahr 2050 rund 122 Billionen Dollar an Investitionen, um die Weltwirtschaft zu dekarbonisieren. Statt dessen brauchen wir Lyndon LaRouches Vier-Punkte-Programm: die Glass-Steagall-Bankentrennung, um die Finanzspekulation zu unterbinden, Nationalbanksysteme in der Tradition Alexander Hamiltons und ein neues Bretton-Woods-System zur Finanzierung großer Aufbauprojekte sowie massive Produktivitätssteigerungen der Weltwirtschaft durch große Forschungsprogramme für die Weltraumfahrt und die Kernfusion. „Mein Ehemann hat schon vor vielen Jahren gesagt, daß der einzige Weg, dies zu erreichen, der ist, daß die vier wichtigsten Mächte, die Vereinigten Staaten, Rußland, China und Indien, zusammenarbeiten, um ein solches Neues Bretton-Woods-System zu schaffen, denn nur sie haben die Macht, das gegenwärtige System der finanziellen Herrschaft der Wall Street und der Londoner City zu beseitigen.“
Viele Menschen fragten, ob das überhaupt möglich ist. Wenn die Kongreßwahl günstig für Trump ausgeht, dann hoffe und erwarte sie, daß er in der zweiten Hälfte seiner ersten Amtszeit eine viel freiere Hand hat und positive Beziehungen zu Rußland und China aufbauen wird.