von Helga Zepp-LaRouche
Immer mehr Menschen auf der ganzen Welt sind in tiefster Sorge darüber, einige wenige prominente Personen sagen es öffentlich: Die Konfrontation der NATO gegenüber Rußland und China ist dabei, derart zu eskalieren, daß ein globaler, thermonuklearer Krieg fast sicher ist, wenn wir den politischen Kurs nicht dramatisch wenden. Der weltweite Börsenabsturz, der dem „Schwarzen Montag“ folgte, vernichtete rund fünf Billionen Dollar, die sofort darauf wieder denselben oder anderen Zockern virtuell in die Taschen flossen, nachdem die Zentralbanken die elektronischen Geldpressen im großen Stil in Gang gesetzt hatten.
Die endgültige Kernschmelze des transatlantischen Finanzsystems ist durch das gigantische „quantitative easing“ – das bedingungslose Hinauswerfen von Geld „aus Hubschraubern“, wie es der ehemalige Chef der Fed, Ben Bernanke es genannt hat – kurzfristig verschoben. Aber in diesem unmittelbar bevorstehenden Finanzkrach der Wall Street und der City of London liegt der Grund für die akute Kriegsgefahr, und nicht in irgend etwas, was Rußland oder China getan hätten.
„Rußland bereitet sich auf einen Konflikt mit der NATO vor, die NATO trifft Vorbereitungen für eine mögliche Konfrontation mit Rußland“, heißt es in einer jüngsten Studie der Denkfabrik European Leadership Network, die sich aus ehemaligen europäischen und russischen Verteidigungsministern und Militärexperten zusammensetzt. In der Tat läßt die Modernisierung der taktischen Nuklearwaffen in Europa, die Aufrechterhaltung des US-Raketenabwehrsystems in Osteuropa und die Erstschlags-Doktrin der NATO keinen anderen Schluß zu. Rußland und China haben darauf ihrerseits mit der Modernisierung ihrer Nuklearkapazitäten und der Entwicklung von Hyperschall-Raketen reagiert, die die NATO-Systeme ausschalten sollen. Wenn es zu diesem Krieg kommt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, daß die Menschheit weitgehend oder ganz ausgelöscht wird.
Die herzzerreißende Flüchtlingskatastrophe, die sich derzeit in Europa abspielt, und die das Resultat einer Serie von auf Lügen aufgebauten Kriegen in Südwestasien und Nordafrika ist, sollte der Warnschuß für die ganze Welt sein, daß das System der Völkergemeinschaft zusammengebrochen ist. Jeder Einzelne der Zehntausenden von Menschen, die bereits im Mittelmeer ertrunken sind, jeder Einzelne der Hunderttausenden, die jetzt auf der Flucht sind, nur um dann potentiell der Gewalt von rechten Terroristen ausgesetzt zu sein, und jeder Einzelne der Millionen, die weltweit entwurzelt und auf der Flucht sind, repräsentiert eine donnernde Anklage gegen die Verantwortlichen, die diese Kriegsverbrechen und Verbrechen an der Menschlichkeit verursacht haben!
Wo ist die Instanz, die – gewissermaßen in der letzten Minute – noch eingreifen kann? Wo ist das Weltgericht, vor dem die große Schuld gesühnt werden kann? Sind wir als Menschheit kollektiv in der Lage, von einem Kurs abzuweichen, der zu unserem eigenen Untergang zu führen droht?
Wenn es diese Instanz überhaupt gibt, dann ist es die bevorstehende Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York. Vom 24. September bis zum 1. Oktober wird eine große Zahl von Staats- und Regierungschefs an diesem Treffen teilnehmen. Manhattan wird in dieser Zeit der Ort sein, an dem das Schicksal der Menschheit vor den Augen der gesamten Welt verhandelt und eine Vision für eine bessere Zukunft vereinbart werden kann – oder anders ausgedrückt: die Weichen dafür gestellt werden, ob wir überhaupt eine Zukunft haben werden.
Es gibt eine Lösung für diese existentielle Krise, aber sie muß in einem völlig neuen Paradigma angesiedelt sein, sie muß der Identität der Menschheit als einzig kreativer Gattung gerecht werden, und sie muß bewußt eine neue Ära der Menschheit einläuten.
Lyndon LaRouche forderte in einem Notaufruf, daß nur die sofortige Einführung der Glass-Steagall-Bankentrennung – exakt so, wie sie von Franklin D. Roosevelt 1933 eingeführt worden ist – die Realwirtschaft vor den Auswirkungen der bevorstehenden Kernschmelze beschützen kann. Die Wall Street sei hoffnungslos bankrott. Deshalb sei eine allgemeine Mobilisierung notwendig, um den Kongreß zu veranlassen, die Wall Street durch die Verabschiedung des Glass-Steagall-Gesetzes vorsorglich zu schließen. Da die Krise weltweit sei, müsse der Glass-Steagall-Standard international eingeführt werden, d.h. das globale Finanzsystem müsse einem ordentlichen Insolvenzverfahren unterzogen und durch ein Kreditsystem ersetzt werden, um die notwendige kapitalintensive Produktion der Realwirtschaft wieder in Gang zu setzen.
Die Totalverschuldung des globalen Finanzsystems von geschätzten zwei Billiarden Dollar, wovon rund 90 Prozent ausstehende Derivatkontrakte sind, ist noch sehr viel weniger aufrecht zu erhalten als die Schulden Griechenlands. Nur wenn die Kasino-Wirtschaft beendet wird, d.h. der virtuelle, toxische Anteil des Bankensektors gestrichen und das dem Realwirtschaft dienende Bankenwesen geschützt werden, kann die Erholung der physischen Ökonomie stattfinden und damit die Dynamik zum Krieg unterbrochen werden.
Die UN-Vollversammlung ist wahrscheinlich die letzte Gelegenheit, eine solche Reorganisation zu beschließen. Es ist vielleicht eine historische Fügung, daß die Tagung in Manhattan stattfindet und damit dem Ort, an dem der erste Finanzminister der USA, Alexander Hamilton, das amerikanische System der Ökonomie und das Prinzip der Nationalbank etabliert hat. Genau in dieser Tradition Hamiltons führte Roosevelt Amerika in den 1930er Jahren mit dem Glass-Steagall-Gesetz und der Reconstruction Finance Corporation aus der Depression heraus. Genau das war auch das Vorbild, nach dem die Kreditanstalt für Wiederaufbau Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg aus einem Trümmerfeld wieder aufgebaut und das deutsche Wirtschaftswunder ermöglicht hat.
Solch ein Wirtschaftswunder brauchen heute viele Regionen der Welt, und seine Verwirklichung liegt in greifbarer Nähe. Der chinesische Präsident Xi Jinping hat seit 2013 den Ausbau der Neuen Seidenstraße als ein neues Modell der wirtschaftlichen Kooperation zwischen den Nationen mit der Perspektive einer „Win-win-Zusammenarbeit“ auf die internationale Tagesordnung gebracht. Spätestens seit dem Gipfel der BRICS-Staaten in Fortaleza 2014 hat sich eine beispiellose Dynamik der Kooperation zwischen den BRICS-Staaten, lateinamerikanischen, asiatischen, afrikanischen und selbst europäischen Nationen bei der Verwirklichung lange verschobener Infrastrukturprojekte entwickelt: Nikaragua-Kanal, transkontinentale Eisenbahn zwischen Brasilien und Peru, Pazifik-Atlantik-Tunnel zwischen Argentinien und Chile, viel Kooperation im Bereich der Nuklearenergie zwischen BRICS-Staaten und Entwicklungsländern, gemeinsame Raumfahrtprojekte. Es hat eine Explosion von Entwicklung stattgefunden, die jahrzehntelang blockiert war. Der Bau des Neuen Suezkanals in nur einem Jahr ist symptomatisch für den neuen Geist.
Was jetzt von den Staatschefs bei der UN-Vollversammlung gefordert ist, ist die Fähigkeit, eine Vision für die Menschheit aufzuzeigen. Die Grundsteine sind gelegt. Der Ausbau der Neuen Seidenstraße – „Eine Straße, ein Gürtel“ – und deren Integration mit der Eurasischen Union sind im vollen Gang. Viele Staaten Asiens, Lateinamerikas und Afrikas sind bereits dabei, ihre Entwicklung durch die Kooperation mit den BRICS-Staaten voranzutreiben. Alle Probleme dieser Welt können gelöst werden, wenn es auf dieser UN-Vollversammlung gelingt, die europäischen Nationen und die USA dazu zu gewinnen, gemeinsam mit den BRICS-Staaten die Regionen aufzubauen, die derzeit unter Krieg, Hunger, Wassermangel, Epidemien und Terrorismus zusammenbrechen.
Wenn es auf dieser UN-Vollversammlung gelingt, im Rahmen der Neuen Seidenstraße, die zur völkerverbindenden Weltlandbrücke wird, eine gemeinsame Entwicklungsperspektive vor allem für Südwestasien und Afrika, aber auch für Mittel- und Südamerika zu beschließen, an der Rußland, China, Indien, der Iran, Ägypten, Deutschland, Frankreich, Italien, andere europäische Nationen, und die USA gemeinsam arbeiten, dann wird es nicht nur relativ einfach sein, den Terrorismus dadurch zu überwinden, daß den Menschen in diesen Regionen eine wirkliche Perspektive für ihre Zukunft gegeben wird, nämlich, ihre Staaten wirtschaftlich aufzubauen; darin liegt auch die einzige Chance, den Menschen, die jetzt vor Krieg und Schrecklichkeit flüchten, eine Hoffnung in ihrer Heimat zu geben und zu verhindern, daß eine neue Völkerwanderung von vielen Millionen Menschen auf eine überforderte Situation in Europa oder Amerika trifft.
Geopolitik und die Vorstellung, Konflikte durch Kriege zu lösen, die im Zeitalter der thermonuklearen Waffen zur Auslöschung der menschlichen Gattung führen würden, müssen ersetzt werden durch die Idee der gemeinsamen Ziele der Menschheit, an deren Verwirklichung alle Nationen auf diesem Planeten teilnehmen. Wenn es gelingt, die Regierungschefs und andere Repräsentanten ihrer Nationen mit diesem Geist anzustecken, daß sie es jetzt, im Moment höchster Gefahr für die Weiterexistenz der Menschheit, wagen müssen, aus den ausgetretenen Pfaden oligarchischer Spielregeln herauszutreten und sich auf den großen Wurf für die Zukunft der Menschheit zu einigen, dann können wir getrosten Mutes alle, aber auch wirklich alle Probleme der Gegenwart lösen und eine neue Ära der Menschheit beginnen – eine Ära, in der die Menschheit wirklich menschlich wird und die Gesetze unserer Schöpfungsordnung, des Kosmos, mit den Gesetzen und Aktivitäten auf unserer Erde in harmonische Übereinstimmung bringt.
Nur so werden wir als Gattung überleben. Und daran werden die Staatschefs in Manhattan gemessen werden. Wenn es denn noch eine Geschichte der Menschheit geben wird, wird man sich ihrer entweder als Monster erinnern, oder als außergewöhnliche Individuen, die es geschafft haben, im entscheidenden Augenblick eine leidenschaftliche, eine zärtliche Liebe zur Menschheit zu aktualisieren und eine neue Phase der Evolution einzuleiten.