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Den Krieg mit einem Verhandlungsfrieden beenden

Den Krieg mit einem Verhandlungsfrieden beenden

Legitime Selbstverteidigung und das Streben nach einem gerechten und dauerhaften Frieden sind kein Widerspruch

Verhandlungsvorschlag von Professor Dr. Peter Brandt, Professor Dr. Hajo Funke, General a. D. Harald Kujat und Professor Dr. h. c. Horst Teltschik

Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar 2022 fĂŒhrt die Ukraine einen legitimen Verteidigungskrieg, in dem es um ihr Überleben als Staat, ihre nationale UnabhĂ€ngigkeit und Sicherheit geht. Diese Feststellung gilt unabhĂ€ngig von der demokratischen und rechtsstaatlichen QualitĂ€t und der VerfassungsrealitĂ€t, auch unabhĂ€ngig von der sehr viel komplizierteren Vorgeschichte und dem ebenfalls komplizierteren weltpolitischen Zusammenhang des Krieges.

Die LegitimitĂ€t der bewaffneten Selbstverteidigung auf der Grundlage des Art. 51 der Uno-Charta entbindet die Regierung in Kiew und die sie unterstĂŒtzenden Staaten allerdings nicht von der Verpflichtung – nicht zuletzt gegenĂŒber dem eigenen Volk – Vernunft walten zu lassen, sich der Steigerung von Gewalt und Zerstörung nicht hinzugeben und die Erlangung eines gerechten und dauerhaften Friedens politisch zu befördern. Auch wĂ€hrend des Krieges – und gerade wĂ€hrenddessen – darf das stete BemĂŒhen um eine diplomatische Lösung nicht nachlassen.

Das gilt ebenso fĂŒr die mittelbar Beteiligten, auch fĂŒr die Bundesrepublik Deutschland, die durch das Friedensgebot des Grundgesetzes sogar besonders verpflichtet ist. Zudem hat die Bundesregierung am 2. MĂ€rz 2022, wenige Tage nach Beginn des russischen Angriffs, einer von der Ukraine eingebrachten, von der Generalversammlung der Vereinten Nationen beschlossenen ResolutionÂč zugestimmt, die eine «friedliche Beilegung des Konfliktes zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine durch politischen Dialog, Verhandlungen, Vermittlung und andere friedliche Mittel» fordert. Am 23. Februar 2023 wurden die Mitgliedsstaaten und internationalen Organisationen in einer weiteren Uno-ResolutionÂČ aufgefordert, «ihre UnterstĂŒtzung diplomatischer Anstrengungen zu verdoppeln, um einen umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine zu erreichen.» Diese Verpflichtung gilt auch fĂŒr die ukrainische Regierung, die weiterhin Verhandlungen mit Russland ablehnt.Âł

Die Ukraine hat dem russischen Angriffskrieg bisher durch die umfassende UnterstĂŒtzung des Westens widerstanden. Die Entscheidung darĂŒber, welche Aufwendungen geleistet werden mĂŒssen, damit der Krieg gegen jede Vernunft und trotz der Unerreichbarkeit der politischen Ziele weitergefĂŒhrt wird, darf jedoch auf Dauer nicht allein der ukrainischen Regierung ĂŒberlassen werden. Die stĂ€ndige Intensivierung der KriegsfĂŒhrung hat bereits zu einer grossen Zahl gefallener Soldaten und getöteter ukrainischer Zivilisten sowie zur weitgehenden Zerstörung der Infrastruktur gefĂŒhrt. Je lĂ€nger der Krieg dauert, desto grösser werden die ukrainischen Verluste und die Zerstörung des Landes, und desto schwieriger wird es, einen gerechten und dauerhaften Verhandlungsfrieden zu erreichen, der auch den Staaten Sicherheit gibt, die an der Seite der Ukraine stehen. Es droht bereits eine weitere Eskalation durch absehbare Offensiven der russischen StreitkrĂ€fte, im Kampf um Odessa und durch den wieder ausgebrochenen Konflikt um die ukrainische Getreideausfuhr.

Seit dem 4. Juni 2023 versuchen die ukrainischen StreitkrĂ€fte, die tief gestaffelten russischen Verteidigungsstellungen zu durchbrechen und die LandbrĂŒcke zwischen Russland und der Krim zu blockieren, um die russischen StreitkrĂ€fte von der logistischen Drehscheibe Krim abzuschneiden. Die ukrainischen StreitkrĂ€fte erleiden in den KĂ€mpfen grosse Verluste an Menschen und (westlichem) Material, ohne bisher einen durchgreifenden Erfolg zu erzielen.

Scheitert die Offensive, so ist damit zu rechnen, dass die Ukraine fordern wird, westliche Soldaten sollen westlichen Waffen folgen. Denn auch die geplanten westlichen Waffenlieferungen können die enormen personellen Verluste der ukrainischen StreitkrĂ€fte nicht ausgleichen. Dagegen hat Russland bisher noch nicht die Masse seiner aktiven Kampftruppen eingesetzt. Man kann daher davon ausgehen, dass Russland nach weiteren ukrainischen Verlusten in Gegenangriffen dazu ĂŒbergehen wird, die annektierten Gebiete zu sichern und damit das Ziel der «militĂ€rischen Spezialoperation» zu erreichen.

Diesen Krieg kann niemand gewinnen

Schon seit einiger Zeit zeichnet sich ab, dass weder Russland noch die Ukraine diesen Krieg gewinnen können, denn von keinem werden die politischen Ziele erreicht, deretwegen sie diesen Krieg fĂŒhren. Die Ukraine kann auch mit westlicher UnterstĂŒtzung durch Waffen- und Munitionslieferungen sowie durch die Ausbildung ukrainischer Soldaten Russland militĂ€risch nicht besiegen. Selbst die bisher und immer wieder aufs Neue von Laien geforderte Lieferung von «Wunderwaffen»⁎ ist nicht der erhoffte «Gamechanger», der die strategische Lage zu Gunsten der Ukraine Ă€ndern könnte. Zugleich steigt jedoch das Risiko, dass die Eskalation bis zum «Äussersten» steigt, einem militĂ€rischen Konflikt zwischen der Nato und Russland, mit der realen Gefahr eines auf den europĂ€ischen Kontinent begrenzten Nuklearkrieges, obwohl die USA und Russland ihn vermeiden wollen.⁔

Diese Entwicklung sollte nicht abgewartet werden. Denn es wĂ€re vor allem im Interesse der Ukraine, sobald wie möglich einen Waffenstillstand anzustreben, der die TĂŒr fĂŒr Friedensverhandlungen öffnet. Es liegt gleichermassen im Interesse der europĂ€ischen Staaten, die die Ukraine vorbehaltlos, aber ohne eine erkennbare Strategie unterstĂŒtzen. Denn aufgrund der zunehmenden Abnutzung der ukrainischen StreitkrĂ€fte wĂ€chst das Risiko, dass der Krieg in der Ukraine zu einem europĂ€ischen Krieg um die Ukraine eskaliert. Die Ukraine vergrössert dieses Risiko, indem sie mit westlicher UnterstĂŒtzung zunehmend AnschlĂ€ge gegen die strategische Infrastruktur Russlands wie beispielsweise am 26.12. 2022 gegen den nuklearstrategischen StĂŒtzpunkt Engels bei Saratow oder die Kertsch-BrĂŒcke⁶ unternimmt. Zudem könnte sich der Westen gezwungen sehen, eine vernichtende militĂ€rische Niederlage der Ukraine durch sein aktives Eingreifen zu verhindern. Die Einsicht, dass dies eine reale Gefahr ist, wĂ€chst.⁷

Kann man mit Putin verhandeln?

Bisher gibt es keinen Beleg dafĂŒr, dass das politische Ziel der «militĂ€rischen Spezialoperation» die Eroberung und Besetzung der gesamten Ukraine ist und Russland danach einen Angriff auf Nato-Staaten plant. Es gibt auch keine Anzeichen, dass Russland und die USA fĂŒr diesen Fall Vorbereitungen treffen. Aus militĂ€rischer Sicht kann man allerdings nicht völlig ausschliessen, dass die russischen StreitkrĂ€fte beabsichtigen, Gebiete westlich des Dnjepr zu erobern, denn sie haben die BrĂŒcken ĂŒber den Fluss bisher nicht zerstört, obwohl dies in der gegenwĂ€rtigen Konstellation von grossem Vorteil wĂ€re. Putin widerspricht energisch, dass er – wie hĂ€ufig behauptet wird, – das imperialistische Ziel verfolgt, die Sowjetunion wieder herzustellen: «Wer die Sowjetunion nicht vermisst, hat kein Herz, wer sie sich zurĂŒckwĂŒnscht, hat keinen Verstand.»⁞

Putin war zu Verhandlungen mit der Ukraine bereit und ist es sicherlich noch – dies immer unter der Voraussetzung, dass Verhandlungen auch von der Gegenseite – also der amerikanischen, ukrainischen und westlichen Seite – gewollt werden. Hierzu hat Putin sich mehrfach positiv geĂ€ussert. Beispielsweise anlĂ€sslich der ErklĂ€rung zur Teilmobilmachung vom 21.  September 2022: «Das möchte ich heute zum ersten Mal öffentlich machen. Nach dem Beginn der militĂ€rischen Sonderoperation, insbesondere nach den GesprĂ€chen in Istanbul, Ă€usserten sich die Kiewer Vertreter recht positiv zu unseren VorschlĂ€gen. [
] Aber eine friedliche Lösung passte dem Westen offensichtlich nicht, weshalb Kiew nach Abstimmung einiger Kompromisse tatsĂ€chlich befohlen wurde, alle diese Vereinbarungen zunichte zu machen.»âč

Ebenfalls am 30. September 2022 in der ErklĂ€rung zur Annexion der vier Regionen: «Wir rufen das Kiewer Regime dazu auf, unverzĂŒglich das Feuer einzustellen, alle Kampfhandlungen, diesen Krieg, den es bereits 2014 vom Zaun gebrochen hat, zu beenden und an den Verhandlungstisch zurĂŒckzukehren. Wir sind dazu bereit, das haben wir bereits mehrfach erklĂ€rt.»10

Am 17. Juni 2023 erklĂ€rte Putin gegenĂŒber der afrikanischen Friedensdelegation: «Wir sind offen fĂŒr einen konstruktiven Dialog mit allen, die Frieden wollen, der auf den GrundsĂ€tzen der Gerechtigkeit und der BerĂŒcksichtigung der legitimen Interessen der unterschiedlichen Seiten beruht.»11/12 Bei dieser Gelegenheit zeigte Putin demonstrativ ein paraphiertes Exemplar des Vertragsentwurfs der Istanbuler Verhandlungen.

Die «Welt» hat am 23.  Juni 2023 in einem ausfĂŒhrlichen Leitartikel geschrieben, dass auch die russischen Medien von Verhandlungen sprachen; man kann davon ausgehen, dass dies mit Billigung des Kremls geschehen ist. Die afrikanische Initiative sei anlĂ€sslich des russisch-afrikanischen Gipfels von der russischen Berichterstattung breit aufgegriffen und wohlwollend kommentiert worden. Die staatliche Nachrichtenagentur RIA veröffentlichte einen Kommentar, in dem die bisherigen gescheiterten Friedensinitiativen bedauert wurden. Chefredakteurin Margarita Simonjan, die bislang ein hĂ€rteres Vorgehen der russischen Armee forderte, befĂŒrwortete einen Waffenstillstand und eine entmilitarisierte, von Uno-Friedenstruppen gesicherte Zone. Es sei richtig, das Blutvergiessen jetzt zu stoppen. In Referenden sollten die Ukrainer dann selbst abstimmen, zu welchem Land sie gehören wollen. «Brauchen wir Territorien, die nicht mit uns leben wollen? Ich bin mir da nicht sicher. Aus irgendeinem Grund scheint es mir, dass der PrĂ€sident sie auch nicht braucht», sagte Simonjan.13

Der Krieg hĂ€tte verhindert werden können,14 hĂ€tte der Westen einen neutralen Status der Ukraine akzeptiert – wozu Selenkskij anfangs durchaus bereit war – , auf eine Nato-Mitgliedschaft verzichtet und das Minsk II-Abkommen fĂŒr Minderheitenrechte der russischsprachigen Bevölkerung durchgesetzt. Der Krieg hĂ€tte Anfang April 2022 beendet werden können, hĂ€tte der Westen den Abschluss der Istanbul-Verhandlungen zugelassen. Es liegt nun erneut und möglicherweise letztmalig in der Verantwortung des «kollektiven Westens» und insbesondere der USA, den Kurs in Richtung Waffenstillstand und Friedensverhandlungen zu setzen.

Es gilt, einen Weg aus der Gefahr einzuschlagen

Imperiale RivalitĂ€ten, nationale Überheblichkeit und Ignoranz haben den Ersten Weltkrieg ausgelöst, den man als die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts bezeichnet hat. Der Ukraine-Krieg darf nicht zur Urkatastrophe des 21. Jahrhunderts werden! Durch die zunehmende EuropĂ€isierung des Konflikts droht das Hineingleiten in einen grossen Krieg zwischen Russland und der Nato, den keine der beiden Seiten will und angesichts der in einem solchen Fall akut drohenden nuklearen Katastrophe auch nicht wollen kann. Deshalb ist es dringend geboten, die Eskalationsschraube anzuhalten, bevor sie eine nicht mehr politisch kontrollierbare Eigendynamik entwickelt.

Jetzt gilt es fĂŒr die europĂ€ischen Staaten und die EuropĂ€ische Union, deren weltpolitisches Gewicht im Krieg und durch den Krieg laufend reduziert wird, alle Anstrengungen auf die Wiederherstellung eines stabilen Friedens auf dem Kontinent zu richten und damit einen grossen europĂ€ischen Krieg zu verhindern. Diesen abzuwenden, erfordert das Engagement fĂŒhrender europĂ€ischer Politiker, namentlich des französischen PrĂ€sidenten und des deutschen Bundeskanzlers15 in einer gemeinsamen Anstrengung und in Abstimmung mit dem US-amerikanischen und dem tĂŒrkischen PrĂ€sidenten, solange noch Zeit ist und der «Point of no Return», auf den JĂŒrgen Habermas eindrĂŒcklich verwiesen hat, noch nicht ĂŒberschritten ist.

Frieden ist möglich – ein Weg aus der Gefahr

Positionen der Kriegsparteien

Ukraine:

– Verhandlungen erst nach Abzug der russischen Truppen von ukrainischem Territorium beziehungsweise nach der Befreiung aller von Russland besetzten Gebiete.

– Verpflichtung Russlands, die Kosten des Wiederaufbaus zu tragen.

– Verurteilung der fĂŒr den Angriff verantwortlichen russischen FĂŒhrung.

– Nato-Mitgliedschaft nach Beendigung des Krieges.

– Sicherheitsgarantien durch von der Ukraine benannte Staaten.

Russland:

– Konsolidierte NeutralitĂ€t der Ukraine – keine Nato-Mitgliedschaft.

– Keine Stationierung amerikanischer und anderer Nato-Truppen auf ukrainischem Territorium.

– Anerkennung der Regionen Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja als russisches Staatsgebiet.

– Höchstgrenzen fĂŒr die ukrainischen StreitkrĂ€fte insgesamt und fĂŒr die einzelnen Waffengattungen.

– RĂŒstungskontrollverhandlungen mit den USA/der Nato, insbesondere ĂŒber Verifikationsmechanismen fĂŒr das Ballistic Missile Defence System/BMDS der Nato in Polen und RumĂ€nien.

Beide Kriegsparteien haben nach dem RĂŒckzug der Ukraine aus den Vereinbarungen von Istanbul Vorbedingungen fĂŒr die Aufnahme von Verhandlungen gestellt, der ukrainische PrĂ€sident sogar Verhandlungen per Dekret verboten. Auch fĂŒr die Verhandlungsergebnisse wurden von beiden Seiten Forderungen erhoben, die so nicht realisierbar sind. Deshalb mĂŒsste erreicht werden, dass zunĂ€chst alle Bedingungen fĂŒr die Aufnahme von Verhandlungen fallengelassen werden. Das chinesische Positionspapier bietet dafĂŒr einen vernĂŒnftigen Ansatz. Es fordert, die Verhandlungen von Istanbul auf dem damals erreichten Stand wieder aufzunehmen («resume peace talks [
] resumption of negotiations»).

Eine wichtige Rolle fĂŒr das Zustandekommen von Verhandlungen fĂ€llt den USA zu. Die USA mĂŒssten den ukrainischen PrĂ€sidenten zu Verhandlungen drĂ€ngen. DarĂŒber hinaus mĂŒssten sie (und die Nato) zu RĂŒstungskontrollverhandlungen einschliesslich vertrauensbildender militĂ€rischer Massnahmen bereit sein.

Phase I – Waffenstillstand

1. Der Uno-Sicherheitsrat

beschliesst gemĂ€ss Artikel 24 Absatz 1 der Uno-Charta im Einklang mit der ihm von den Mitgliedern ĂŒbertragenen Hauptverantwortung fĂŒr die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit einen Zeit- und Ablaufplan fĂŒr einen Waffenstillstand und fĂŒr Verhandlungen zur Beendigung des Ukrainekrieges und die Wiederherstellung des Friedens,

beschliesst mit Wirkung von einem «Tag X» an einen allgemeinen und umfassenden Waffenstillstand zwischen den Kriegsparteien Russland und Ukraine. Der Waffenstillstand erfolgt ohne Ausnahme und ohne jede EinschrĂ€nkung oder Sonderregelung unabhĂ€ngig von der Dislozierung der gegnerischen StreitkrĂ€fte und Waffensysteme und ist in allgemeiner und umfassender Form verbindlich durchzufĂŒhren,

beauftragt einen Hohen Kommissar fĂŒr Frieden und Sicherheit in der Ukraine mit der politischen Verantwortung fĂŒr die DurchfĂŒhrung des Zeit- und Ablaufplans sowie aller vom Uno-Sicherheitsrat in diesem Zusammenhang beschlossenen Massnahmen,

beschliesst den Einsatz einer Uno-Friedenstruppe16 nach Kapitel  VII der Uno-Charta, die mit der Einhaltung und Durchsetzung des Waffenstillstands und der zwischen den Vertragsparteien vereinbarten, sicherheitsrelevanten und militĂ€rischen Massnahmen beauftragt wird,

2. Die Konfliktparteien stellen an dem vom Uno-Sicherheitsrat bestimmten Zeitpunkt («Tag X») alle Kampfhandlungen ein.

3. Ab diesem Zeitpunkt werden keine Waffen und Munition mehr an die Ukraine geliefert. Russland stellt ebenfalls die ZufĂŒhrung von Waffen und Munition an seine StreitkrĂ€fte auf dem seit dem 24. Februar 2022 besetzten Territorium und der Krim ein.

4. Alle irregulĂ€ren auslĂ€ndischen KrĂ€fte, MilitĂ€rberater und Angehörigen von Nachrichtendiensten beider Kriegsparteien werden bis zum Tag X +10 vom ukrainischen Territorium abgezogen.

Phase II – Friedensverhandlungen

1. Die Friedensverhandlungen beginnen am Tag X +15 unter dem Vorsitz des Uno-GeneralsekretĂ€rs und/oder des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen fĂŒr Frieden und Sicherheit in der Ukraine am Sitz der Vereinten Nationen in Genf.

2. Beide Konfliktparteien bekrĂ€ftigen ihre Entschlossenheit, die Verhandlungen in der festen Absicht zu fĂŒhren, den Krieg zu beenden und eine dauerhafte, friedliche Regelung aller strittigen Fragen anzustreben. Sie beabsichtigen, die Schreiben Russlands an die Vereinigten Staaten und die Nato vom 17. Dezember 2021, soweit sie fĂŒr die bilateralen Verhandlungen von Bedeutung sind, und das Positionspapier der Ukraine fĂŒr die Verhandlungen vom 29. MĂ€rz 2022 zu berĂŒcksichtigen und an die Ergebnisse der Istanbul-Verhandlungen anzuknĂŒpfen.

3. Elemente einer Verhandlungslösung:

a) Die Konfliktparteien

betrachten sich kĂŒnftig nicht als Gegner und verpflichten sich, zu den Prinzipien gleicher und unteilbarer Sicherheit zurĂŒckzukehren,

verpflichten sich, auf die Androhung und Anwendung von Gewalt zu verzichten,

verpflichten sich, keine kriegsvorbereitenden Massnahmen gegenĂŒber dem Vertragspartner vorzunehmen,

verpflichten sich zu Transparenz in ihren militĂ€rischen Planungen und Übungen sowie zu grösserer Vorhersehbarkeit ihres militĂ€rischen und politischen Handelns,

akzeptieren die Stationierung einer Uno-Friedenstruppe auf ukrainischem Territorium in einer Zone von 50 Kilometern Breite bis zur russischen Grenze einschliesslich der Regionen Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson in ihren Verwaltungsgrenzen,

verpflichten sich, alle Streitfragen ohne Anwendung von Gewalt durch die Vermittlung des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen oder, falls dies geboten ist, durch die Garantiestaaten zu lösen. Das Recht der Ukraine auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung gemĂ€ss Artikel 51 der Uno-Charta ist davon unberĂŒhrt.

b) Russland

zieht seine StreitkrĂ€fte auf dem ukrainischen Territorium auf den Stand vom 23. Februar 2022 zurĂŒck.

zieht seine StreitkrĂ€fte auf seinem Territorium aus einer Zone von 50 Kilometern Breite bis zur ukrainischen Grenze zurĂŒck, die seit dem 24. Februar 2022 in diese Zone verlegt wurden.

c) Die Ukraine

zieht ihre StreitkrĂ€fte aus einer Zone von 50 Kilometern Breite bis zur russischen Grenze, einschliesslich der Regionen Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson zurĂŒck,

erklĂ€rt den permanenten Status als neutraler Staat und tritt keinem militĂ€rischen BĂŒndnis, einschliesslich der Nordatlantischen Allianz, bei. Die SouverĂ€nitĂ€t, territoriale IntegritĂ€t und staatliche UnabhĂ€ngigkeit der Ukraine werden durch entsprechende Zusagen von GarantiemĂ€chten17 gewĂ€hrleistet. Die Garantiezusagen gelten nicht fĂŒr die Krim und Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson innerhalb der ehemaligen Verwaltungsgrenzen,

verzichtet auf die Entwicklung, den Besitz und die Stationierung von Nuklearwaffen auf ihrem Territorium,

wird keine permanente oder befristete Stationierung von StreitkrÀften einer fremden Macht oder deren militÀrischer Infrastruktur auf ihrem Territorium zulassen,

wird keine Übungen und Manöver von auslĂ€ndischen StreitkrĂ€ften auf ihrem Territorium zulassen,

wird die vereinbarten Höchstgrenzen18 fĂŒr die ukrainischen StreitkrĂ€fte innerhalb von zwei Jahren umsetzen.

d) Die Probleme im Zusammenhang mit der Krim und Sewastopol werden innerhalb von 15 Jahren bilateral auf diplomatischem Wege verhandelt und unter Verzicht auf militÀrische Gewalt gelöst.

e) Der kĂŒnftige Status der Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson wird in den Verhandlungen einvernehmlich vereinbart. Russland wird den FlĂŒchtlingen die RĂŒckkehr ermöglichen. Sollten die Verhandlungspartner in dieser Frage keine Einigung erzielen, wird der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen fĂŒr Frieden und Sicherheit in der Ukraine innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Friedensvertrages ein Referendum durchfĂŒhren, in dem die Bevölkerung ĂŒber den kĂŒnftigen Status entscheidet. Teilnahmeberechtigt sind ukrainische StaatsbĂŒrger, die am 31.12.2021 ihren stĂ€ndigen Wohnsitz in diesen Regionen hatten. Russland und die Ukraine verpflichten sich, das Ergebnis des Referendums anzuerkennen und bis zum Ende des Jahres, in dem das Referendum stattgefunden hat, in ihre nationale Gesetzgebung umzusetzen. FĂŒr die Bevölkerung einer oder mehrerer Regionen, die sich fĂŒr den Verbleib im ukrainischen Staatsverband entscheidet, wird die ukrainische Regierung bis zum Ende des Jahres, in dem das Referendum stattgefunden hat, Minderheitenrechte nach europĂ€ischem Standard in die Verfassung aufnehmen und umsetzen (entsprechend dem Minsk II-Abkommen).

f) Garantiestaaten, die Mitglieder der EuropĂ€ischen Union sind, werden die Mitgliedschaft der Ukraine durch die UnterstĂŒtzung rechtstaatlicher und demokratischer Reformen fördern.

g) Der Wiederaufbau der ukrainischen Wirtschaft und Infrastruktur wird durch eine internationale Geberkonferenz gefördert.

h) Beide Vertragsparteien werden an einer Konferenz ĂŒber Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa im KSZE-Format mit dem Ziel einer europĂ€ischen Sicherheits- und Friedensordnung teilnehmen und diese konstruktiv unterstĂŒtzen. Die Konferenz wird innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Friedensvertrages stattfinden.

i) Der Vertrag tritt in Kraft, sobald beide Vertragsparteien und fĂŒnf Garantiestaaten den Vertrag unterzeichnet und, so weit erforderlich, die Parlamente dieser Staaten dies gebilligt haben sowie die Ukraine ihren Status als neutraler, unabhĂ€ngiger und bĂŒndnisfreier Staat (ohne das Ziel einer Nato-Mitgliedschaft) durch die Änderung der Verfassung kodifiziert hat.19

k) Etwaige Verzögerungen rechtfertigen weder den Bruch des Waffenstillstands noch den RĂŒcktritt von den bis dahin erreichten Vereinbarungen.

Phase III – Eine europĂ€ische Sicherheits- und Friedensordnung

Langfristig kann nur eine europĂ€ische Sicherheits- und Friedensordnung die Sicherheit und Freiheit der Ukraine gewĂ€hrleisten, in der die Ukraine und Russland ihren Platz haben. Eine europĂ€ische Sicherheitsarchitektur, in der die geostrategische Lage der Ukraine keine SchlĂŒsselrolle mehr fĂŒr die geopolitische RivalitĂ€t der Vereinigten Staaten und Russlands spielt. Der Weg dorthin fĂŒhrt ĂŒber eine Konferenz im KSZE-Format, die an die grossen Fortschritte der «Charta von Paris» anknĂŒpft und diese unter BerĂŒcksichtigung der gegenwĂ€rtigen sicherheitspolitischen und strategischen Rahmenbedingungen weiterentwickelt.

25.  August 2023

Âč www.un.org/depts/german/gv-notsondert/a-es11-1.pdf
ÂČ www.securitycouncilreport.org/atf/cf/%7B65BFCF9B-6D27-4E9C-8CD3-CF6E4FF96FF9%7D/a_res_es_11_6.pdf 
Âł Gem. FAZ sieht die Ukraine weiterhin keine Chance fĂŒr einen Verhandlungsfrieden mit Russland. «Dieser Frieden muss erkĂ€mpft werden. Und Russland muss besiegt werden. Sonst gibt es keinen Frieden», sagte der ukrainische Botschafter in Berlin, Oleksii Makeiev, den Zeitungen «Rheinische Post» und «General-Anzeiger». (https://www.faz.net/aktuell/)
⁎ Immer wieder wird von deutschen Politikern, die das strategische Prinzip der Zweck-Mittel-Relation nicht verstehen, gefordert, Taurus Luft-Boden-Abstandswaffen zu liefern: https://www.faz.net/aktuell/politik/ukraine-liveticker-deutsche-politiker-fordern-lieferung-von-marschflugkoerpern-faz-19030454.html
⁔ And then there’s the whole question of, if Ukraine is really losing, let’s assume that the Ukrainian military cracks [
] and the Ukrainians are on the run. Again, I’m not saying that’s going to happen, but it is a possibility. What is NATO going to do? Are we going to accept the situation where Ukraine is being defeated on the battlefield in a serious way by the Russians?  I’m not so sure.  And it may be possible in those circumstances that NATO will come into the fight. It may be possible that the Poles decide that they alone have to come into the fight, and once the Poles come into the fight in a very important way, that may bring us into the fight, and then you have a great power war involving the United States on one side and the Russians on the other. https://mate.substack.com/p/john-mearsheimer-ukraine-war-is-a?utm_source=substack&utm_medium=email
⁶ seymourhersh.substack.com/p/opera-buffa-in-ukraine
⁷ www.telegraph.co.uk/news/2023/07/18/ukraine-and-the-west-are-facing-a-devastating-defeat/
⁞ beruhmte-zitate.de/zitate/2082369-wladimir-wladimirowitsch-putin-wer-die-sowjetunion-nicht-vermisst-hat-kein-herz/
âč en.kremlin.ruvents/president/news/69390
10 zeitschrift-osteuropa.de/blog/rede-zur-aufnahme-der-volksrepubliken-doneck-lugansk-zaporoze-undcherson/#:~:text=Ich%20möchte%20daran%20erinnern%2C%20dass,wir%20unsere%20Werte%2C%20unsere%20Heimat
11 www.mdr.de/nachrichten/welt/osteuropa/politik/ukraine-krieg-russland-putin-afrika-friedensmission-100.html
12 Azali Assoumani, PrĂ€sident der Komoren und Vorsitzender der Afrikanischen Union, nach dem Treffen mit PrĂ€sident Putin: «PrĂ€sident Putin hat gezeigt, dass er zum Dialog und zur Suche nach einer Lösung bereit ist, und jetzt mĂŒssen wir die andere Seite ĂŒberzeugen. Ich hoffe, dass wir Erfolg haben werden.» (augenauf.blog/2023/07/28/afrikanische-union-waffenstillstand-in-ukraine-ruckt-naher-wenn-selenski-will/)
13 Der Leitartikler der «Welt» schreibt: Putin hĂ€lt Verhandlungen und einen Waffenstillstand derzeit fĂŒr die vorteilhafteste Option. Jedenfalls eine bessere, als es darauf ankommen zu lassen, wie viele der eroberten Gebiete er halten kann. Denn die Gegenoffensive der Ukraine schreitet voran. Auch die Kosten des Krieges wachsen mit jedem weiteren Tag und gehen zu Lasten der Entwicklung im Land. Das spĂŒrt die Bevölkerung, und das weiss Putin, der bei der PrĂ€sidentschaftswahl nĂ€chstes Jahr keine gesellschaftlichen Spannungen wĂŒnscht. Der Autor schliesst: Sollten die Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland irgendwann ernsthaft aufgenommen werden – etwa weil die Gegenoffensive der Ukraine nicht die gewĂŒnschten Erfolge brachte – , wird sich im Konflikt nichts geĂ€ndert haben: Die Ukraine wird glaubwĂŒrdige Sicherheitsgarantien des Westens brauchen, damit nach der Waffenruhe Russland nicht erneut in die Ukraine einfĂ€llt.
Mindestens ist es ein hochrangiger Testballon aus dem Kreml, den man auch deswegen beachten sollte, weil er das aufnimmt, was die chinesische Initiative stets betont hat, nĂ€mlich die Verhandlungen von Istanbul, die nicht finalisiert wurden, «wieder aufzunehmen». (Vergleiche Waffenstillstands- und Friedensplan Harald Kujats, abgedruckt in Funke: «Ukraine. Verhandeln ist der einzige Weg zum Frieden». Berlin 2023: S. 100–104).
14 Jeffrey D. Sachs: «In fact, the war was provoked by the U.S. in ways that leading U.S. diplomats anticipated for decades in the lead-up to the war, meaning that the war could have been avoided and should now be stopped through negotiations.» (consortiumnews.com/2023/05/24/the-war-in-ukraine-was-provoked/)
15 PrÀsident Biden am 31.05 2022 in einem Namensartikel der NYT: «As President Volodymyr Zelensky of Ukraine has said, ultimately this war will only definitively end through diplomacy.» (www.nytimes.com/2022/05/31/opinion/biden-ukraine-strategy.html)
16 Die Auswahl und Zusammensetzung sollte nicht nach dem ĂŒblichen Force Generation-Verfahren der Uno erfolgen, sondern die Truppensteller sollten zwischen den Verhandlungspartnern abgestimmt werden. MilitĂ€rische Kontingente folgender Staaten könnten fĂŒr beide Seiten akzeptabel sein: Ägypten, Brasilien, Deutschland, Frankreich, Indien, Irland, Italien, Österreich, Pakistan, Schweiz, TĂŒrkei.
17 Die Ukraine hatte am 29. MĂ€rz 2022 in ihrem Positionspapier zu den Verhandlungen in Istanbul folgende Staaten als GarantiemĂ€chte benannt: Russland, Grossbritannien, China, USA, Frankreich, TĂŒrkei, Deutschland, Kanada, Italien, Polen, Israel.
18 Ausgehend von den in der Anlage zum paraphierten Vertragstext von Istanbul aufgefĂŒhrten Höchstgrenzen.
19 Die Ukraine könnte das Inkrafttreten des Vertrages von einem landesweiten Referendum abhÀngig machen.

veröffentlicht 28.August 2023

Der Vorschlag fĂŒr einen Verhandlungsfrieden wurde zuerst in Zeitgeschehen im Fokus veröffentlicht und wird hier mit freundlicher Genehming abgedruckt.

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