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Prof. Mariana Tian vom Institut für Historische Studien der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften sprach bei der Konferenz des Schiller-Instituts am 26. November über „Bulgariens Beitrag zur Gürtel & Straßen-Initiative im Kontext der geopolitischen Lage auf dem Balkan“.

Bulgariens Beitrag zur Gürtel & Straßen-Initiative

Von Assoc. Prof. Mariana Tian

Verehrte Organisatoren dieser Konferenz, werte Kollegen,

in der europäischen, geopolitischen Sicht war der Balkan immer ein schwer zu verstehendes und zu regierendes Territorium. Er ist ein wichtiges Bindeglied zwischen Europa und Asien. Die Infrastruktur zu Land ist meist mit den Handelsrouten zum Nahen und Fernen Osten verbunden.

Auch heute noch hat der Balkan Probleme, aber es weht wieder ein Wind des Wandels (und, wenn ich so sagen darf, in Richtung einer besseren Zukunft). Einige der Faktoren, die zu dieser Verbesserung und zur wachsenden Intensität der Beziehungen zwischen den CEE-Ländern1 beitragen, hängen mit den chinesischen Initiativen „16+1“ und „Gürtel und Straße“ zusammen.

Ich möchte hier einige wenige wichtige Punkte hervorheben:

– Der Westbalkan ist so etwas wie das heiße Thema für die Zukunft. Sogar für unsere Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union im kommenden Jahr wird der Westbalkan für Bulgarien Priorität in Bezug auf die zukünftigen Erweiterungspläne für die EU haben.

– Trotzdem sollten wir die Bedeutung des Ostbalkan nicht unterschätzen, denn seine Länder haben auch geopolitische Stärken: große Häfen am Schwarzen Meer, politische und wirtschaftliche Stabilität, sie sind bereits Mitglied der Union, etc.

– Nur vereint (im Sinne der chinesischen Philosophie der Harmonie und der friedlichen Entwicklung) wird der Balkan voranschreiten und vorankommen.

Wie Prof. David Gosset von der Academia Sinica Europea in Shanghai beim 5. Euro-Chinesischen Forum bemerkte, ist Bulgarien eine wesentliche Komponente des Schwarzmeer-Systems. Dieses System verbindet traditionell die beiden Grenzen Eurasiens. Es war ein Teil von Marco Polos Reise auf der Seidenstraße. Auch der Nestorianermönch Rabban Sawma, Botschafter des chinesischen Kaisers, durchquerte es. Das Schwarzmeer-System wird eine wichtige Rolle beim Aufbau eines kooperativeren Eurasien spielen.

Die Geopolitik der größeren Schwarzmeerregion legt nahe, daß sie wichtig sein wird für die Entwicklung des Wirtschaftsgürtels der Seidenstraße, der durch diese Region führt.

Über diese Strecke führt der Verkehrskorridor Europa-Kaukasus-Asien. Ein Teil davon ist die Verbindung zwischen den georgischen und den bulgarischen bzw. rumänischen Seehäfen Poti (Georgien), Warna, Burgas (Bulgarien) und Constanta (Rumänien).

Die Verbindungen von den bulgarischen Seehäfen zu anderen Korridoren sind derzeit ein Thema strategischer Gespräche. Unser Premierminister Boyko Borissov und der Minister für Verkehr, Informationstechnik und Kommunikation, Ivaylo Moskovski, haben ein Memorandum über einen Eisenbahnkorridor mit dem griechischen Premierminister Alexis Tsipras und seinem Minister für Infrastruktur, Verkehr und Vernetzung, Christos Spirtzis, unterzeichnet.

Dieses Ereignis zeigt die politische Bereitschaft Bulgariens und Griechenlands, einen Verkehrskorridor entlang der Achse Ägaisches Meer – Schwarzes Meer – Donau zu schaffen.

Dieses „Sea2Sea“ genannte Projekt (s. https://ec.europa.eu/inea/sites/inea/files/fichenew_2011-eu-95011-s_final.pdf) wird das Konzept des Verkehrskorridors entwickeln, indem es durch Eisenbahnstrecken Verbindungen zwischen den griechischen Häfen von Thessaloniki, Kavala und Alexandroupoli (am Ägäischen Meer) nach Burgos, Warna und Ruse schafft. Das Ziel ist der Aufbau eines umfassenden multimodalen Korridors, der dem Kern des Transeuropäischen Verkehrsnetzes (oder TEN-T, wie es auch genannt wird) entspricht, damit es mit Geldern aus dem Juncker-Plan und von der Europäischen Investmentbank gefördert werden kann (s. https://ec.europa.eu/transport/themes/infrastructure/ten-t-policy/priority-projects/european-coordinators_en).

Zu den wichtigsten Vorteilen dieses Korridors gehören folgende:

– Alexandroupoli wird zu einem strategischen Hafen, der eine schnelle Verbindung nach Burgas und Warna bietet, und Experten zufolge werden die Kosten des Eisenbahntransports stark reduziert.

– Die Wasserstraße durch den Bosporus und die Dardanellen in der Türkei werden umgangen, die Reisezeit von zwei Tagen auf sechs Stunden reduziert. Aber es geht natürlich nicht nur um die Zeiteinsparung. Die Entwicklung der Lage in der Türkei ist nicht so vorhersehbar wie in der Vergangenheit, sodaß auch strategische Gründe für den Bau dieses Korridors sprechen.

– Die Verbindung nach Ruse und Warna wird den Nutzen noch steigern, weil sie nicht nur Zugang zum Meer herstellt, sondern auch zu einer der wichtigsten Verkehrsadern Europas, der Donau.

Die Kosten des Projektes werden für den bulgarischen Abschnitt auf rund 1 Mrd. € und für den griechischen Abschnitt auf rund 4 Mrd. € geschätzt. Die Verbindung soll innerhalb von etwa zehn Jahren realisiert werden.

Die Donau-Strategie wird auch eine Rolle bei der Verteidigung des vorgeschlagenen Projektes spielen.

Ein weiterer wichtiger Korridor, der von der Schwarzmeerküste ausgeht, ist der Paneuropäische Korridor VIII (Abbildung 1). Auch in dieser Hinsicht können die jüngsten Entwicklungen in den Beziehungen zwischen Bulgarien und Griechenland als positiv betrachtet werden. Es gibt den politischen Willen, die Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu stärken, was in der Unterzeichnung eines Abkommens über Freundschaft, gute Nachbarschaft und Kooperation zum Ausdruck kommt. Dieser Schritt war notwendig, und er wird die Zusammenarbeit in der Infrastruktur und anderen Sektoren fördern. Noch wichtiger ist, daß er ein weiterer Schritt ist, um die Arbeit an Korridor VIII endlich zu beginnen.

Er wird das Schwarze Meer durch Bulgarien, Makedonien und Albanien mit dem Adriatischen Meer verbinden, was aus verschiedenen Gründen viel zu lange aufgeschoben wurde, aber die Entwicklung der Länder an dieser Ost-West-Achse sehr fördern wird. Bei ihrem Treffen im Juli mit dem makedonischen Ministerpräsidenten Zoran Zaev sagte unsere Außenministerin Ekaterina Zaharieva, der Bau des Korridors habe für beide Länder höchste Priorität.

Schließlich ist noch zu erwähnen, daß Bulgarien letzten Monat bei dem dritten China-CEEC-Forum für kulturelle Kooperation in Hangzhou (wie auch andere Länder der 16+1-Initiative) sehr richtig die Einrichtung eines Koordinierungszentrums für die kulturelle Kooperation zwischen China und den CEE-Staaten in Makedonien unterstützt hat.

Ich werde gleich noch auf diesen Korridor zurückkommen.

Bulgarien-Makedonien: Bulgarien und Makedonien werden die Bahnverbindung zwischen Sofia und Skopje über Kyustendil und Gyueshevo bauen und bis 2027 fertigstellen. Die Regierung hat dazu eine Absichtserklärung zwischen dem Ministerium für Verkehr, Informationstechnik und Kommunikation der Republik Bulgarien und dem Ministerium für Verkehr und Kommunikation der Republik Makedonien über die Entwicklung der Eisenbahnverbindung zwischen Sofia und Skopje unterzeichnet. Der bulgarische Staat hat sich verpflichtet, die Bahnverbindung von Sofia über Pernik und Radomir bis zur makedonischen Grenze bis 2027 zu bauen. Makedonien, das für den Bau der Strecke von Skopje über Kriva Palanka und Davebar zur bulgarischen Grenze zuständig ist, will dies bis Ende 2025 tun.

Bulgarien-Albanien: Auch Albanien, die dritte Partei in dieser Initiative, erlebt einen Aufschwung in den bilateralen Beziehungen zu Bulgarien. Die Regierung in Tirana stimmte den Änderungen im Gesetz zum Minderheitenschutz zu, die durch den Konsens im parlamentarischen Justizausschuss des Landes beschlossen wurden, wonach es eine bulgarische Minderheit im Land gibt, die nun offiziell durch Albanien anerkannt ist.

Bulgarien-Serbien: Nach dem Bau der neuen Abschnitte der Autobahn nach Nis in Serbien wird die Verbindung zwischen den beiden Ländern besser. Einen guten Anschub in dieser Hinsicht wird die Zustimmung des bulgarischen Parlaments zur Einführung eines Mautsystems geben, das 2018 in Betrieb genommen werden soll. Dies wird der Regierung die Hände freimachen, wenn sie großen Investoren und chinesischen Unternehmen, die bereits Interesse in diesem Sektor in Bulgarien angemeldet haben, Projekte vorschlägt.

Zurück zum Korridor VIII. Ich werde hier meine Expertenmeinung zu diesem Thema vortragen, da es einige Kontroversen darum gibt. Es gibt Vermutungen, daß die Unterzeichung der Absichtserklärung mit Griechenland in Kavala die Realisierung dieses Projekts blockieren wird. Ich wage es aber, zu sagen, daß Sea2Sea und die Via Egnatia (nach der alten römischen Straße von Italien zum Schwarzen Meer und nach Konstantinopel, heute die Fernstraße A2, Red.) sich nicht gegenseitig ausschließen.

Hier einige Fakten:

– In Nordgriechenland muß die direkte Eisenbahnverbindung Thessaloniki-Igoumenitsa noch gebaut werden, ebenso die Strecke Thessaloniki-Kavala-Xanti.

– Gleiches gilt für die Verbindung von Florina (Lerin) über Pogradec (am Ochridsee) zum Adriahafen Durres, beide in Albanien.

– Mit kleinen Ausnahmen (Thessaloniki-Plati) ist die Strecke in Nordgriechenland von Svilengrad an der bulgarischen Grenze zum Ionischen Meer nicht elektrifiziert.

– An vielen Orten gibt es überhaupt keine Bahnstrecken, und wo es sie gibt, sind sie einspurig. Die Modernisierung der Strecke Ormenio-Alexandroupoli wurde noch nicht fertiggestellt. Die Strecke Thessaloniki-Florina ist nur zum Teil instandgesetzt.

Die Situation des Eisenbahnverkehrs auf dem Korridor VIII ist folgende:

– Bulgarien arbeitet an der Modernisierung der Strecke Burgas-Sofia, inzwischen sind mehr als zwei Drittel der Strecke zweigleisig und elektrifiziert. Später soll auch Gyueshevo ausgebaut und die Strecke von Radomir bis zur Grenze elektrifiziert werden.

– In Makedonien sollen neue Streckenabschnitte von Kumanovo nach Guyeshevo und von Kichevo bis zur albanischen Grenze gebaut werden. Diese Abschnitte sind viel kürzer als die des Egnatia-Korridors. Der Abschnitt Kumanovo-Gyueshevo wird mit Geldern der Europäischen Kommission und der Europäischen Investitionsbank finanziert. Die verbleibende Strecke von Kumanovo bis Kichevo muß modernisiert werden.

– In Albanien muß die gesamte bestehende Strecke von Drach zum Orchridsee und zur Grenze modernisiert werden.

Die Situation des Straßenverbindungen auf dem Korridor VIII ist wie folgt:

– Auf den ersten Blick scheint es, daß Griechenland einen großen Vorteil gegenüber Bulgarien, Makedonien und Albanien hätte, weil die A2 für die südlichen Nachbarn bereits fertiggestellt ist und im kommenden Jahr auch die Wiederherstellung der Strecke von Ormenio über Ardanio zur A2 abgeschlossen sein wird.

– Aber wenn wir berücksichtigen, daß die Autobahnverbindung von Burgas (über Sofia) nach Dupnitsa in Bulgarien fertiggestellt ist, bleibt nur der Abschnitt Dupnitsa-Gyueshevo. Nach Westen gibt es eine bestehende Strecke von Kumanovo nach Gostivar, und die Verbindung von Kichevo nach Struga (Ochrid) wird gebaut. Es bleiben noch die Strecken Kumanovo-Gyueshevo, Gostivar-Kichevo und der Abzweig nach Kiafasan und zur albanischen Grenze.

– In Albanien ist die Fernstraße von Durres (Drac) nach Tirana fertig, die Verlängerung bis Elbasan sollte bald fertiggestellt sein. Es bleibt der Abschnitt von Elbasan nach Kefalasan.

Igumenitsa ist weiter von Bari und Brindisi in Italien entfernt als Durres, und wenn das Ziel in Süditalien liegt, ist die Fahrt von Burgas entlang des Korridors VIII kürzer als über die Via Egnatia.

Wenn das Ziel Gibraltar oder der Atlantik ist, fährt man von Burgas über Kulata über die Struma-Fernstraße nach Igumenitsa, und auch hier ist die Strecke, selbst über die noch nicht fertiggestellte Fernstraße A3, auf dem Korridor VIII in Bulgarien schneller als über die A2 in Griechenland.

Wenn das Ziel der Suezkanal und der Indische Ozean ist, kann man immer noch die Thrakien-Fernstraße in Bulgarien nach Thessaloniki und Athen benutzen, anstatt die Egnatia in Griechenland.

Und wenn das Ziel Kavala oder Alexandroupoli am Ägaischen Meer ist, dann fährt man natürlich über Svilengrad. Das gleiche Argument gilt für Warna und Ruse.

Was immer Griechenland tut, es wird nicht verhindern können, daß der Korridor VIII schrittweise gebaut wird.

Damit schließe ich meinen Überblick über den Balkan hinsichtlich der 16+1 und Gürtel- und Straßen-Initiativen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Anmerkungen:

1. CEE bzw. CEEC = Central and Eastern Europe bzw. Central and East European Countries (Mittel– und Osteuropäische Länder).

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