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Ehemalige Kolonisatoren jetzt kolonisiert

Ehemalige Kolonisatoren jetzt kolonisiert

Von Ex-Präsident Donald Ramotar

Die militärischen Operationen Rußlands in der Ukraine bringen viele Dinge ans Licht, die den meisten Völkern der Welt verborgen geblieben sind. Eines davon ist der wahre Grund, warum die Vereinigten Staaten die Nordatlantikvertrags-Organisation (NATO) nicht aufgelöst haben, als der Kalte Krieg zu Ende war und keine militärische Bedrohung mehr bestand.

Der Grund ist, daß die NATO das Instrument ist, mit dem die Vereinigten Staaten die Politik und Wirtschaft Europas kontrollieren. Diese Kontrolle ist so allgegenwärtig, daß wir zu dem Schluß kommen können, daß die europäischen Länder zu Kolonien der Vereinigten Staaten geworden sind.

Die europäischen Länder sind sich bewußt, daß Rußland echte Sicherheitsbedenken bezüglich der NATO-Stützpunkte hatte und hat. Die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel wandte sich gegen Präsident Bush, der die NATO bis an die Grenzen Rußlands ausdehnte. Sie warnte, daß dies zu einem Krieg führen könnte. Trotzdem beugte sie sich dem Druck der USA und stimmte gegen ihren Willen der Erweiterung zu. Mit dieser Entscheidung wurde der Grundstein für einen Krieg in Europa gelegt.

Als die Ukraine Rußland weiterhin bedrohte und die russische Bevölkerung in der Ostukraine unaufhörlich bombardierte, erkannten Deutschland und Frankreich die Gefahren und unternahmen Schritte, um die mit Sicherheit bevorstehende Konfrontation abzuwenden. Sie arbeiteten mit Rußland und der Ukraine zusammen, um ein Abkommen zur Vermeidung eines Krieges auszuhandeln.

So kam es zum Minsker Abkommen, das der überwältigenden russischen Bevölkerung im Donbaß und in Luhansk mehr Autonomie einräumen sollte. Das hätte es diesen Menschen ermöglicht, ihre Muttersprache, Russisch, zu verwenden. Es hätte diesen Orten erlaubt, ukrainisch zu bleiben. Der französische Präsident und die deutsche Bundeskanzlerin verpflichteten ihre Länder, als Garanten für die Umsetzung dieser Vereinbarung zu sorgen.

Das paßte nicht zu den Plänen der USA, Rußland in einen Krieg zu treiben. Kürzlich enthüllte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, daß sich die NATO seit 2014 auf einen Krieg mit Rußland vorbereitete. Deshalb mußten die USA/NATO das Minsker Abkommen zerstören.

Die Amerikaner drängten die Ukraine zunächst, das von ihr unterzeichnete Abkommen aufzugeben. Dann forderten sie Frankreich und Deutschland auf, sich zurückzuziehen. Deshalb haben diese beiden ehemals mächtigen Staaten auch ihre eigenen Verpflichtungen mißachtet und damit das Abkommen zerstört. Sie haben nicht den Willen gezeigt, ihre eigenen Verpflichtungen einzuhalten.

Unter dem Druck der USA weigerten sie sich, Rußland Sicherheitsgarantien zu geben, obwohl sie sich seit 1990 verpflichtet hatten, die NATO nach der Wiedervereinigung Deutschlands nicht einen Zentimeter in Richtung Rußland zu erweitern.

Die europäischen Staaten wurden auf Drängen der USA zu diesem Schritt gezwungen, wohl wissend, daß sie damit einen Krieg vor ihre Haustür bringen. Die Vereinigten Staaten sind durch zwei riesige Ozeane sehr gut geschützt, aber die Europäer befinden sich an der Frontlinie. Die USA scheinen also bereit für einen Krieg auf Kosten der Ukraine und ihrer Vasallen in Europa zu sein.

Die imperialen Pläne der USA haben auch einen wirtschaftlichen Aspekt. Lange Zeit drängten die USA Europa, kein billiges Öl und Gas mehr aus Rußland zu beziehen. Sie wollten diesen Markt für sich selbst. Sie zwangen Deutschland, die North-Stream-2-Pipeline aufzugeben, die russisches Gas direkt nach Deutschland leiten sollte. Dies geschah, nachdem die Deutschen selbst Millionen von Euro für den Bau der Pipeline ausgegeben hatten.

Indem man Rußland zu Militäroperationen zwang, um zu verhindern, daß die Ukraine zu einem militärischen Außenposten der NATO wird, und um die in der Ostukraine lebende russische Bevölkerung zu schützen, wurde ein perfekter Vorwand geschaffen, um den Kauf russischer Energie zu stoppen. Das bedeutet, daß die Europäer gezwungen wären, amerikanisches Gas und Öl zu kaufen, das viel teurer ist.

Dies würde natürlich die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie beeinträchtigen und die Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten erhöhen. Doch die Europäer machen das kleinlaut mit. All das ist gegen die Interessen der eigenen Bevölkerung.

Das ist ähnlich wie in der klassischen Kolonialzeit, als die Kolonien gezwungen waren, teurere Waren aus dem „Mutterland“ zu kaufen, während sie ihre Waren billiger an die Kolonisatoren verkaufen mußten.

Hinzu kommt ein militärischer Aspekt.

Die Europäer sind nun gezwungen, angesichts der so genannten „russischen Bedrohung“ mehr für ihr Militär auszugeben. Dieses Geld wird ausgegeben, um Waffen von den USA zu kaufen und so ihren militärisch-industriellen Komplex zu bereichern. Der Hauptgrund ist die Versorgung der NATO-Aggression in der ganzen Welt.

Wenn man bedenkt, daß der Militärhaushalt der USA mindestens zehnmal größer ist als der Rußlands, und wenn man die Militärausgaben der NATO-Länder hinzurechnet, geben diese wahrscheinlich 15-mal mehr für ihr Militär aus als Rußland. Daher muß man sich fragen, wer wen bedroht, denn dieses Argument ist eindeutig nicht stichhaltig.

Dann haben wir natürlich die Sanktionen. Diese Sanktionen wurden schon Monate vorher vorbereitet, da die USA/NATO Rußland keine andere Möglichkeit ließen, als sein Militär in der Ukraine einzusetzen. Die harten Maßnahmen wurden in der Absicht ausgearbeitet, Rußlands Wirtschaft zu zerstören und einen Regimewechsel in Moskau zu erzwingen.

Sie brüsteten sich mit der „Mutter aller Sanktionen“ und damit, den russischen Rubel zu Fall zu bringen.

Ihre Sanktionen, die Rußland zweifellos schaden, hatten jedoch auch einen Bumerang-Effekt. Indem sie versuchen, Rußlands Wirtschaft zu zerstören, schaden die USA auch der europäischen Wirtschaft. Sie schaden sogar sich selbst; ihre Experten, die die Sanktionen entworfen haben, scheinen ihre Strategie nicht durchdacht zu haben und sich der Auswirkungen auf die NATO-Länder nicht bewußt gewesen zu sein.

Was dieser Krieg dem russischen Volk auch deutlich gemacht hat, ist der Haß und die Verachtung, die der Westen ihm entgegenbringt. In der Vergangenheit wurde der Welt vorgegaukelt, die Feindseligkeit gegenüber Rußland sei ideologisch begründet. Es war ein Wettstreit zwischen zwei Systemen, dem Kapitalismus und dem Sozialismus.

Nun aber ist Rußland kapitalistisch, wahrscheinlich hat es ein reineres kapitalistisches System als die USA und ihre Verbündeten. Daher scheint der Haß auf einer Form von Rassismus zu beruhen, da Rußland als euro-asiatisch angesehen wird. Der Westen sieht auf sie herab.

Aus ihren Erklärungen geht hervor, daß die russische Führung dies erkannt zu haben scheint. Sie bereiten sich eindeutig darauf vor, ihre Beziehungen zu den USA und Europa drastisch zu reduzieren. Ihr Augenmerk richtet sich jetzt auf Asien.

Während die USA und Europa also glauben, daß sie Rußland vom Westen isolieren werden, distanzieren sich die Russen freiwillig und bewegen sich nach Osten.

Bei all dem ist klar, daß die Europäer ihre Souveränität verloren haben. Alle ihre Handlungen sind gegen ihre eigenen Interessen gerichtet. Eines der Hauptziele der Vereinigten Staaten ist es, Europa zu kontrollieren und es ihrem Willen zu unterwerfen. Das ist ihnen gelungen. Das ist Kolonialismus in allem außer dem Namen!

(Donald Ramotar war Präsident von Guyana (2011-2015) und Mitglied des Parlaments.)

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