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Ostausschuß-Vorsitzender fordert Helsinki 2.0 und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Rußland

Ostausschuß-Vorsitzender fordert Helsinki 2.0 und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Rußland

Oliver Hermes, Vorsitzender des Ost-Ausschußes der Deutschen Wirtschaft, appellierte am 1. Februar eindringlich, die Krise zu deeskalieren und stattdessen Lösungen für das Ukraine-Problem auf der Basis wirtschaftlicher Zusammenarbeit auszuhandeln.

„Das Kriegsgespenst geht um in Europa. In zahlreichen Medien, aber auch von Seiten der Politik wird eine russische Invasion in der Ukraine buchstäblich herbeigeschrieben und -geredet, so als hätten die „Falken“ auf allen Seiten seit Jahren auf diese Gelegenheit nur gewartet. Vorwürfe an die Bundesregierung, die sich sträubt, den Konflikt durch Waffenlieferungen weiter anzufachen, schüren das Feuer. In der Ukraine selbst ist man erfreulicherweise bemüht, das Kriegsgeschrei etwas zu bremsen, um Druck aus dem Kessel zu nehmen. Präsident Wolodymyr Selenskyj persönlich warnte jüngst vor Panik. Die Gefahr einer massiven Auseinandersetzung zwischen Rußland und der NATO ist derzeit zweifellos so groß wie seit 30 Jahren nicht mehr. Ein Krieg in Osteuropa würde neben dem furchtbaren menschlichen Leid unseren ganzen Kontinent und mit ihm die europäische Wirtschaft um Jahrzehnte zurückwerfen. Darum sollte allen Seiten daran gelegen sein, zu deeskalieren und die Gemüter zu kühlen. Militärische Muskelspiele in Osteuropa sind dabei nicht zielführend.

Zur Deeskalation kann auch die Wirtschaft ihren Teil beitragen. Wirtschaft kann Politik nicht ersetzen, aber sie kann ihre spezifischen Dialogkanäle nutzen. Der Ost-Ausschuß feiert dieses Jahr seinen 70. Geburtstag. Über unsere wirtschaftliche Funktion hinaus haben wir uns immer auch als „Brückenbauer“ gesehen, der zur politischen und gesellschaftlichen Verständigung und Aussöhnung mit einer Region beiträgt, in der Deutschland im 20. Jahrhundert unvorstellbar großes Unheil angerichtet hat. Das Resultat unserer Bemühungen sind enge, über Jahrzehnte gewachsene wirtschaftliche Beziehungen mit der Ukraine und mit Rußland. Aus verlässlichen Geschäftspartnern sind dabei Freunde geworden. Deutsche Unternehmen tragen allein in Rußland die Verantwortung für rund 280.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Durch ihre Arbeit legen sie auf allen Ebenen – von der Führungsposition bis zu den Beschäftigten in Werken und Büros – tagtäglich die Grundlage für Vertrauen und gegenseitige Anerkennung. Dies ist die langjährige, hart erarbeitete Basis für eine friedliche und erfolgreiche Zusammenarbeit in der Zukunft. Menschen, nicht Staaten, bauen Vertrauen auf.

Wer die Wirtschaftsbeziehungen mit Rußland infrage stellt, der sollte umgekehrt einmal überlegen, welche Gesprächs- und Einflußmöglichkeiten Deutschland ohne Wirtschaftsbeziehungen mit Rußland noch bleiben. Diese Brücken ganz abzubrechen würde unsere Welt nicht sicherer machen. Die Bundesbürger wünschen sich übrigens mehrheitlich eine engere Kooperation zwischen EU und Rußland: Zwei von drei Deutschen (62 Prozent) sprachen sich in einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag des Ost-Ausschußes für intensivere Beziehungen zwischen der EU und Rußland aus….

Der Außenhandel ist aber nur ein Ausschnitt unserer Wirtschaftsbeziehungen: Rußland ist der größte Markt in unserer unmittelbaren Nachbarschaft und ein wichtiger Investitionsstandort. Deutsche Unternehmen haben auf Grund der Bedeutung des Landes bereits jetzt lokale und regionale Wertschöpfungsketten aufgebaut, um die Kundenbedürfnisse nicht nur in Rußland selbst, sondern auch auf anderen Märkten der Eurasischen Wirtschaftsunion und im übrigen Zentralasien zu bedienen, die sich von Rußland aus gut erschließen lassen.“

Und nicht zuletzt wegen des deutschen Atom- und Kohleausstiegs werde die Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Rußland, die heute schon bei 40 Prozent liege, mittelfristig sogar noch zunehmen, so Hermes.

„Die global ausgerichtete deutsche Wirtschaft ist grundsätzlich gegen jede Form des Decouplings. Nicht nur im Handel, im Energie- und Finanzsektor, sondern auch im Sicherheitsbereich brauchen wir ein europäisches „Coupling“, das heißt, eine gesamteuropäische Sicherheitsarchitektur unter Einschluß Rußlands und der Ukraine….

„Wir brauchen jetzt ein Helsinki 2.0. Die gemeinsame Überwindung der Corona-Folgen durch neue Medikamente und Medizintechnik wäre ein wichtiger Ansatz. Initiativen zur Digitalisierung und zur Fachkräfteaus- und -weiterbildung gibt es bereits, sie könnten aber stärker vernetzt werden. Ähnliches gilt für den Agrarbereich – die Ukraine und Rußland sind Rekordweizenproduzenten und setzen stark auf deutsche Landmaschinentechnik. Vor allem aber das Thema Energie verbindet Deutschland, Rußland und die Ukraine seit über 50 Jahren miteinander. Aus den bestehenden Energiebeziehungen eine trilaterale Klimapartnerschaft zu machen, ist daher ein logischer und überfälliger Schritt. Es ist Zeit für eine Konferenz für Sicherheit und Klimazusammenarbeit in Europa – gerne wieder in Helsinki.“

Den vollständigen Beitrag finden Sie hier.

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