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Natalja Witrenko: Eine konstruktive Alternative zur bestehenden Weltordnung

Natalja Vitrenko

Wirtschaftswissenschaftlerin & Vorsitzende der Progressiven Sozialistischen Partei der Ukraine, Kiew, Ukraine.


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Diese Konferenz ist eine einzigartige Informationsplattform für Wissenschaftler und Spezialisten aus verschiedenen Ländern und Kontinenten, um in dieser sehr schwierigen Vorkriegssituation Ideen auszutauschen. Wir haben die Gelegenheit, einen Weg zur Rettung der Welt zu definieren und die Welt zu reorganisieren, um Souveränität und politische Stabilität, Wirtschaftswachstum und eine bessere Lebensqualität für die Menschen aller Länder sicherzustellen.

Für uns als Bürger der Ukraine sind diese Fragen besonders akut. Die Ukraine von heute ist durchzogen vom Blut eines Bürgerkrieges. Die Ukraine erfährt enorme menschliche und wirtschaftliche Verluste und ist in den Klauen einer Neonazi-Diktatur, die dazu benutzt werden soll, einen – nuklearen! – Dritten Weltkrieg auszulösen.

Der wirtschaftliche Niedergang der Ukraine

Unser Land ist gut ausgestattet, mit einem ausgezeichneten Klima, 20% der Landfläche an Schwarzerde auf der Welt, einer einzigartigen strategischen Lage und hochqualifizierten und gutausgebildeten Arbeitskräften. 22 Jahre lang hat die Ukraine die mit den IWF- und Weltbankreformen verknüpften Bedingungen gehorsam und penibel erfüllt, und seit acht Jahren befolgt sie die Handelsvorschriften der Welthandelsorganisation. In diesem Jahr unterzeichnete die Ukraine ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union. Und jetzt taumelt unser Land in einen Abgrund, in Zerfall und Selbstzerstörung.

2013 betrug das BIP der Ukraine nur 65% des Niveaus von 1990. 2014 hat sich der Rückgang fortgesetzt: Im 1. Quartal fiel es um 1%; im 2. Quartal um 4,7%. Der hochgerechnete Rückgang des BIP bis zum Jahresende beträgt 10%. Die Nettoverschuldung der Ukraine steigt rapide. Im gesamten Jahr 2014 wird sie um 102,2% steigen. In den ersten acht Monaten 2014 fiel die Industrieproduktion um 7,8%. Die ukrainische Landeswährung, die Hrywnja, verlor in dieser Periode mehr als 60%, dabei lag die Inflation bei 90%. Der Bürgerkrieg hat die Wirtschaftskrise verschärft. Die Rüstungsausgaben verschlingen den Löwenanteil der Ausgaben im Staatshaushalt. Löhne, Renten und Sozialleistungen bleiben eingefroren, während Preise, Strom- und Heizkosten in diesem Jahr bisher schon um 40% gestiegen sind. Der Lebensstandard ist um 30% gefallen. 78% der Bevölkerung der Ukraine leben unter der Armutsgrenze.

Statt dem, was versprochen wurde – nämlich europäische Werte, Rechtsstaat, Redefreiheit, Recht auf friedliches Demonstrieren, das Recht auf Leben, Sicherheit und Würde, und das Recht des Volkes, durch Wahlen seinen Willen auszudrücken -, wird in der Ukraine eine Neonazi-Diktatur konsolidiert. In Schulbüchern, Medien und dem Verhalten unserer staatlichen Institutionen, überall werden Hitlers Kollaborateure von der Organisation Ukrainischer Nationalisten und der Ukrainischen Aufstandsarmee zu Helden verklärt. Die Korruption hat sich zu einem neuen, „europäischen“ Format neu konfiguriert.

Leider ist das, was in der Ukraine geschieht, keine Anomalie, keine zufällige Ausnahme in einer blühenden Weltgemeinschaft. Es ist vielmehr das gesetzmäßige, geplante Resultat der gegenwärtigen Weltordnung, die von den USA nach dem Sieg über Nazi-Deutschland geschaffen wurde.

Die USA schufen die Grundlage für dieses neue Weltsystem schon 1944 mit der Bretton-Woods-Konferenz, indem sie den US-Dollar – damals noch vom Gold gedeckt – als globale Währung durchsetzten. Die Dollarisierung der Weltwirtschaft hat der amerikanischen Oligarchie enormen Profit verschafft. Ab August 1971 haben die Vereinigten Staaten, die ihre Nachkriegswirtschaft um ein Vielfaches mehr aufbauten als die Erholung der Sowjetunion, Europas oder anderer Kontinente, die Golddeckung des Dollars dreist aufgekündigt. Wer hätte dagegen Einspruch erheben können?

Zu dem Zeitpunkt hatten die USA bereits Institutionen der Globalisierung eingerichtet, wie den IWF, die NATO, die Weltbank und die WTO (damals GATT), um ihre Interessen zu schützen. Gnadenlos beuteten sie die ganze Welt aus, ruinierten Volkswirtschaften und verurteilten Milliarden Menschen zu einer halb verhungerten Existenz oder zum Tod durch Hunger, Drogen, Seuchen und bewaffnete Konflikte. Die Vereinigten Staaten sorgten sich nur um ihr eigenes Wohl. Die Menschen in Jugoslawien, dem Irak, Afghanistan, Libyen und Syrien waren und sind Opfer dieser Politik im Dienste der nationalen Interessen der USA.

Das existierende Weltsystem stößt auf eine stetige, allgemeine Zunahme der Unzufriedenheit in verschiedenen Ländern, die diese gegenwärtige Weltordnung für ungerecht und inakzeptabel haltendiese Ordnung, die vom IWF und der WTO vorgeschrieben wird, unter Bedingungen totaler Dollarisierung, wirtschaftlicher Sanktionen, von außen angeordneter Coups, farbigen Revolutionen und bewaffneten Konflikten, die amerikanische Hegemonie sicherstellen sollen. Neue globale Mächte entstehen. Neue Vereinigungen zur Integration von Ländern, wie die BRICS, die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, die Eurasische Zollunion und die Eurasische Union, pochen auf ihre wirtschaftlichen und politischen Interessen.

Am 8. Oktober erschien in der Financial Times eine Analyse der Schwellenländer, die zeigte, daß die Trends der Weltwirtschaft die Führungsposition der USA gefährden. Betrachtet man das BIP in Bezug auf die Kaufkraftparität, so wird die alte, von den USA angeführte Gruppe der sieben führenden Nationen (G7) von einer neuen Siebenergruppe überflügelt: Brasilien, Rußland, Indien, China, Mexiko, Indonesien und die Türkei haben ein kombiniertes BIP von 37,8 Bio.$, gegenüber 34,5 Bio.$ für die G7. China selbst hat die Vereinigten Staaten schon überholt. Sein BIP nach Kaufkraftparität beträgt 17,6 Bio.$, das der USA 17,4 Bio.$.

Für die Vereinigten Staaten ist der Verlust ihrer Führungsposition in der Welt und die Zerstörung der weltweiten Dollarpyramide eine echte Gefahr. Und nicht nur die Fortsetzung ihrer Vorherrschaft auf der Welt ist bedroht, sondern sogar die Existenz der Vereinigten Staaten als Nation. Die USA haben eine astronomische Auslandsverschuldung von 17 Bio.$ und ein klaffendes Haushaltsloch von 1,7 Bio.$. Für die Vereinigten Staaten besteht der radikale Weg zur Rettung im Dritten Weltkrieg. Und der soll auf dem europäischen Kontinent stattfinden. Sie zählen darauf, daß die Ukraine diesen Krieg auslöst.

Das Aufkommen der Neonazis

Seit der Zerstörung der Sowjetunion haben die USA die Ukraine massiv bearbeitet. Es war eindeutig in ihrem Interesse, daß Neonazi-Parteien und -Bewegungen ab den 90er Jahren in unserem Land einen Boom erlebten. Die folgenden NeonaziOrganisationen traten auf: in den 90er Jahren die Ukrainische Nationalversammlung Ukrainische Nationale Selbstverteidigung (UNAUNSO); 1991 die Sozial-Nationale Partei der Ukraine (SNPU), die 2004 umbenannt wurde in All-Ukrainische Vereinigung Swoboda. Swoboda hat seit 2010 Sitze in Kommunalparlamenten in Galizien in der Westukraine und seit 2012 Sitze im nationalen Parlament. Dann gab es die Organisation Stepan Bandera Trident, 1993 gegründet, aus der im Dezember 2013 der Rechte Sektor hervorging. Es gibt noch viele weitere. Sie alle erhielten und erhalten großzügige Unterstützung mit Geld und Informationen vom Westen.

Die Unterstützung von Naziorganisationen verstößt gegen die Charta und Urteile des Internationalen Nürnberger Militärtribunals, welche die nationalen Gerichte verpflichteten, Kollaborateure mit Hitler-Nazis anzuklagen.

Es verstößt gegen die Resolutionen der Vereinten Nationen, die Rassismus und Nazismus verurteilen und die den Staat verpflichten, die Propagierung von nationalem, Rassen- oder religiösem Haß zu verbieten und als strafbare Handlung zu verfolgen. (In einer UN-Resolution vom 26. November 2012 wird betont, daß Verbote solcher Haß-Organisationen in keiner Weise gegen die Meinungs- und Redefreiheit verstoßen.)

Es verstößt gegen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, gegen den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, gegen die internationale Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes und gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, die alle jede Art der Diskriminierung verbieten, sei es aufgrund von Geschlecht, Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, politischer oder anderer Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, Status als Grundeigentümer oder nicht, oder auf irgendeiner anderen Grundlage.

Und es verstößt gegen die Verfassung der Ukraine, die in Artikel 37 die Gründung und Aktivität von politischen Parteien und öffentlichen Organisationen verbietet, deren programmatische Ziele oder Handlungen darauf abzielen, ethnische, rassische oder religiöse Feindseligkeit zu schüren.

Die Machthaber in der Ukraine haben sowohl unter Präsident Juschtschenko als auch unter Präsident Janukowitsch Gesetze und Vorschriften benutzt, um heute eine Nazi-Ideologie zur Ideologie der Ukraine zu machen.

Der jüngste Fall ist Präsident Poroschenkos Dekret vom 14. Oktober 2014, mit dem der 14. Oktober zu einem Feiertag der „Verteidiger des Vaterlands“ erklärt wird. Am 14. Oktober 1942 wurde die sogenannte Ukrainische Aufstandsarmee gegründet, die dann mit Hitler kollaborierte und an deren Händen viel Blut klebt; es reicht, an das Massaker in Wolhynien vom Sommer 1943 zu erinnern, als in Wolhynien 120.000 ethnische Polen ermordet wurden. Der Gründungstag der Organisation, die das getan hat, wurde nun zu einem nationalen Feiertag in der Ukraine erklärt.

Neonazis bildeten den ideologischen harten Kern des Euromaidan. Bei ihren Nazi-Aufmärschen trugen sie offen Nazi-Symbole (das Hakenkreuz, die Zahlen 14 und 88, das Keltenkreuz und bestimmte Fahnen) und Porträts ihrer ideologischen Idole, der Kollaborateure und Agenten der deutschen Abwehr Konowalez, Bandera und Schuchewitsch. Auf dem Euromaidan in Kiew skandierten sie immer wieder „Moskowiter (d.i. Russen) ans Messer!”, „Hängt die Kommunisten auf”, „Die Ukraine den Ukrainern”, „Ruhm der Ukraine – Tod den Feinden”, „Ruhm der Ukraine – Ruhm den Helden” und „Ukraine über alles”.

Hier in Deutschland, denke ich, erinnern sich die Menschen noch daran, was „Deutschland über alles“ bedeutete. Wir haben ein Buch mit dem Titel „Das Völkerrecht gegen die Rehabilitierung der ukrainischen Kollaborateure“ veröffentlicht, das Bilder von den Demonstrationen des Euromaidan in Kiew enthält. Ich bin dem Schiller-Institut und unseren wahren Freunden in Frankreich, Deutschland und Italien wirklich dankbar (und ich denke, alle Antifaschisten in der Ukraine sind dankbar), daß sie damals, im Februar und März 2014, unsere Reise durch mehrere europäische Länder und Treffen mit Abgeordneten der nationalen und regionalen Parlamente sowie des Europaparlaments organisierten. Wir haben damals alle diese Dinge aufgezeigt. Aber Brüssel, Washington und London wollten es nicht sehen. Sie sahen bloß einen „friedlichen Euromaidan“.

Aber er war nur eine Woche lang friedlich, vom 23. bis zum 30. November 2013.

Der Putsch des Euromaidan

Der Euromaidan in Kiew war schon seit dem 1. Dezember 2013 nicht mehr friedlich. Da hatten die Berkut-Sondereinheiten Befehl, keine Waffen einzusetzen, und die Guerillas des Maidan benutzten ausgiebig Baseballschläger, Pflastersteine, Leuchtgeschosse, Molotowcocktails, Eispickel und Ketten. Nachdem sie Waffenlager der Polizei und Militärbasen in Galizien geplündert hatten, verfügten sie auch über automatische Waffen. Sie besetzten 19 Regierungsgebäude im Zentrum der Hauptstadt.

Washington und Brüssel jedoch untersagten stur, daß die Behörden Gewalt einsetzten, obwohl sie sahen, wie die Neonazi-Guerillas in Kiew Amok liefen.

Wie paßt diese Haltung des Westens mit den Ereignissen am 9. August 2014 zusammen, als die Polizei im amerikanischen Ferguson, Missouri, einen unbewaffneten, 18jährigen Afro-Amerikaner namens Michael Brown erschoß, was friedliche Demonstrationen seiner empörten Mitbürger auslöste, die wiederum von der Polizei erst mit Tränengas und dann mit Gummigeschossen bekämpft wurden? Danach wurde die Nationalgarde hingeschickt und der Notstand ausgerufen und eine Ausgangssperre verhängt.

Ein Teil der ukrainischen Bevölkerung unterstützte den Euromaidan, aber Millionen, Zigmillionen lehnten ihn ab. Diejenigen, die ihn ablehnten, wollten nicht, daß die Ukraine zu einem Feind Rußlands gemacht wird. Sie waren gegen die Unterzeichnung des Assoziationsabkommens mit der EU, das die starken wirtschaftlichen, kulturellen, medialen, wissenschaftlichen und auch schlicht familiären Beziehungen zu den Russen systematisch abbrechen sollte. Eine Umfrage der Stiftung Demokratischer Initiativen im Februar 2014 ergab eindeutig, daß nur 16,8% der Ukrainer die Aktionen der Demonstranten uneingeschränkt unterstützten. Die Teilnehmer des Maidan kamen großenteils aus Galizien: 55% der Protestierenden waren aus Kleinstädten und Dörfern in der Westukraine angereist. Und trotzdem besitzen Leute die Frechheit, zu behaupten, der Maidan in Kiew hätte den „Willen unseres Volkes“ verkörpert!

Am 20. Februar 2014 hatten die Neonazi-Guerillas schon Feuerwaffen. Am 21. Februar zwangen drei Außenminister (aus Deutschland, Frankreich und Polen) Janukowitsch praktisch, den Putsch anzuerkennen und auf die Bedingungen des Maidan einzugehen. Das entsprechende Memorandum sah Verpflichtungen für alle Seiten vor. Aber die Maidan-Vertreter hatten nicht im geringsten die Absicht, ihre Verpflichtungen zu erfüllen, und es zwang sie auch niemand dazu. Die illegalen bewaffneten Einheiten wurden weder entwaffnet noch aufgelöst.

Die Neonazi-Ideologie wurde zur Ideologie des neuen Staates. Es ist eine Ideologie, unter der eine ethnische Gruppe allen anderen diktiert. Es ist eine Ideologie der Repressalien gegen Russen (und sämtliche Parteigänger Rußlands) – eine Ideologie der Repressalien gegen Dissidenten. Die neuen Machthaber verkündeten: „Eine Nation – eine Sprache – eine Kirche – ein Staat”.

Vertreter der russischen Welt (und damit sind nicht nur Bürger der Russischen Föderation und ethnische Russen gemeint, sondern auch sogenannte „Kleinrussen, die sich mit der russischen Welt und mit der ostslawischen Kultur identifizieren) haben unter diesen Bedingungen energisch Alarm geschlagen. Die Stimmung auf der Krim explodierte, und das Referendum vom 16. März endete praktisch einmütig für die Rückkehr zu Rußland. Der Donbaß erhob sich. Diese Region hat 6,5 Millionen Einwohner, die meisten von ihnen kulturell russisch orientiert, und ist mit Rußland eng verbunden. Das Referendum vom 11. Mai ergab, daß 75% der Bevölkerung der Regionen Donezk und Lugansk kein Teil einer antirussischen Neonazi-Ukraine sein wollte.

Aber das Kiewer Regime beschloß, den Donbaß zu bestrafen und auf den Werten, dem Willen und den Interessen seiner Bevölkerung herumzutrampeln.

Bis zum April 2014 konnten wir uns nicht vorstellen, daß die Regierung gegen Zivilisten und gegen die Aufständischen so ausgeklügelte Vernichtungsmittel einsetzen würde wie Gradund UraganRaketenwerfer, Clusterbomben, Phosphorbomben, taktische TotschkaURaketen (auch SS-21 genannt) und andere selektive schwere Offensivwaffen. Selbst den massiv untertriebenen UNZahlen zufolge sind bei den Kämpfen mit der ukrainischen Armee und verschiedenen Freiwilligenbataillonen bis Anfang dieses Monats, Oktober 2014, im Donbaß 3600 Menschen getötet und 8700 verletzt worden. Zum Vergleich: In dem mehr als zehn Jahre langen sowjetischen Krieg in Afghanistan starben 3360 Soldaten und Offiziere aus der Ukraine! Der Bruderkrieg im Donbaß schuf auch die Voraussetzungen für einen Flüchtlingsstrom, wovon etwa 1 Million in Rußland und etwa 300.000 in anderen Regionen der Ukraine Zuflucht nahmen.

Aber die Probleme der Ukraine heute sind nicht auf den Donbaß begrenzt. Alle russischen Fernsehkanäle wurden abgestellt und immer mehr Filme und Fernsehserien aus Rußland werden verboten. Ein sogenanntes Phänomen namens „vom Müll reinigennimmt rapide zu: Das sind Aktionen auf der Straße, wo gewählte Volksvertreter und andere Offizielle ohne irgendeine Untersuchung oder Gerichtsverfahren verprügelt und dann in Mülltonnen geworfen werden. Gegen Menschen, die sich beim Regime unbeliebt machen, werden Verleumdungen in Umlauf gebracht. Menschen verschwinden. Ich will hier zwei Beispiele anführen:

1. Im Juli 2014 drangen in der Stadt Melitopol (nicht im Donbaß, sondern in der Region Saporoschje) sechs Personen in das Haus von Sergej Dolgow ein, dem Chefredakteur einer Zeitung namens „Ich will zurück in die UdSSR!“, und verschleppten ihn. Er ist verschwunden. In den Monaten seitdem hat ihn niemand gefunden.

2. Ebenfalls im Juli 2014 beschloß unsere Kollegin Jelena Masur, die wie wir Abgeordnete des Parlaments war, eine Demonstration von Frauen gegen den Krieg vor dem Obersten Rada (unserem Parlament) zu organisieren. Diese Demonstration wurde aufgelöst und die Frauen wurden geschlagen. Die Polizei verhaftete die weiblichen Aktivisten, darunter auch die Abgeordnete des ukrainischen Volkes Jelena Masur, und prügelte sie so brutal, daß sie mit einem Schädelbruch ins Krankenhaus kam.

Verleumdungen und Verfolgung treffen nicht nur Mitglieder politischer Parteien oder Bürgeraktivisten und Blogger, sondern auch Menschen, die einfach nur in sozialen Netzwerken mitmachen. Hooligans verprügeln friedliche Demonstranten, und dann werden sie von der Polizei verhaftet – wohlgemerkt, die Demonstranten! So geschehen im Juli 2014 vor der Obersten Rada (dem Parlament) in Kiew, im August in Cherson und im September in Odessa und Charkow.

Vor diesem Hintergrund wird die Öffentlichkeit zunehmend mit Militarismus, barbarischer Russophobie und Haß auf alle abweichenden Meinungen gespeist. Diese Tendenzen sind charakteristisch für die Rhetorik der Parlamentskandidaten der Wahl am kommenden 26. Oktober. Iryna Farion von der Swoboda-Partei beispielsweise verkündete am 30. September in einer Rede an Kämpfer des Sitsch-Bataillons, die Ukraine müsse „der Vorreiter des Dritten Weltkriegs“ werden, und dieser Vorreiter müsse unbedingt siegreich sein.

Unter diesen Bedingungen von Bürgerkrieg, marodierenden Extremisten, Einschüchterung und Erpressung, strikter Zensur und militaristischer, antirussischer Psychose kann es am Ausgang der Wahl vom 26. Oktober kaum Zweifel geben. Das wird ein Kriegsparlament sein, das auf Anordnung der USA, oder wenn in der Ukraine soziale Massenunruhen drohen, durchaus das Kriegsrecht verhängen und Rußland den Krieg erklären könnte.

Angesichts von Europas Rolle als passiver Teilnehmer der aggressiven Politik der USA gibt es keinen Zweifel, daß eine Kriegserklärung der Ukraine gegen Rußland die NATOLänder unter Führung der Vereinigten Staaten in den Mahlstrom ziehen würde. Die Menschheit würde dann fraglos fürchterliche Verluste durch Angriffe mit Kernwaffen erleiden.

Die Alternative

Die menschliche Vernunft ist verpflichtet, eine Alternative zu diesem diabolischen Szenario zu finden. Diese Alternative sollte eine fundamental neue, wissenschaftlich organisierte, inspirierte und lebensfähige Weltordnung sein. Das bringt natürlich eine Vielfalt schwieriger Probleme mit sich, von der Schaffung gerechter supranationaler Finanz- und Kreditorganisationen als Ersatz für IWF und Weltbank und neuen Handelsorganisationen anstelle der WTO bis hin zur Auflösung der NATO, Abschaffung des Dollar-Monopols und einer radikalen Reform der Arbeitsweise der UNO und ihres Sicherheitsrats.

Diese globalen Probleme lassen sich nicht lösen, wenn der Entwicklungssektor nicht hinsichtlich Wirtschaft, Energie und Finanzen an Durchschlagskraft zunimmt. Das wiederum erfordert die Umsetzung großer internationaler Investitionsprojekte. Das chinesische Projekt der Neuen Seidenstraße ist dabei von besonderem Interesse. Der Aufbau der Neuen Seidenstraße ist eine Strategie für die radikale Transformation des eurasischen Kontinents. Dieses Projekt kann ein mächtiger Anstoß für wissenschaftliche Forschungen sein, für die Entwicklung und Umsetzung innovativer Technologien zum Bau von Hochgeschwindigkeitsbahnen und verwandte moderne Infrastruktur, erweiterte Zusammenarbeit in Handel, Tourismus und Kultur sowie fruchtbare Koordination zwischen eurasischen Ländern zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit. Die Umsetzung dieses Projekts wird fraglos die neuen maßgeblichen Nationen der Welt stärken und zu einer grundlegenden Veränderung der Währungspolitik auf der Welt führen, mit Entdollarisierung und einem Übergang zur Verwendung nationaler Währungen im gegenseitigen Handel.

Das Projekt der Neuen Seidenstraße ist auch für die Ukraine äußerst vielversprechend. Der alte Staat der Kiewer Rus kontrollierte den Weg „von den Warägern zu den Griechen“, der die nördlichen russischen Lande über Kiew mit Zargrad (Konstantinopel) verband. Ähnlich sollte Kiew heute daran interessiert sein, seine Hauptverkehrsachsen auszubauen, damit die Ukraine ihre geopolitischen Vorteile wirksam ausnutzen kann, indem es zum Transitland nach Europa wird.

Die Beteiligung an dem chinesischen Projekt sollte für die Ukraine ein Anstoß sein, forschungsintensive Hochtechnologieindustrie zu entwickeln, die eine andersartige, hochentwickelte ukrainische Wirtschaft der Zukunft prägen würde. Das kann eine weitere Abnahme der wissenschaftlichen, technischen und intellektuellen Stärke unseres Landes verhindern, und es kann ein wirksames Mittel werden, um Massenarbeitslosigkeit, Armut sowie Abwertung und Abwanderung der Arbeitskräfte zu bekämpfen.

Es wäre eine Schande, die Chance zu versäumen. Es wäre eine Schande, wenn die Kräfte des Krieges, des Bösen und der unersättlichen Gier der Oligarchie über die Kräfte des Guten, der Vernunft und der Kreativität triumphieren würden.

Diese Chance zur Rettung der Ukraine wird es nur geben, wenn das Bewußtsein der Öffentlichkeit vor Nazi-Ideologie und -Propaganda geschützt wird und das politische Leben unseres Landes von Neonazi-Parteien und -Bewegungen gesäubert wird. Das läßt sich nur durch gemeinsame Bemühungen Rußlands und Europas erreichen. Die Normen und Prinzipien des Völkerrechts erlauben das nicht nur, sie fordern es, unter Berufung auf das Gedenken an die 50 Millionen Toten des Zweiten Weltkriegs.

Was wir dazu brauchen, ist der politische Wille.

 

Video clips: Clip 1, Clip 2

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